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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.11.2008
Aktenzeichen: 3 ZB 08.1824
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 31 Abs. 1
BeamtVG in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung § 45 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung § 45 Abs. 2 Satz 1
BeamtVG in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung § 45 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

3 ZB 08.1824

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Dienstunfalls;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 3. Juni 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Läpple, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Burger-Veigl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weber

ohne mündliche Verhandlung am 21. November 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Abweichung des Urteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts) gestützte Antrag bleibt erfolglos.

Die vom Kläger geltend gemachten Abweichungen des Urteils von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2000 (Az. 2 C 22/99, NVwZ 2001, 328) und vom 28. Februar 2002 (Az. 2 C 5/01,RiA 2003, 187) liegen schon deshalb nicht vor, weil sie hinsichtlich der für die Entscheidung maßgeblichen Vorschrift, nämlich des § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG, zu der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden alten Fassung (Beamtenversorgungsgesetz vom 24.8.1976, BGBl I S. 2485, BeamtVG a.F.) ergangen sind. Die Entscheidung vom 21. September 2000 (a.a.O.) war sogar der Anlass für die Änderung der betreffenden Normen (nunmehr § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG i.d.F. des Gesetzes vom 20.12.2001, BGBl I S. 3926, BeamtVG n.F.) in die seither geltende Fassung (vgl. BT-Drucks. 14/7064 S. 36).

Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht nicht stattgegeben, da der Kläger die Meldefrist nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG n.F. nicht eingehalten hat und wegen Versäumung dieser Ausschlussfrist auch nicht mehr einhalten kann. Der Senat kann sich auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung mit den folgenden Maßgaben beziehen; auch geben die zur Antragsbegründung vorgebrachten Gesichtspunkte Anlass zu Ergänzungen, so dass folgende Ausführungen veranlasst sind:

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG n.F. sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach dem Beamtenversorgungsgesetz entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Der Dienstunfall ereignete sich entsprechend der Meldung des Klägers anlässlich seiner Teilnahme bei der Schießveranstaltung am 28./29. Oktober 2003; die Meldung erfolgte am 28. September 2007. Damit ist die Zweijahresfrist überschritten, sofern sie bei dem (nach Auffassung des Klägers) auslösenden Ereignis zu laufen begonnen hat.

Das Verwaltungsgericht ist von dieser Rechtslage ausgegangen und hat dies damit begründet, dem Kläger habe sich bei sorgfältiger Prüfung bereits unmittelbar nach den entsprechenden Vorfällen aufdrängen müssen, dass die Lärmexposition des ungeschützten Ohres einen Gehörschaden zu Folge haben könnte. Der Zusammenhang zwischen den hohen Lärmpegeln beim Schießen, unmittelbar danach auftretenden Ohrgeräuschen - wie sie der Kläger berichtet - und der Gefahr eines möglichen Gehörschadens sei auch einem Laien bekannt. Nach Ursache und Dauer habe der Kläger die Ohrgeräusche deswegen als Körpersignal für einen möglichen Schaden ernst nehmen müssen und auch nach deren Abklingen nicht darauf vertrauen dürfen, dass kein Schaden zurückgeblieben sei. Somit habe er unmittelbar nach den Vorfällen mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge rechnen müssen, so dass die Ausschlussfrist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG versäumt worden sei. Die Einhaltung der erweiterten Frist nach § 45 Abs. 2 BeamtVG hat das Verwaltungsgericht konsequent nicht mehr geprüft.

Sieht man diese Erwägungen als zutreffend an, so hat das Verwaltungsgericht richtig entschieden (vgl. zutreffend Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, RdNr. 2 Erl. 5.3 zu § 45).

Der Kläger wendet jedoch ein, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für Beginn und Ablauf der Ausschlussfrist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG nicht vorgelegen hätten und dass er die Meldung des Unfalls innerhalb der nach § 45 Abs. 2 BeamtVG eröffneten erweiterten Frist gemacht habe. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass ihm die Verletzung der Obliegenheit einer Unfallmeldung innerhalb der Zweijahresfrist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG n.F. nicht vorgehalten werden kann, so führt das dennoch nicht zum Erfolg seines Antrags auf Zulassung der Berufung. Der Antrag kann dann aus anderen als den vom Verwaltungsgericht herangezogenen Gründen keinen Erfolg haben, denn der Kläger hat jedenfalls die nach § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BeamtVG n.F. vorgeschriebene Dreimonatsfrist nicht eingehalten. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG n.F. (in der hier einzig in Betracht kommenden ersten Alternative) wird nach Ablauf der Ausschlussfrist gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht 10 Jahre vergangen sind (diese Frist ist unzweifelhaft eingehalten) und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können. Diese gesetzliche Formulierung wurde ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. die bereits erwähnte BT-Drucks. 14/7064, S. 36) in Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2000 (a.a.O.) zur alten Fassung der Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG gewählt. Danach wurde (gemäß der vorliegend einschlägigen Alternative) nach Ablauf der Ausschlussfrist (des Abs. 1 der Norm) Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht 10 Jahre vergangen waren und gleichzeitig glaubhaft gemacht wurde, dass eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls erst später bemerkbar geworden war. Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hatte dies so ausgelegt, dass eine Unfallfolge in diesem Sinn bemerkbar geworden war, wenn der verletzte Beamte bei sorgfältiger Prüfung nach seinem Urteilsvermögen zu der Überzeugung gekommen war oder hatte kommen müssen, dass sein Leiden durch den Unfall verursacht sei. Dass er nur mit einer solchen Möglichkeit gerechnet hatte oder hatte rechnen müssen, hätte nicht genügt. Dieser Ausschluss (Rechnen mit der Möglichkeit) sollte durch den eindeutigen Wortlaut der Neufassung dieser Vorschrift beseitigt werden und es soll nur noch darauf ankommen, ab wann Verletzungen oder Symptome feststellbar sind, die eine solche Entwicklung als möglich erscheinen lassen.

Demnach hat der Betroffene mit dem Vorliegen eines nach §§ 30 ff. BeamtVG relevanten Unfalls zu rechnen, wenn er das schadenstiftende Ereignis erkennt und die Möglichkeit eines Schadenseintritts absehbar, also hinreichend wahrscheinlich ist. Das kausale Ereignis muss freilich auch nach der Neufassung des Gesetzes "bemerkbar" gewesen sein. Davon ist bei einem Unfall regelmäßig auszugehen, wenn Beschwerden auftreten, die einem dienstlich veranlassten Ereignis zugeordnet werden können, oder wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass ein dienstlich veranlasstes Ereignis zu einem Körperschaden führt. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Verletzte die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs verschafft hat oder verschaffen konnte. Ausreichend ist vielmehr, dass ein Ereignis stattgefunden hat, das auch in der Laiensphäre als dienstlich bedingter Unfall (oder -hier nicht vorliegend - als unfallgleiches Geschehen) zu qualifizieren und aus der Sicht eines objektiven Betrachters geeignet ist, Ansprüche auf Unfallfürsorge zu begründen (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BeamtVG, RdNr. 10 b zu § 45). Demgegenüber kann mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorgeleistungen begründenden Unfallfolge nicht erst dann gerechnet werden, wenn verletzungsbedingt organische Veränderungen in einem längeren Entwicklungsprozess zu gravierenden Beschwerden oder Ausfallerscheinungen führen (so zutreffend Stegmüller/Schmalhofer/Bauer a.a.O. RdNr. 2 Erl. 5.3 zu § 45).

Daran gemessen hat der Kläger auf jeden Fall den Unfall mehr als drei Monate, bevor die in § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG n.F. statuierte Meldefrist zu laufen begonnen hat, und somit nach Ablauf dieser Frist bei der Behörde gemeldet. Nach seinem eigenen Vortrag verspürte der Kläger bereits am ersten Tag des Schießtrainings ein Pfeifgeräusch in den Ohren, welches aber nach zwei Tagen wieder verschwand. Danach ist die Voraussetzung erfüllt, wonach das kausale Ereignis (sein Vorliegen unterstellt) hinreichend bemerkbar gewesen ist, denn auch ein medizinischer Laie kann ein Pfeifgeräusch, das vorher nicht vorhanden gewesen sein kann (sonst würde der Vortrag des Klägers schon aus diesem Grund keinen Sinn machen) einem intensiven zweitägigen, dienstlich veranlassten Schießtraining ohne weiteres zuordnen. Dass das Pfeifen deutlich wahrnehmbar gewesen sein muss, ergibt sich schon daraus, dass sich der Kläger auch Jahre später noch daran erinnern konnte. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgehen möchte, dass die Dauer dieses ursprünglichen Pfeifgeräuschs noch nicht nach allgemeiner Lebenserfahrung mit einiger Wahrscheinlichkeit zur Annahme eines sich darin manifestierenden Körperschadens geführt hat, so musste diese Reaktion spätestens bei der Wiederkehr dieses Pfeifgeräuschs, verbunden mit Schwerhörigkeit, eintreten.

Der Kläger möchte allerdings glaubhaft machen, dass es in der Folgezeit (also zwei bis drei Tage nach Beendigung des Schießtrainings) zu keinerlei Beschwerden mehr gekommen sei. Erst im Juli 2007 habe er sich bei dem Facharzt Dr. M. vorgestellt, weil er den Eindruck gehabt habe, schlechter zu hören. Erst durch den Facharzt sei er darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Hörminderung auf ein Knalltrauma zurückgehe.

Der Senat folgt dem Kläger hierbei nicht. Er hält sich vielmehr an den HNO-ärztlichen Befundbericht des Dr. M. vom 13. Mai 2008, der nach einer Erklärung des Klägers über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vom 23. April 2008 und somit in Kenntnis des Klägers dem Verwaltungsgericht auf Anforderung zugesendet worden ist. Dort ist eingangs festgehalten: "Erstuntersuchung in unserer Praxis am 9.7.07 wegen seit einigen Jahren zunehmender Hörminderung bds. sowie rez. Pfeifen in bd. Ohren re.>li." Die Beklagtenseite hat im Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 16. Oktober 2008 auf diesen Umstand ausdrücklich hingewiesen; der Kläger ist dem mit seinem auf dieser Äußerung eingehenden Schriftsatz vom 3. November 2008 nicht entgegengetreten. Somit ist davon auszugehen, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 28./29. Oktober 2003 (Unfallereignis) bis zum 9. Juli 2007 (Vorstellung bei Dr. M.), also etwa 3 3/4 Jahren, zunächst deutlich bemerkbare körperliche Beschwerden in einem ebenso erkennbaren Zusammenhang mit einem dienstlichen Ereignis hatte und dass eben solche Beschwerden Jahre vor dem Monat Juli 2007 gleichfalls bemerkbar waren. Dies lässt als einzigen Schluss die Folgerung zu, dass der Kläger - wenn nicht schon im Zweijahreszeitraum nach § 45 Abs. 1 BeamtVG n.F - zumindest über eine weitaus längere Zeitspanne als die in § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG n.F. statuierte Dreimonatsfrist mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls hatte rechnen können und dass es ihm nicht gelungen ist, das Gegenteil glaubhaft zu machen.

Unter diesen Umständen ist weder erforderlich, sich mit der (im Übrigen einen anders gelagerten Sachverhalt behandelnden und zu § 45 Abs. 1 BeamtVG a.F. ergangen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen vom 21. Januar 1999 näher auseinander zu setzen, noch den Sachverständigen Dr. M. anzuhören.

Demnach ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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