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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 4 B 01.1818
Rechtsgebiete: GrStG


Vorschriften:

GrStG § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

4 B 01.1818

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Grundsteuererlaß 1997/98;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Mai 2001,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann,

ohne mündliche Verhandlung am 31. März 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Mai 2001 wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1. Der Kläger erwarb 1996 das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaute Grundstück Marktplatz 9 in W. Er ließ das Gebäude, das zuvor von einer Bank als Filiale genutzt worden war, in den Jahren 1997 und 1998 grundlegend umbauen, um die Wohnungen und Geschäftsräume anschließend zu vermieten. Der Beklagte setzte die Grundsteuer für 1997 und die folgenden Jahre mit Bescheid vom 28. Februar 1997 zunächst auf jeweils 428,40 DM und später mit Bescheid vom 16. Dezember 1997 auf jeweils 354,62 DM fest.

Unter dem 5. Januar 1998 beantragte der Kläger den Erlass der Grundsteuer nach § 33 GrStG mit der Begründung, dass er sein Anwesen in den Kalenderjahren 1997 und 1998 nicht nutzen und auch keine Mieteinnahmen erwirtschaften könne. Denn es liege in einem durch Satzung des Beklagten vom 18. Januar 1996 nach § 142 Abs. 3 BauGB festgesetzten Sanierungsgebiet und müsse grundlegend saniert und modernisiert werden; deshalb stehe das Gebäude leer. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. Februar 1999 ab. Ein Grundsteuererlass komme nicht in Betracht, weil der Kläger eine etwaige Minderung des Rohertrages selbst zu vertreten habe. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15.7.1999).

2. Der Kläger hat Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und vorgetragen, dass die Sanierungsarbeiten, die zum Leerstand des Objekts geführt hätten, nicht von ihm zu vertreten wären, sondern aus verschiedenen Gründen objektiv notwendig gewesen seien. Zum einen habe aufgrund der Sanierungssatzung des Beklagten eine Sanierungsanordnung gedroht. Anstelle einer solchen Anordnung habe er dann mit dem Beklagten am 18. Juni 1997 eine Sanierungsvereinbarung getroffen, mit der er sich zu umfangreichen Umbauarbeiten an dem Haus verpflichtet habe, um die festgestellten erheblichen städtebaulichen Mängel zu beseitigen. Zum anderen sei eine Vermietung nicht möglich gewesen, ohne zuvor die von der Bank als Vornutzerin vorgenommenen Veränderungen am Gebäude zurückzubauen. Im übrigen seien Gewerbeobjekte aufgrund struktureller Probleme in der Region schwer zu vermieten; er habe sich bereits kurz nach dem Erwerb des Objekts um dessen Vermietung bemüht, aber erst zum 1. Januar 1999 einen Mieter gefunden.

Der Kläger hat (soweit noch von Interesse) beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 1. Februar 1999 und des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 1999 zu verpflichten, die Grundsteuer für die Kalenderjahre 1997 und 1998 zu erlassen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15. Mai 2001 (insoweit) stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 1. Februar 1999 und des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 1999 verpflichtet, die durch den Bescheid vom 16. Dezember 1997 festgesetzte Grundsteuer für die Kalenderjahre 1997 und 1998 zu erlassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer aus § 33 GrStG habe. Der Rohertrag des Grundstücks sei infolge der Umbauarbeiten vollständig ausgefallen, ohne dass der Kläger das zu vertreten hätte. Das ergebe sich aus der Sanierungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten, die grundsätzlich und so auch hier anstelle der Anordnung eines Gebots nach § 177 BauGB geschlossen worden sei. Deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Leerstehen des Objekts während der Umbauphase allein auf dem Willen des Klägers beruht habe.

3. Der Beklagte macht mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung geltend:

Fehl gehe bereits die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das Leerstehen eines Mietobjekts infolge von Baumaßnahmen, die aufgrund einer drohenden oder tatsächlichen Sanierungsanordnung nach § 177 BauGB erfolgten, einen Umstand darstellten, der zu einer vom Steuerschuldner nicht zu vertretenden Minderung des Rohertrags führen würde. Denn Grund für das Leerstehen sei ausschließlich die Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes, nicht die (drohende) behördliche Maßnahme, die nach § 177 BauGB nur eine Rechtsfolge der Missstände oder Mängel der baulichen Anlage sei. Die Sanierungsbedürftigkeit liege aber im Verantwortungsbereich des Steuerschuldners und könne deshalb einen Grundsteuererlass nach § 33 GrStG, der nur für vorübergehende Mietausfälle aufgrund außergewöhnlicher Umstände des Einzelfalles vorgesehen sei, nicht rechtfertigen. Selbst wenn man aber dem Ansatz des Verwaltungsgericht folgen wollte, dann müsse im Fall des Klägers ein Erlass dennoch ausscheiden. Denn die Sanierungsvereinbarung sei ausschließlich auf Initiative des Klägers zustande gekommen und mithin auch von diesem zu vertreten. Der Kläger habe damit Steuervorteile nach § 7h EStG erlangen wollen. Der Beklagte habe Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer Sanierungsanordnung nach § 177 BauGB gehegt, die Vereinbarung aber dennoch auf Wunsch des Klägers abgeschlossen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Beklagten vorgelegt Heftung und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer für die Jahre 1997 und 1998 wegen wesentlicher Ertragsminderung. Seine Klage ist deshalb unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG wird die Grundsteuer bei bebauten Grundstücken in bestimmtem Umfang (entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts aber unter keinen Umständen in voller Höhe) erlassen, wenn der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 20 v.H. gemindert ist und wenn der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Zwar hat das Anwesen des Klägers in dem gesamten streitgegenständlichen Zeitraum unvermietet leergestanden und deshalb keinen Ertrag abgeworfen. Nicht jede Ertragslosigkeit rechtfertigt indes einen Erlass. Nach der gesetzlichen Konzeption der Grundsteuer als einer ertragsunabhängigen Real- oder Objektsteuer können Ertragsminderungen oder -ausfälle schon wegen des Gebots der Abgabengleichheit nur in bestimmten Sonderfällen zu einem Erlass nach dieser Vorschrift führen, nämlich dann, wenn sie auf für die Ertragslage außergewöhnlichen (atypischen) Umständen beruhen und erkennbar vorübergehender Natur sind (BVerwG, U.v. 3.5.1991 - 8 C 13.89 - Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 24 S. 7/8 f.). Daran fehlt es etwa bei Mietausfällen aufgrund nachhaltiger, strukturell bedingter fehlender Mieternachfrage; sie sind bereits bei der Ermittlung des normalen Rohertrags zu berücksichtigen und können deshalb nicht als Minderung diesem gegenüber geltend gemacht werden (BVerwG, U.v. 4.4.2001 - 11 C 12.00 - BVerwGE 114, 132 ff.).

Es ist bereits zweifelhaft, ob der vom Kläger angeführte Ertragsausfall auf ein atypisches Ereignis zurückgeführt werden kann. Unmittelbare Ursache für den Leerstand waren die umfangreichen Umbauarbeiten, die der Kläger nach der Übernahme des Anwesens Ende 1996 in den Jahren 1997 und 1998 hat durchführen lassen und die einer Vermietung wie einer Eigennutzung (wohl) objektiv entgegengestanden haben. Der Kläger selbst trägt vor, dass die Räume zuvor von einer Bank genutzt und entsprechend umgebaut worden waren, so dass sie von ihm angesichts der Marktlage ohne einen Rückbau und eine grundlegende Modernisierung nicht hätten (sinnvoll) vermietet werden können. Diese Situation, in der ein Investor ein sanierungsbedürftiges Objekt nach Aufgabe der bisherigen Nutzung erwirbt, es einer neuen Nutzung zuführen will und im Interesse einer möglichst effektiven wirtschaftlichen Verwertung zunächst marktgerecht umbaut, fällt keineswegs als außergewöhnlich aus dem Rahmen und ist typischerweise mit einem zeitweisen Leerstand verbunden (vgl. VGH BW, U.v. 13.12.2001 - 2 S 1450/01 - DÖV 2002, 580 zum vorübergehenden Leerstand einer Wohnsiedlung für amerikanische Streitkräfte nach deren Abzug). Die vom Kläger zudem geltend gemachten langjährigen strukturellen Schwierigkeiten auf dem regionalen Mietmarkt mögen die Zeit des Leerstandes weiter verlängert haben, müssen aber als Anknüpfungspunkt für einen Erlass nach § 33 GrStG, wie oben dargelegt, außer Betracht bleiben. Damit dürfte es bereits an der objektiven Erlassvoraussetzung fehlen, ohne dass die für das betreffende Gebiet erlassene Sanierungssatzung und die Sanierungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten etwas daran ändern könnten.

Der begehrte Grundsteuererlass muss - unabhängig davon - jedenfalls deshalb ausscheiden, weil der Kläger die Ertragslosigkeit seines Grundstücks zu vertreten hat. Ein Steuerpflichtiger hat wesentliche Ertragsminderungen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruhen, die außerhalb seines Einflussbereiches liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderungen weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (BVerwG, U.v. 15.4.1983 - 8 C 150.81 - BVerwGE 67, 123/126; BayVGH, U.v. 25.2.1998 - 4 B 96.3104). Das ist nicht der Fall. Ausschlaggebend für die Ertragslosigkeit war der Willensentschluss des Klägers, das Gebäude in größerem Umfang umzubauen. Der Umbau mag dem Kläger im Interesse einer wirtschaftlich effektiven Nutzung des Anwesens objektiv unumgänglich erschienen sein. Das ändert aber nichts daran, dass ihm diese Schwierigkeiten bei der wirtschaftlichen Verwertung bereits beim Erwerb des Anwesens vor Augen gestanden haben müssen und der zwangsläufig mit dem Umbau verbundene zeitweise Leerstand in seinen Risikobereich als Eigentümer fällt.

Dieser vom Kläger zu vertretende Ursachenzusammenhang wird weder durch die Sanierungssatzung vom 18. Januar 1996 noch durch die Sanierungsvereinbarung mit dem Beklagten vom 18. Juni 1997 aufgehoben. Die Sanierungssatzung, mit der der Beklagte für das betreffende Gebiet die Durchführung städtebauliche Sanierungsmaßnahmen im vereinfachten Verfahren (§ 2) und die Anwendbarkeit des § 144 BauGB mit Ausnahme seines Absatzes 2 beschlossen hatte (§ 3), zählte zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, die der Kläger bereits beim Kauf des Grundstücks im August 1996 vorgefunden hat. Sie sind vom Willensentschluss des Klägers, das Anwesen - trotz seiner Beschaffenheit und Lage im Sanierungsgebiet - zu erwerben und umzubauen, mit umfasst. Etwaige Erschwernisse des von Anfang an beabsichtigten Umbaus aufgrund der besonderen Genehmigungspflichten nach § 142 Abs. 1 BauGB fallen deshalb in den Risikobereich des Klägers (vgl. BayVGH, U.v. 28.11.1994 - 4 B 93.2525 - zum Erwerb eines stillgelegten Betonwerkes mit nachfolgender Veränderungssperre). Entsprechendes gilt mit Blick auf die später mit dem Beklagten getroffene Sanierungsvereinbarung, mit der sich der Kläger verpflichtet hat, seine Umbaupläne gegenüber seinem bereits eingereichten Bauantrag durchaus nicht unerheblich zu erweitern, um städtebauliche Mängel an seinem Haus zu beheben. Das ergibt sich schon daraus, dass der Kläger selbst auf den Beklagten wegen einer solchen Vereinbarung nicht zuletzt deshalb zugegangen ist, um erhöhte Abschreibungen für Herstellungskosten für Modernisierung- und Instandsetzungsmaßnahmen nach § 7h EStG in Anspruch nehmen zu können. Es ist zudem weder geltend gemacht noch ersichtlich, dass der Kläger sein Objekt ohne die Sanierungsvereinbarung früher hätte vermieten können als es ihm nach Abschluss der Umbauarbeiten tatsächlich gelungen ist. Im Gegenteil hat er selbst vorgetragen, dass er trotz frühzeitiger Bemühungen um eine Vermietung bereits ab September 1996 erst zum 1. Januar 1999 einen Mieter gefunden habe. Diese Erschwernisse auf dem Weg zu einer ertragsfähigen wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks liegen im Rahmen des bereits beim Erwerb Absehbaren und fallen in den Risikobereich des Klägers.

Der Kostenausspruch beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 362,63 Euro (entspricht 709,24 DM) festgesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG in der vor dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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