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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 31.03.2003
Aktenzeichen: 4 B 00.2823
Rechtsgebiete: GO, BayVwVfG, VwGO
Vorschriften:
GO Art. 21 | |
GO Art. 29 | |
GO Art. 37 | |
BayVwVfG Art. 46 | |
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4 |
4 B 00.2823 W 2 K 00.140
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen
Zulassung zu einem Volksfest (Kiliani);
hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 26. Juli 2000,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. März 2003 am 31. März 2003
folgendes
Urteil:
Tenor:
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. Juli 2000 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 30. November 1998 rechtswidrig war.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Am 12. Oktober 1998 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Zulassung zum Kiliani-Volksfest 1999 mit der Achterbahn " **** ***". Mit Bescheid vom 30. November 1998 lehnte die Beklagte die Zulassung ab. Aufgrund zahlreicher Bewerbungen und nur begrenzt zur Verfügung stehender Flächen habe dem Antrag nicht entsprochen werden können. Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Mit am 3. März 1999 eingegangenem Schriftsatz erhoben die Verfahrensbevollmächtigten der Kläger Widerspruch und rügten die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung. Die Kläger könnten für sich das Kriterium "bekannt und bewährt" in Anspruch nehmen, denn der Vater der Klägerin sei bereits seit 1955 mit einem Fahrgeschäft auf dem Kiliani-Volksfest vertreten gewesen und seine Tochter setze nun mit ihrem Ehemann diese Tradition fort. Das Fahrgeschäft " ***** ****" passe gut in das Konzept des Kiliani-Volksfestes und sei bereits im Jahre 1994 von den Besuchern angenommen worden.
Mit Schreiben vom 11. März 1999 erläuterte die Beklagte die Entscheidung dahingehend, dass den Klägern bereits anlässlich des Kiliani-Volksfestes 1997 erklärt worden sei, dass ihr Geschäft mangels hinreichend attraktiver Ausstattung nicht die uneingeschränkte Zustimmung der Beklagten gefunden habe. Der Kläger habe Veränderungen zugesagt, die aber nicht realisiert worden seien. Auch für das Jahr 1999 hätten mehrere Bewerbungen für den Geschäftstyp "***** ****" vorgelegen und auf Grund der Erfahrungen aus dem Jahr 1997 habe sich die Beklagte wiederum für den damals zugelassenen Bewerber (Firma K.) entschieden.
Mit Schreiben vom 29. Juli 1999 teilte die Regierung von Unterfranken den Verfahrensbevollmächtigten der Kläger mit, dass sich der Widerspruch nach Durchführung des Kiliani-Volksfests 1999 erledigt habe.
Am 15. Februar 2000 erhoben die Verfahrensbevollmächtigten der Kläger Klage mit dem Ziel der Feststellung, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 30. November 1998 rechtswidrig gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht stellten sie klar, dass die Kläger bereits im Jahr 1999 keinen Grundbesitz mehr in Würzburg gehabt hätten. Die Beklagte erläuterte ihr Auswahlverfahren dahingehend, dass für den Fall fehlender Bewerbungen großer Fahrgeschäfte die Alternative auch in der Zulassung kleiner Fahrgeschäfte bestehen könne. Dabei werde vornehmlich auf eine hohe Qualität in Optik und Ausstattung Wert gelegt. In einem weiteren Schritt werde der Grundsatz "bekannt und bewährt" beachtet. Der zuständige Bedienstete der Beklagten sei direkt dem Oberbürgermeister unterstellt und befinde allein über die Zulassung. Bei Problemen wende er sich an den Oberbürgermeister, der dann letztendlich entscheide.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Juli 2000 abgewiesen. Die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage sei unbegründet. Ein Anspruch auf Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung könne grundsätzlich nur im Rahmen der Kapazität bestehen, und die Auswahl habe sich nach sachlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes zu richten. Die Kläger könnten sich nicht auf den Grundsatz "bekannt und bewährt" berufen, da das Merkmal der Bekanntheit betriebsbezogen und dass der Bewährung persönlichkeitsbezogen sei; letzteres könne daher nicht auf einen Betriebsnachfolger übertragen werden. Dieses Merkmal erfüllten die Kläger mit ihrem einmaligen Auftritt im Jahr 1994 nicht. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer Freiheit zur Gestaltung des Volksfests bestimmen können, ob und gegebenenfalls welche Fahrgeschäfte sie überhaupt zulasse und wie sie im Falle fehlender Bewerbungen den nichtbesetzten Platz anderweitig vergebe. Gegen die von ihr angeführten Kriterien der Optik und Ausstattung bestünden keine Bedenken. Auch bei der Anwendung der Kriterien im Rahmen der konkreten Auswahlentscheidung stehe der Beklagten ein weiter Spielraum zu, der hier nicht überschritten worden sei.
Die Ablehnung sei auch nicht deshalb fehlerhaft, weil seitens der Beklagten deren Bediensteter W. entschieden habe. Die Entscheidung über die Vergabe eines Standplatzes an einen Schausteller und die konkrete Auswahl zwischen konkurrierenden Unternehmen falle bei einer Stadt von der Größe Würzburgs unter die vom Oberbürgermeister in eigener Zuständigkeit zu erledigenden laufenden Angelegenheiten.
Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung führen die Verfahrensbevollmächtigten der Kläger aus, dass die Entscheidung über die Vergabe eines Standplatzes an einen Schausteller bei einer Stadt von der Größe Würzburgs nach der Praxis anderer bayerischer Großstädte keine laufende Angelegenheit sei. Die Festlegung der Zulassungskriterien und die Regelung des Auswahlverfahrens bedürften einer Entscheidung des Stadtrats bzw. eines beschließenden Ausschusses. Ohne vom Stadtrat aufgestellte Vergaberichtlinien sei die streitgegenständliche Entscheidung rechtsfehlerhaft. Hinsichtlich der sachlichen Gründe wurde der bisherige Vortrag wiederholt und darauf hingewiesen, dass die Kläger auch in den Folgejahren nicht zum Kiliani-Volksfest zugelassen worden seien.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 30. November 1998 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Auswahl der Geschäfte und die Vergabe der Standplätze für das Kiliani-Volksfest sei seit jeher Aufgabe der Verwaltung gewesen. Diese Praxis sei auch nicht unüblich, sondern entspreche einer gängigen Verfahrensweise in anderen bayerischen Städten. Da Volksfeste mit anderen "Events" in Konkurrenz stünden, müsse der Veranstalter schnell und flexibel ohne den Umweg über einen Ausschuss reagieren können, um den Besuchern attraktive und herausragende Geschäfte zu präsentieren.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 30. November 1998 war rechtswidrig und hat die Kläger in ihren subjektiven Rechten verletzt.
1. Der auch im Rahmen der Verpflichtungsklage statthafte Fortsetzungsfeststellungsantrag (vgl. BVerwGE 81, 365/367) ist gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Der Ablehnungsbescheid war im Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung noch nicht in Bestandskraft erwachsen, da die Kläger zuvor rechtzeitig Widerspruch erhoben hatten. Infolge Erledigung während des laufenden Widerspruchsverfahrens unterlag die Klageerhebung keiner Fristbindung (BVerwG vom 14.7.1999 NVwZ 2000, 63) und für eine Verwirkung des Klagerechts gibt es vorliegend keinen Anhalt. Das Verwaltungsgericht hat das berechtigte Feststellungsinteresse zutreffend aus dem Aspekt der Wiederholungsgefahr hergeleitet (BayVGH vom 29.1.1991 BayVBl. 1991, 370 f.). Diese Gefahr hat sich auch tatsächlich manifestiert, nachdem den Klägern auch in den Folgejahren die Zulassung zum Kiliani-Volksfest versagt worden ist.
2. Die Klage ist begründet, weil die (ablehnende) Zulassungsentscheidung der Beklagten für das Kiliani-Volksfest mangels Regelung der Vergabekriterien durch den Stadtrat bzw. einen beschließenden Ausschuss für den Fall konkurrierender Zulassungsanträge nicht als laufende Angelegenheit i.S. des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 GO anzusehen war. Die Ablehnungsentscheidung ohne Mitwirkung beschließender Gremien der Beklagten hat das subjektive Recht der Kläger auf fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens im Rahmen der Zulassungsentscheidung verletzt.
a) Das jährliche Kiliani-Volksfest in Würzburg fällt unter den Begriff der öffentlichen Einrichtung i.S. des Art. 21 GO. Die Beklagte hält nicht etwa nur den Festplatz (Talavera) vor, sondern führt das Volksfest in kommunaler Regie als eigene Veranstaltung durch. Mangels Festsetzung richtet sich die Zulassung nicht nach § 70 GewO, sondern ist anhand der Gemeindeordnung zu beurteilen.
Eine Berufung der Kläger auf Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO scheidet aus. Ob die Schausteller auf einem Volksfest überhaupt zu den Nutzern i.S. des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO zu zählen sind (so BayVGH vom 11.9.1981 BayVBl. 1982, 656 f.; kritisch demgegenüber Hölzl/Hien/Huber, Art. 21 GO Anm. 5 c; Bauer/Böhle/Masson/Samper, Art. 21 GO Rdnr. 21), kann hier dahinstehen, da die Kläger weder Gemeindeangehörige (Art. 15 Abs. 1 GO) von Würzburg sind noch über Grundbesitz oder eine gewerbliche Niederlassung im Stadtgebiet der Beklagten verfügen (Art. 21 Abs. 3 GO).
Einen Zulassungsanspruch vermag ihnen aber auch prinzipiell die Widmung der Einrichtung im Zusammenwirken mit dem Gleichbehandlungsanspruch (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) zu vermitteln, wenn diese den Kreis der zulassungsfähigen Schausteller auch auf ortsfremde Beschicker erstreckt. Für das Vorliegen einer Widmung bedarf es keines förmlichen Rechtsakts in Form einer Satzung oder einer schriftlich erlassenen Allgemeinverfügung; letztere vermag auch "in anderer Weise" (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG) und damit konkludent erklärt zu werden (BayVGH vom 21.1.1988 BayVBl. 1988, 497/498). So verhält es sich hier. Zwar liegt eine explizite Widmung nicht vor, aber die Zulassungsfähigkeit auch ortsfremder Schausteller zum Kiliani-Volksfest ergibt sich aus der entsprechenden jahrelangen Vergabepraxis der Beklagten, die Rückschlüsse auf den Umfang der konkludenten Widmung gestattet und damit den Klägern prinzipiell einen Zulassungsanspruch verschafft. Dieser schwächt sich im Falle erschöpfter Kapazität - wie auch ein Anspruch aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO - zu einem subjektiv-öffentlichen Recht auf sachgerechte und fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens ab.
b) Die Willensbildung als Grundlage der einzelnen Zulassungsentscheidung von Beschickern und Schaustellern zu einem Volksfest der hier vorliegenden Größe fällt bei Vorliegen konkurrierender Zulassungsanträge auch in einer Großstadt von der Größe der Beklagten nur dann als laufende Angelegenheit in die eigene Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters gem. Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO, wenn der Gemeinderat bzw. ein beschließender Ausschuss zumindest Vorgaben in Form von Auswahlkriterien beschlossen hat. Der Senat hat dazu folgendes erwogen:
aa) Das Resultat der Einzelentscheidung über den Zulassungsantrag eines Schaustellers für ein Volksfest wird - inhaltlich gestuft - durch Vorentscheidungen auf verschiedenen Ebenen beeinflusst:
Die Widmung setzt hinsichtlich der Zweckbestimmung des Volksfests als kommunaler Einrichtung einen grundlegenden Rahmen. Sie fixiert zumeist ungefähr Zeit, Dauer und Ort des Fests als Typ (z.B. Weinfest), und umreißt zumindest grob die Anbietergruppen (örtliche Vereine, gewerbliche Schausteller, Verkaufseinrichtungen, Lebensmittelverzehr), mit deren Hilfe die Gemeinde ihre Einrichtung ausgestaltet (vgl. § 4 der nur für festgesetzte Veranstaltungen geltenden Marktsatzung der Beklagten vom 4.7.1984). Darüber hinaus trifft sie hinsichtlich der Besucher die Entscheidung über die Nutzungsart (zulassungsfreier Allgemeingebrauch oder Zulassungsgebrauch). Damit werden Charakter, Gestalt und Prägung der Veranstaltung im Kern umrissen.
Die mehr oder weniger ausfüllungsbedürftigen Vorgaben aus der Widmung münden zumeist in ein Konzept, mit dem der Ablauf der konkret bevorstehenden Veranstaltung geplant wird. Die Arten der gewünschten Anbietergruppen werden unter Attraktivitätsgesichtspunkten ausgewählt und ihnen werden Flächen(kontingente) zugeordnet. Neben sicherheitsrechtlichen Belangen (Flucht- und Rettungswege) wird die räumliche Verteilung der Anbietergruppen auf dem Festplatz durch Aspekte gegenseitiger Verträglichkeit und optimaler Raumausnutzung gesteuert. Planungen für die Anschlüsse der Geschäfte an Infrastruktureinrichtungen (Elektrizität, ggf. Frisch- und Abwasser) sowie organisatorische Regelungen zu Steuerung bestimmter Abläufe runden den die Konkretisierung der Widmung betreffenden Teil des Konzepts ab. Darüber hinaus sind Entgelte für die Anbieter festzusetzen und Verfahrensregelungen (Anmeldefrist, notwendige Antragsunterlagen) zu treffen. In diese Stufe gehört auch die Formulierung abstrakter Zulassungskriterien, nach denen die konkrete Vergabe im Falle konkurrierender Bewerbungen um nicht für alle Antragsteller ausreichende Flächenkontingente zu entscheiden ist.
Die auf der Basis eines derartigen Konzepts erfolgte Ausschreibung führt zu Bewerbungen, unter denen im Falle die Kapazität überschreitender Zahl ausgewählt werden muss. In diese Auswahlentscheidung münden die genannten Vorgaben aus Widmung sowie Veranstaltungskonzept und werden auf dieser Stufe für den Einzelfall konkretisiert.
bb) Die für eine derartige Entscheidung relevanten Auswahlkriterien unterscheiden sich in Ansatz und Funktion: Sachbezogen wird darauf abgestellt, ob das konkrete Geschäft nach seiner Art zu dem gestuft konkretisierten Widmungszweck passt bzw. welches im Fall konkurrierender Bewerbungen besser damit harmoniert. Personenbezogene Aspekte wie Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bewerten bzw. vergleichen die Gewähr der Bewerber, Sicherheitsstandards einzuhalten, einen ungestörten Betriebsablauf zu garantieren und dadurch zu dem Gelingen der Veranstaltung als Realisierung des Widmungszwecks beizutragen. Beide Arten von Kriterien statuiert die Gemeinde in Ausübung ihrer Ausgestaltungsbefugnis für das Volksfest als kommunale Einrichtung. Gleichzeitig formt sie damit den Zulassungsanspruch des Bewerbers bzw. sein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung entsprechend aus. Die in dem Recht der Gemeinden, Einrichtungen zum Wohl ihrer Einwohner zu schaffen und zu unterhalten, als Ausfluss der Selbstverwaltungsgarantie (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Art. 1 GO Anm. 5) wurzelnde Gestaltungsbefugnis reicht inhaltlich sehr weit; hinsichtlich der personenbezogenen Kriterien ist sie nur dem aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV zu entnehmenden Gebot sachgerechter Differenzierung unterworfen (BayVGH vom 11.9.1981 BayVBl. 1982, 656/657).
cc) Die Ausübung der materiell weitreichenden Gestaltungskompetenz von der Widmung bis zur Einzelzulassung hat die Gemeinde als wesentliche Entscheidungen für die öffentliche Einrichtung selbst wahrzunehmen und kann sie nicht privaten Dritten überlassen (BayVGH vom 17.2.1999 VGH n.F. 52, 31/34 = BayVBl. 1999, 657/658). Die inhaltliche Reichweite der Ausgestaltungsbefugnis als Kehrseite geringer gesetzlicher Determination einer Entscheidung ist aber bei Einrichtungen von gewissem Gewicht auch für die innergemeindliche Organkompetenz zur Willensbildung von Bedeutung: Je dünner die Dichte materiellrechtlicher Vorgaben des Gesetzgebers, desto größer ist der Anteil an Gestaltungs- und Bewertungselementen, der eine Beteiligung eines Beschlussorgans erfordert.
Bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten von erstem Bürgermeister und Gemeinderat (bzw. beschließenden Ausschuss) ist die Widmung (bzw. ihre Änderung) als wesentliche Grundentscheidung zur Ausgestaltung eines größeren Volksfests in Form der öffentlichen Einrichtung dem Gemeinderat vorbehalten (vgl. auch Hölzl/Hien/Huber, Art. 21 Anm. 4). Nur zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese innergemeindliche Kompetenzzuweisung nicht der Annahme einer - insbesondere bei traditionellen Volksfesten vorliegenden (vgl. BayVGH vom 11.9.1991 a.a.O.) - konkludenten Widmung entgegensteht, die letztlich dem Gemeinderat zuzurechnen ist.
Für die verschiedenen Elemente des wiederkehrend zu erstellenden Veranstaltungskonzepts lässt sich die Kompetenzfrage dagegen nicht einheitlich beantworten: Im Bereich widmungskonkretisierender Regelungen (z.B. Änderung der vorgesehenen Geschäftssparten) kommt es entscheidend darauf an, ob Erscheinungsbild und Charakter des Volksfests tangiert werden können oder ob es sich um untergeordnete Fragestellungen (z.B. Sortimentsauswahl, Flächenbeschränkungen) handelt. Nur die für eine Einrichtung wesentlichen Entscheidungen bedürfen der Billigung durch ein Beschlussorgan. Die insoweit entwicklungsoffene, dynamische Widmung lässt genügend Spielraum für die von der Beklagten verständlicherweise reklamierte Flexibilität, um das Volksfest in seiner konkreten Ausgestaltung über die Jahre hinweg abwechselungsreich und attraktiv halten zu können.
Demgegenüber fällt die abstrakte Auswahl und Fixierung der im Einzelfall heranzuziehenden Zulassungskriterien bei größeren Volksfesten als wesentliche Determinante für die jeweilige Auswahlentscheidung nicht mehr unter die laufenden Angelegenheiten i.S. des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO (so auch VGH Mannheim vom 27.8.1990 NVwZ-RR 1992, 90 f.; a.A. VG Ansbach vom 11.1.1996 NVwZ-RR 1997, 98/99 für das Marktzulassungsrecht). Sie entzieht sich deshalb auch einer Delegation auf einen Gemeindebediensteten gem. Art. 39 Abs. 2 GO. Die Ausfüllung der gesetzlich kaum vorgeformten weitreichenden Gestaltungsbefugnis der Gemeinde zwingt zu einer Rückkoppelung an ein Beschlussgremium. Nur wenn der Gemeinderat bzw. ein beschließender Ausschuss zumindest Vorgaben in Form von Auswahlkriterien beschlossen hat, stellt die konkrete Zulassungsentscheidung ein Geschäft der laufenden Verwaltung i.S. des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO dar. Gleiches dürfte übrigens auch für die in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung insgesamt zu betrachtende Gestaltung der Entgeltregelungen bei einem größeren Volksfest gelten, die selbst für eine Großstadt wie die Beklagte grundsätzliche Bedeutung besitzt.
Auch wenn wegen des Charakters des Art. 37 GO als Schutzvorschrift für die Gemeinde (BayVGH vom 28.11.1960 VGH n.F. 13, 120/123) die Zuweisung der Organkompetenz aus der Perspektive der Kommune vorzunehmen ist (so schon BayVGH vom 5.3.1957 VGH n.F. 10, 64/67), spricht im Ergebnis für die Notwendigkeit der Beteiligung eines Beschlussorgans nicht zuletzt die erhebliche Grundrechtsrelevanz der Zulassungskriterien aus der Sicht der betroffenen Schausteller (VGH Mannheim vom 30.4.1991 NVwZ-RR 1992, 132/133).
c) Mangels Vorgaben eines Beschlussorgans in Form von Auswahlkriterien war die streitgegenständliche Ablehnungsentscheidung gegenüber den Klägern für das Kiliani-Volksfest 1999 nicht von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO gedeckt. Damit schied auch eine Delegation gem. Art. 39 Abs. 2 GO an den Bediensteten W. aus, zumal die Delegationsanordnung des Oberbürgermeisters vom 7. Januar 1991 ihrerseits wiederum auf "Angelegenheiten der laufenden Verwaltung" beschränkt war.
Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den gemeindlichen Organen hat rechtliche Bedeutung auch nach außen, d.h. es kann sich ein Außenstehender, dem gegenüber der erste Bürgermeister gehandelt hat, darauf berufen, dass es an der Tätigkeit oder Mitwirkung des zuständigen Gemeinderates fehle und daher das gemeindliche Handeln ihm gegenüber fehlerhaft sei (so bereits BayVGH vom 5.3.1957 VGH n.F. 10, 64/65 f. mit Verweis auf das Urteil vom 13.12.1954 VGH n.F. 8, 69/72). Wegen der auch schon in der Zeit vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes vertretenen Heilbarkeit fehlender Organkompetenz bei Erlass von Verwaltungsakten durch nachträgliche Beschlussfassung (BayVGH vom 5.3.1957 a.a.O. S. 66) ist dieser Mangel mit Blick auf die für Verwaltungsverfahren geltende Regelung des Art. 45 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG als Verfahrensmangel anzusehen (Hölzl/Hien/Huber, Art. 38 Anm. 2 b; Bauer/Böhle/Masson/Samper, Art. 38 Rdnr. 6; Widtmann/Grasser, Art. 29 GO Rdnr. 25). Die fehlende Beschlussfassung des Stadtrates bzw. eines beschließenden Ausschusses lässt die Außenvertretungsmacht des Oberbürgermeisters (bzw. im Fall der Delegation der Verwaltung) als Wirksamkeitsvoraussetzung für den trotzdem erlassenen Verwaltungsakt unberührt. Sie missachtet aber beim Zustandekommen des Verwaltungsakts die Notwendigkeit einer Beteiligung des Beschlussorgans im Rahmen der innergemeindlichen Willensbildung.
Die Erheblichkeit dieses Verfahrensfehlers bestimmt sich nach Art. 46 BayVwVfG (i.d.F. des Gesetzes vom 26.7.1997, GVBl. S. 348). Diese Vorschrift ist auch im Rahmen der Sachprüfung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags von Bedeutung, da die Rechtsschutzzone des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht weiter reicht als die des zugrundeliegenden Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags. Die Fortsetzungsfeststellungsklage soll nur der spezifischen Situation des Wegfalls der Beschwer bzw. der unmöglich gewordenen Erreichbarkeit des ursprünglich verfolgten Ziels Rechnung tragen, dem Kläger aber nicht mehr Rechtsschutz als im Falle des noch zulässigen Primärantrags verschaffen (J. Schmidt in Eyermann, VwGO, §113 Rdnr. 109; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rdnr. 108 m.w.N.). Das kann aber letztlich dahinstehen, da vorliegend die mangelnde Beteiligung eines Beschlussorgans auch bei Anwendung des Art. 46 BayVwVfG diesem Verfahrensfehler nicht die Bedeutung nimmt. Bei der Auswahlentscheidung als Ermessensverwaltungsakt zulasten der Kläger ist es mit Blick auf die Gestaltungsfreiheit der Gemeinde hinsichtlich der heranzuziehenden Auswahlkriterien und der selbst bei deren Anwendung in Teilbereichen verbleibenden Einschätzungsprärogative nicht offensichtlich, dass es bei Mitwirkung eines Beschlussorgans nicht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Die in der Neufassung des Art. 46 BayVwVfG enthaltene Tatbestandsvoraussetzung der negativen Kausalität für den Ausschluss des klägerischen Kassationsanspruchs weist die Last des non liquet der Behörde zu und enthält eine widerlegbare Kausalitätsvermutung zu ihren Lasten. Für deren Widerlegung ist aber vorliegend nichts ersichtlich.
Durch den relevanten Verfahrensfehler werden die Kläger in ihrem durch Art. 12 GG fundierten subjektiv-öffentlichen Recht auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens verletzt. Auch wenn das ursprünglich (im Widerspruchsverfahren) verfolgte Verpflichtungsbegehren auf Zulassung zum Kiliani-Volksfest 1999 mangels Spruchreife nur zu einem Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) hätte führen können, hat der auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheids beschränkte Fortsetzungsfeststellungsantrag vollumfänglich Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über deren vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.090,34 Euro festgesetzt (entspricht 8.000,00 DM; §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14, 73 Abs. 1 GKG).
Ende der Entscheidung
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