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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.06.2007
Aktenzeichen: 4 B 05.3239
Rechtsgebiete: KAG
Vorschriften:
KAG Art. 7 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Kurbeitrag;
hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. November 2005,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,
durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Juni 2007
am 22. Juni 2007
folgendes Urteil:
Tenor:
I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. November 2005 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kurbeitragspflicht von Begleitpersonen bei einem Klinikaufenthalt von Kindern.
1. Der beklagte Markt, ein anerkannter heilklimatischer und Kneippkurort, zieht nach Maßgabe seiner Satzung für die Erhebung eines Kurbeitrags (zuletzt vom 4.4.2002) Personen, die sich zu Kur- oder Erholungszwecken im Kurgebiet aufhalten, ohne dort ihre Hauptwohnung im Sinne des Melderechts zu haben, und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Kureinrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen geboten wird, zu einem Kurbeitrag heran. In § 6 Abs. 1 der Kurbeitragssatzung hat der Beklagte im Einzelnen bestimmt, dass natürliche und juristische Personen, die Kurbeitragspflichtige beherbergen, verpflichtet sind, ihm die kurbeitragspflichtigen Personen zu melden und den Kurbeitrag einzuheben, und dass sie für den Eingang haften.
Der Kläger betreibt eine Fachklinik für Atemwegserkrankungen und Allergien bei Kindern und Jugendlichen, die im Kurbezirk I auf 1.200 m Höhe liegt. In der Einrichtung erhalten die Patienten medizinische Heil- und Rehabilitationsmaßnahmen. Die jüngeren Kinder werden dabei in der Regel von einem Elternteil, teilweise auch von Geschwistern oder anderen Personen begleitet.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2002 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er nach näherer Überprüfung die bisherige Praxis, von Begleitpersonen keinen Kurbeitrag zu erheben, nicht aufrechterhalten könne. Denn diese unterlägen selbst dann der Kurbeitragspflicht, wenn die Begleitung vom Arzt für nötig befunden oder vom Versicherungsträger anerkannt worden sei. Dementsprechend berücksichtigte der Beklagte bei Abrechnung der Kurbeiträge für Anreisen nach dem 4. November 2002 auch die vom Kläger beherbergten Begleitpersonen. Auf Grund der vom Kläger eingereichten Gästeanmeldungen verpflichtete er diesen mit Bescheiden vom 11. Dezember 2002 und 28. Januar, 6. März, 27. März, 24. April, 6. Juni sowie 1. Juli 2003 zur Zahlung von insgesamt 63.242,50 Euro. Die gegen diese Bescheide eingelegten Widersprüche des Klägers wurden vom Landratsamt Oberallgäu mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2003 als unbegründet zurückgewiesen.
2. Mit seiner Klage zum Verwaltungsgericht hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen: Eine Kurbeitragspflicht bestehe für Begleitpersonen dann nicht, wenn deren Aufenthaltskosten in der Klinik von den gesetzlichen Sozialleistungsträgern (§ 12 SGB I) übernommen würden. Denn solche Begleitpersonen, im Regelfall Eltern(teile) von teilweise noch sehr kleinen Kindern, würden sich nicht zu Kur- oder Erholungszwecken im Kurgebiet des Beklagten aufhalten; das gelte auch für begleitende Geschwister, die sonst zu Hause ohne die erforderliche Beaufsichtigung bleiben müssten. Prägender Zweck des Aufenthalts sei die auch medizinisch notwendige Begleitung eines kranken Kindes und die medizinisch notwendige Beteiligung an den therapeutischen und sonstigen Maßnahmen der Klinik, an die die gesetzlichen Krankenkassen oder Rentenversicherungsträger die Kostenübernahme mit strengen Kriterien knüpften. So habe die Deutsche Rentenversicherung mitgeteilt, dass eine Kostenübernahme für Begleitpersonen bei Kinderheilbehandlungen nach seinen Richtlinien grundsätzlich möglich sei bei Kindern im Vorschulalter und bei älteren Kindern, wenn sie medizinisch indiziert sei, das Kind sich nicht selbst artikulieren könne oder bei behinderten Kindern die unterstützende Hilfe der Begleitperson zur Erreichung des Rehabilitationserfolges erforderlich sei; daraus leite die Rentenversicherung ab, dass sich Begleitpersonen "faktisch nicht zu Erholungszwecken in der Reha-Einrichtung" aufhielten. Der Aufenthalt werde nur bewilligt, um eine möglichst effektive und erfolgreiche Rehabilitation zu ermöglichen und die Eltern zu befähigen, als "Co-Therapeuten" ihr Kind zu betreuen. Das werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass im Einzelfall möglicherweise tatsächlich eine Kur- oder Erholungseinrichtung von den Begleitpersonen in Anspruch genommen werde. Im Übrigen würden hierfür gar keine nennenswerten Freiräume verbleiben. Es könne nicht richtig sein, dass von Familien, in denen ein Kind krank sei, zweimal, nämlich vom Kind und dem begleitenden Elternteil, Kurbeitrag verlangt werde, zumal weder Kind noch Elternteil "kuren" würden, sondern das Kind nicht ohne den begleitenden Elternteil behandelt werden könne. Mit den angefochtenen Kurbeitragsbescheiden seien für Begleitpersonen insgesamt 48.667,55 Euro abgerechnet worden; davon entfielen nur 409,80 Euro auf sonstige "private" Begleitpersonen, deren Kurbeitragspflicht nicht bestritten werde.
Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,
die Kurbeitragsbescheide des Beklagten vom 11. Dezember 2002 und 28. Januar, 6. März, 27. März, 24. April, 6. Juni sowie 1. Juli 2003 aufzuheben, soweit damit Kurbeiträge für Personen festgesetzt worden sind, die Patienten der Klinik S. begleitet haben, denen während des Klinikaufenthaltes die Personensorge für den jeweiligen Patienten zustand oder die mit dem Patienten als dessen Bruder oder dessen Schwester verwandt waren und für die ein Leistungsträger im Sinne des § 12 SGB I die Kosten der Klinik für die Aufnahme übernommen hat.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Oberallgäu vom 24. Juli 2003 in dem beantragten Umfang aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Begleitpersonen, für die der Kläger akzessorisch als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werde, unterlägen nicht der Kurbeitragspflicht, weil sie sich nicht zu Kur- oder Erholungszwecken im Kurgebiet des Beklagten aufgehalten hätten. Aufenthalte, die einem wesentlich anderen Zweck als der eigenen Erholung dienten, würden keine Beitragspflicht auslösen. Das gelte sowohl bei beruflichen, gesellschaftlichen, dienstlichen, geschäftlichen als auch bei familiären Gründen. Von einer Kurbeitragspflicht sei deshalb dann nicht auszugehen, wenn der Aufenthalt aus anderen als (den eigenen) Erholungszwecken nicht nur nebenher veranlasst sei. Das sei für solche Begleitpersonen der Fall, für die ein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I die Kosten für die Aufnahme in der Klinik übernommen habe. Zwingende Voraussetzung hierfür sei, dass ein ärztliches Attest die medizinische Notwendigkeit der Begleitung bestätige. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass solche Atteste leichtfertig erteilt würden. Aus der Sicht der Leistungsträger sei für die Bewilligung einer Begleitperson die medizinische Indikation oder das sehr junge Alter der Patienten entscheidend. Es werde nicht als Aufgabe der Klinik angesehen, für die Rehabilitanden Betreuungsstrukturen zu schaffen, die den Eltern ermöglichten, sich tagsüber zurückzuziehen und urlaubsartige Tage zu verbringen. Demnach sei überwiegender Zweck des Aufenthalts die medizinisch notwendige Begleitung des kranken Kindes. Die Begleitung entspreche zudem einer verantwortungsbewussten Ausübung der Personensorge, wobei der Begleitperson keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Aufenthaltsortes bleibe. Auch für Geschwister der Patienten, deren Kosten der Aufnahme in der Klinik von einer Krankenkasse oder Rentenversicherungsträger übernommen werde, sei Zweck des Aufenthaltes nicht die eigene Erholung. Vielmehr sei auch hier von einer medizinischen oder familiären Notwendigkeit der Begleitung auszugehen.
3. Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend: Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Kurbeitragspflicht erst entfalle, wenn der Kur- oder Erholungszweck des Aufenthaltes völlig in den Hintergrund trete. Das aber sei auch bei solchen Begleitpersonen nicht der Fall, deren Kosten übernommen würden. Deren Einspannung in das Tagesgeschehen der Klinik sei nicht annähernd so aufwändig, wie der Kläger behaupte und das Verwaltungsgericht angenommen habe. Für die Kinder finde eine durchgehende Betreuung samt Kindergarten oder Schule statt, so dass für die von ihren sonstigen Pflichten entbundenen Begleitpersonen ausreichend Zeit für Freizeitgestaltung und Benutzung der Kureinrichtungen mit oder auch ohne Kind bestehe. Das gelte insbesondere auch für die anwendungsfreien Zeiten am Wochenende oder abends. Der Kläger selbst werbe mit einem breit gefächerten Freizeitprogramm für Begleitpersonen und unterscheide sich darin nicht von Beherbergungsbetrieben wie Pensionen oder Hotels. Von den Begleitpersonen würden die Kur- oder Erholungseinrichtungen tatsächlich auch in erheblichem Maße genutzt, wie Erhebungen der Kurverwaltung belegten. Es könne daher sowohl für begleitende Eltern als auch Geschwister keine Rede davon sein, dass das Kur- und Erholungsmotiv neben dem der Begleitung und Betreuung des kranken Kindes völlig in den Hintergrund trete.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger tritt dem entgegen und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt hervor, dass in seiner Klinik keine medizinischen Rehabilitationen für Mütter und Väter nach § 41 SGB V ("Mutter-Kind-Kur") durchgeführt würden, bei denen es um die Behandlung sowohl des Elternteils als auch des Kindes gehe. In seiner Klinik gebe es allein Kinderrehabilitation. Der Altersdurchschnitt der Patienten mit Begleitperson habe im Jahr 2004 bei 4,4 Jahren gelegen, wobei 11% der Patienten jünger als zwei Jahre, 34% zwischen zwei und vier Jahre alt waren. Eine Behandlung dieser Kinder ohne Begleitung durch deren Bezugsperson sei offenkundig zum Scheitern verurteilt. Der Leistungsträger prüfe selbstständig, ob die Teilnahme einer Begleitperson für den Erfolg der Rehabilitationsmaßnahme des Kindes unabdingbar sei. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Eltern (auch) Urlaubsmotive hätten oder die Hausärzte Gefälligkeitsatteste ausstellten. Eine Rund-um-die-Uhr Betreuung gebe es in der Klinik nur für die Kinder ohne Begleitperson; für die Kleinkinder sei selbstverständlich die Begleitperson zuständig. Dass den Begleitpersonen in geringem Umfang die Möglichkeit zur Nutzung von Kur- oder Erholungsangeboten offen stehe, sei unerheblich; denn daraus dürfe nicht auf den Erholungszweck als Aufenthaltsmotiv geschlossen werden, das eine eigenständige Voraussetzung für die Kurbeitragspflicht darstelle. Aufenthaltszweck sei aber alleine die vom Leistungsträger geprüfte medizinisch notwendige Begleitung eines kranken Kindes.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich am Verfahren beteiligt, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Er teilt die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass bei den Begleitpersonen unter den im Urteil genannten Voraussetzungen das Kur- oder Erholungsmotiv hinter der Erkrankung des Kindes, der Notwendigkeit einer Aufnahme in der Klinik und der medizinisch gebotenen Notwendigkeit der Begleitung eindeutig zurücktrete und deshalb keine Kurbeitragspflicht bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vorgelegten Behördenakten des Beklagten und der Widerspruchsbehörde Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
Der Kurbeitragspflicht unterliegen entgegen der Ansicht des Klägers und des Verwaltungsgerichts auch diejenigen Begleitpersonen, denen während des Klinikaufenthaltes die Personensorge für den jeweiligen Patienten zustand oder die mit dem Patienten als dessen Bruder oder dessen Schwester verwandt waren und für die ein Leistungsträger im Sinne des § 12 SGB I die Kosten der Klinik für die Aufnahme übernommen hat. Die in Streit stehenden Bescheide, mit denen der Beklagte vom Kläger als Haftungsschuldner Kurbeiträge von insgesamt 63.242,50 Euro für die in dessen Fachklinik S. aufgenommenen Patienten und Begleitpersonen verlangt, sind demnach auch der Höhe nach rechtmäßig. Die Klage ist mithin unter Aufhebung der erstinstanzlichen Urteils abzuweisen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Kurbeitragspflicht ist nach § 1 Satz 1 der Kurbeitragssatzung (KBS) in Übereinstimmung mit Art. 7 Abs. 2 Satz 1 KAG an drei Voraussetzungen geknüpft: Beitragspflichtig sind diejenigen Personen, die sich - erstens - zu Kur- oder Erholungszwecken im Kurgebiet des Beklagten aufhalten, ohne dort - zweitens - ihre Hauptwohnung im Sinne des Melderechts zu haben, und denen - drittens - die Möglichkeit zur Benutzung der Kureinrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen geboten ist. Die letzten beiden Voraussetzungen sind unzweifelhaft erfüllt. Insbesondere steht auch mit Blick auf das Vorbringen des Klägers zur Ausgestaltung des Klinikalltages außer Frage, dass den Begleitpersonen (Eltern wie Geschwistern) auch von kleinen Kindern während ihres regelmäßig mehrwöchigen Klinikaufenthalts nicht nur an den Wochenenden die ausreichende Möglichkeit verbleibt, die gemeindlichen Einrichtungen und Veranstaltungen gegebenenfalls gemeinsam mit dem Kind in Anspruch zunehmen; ob sie von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch machen, ist für die Kurbeitragspflicht unerheblich (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KBS). Auch die allein fragliche Voraussetzung des besonderen Aufenthaltszwecks ist erfüllt.
Ein Aufenthalt zu Kur- oder Erholungszwecken liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor, wenn jemand am Kurort verweilt, um die angebotenen Kurmittel, zu denen auch ein besonders reizvolles Klima gehören kann, in der Absicht zu benutzen, seine Gesundheit zu erhalten, zu fördern, wiederherzustellen oder auch um nachhaltig auszuspannen; dabei ist nicht erforderlich, dass der Kur- oder Erholungszweck das ausschließliche Motiv für den Aufenthalt ist, dieses darf nur nicht völlig in den Hintergrund treten. Wenn jemand nicht nur ganz vorübergehend am Kurort verweilt, ist jedenfalls im Regelfall davon auszugehen, dass sein Aufenthalt auch Kur- oder Erholungszwecken dient. Sind die Umstände des Verweilens nicht genau feststellbar, was etwa bei einem Aufenthalt ausschließlich aus beruflichen oder familiären Gründen anzunehmen ist, spricht eine widerlegbare Vermutung für den Kuraufenthalt (BayVGH, U.v. 27.5.1992 - 4 B 90.3073, GK 1992 RdNr. 251; U.v. 4.5.2006 - 4 BV 06.341, ZKF 2007, 117/118).
Bei Anwendung dieser Grundsätze darf nicht außer Acht gelassen werden, welche besondere Funktion dem Aufenthaltszweck nach der gesetzlichen Ausgestaltung des Kurbeitrags bei der Bestimmung des beitragspflichtigen Personenkreises zukommt. Der Kurbeitrag wird als Gegenleistung dafür erhoben, dass ortsfremden Besuchern eines Kurortes die Möglichkeit geboten wird, die in erster Linie für sie vorgehaltenen gemeindlichen Kur- oder Erholungseinrichtungen zu benutzen und an den angebotenen Veranstaltungen teilzunehmen. Ob der einzelne Ortsfremde diese Möglichkeit (subjektiv) als Vorteil empfindet, ist ebenso unbeachtlich wie der Wille, von ihr Gebrauch zu machen. Nach dieser Grundkonzeption würde es zur Begründung der Kurbeitragspflicht ausreichen, allein auf die Ortsfremdheit und die durch den Aufenthalt im Kurgebiet typischerweise begründete Möglichkeit zur Nutzung der Kureinrichtungen abzustellen, wie das in der Ermächtigungsnorm des Art. 24 Abs. 2 Satz 2 KG zur Erhebung einer Kurtaxe in den Staatsbädern geschehen ist (vgl. dazu BayVGH, U.v. 12.2.2004 - 5 N 02.1674, VGH n.F. 57, 43/45 f.). Mit dem Erfordernis eines Aufenthalts zu Kur- oder Erholungszwecken hat der Gesetzgeber in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 KAG ein zusätzliches Merkmal aufgenommen, das der Verwaltungsgerichtshof zur früheren Rechtslage nach dem Gemeindeabgabengesetz entwickelt hatte (BayVGH, U.v 23.2.1956 - 207 IV 54, VGH n.F. 9, 29/35 und U.v. 28.4.1964 - 26 IV61, VGH n.F. 17, 27/32) und das ein dem Beitragscharakter an sich wesensfremdes subjektives Moment enthält. Es zielt trotz seiner positiven Formulierung der Sache nach auf eine negative Abgrenzung. Mit ihm sollen diejenigen ortsfremden Personen von der Beitragspflicht ausgenommen werden, für die aufgrund eines besonderen Aufenthaltszwecks die allgemeine Vermutung nicht gilt, dass mit jedem - nicht nur kurzfristigen - Verweilen im Kurgebiet ein kurbeitragspflichtiger Sondervorteil verbunden ist. Das setzt voraus, dass der anderweitige Aufenthaltszweck bei typisierender Betrachtung die (objektiv bestehende) Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Kur- oder Erholungseinrichtungen vollständig entwertet und lediglich als theoretische Möglichkeit ohne praktische Bedeutung bestehen lässt, wie das insbesondere bei ortsfremden Personen der Fall ist, die im Kurgebiet arbeiten oder ausgebildet werden. Vor diesem Hintergrund ist die Tatbestandsvoraussetzung des Aufenthalts zu Kur- oder Erholungszwecken tendenziell "weit" zu verstehen und erst dann zu verneinen, wenn dieses Motiv völlig in den Hintergrund tritt. Für die Bestimmung des im Ausgangspunkt subjektiven Aufenthaltszwecks kommt es dabei nicht auf die - unüberprüfbare - innere Absicht der ortsfremden Person an, sondern nur auf die nach außen in Erscheinung tretenden, verfestigten und von Dritten nachprüfbaren Umstände des Aufenthalts.
Gemessen an diesem Maßstab sind die Eltern (und Geschwister), die ihr Kind während einer Heilbehandlung oder Rehabilitation in der Klinik des Klägers begleiten, unabhängig davon kurbeitragspflichtig, ob ein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I die Kosten der Unterbringung übernimmt oder nicht. Selbst wenn die Begleitung aufgrund des Alters des Kindes oder besonderer medizinischer Gründe als notwendig anerkannt ist, halten sie sich im Kurgebiet des Beklagten jedenfalls auch zu eigenen Kur- oder Erholungszwecken auf, ohne dass dieses Motiv völlig in den Hintergrund tritt. Dass aus der subjektiven Sicht der Eltern nicht ihre eigene Erholung inmitten steht, sondern die Betreuung und Sorge um ihr Kind, liegt auf der Hand, ist kurbeitragsrechtlich als innere Absicht aber nicht ausschlaggebend. Auch kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht darauf abgestellt werden, ob der Leistungsträger die Begleitung als medizinisch geboten betrachtet und deshalb die Kosten übernimmt. Maßgeblich sind allein die objektiven Umstände des Aufenthalts im Kurgebiet. Diese decken sich aus kurbeitragsrechtlicher Sicht letztlich mit denen des Kindes. Das Kind, das sich zur Behandlung einer Atemwegserkrankung oder Allergie im Kurgebiet des Beklagten nicht zuletzt wegen dessen Höhenlage und besonderen Klimas aufhält, verweilt dort offenkundig zu Kur- und Erholungszwecken; es ist - abgesehen vom Alter - ein geradezu idealtypischer Kurgast. Dieser Zweck prägt zwangsläufig auch den Aufenthalt der begleitenden Eltern oder Geschwister, mögen diese nun den Tagesablauf des Kindes im Wesentlichen teilen oder in den Zeiten seiner Betreuung durch das Klinikpersonal eigene Wege gehen. Ihr Aufenthalt im Gebiet des Beklagten ist zwar insoweit "fremdbestimmt", als ihre Begleitung notwendig ist, um die Heilbehandlung des Kindes sinnvoll durchführen zu können, und, wie das Verwaltungsgericht hervorhebt, Ausdruck einer verantwortungsbewussten Ausübung der Personensorge im Sinne von § 1626 BGB. Das ändert aber nichts daran, dass die äußeren Umstände ihres Aufenthalts denen des Kindes (Kurgastes) gleichen und ihnen in derselben Weise die Möglichkeit eröffnet ist, die gemeindlichen Einrichtungen und Veranstaltungen gemeinsam mit ihrem Kind oder alleine in Anspruch zu nehmen; davon machen sie denn auch - ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankäme - nach dem letztlich unbestrittenen Vortrag des Beklagten in mehr oder weniger großem Umfang tatsächlich Gebrauch. Es kann vor diesem Hintergrund keine Rede davon sein, dass für die Begleitperson der kurbeitragsrechtliche Sondervorteil vollständig entwertet wäre und keine praktische Bedeutung hätte.
Auch notwendige Begleitpersonen sind demnach kurbeitragspflichtig. Dass die Kurbeitragssatzung des Beklagten für sie keinen Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestand enthält, ist nicht zu beanstanden. Zwar gestattet Art. 7 Abs. 2 Satz 3 KAG die vollständige oder teilweise Befreiung von der Beitragspflicht aus wichtigem Grund, wozu auch familiäre oder soziale Gesichtspunkte zählen können. Der Satzungsgeber hat jedoch ein (weites) Ermessen, ob er von dieser Ermächtigung Gebrauch macht; ein Rechtsanspruch auf Befreiung besteht nicht (Engelbrecht in: Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, Erl. 17 zu Art. 7). Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, in seiner Kurbeitragssatzung nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 2 Satz 2 KAG und des darin verankerten Äquivalenzprinzips eine Abstufung des Kurbeitrags zugunsten von Begleitpersonen vorzusehen. Denn die Vorteile, die diesem Personenkreis durch die objektive Möglichkeit zur Nutzung der gemeindlichen Kur- oder Erholungseinrichtungen und -veranstaltungen geboten wird, sind bei typisierender Betrachtung auch mit Blick auf die zeitliche Inanspruchnahme durch die Aufgaben als Begleitperson gegenüber sonstigen Beitragspflichtigen nicht in einem Ausmaß verschieden, dass ein Beitragsrabatt geboten wäre.
In der Heranziehung der Begleitpersonen zum vollen Kurbeitrag kann entgegen der Ansicht des Klägers auch keine verfassungswidrige Schlechterstellung der Familie erblickt werden, zumal nach der Kurbeitragssatzung des Beklagten Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres kurbeitragsfrei sind (§ 4 Abs. 3) und der Beitrag für Personen vom siebten bis zum vollendeten 16. Lebensjahr um mehr als die Hälfte ermäßigt ist (im Einzelnen § 4 Abs. 2). Da die angefochtenen Bescheide auch im Übrigen nicht zu beanstanden sind, muss die Klage in vollem Umfang ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 48.257,75 Euro festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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