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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 24.10.2002
Aktenzeichen: 4 B 98.688
Rechtsgebiete: BayAbfG, KAG


Vorschriften:

BayAbfG Art. 7 Abs. 5
KAG Art. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 B 98.688

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Abfallgebühren;

hier: Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. Januar 1998,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dillmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Scheder, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Oktober 2002

am 24. Oktober 2002 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Der Gerichtsbescheid des Bayer. Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. Januar 1998 wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich mit seiner zugelassenen Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. Januar 1998, durch den der an den Kläger gerichtete Abfallgebührenbescheid vom 10. Januar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 4. Mai 1993 aufgehoben worden ist. Der Beklagte hatte in seinem Bescheid die Entsorgungsgebühren für eine Restmülltonne mit 240 l Inhalt auf dem Grundstück des Klägers für 1992 und die Folgejahre - tatsächlich bis Ende 1998 - auf jeweils 936 DM festgesetzt. Der Kläger hält diese Jahresgebühr für überhöht, weil seine Restmülltonne seit Einführung der Biotonne nur noch 14-tägig geleert werde; auf die Biotonne habe er verzichtet, weil er selbst kompostiere. Die satzungsrechtliche Gebührenermäßigung für Eigenkompostierer von nur 10% auf die Grundgebühr erscheine willkürlich. Der Gebührenbescheid sei insoweit nicht nachvollziehbar sowie zu unbestimmt und sei deshalb aufzuheben.

Das nach erfolglosem Vorverfahren angerufene Verwaltungsgericht gab der Klage statt, weil die zugrunde liegende Gebührensatzung des Beklagten vom 4. Dezember 1991 - unabhängig von den Rügen des Klägers - jedenfalls mangels vorheriger Kalkulation der Gebührensätze nichtig sei.

Im Berufungsverfahren macht der Beklagte geltend, dass er zunächst seine Gebührenkalkulation für die Zeit bis 31. Dezember 1995 nochmals eingehend überprüft habe und sich die Gebührensätze hierbei als zutreffend erwiesen hätten. Die Verbandsversammlung habe daraufhin am 4. Mai 1998 die Gebührensatzung vom 4. Dezember 1991 samt den bis 1995 ergangenen Änderungssatzungen rückwirkend zu ihren jeweiligen Inkrafttretensterminen unverändert nochmals neu beschlossen. Im Hinblick auf das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Februar 2001 in der Streitsache eines anderen Gebührenschuldners sei anschließend noch die Gebührenkalkulation für die Jahre 1996 bis 1998 aktualisiert und ergänzt worden, wobei sich wiederum die Gebührensätze als zutreffend erwiesen hätten. Die Verbandsversammlung habe daraufhin auch die in diesem Zeitraum ergangenen Änderungssatzungen zur Gebührensatzung vom 4. Dezember 1991 sowie die 4. Änderungssatzung (v. 17.3.1995), soweit sie sich auf den Berechnungszeitraum ab 1. Januar 1996 bezieht, am 26. Juli 2002 rückwirkend zu ihren jeweiligen Inkrafttretensterminen unverändert nochmals neu beschlossen. Die streitgegenständliche Gebührenermäßigung für Eigenkompostierer habe, bezogen auf die jeweilige Gesamtgebühr, zu einer Gebührenermäßigung von 4,1% geführt. Eine höhere Ermäßigung habe angesichts des in der Gebührennachkalkulation für 1996 bis 1998 enthaltenen Anteils der Biomüllentsorgungskosten an den gesamten Restmüllentsorgungskosten nicht vorgesehen werden müssen. Voraussetzung für die Gewährung der Ermäßigung sei in jedem Fall ein entsprechender Antrag und Glaubhaftmachung durch den Gebührenschuldner gewesen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Bayer. Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. Januar 1998 die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten des vorliegenden Verfahrens sowie auf die beigezogenen VGH-Akten des abgeschlossenen Verfahrens Az. 4 B 97.3598 (P****** gegen Zweckverband Abfallwirtschaft D****-W*** wegen Abfallgebühren 1992 bis 1998) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsverfahren hat ergeben, dass der Kläger entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mit seinem Begehren auf Aufhebung des Gebührenbescheids vom 10. Januar 1992 und des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 1993 nicht durchdringen kann. Der Beklagte konnte die streitgegenständlichen Gebührensätze für die Restmüllentsorgung einschließlich der Ermäßigung für sog. Eigenkompostierer für die Jahre 1992 bis 1998 nachträglich objektiv rechtfertigen. Der Kläger hatte im übrigen keinen Anspruch auf Gewährung der satzungsrechtlichen Gebührenermäßigung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit rechtskräftigem Urteil vom 15. Februar 2001 Az. 4 B 97.3598 (= NVwZ-RR 2002, 221 ff. und BayVBl 2002, 631 ff.), auf das die Parteien hingewiesen worden sind, im Verfahren eines anderen Gebührenschuldners gegen den Beklagten entschieden, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, abweichend von der Auffassung des Verwaltungsgerichts, genügt, wenn zur Höhe der satzungsmäßigen Gebühren eine Globalberechnung nachträglich durchgeführt wird und diese die vorher gefundenen oder gegriffenen Gebührensätze - aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zur Zeit des Satzungserlasses - objektiv rechtfertigen, d.h. die Gebührensätze nach den Anforderungen des Art. 8 KAG nicht zu hoch sind. Dementsprechend hätten durch die Nachkalkulation und den nochmaligen Satzungsbeschluss des Beklagten vom 4. Mai 1998 die Gebührensätze der Restmüllentsorgung für die Jahre 1992 bis 1995 gerechtfertigt werden können. Für die weiteren drei Jahre der Geltung des dortigen Gebührenbescheids (d.h. vor Erlass der zum 1.1.1999 in Kraft getretenen neuen Gebührensatzung v. 2.12.1998) seien diese Gebührensätze nicht mehr durch ausreichende (retrospektive) Berechnungsgrundlagen gedeckt; die Nachkalkulationen erfassten nämlich ausdrücklich und ihrem Inhalt nach nur den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1995. - An diesen Erwägungen hält der Verwaltungsgerichtshof unverändert fest.

Jedoch reichen die anschließend aktualisierte und ergänzte Gebührenkalkulation für die Jahre 1996 bis 1998 und der darauf bezogene nochmalige Satzungsbeschluss des Beklagten vom 26. Juli 2002 aus, um die streitgegenständlichen Gebührensätze auch für die weiteren drei Jahre objektiv zu rechtfertigen. Es liegen nunmehr auch insoweit ausreichende (retrospektive) Berechnungsgrundlagen vor. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang u.a. noch die gebührenbedarfsbezogenen Festlegungen zur Höhe der Rückstellungen für den Deponierrückbau in Außernzell, zur Bildung von Bemessungszeiträumen und zur Behandlung von Kostenunterdeckungen sowie zu kalkulatorischen Spielräumen nachgeholt worden, deren Fehlen für die Jahre 1996 bis 1998 der Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 15. Februar 2001 bemängelt hatte. Substantiierte Rügen gegen die Verwertbarkeit der Nachkalkulation hat der Kläger nicht erhoben; entsprechende Bedenken sind für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich. So hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass in der Nachkalkulation der Wegfall der Kosten für die Sperrmüllabfuhr ab 1. April 1997 kostenmindernd berücksichtigt worden ist. Auch führt der neuerdings ermittelte, insgesamt verringerte Rückstellungsbedarf für den Deponierrückbau in A********* in den maßgeblichen Bemessungszeiträumen (1.1.1996 bis 7.2.1997, 8.2.1997 bis 31.3.1997, 1.4.1997 bis 31.12.1998) nicht etwa zu Kostenüberdeckungen. Dass für diese Zeiträume vielmehr gewisse Kostenunterdeckungen einzustellen waren, ergibt sich aus der Plausibilität der Prognosegrundlagen in der Nachkalkulation. Sie wurde auch vom Bayer. Kommunalen Prüfungsverband in seinem vom Beklagten vorgelegten Schreiben vom 26. Juni 2002 bestätigt; der Prüfungsverband gelangt in diesem Zusammenhang für die drei Bemessungszeiträume zu prognostizierten Kostenunterdeckungen von 5.405.279 DM, von 1.339.009 DM und von 18.464.954 DM. Diese negativen Annahmen sind nunmehr durch die im Urteil vom 15. Februar 2001 erwähnte, seinerzeit noch zugrundegelegte Kostenunterdeckung zum 31. Dezember 1995 in Höhe von 37.434.222 DM nicht mehr beeinflusst, denn der Beklagte ist bei seiner neuerlichen Nachkalkulation vom 26. Juli 2002 von einem um 37.718.000 DM verringerten Rückstellungsbedarf auch für die Zeit bis 31. Dezember 1995 ausgegangen und hat damit vor dem Geschäftsjahr 1996 in nachvollziehbarer Weise einen kostenmäßigen Ausgleich herbeigeführt. - Weitere Ermittlungen zu der neuerlichen Nachkalkulation drängen sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht auf (vgl. BVerwG v. 17.4.2002 BayVBl 2002, 605/606 f.).

Auch der Gebührenmaßstab in der streitgegenständlichen Satzung ist - unter der Annahme, dass der Kläger bei fehlender Befreiung von der Benutzung der Biotonne (vgl. unten S. 7) diese Rüge trotzdem erheben kann - nicht wegen einer ungenügenden Gebührenermäßigung für Eigenkompostierer fehlerhaft. Es wird von der Rechtsprechung grundsätzlich nicht beanstandet, wenn in die Gebühr für die Restmülltonne auch andere Leistungen der Abfallentsorgung, wie z.B. die Entsorgung von Papier oder Biomüll oder der Betrieb von Altglas- oder Altpapiercontainern, Gartenabfall-Kompostierplätzen oder Recyclinghöfen mit einfließen. Die pauschale Mitabgeltung dieser Leistungen ist insbesondere auch hinsichtlich der Biomüllentsorgung gerechtfertigt, denn dieser Teilleistungsbereich wird auch für die Eigenkompostierer mit vorgehalten und steht diesen auch zur jederzeitigen (Mit-)Benutzung offen (vgl. BVerwG v. 20.11.2000 BayVBl 2001, 407/409; BayVGH v. 29.3.1995 BayVBl 1995, 628/629; BayVGH v. 20.6.2001 BayVBl 2002, 370/371). Eine abweichende Beurteilung ist im vorliegenden Fall nicht ausnahmsweise deshalb geboten, weil sich dadurch bei Eigenkompostierern ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ergäbe. Bis zum Abschluss der schrittweisen Einführung der Biotonne im gesamten Verbandsgebiet - nach Angaben des Beklagten gegen Ende des Jahres 1997 - brauchten sich daraus laufend ergebende Veränderungen der Leistungsproportionalität im Gebührentarif aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung grundsätzlich noch nicht berücksichtigt zu werden (vgl. BayVGH v. 15.9.2000 NVwZ-RR 2001, 130/131); die vom Beklagten dennoch schon ab 1. Januar 1992 für die jeweiligen Biomüll-Entsorgungsbereiche vorgesehene Gebührenermäßigung für Eigenkompostierer von 10 % der Grundgebühr (vgl. § 4 Abs. 3 der Gebührensatzung), das sind 4,1 % der Gesamtgebühr, war zunächst deshalb auch nicht problembehaftet. Aber auch für die Zeit ab der flächendeckenden Einführung der Biotonne wurde durch die gerügte Gebührengestaltung das Äquivalenzprinzip (Art. 7 Abs. 5 BayAbfG i.V.m. Art. 8 Abs. 4 KAG) nicht verletzt. Aus der Nachkalkulation des Beklagten vom 26. Juli 2002 ergibt sich für den betroffenen Bemessungszeitraum vom 1. April 1997 bis 31. Dezember 1998 nämlich ein Anteil der Biomüllentsorgungskosten an den gesamten Restmüllentsorgungskosten von 24,78 %. Der zu prognostizierende Anteil derjenigen Biomüllentsorgungskosten, an deren Verursachung Eigenkompostierer im wesentlichen nicht beteiligt waren, an den Restmüllentsorgungskosten ist eher noch niedriger und liegt damit jedenfalls - zumal angesichts der bereits eingeräumten Gebührenermäßigung von 4,1 % - innerhalb des Bereichs, in dem keine (weitergehenden) Differenzierungen im Gebührenmaßstab zwischen Benutzern der Biotonne und Eigenkompostierern vorgesehen werden müssen (vgl. wiederum BVerwG v. 20.12.2000, BayVGH v. 29.3.1995 und - zur Gebührenermäßigung für Eigenkompostierer in der ab 1.1.1999 geltenden Gebührensatzung des Beklagten - BayVGH v. 20.6.2001, jeweils a.a.O.).

Dass dem Kläger im angefochtenen Gebührenbescheid vom 10. Januar 1992 nicht einmal die Gebührenermäßigung nach § 4 Abs. 3 der streitgegenständlichen Gebührensatzung zuerkannt worden ist, ist nicht zu beanstanden. Im Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 4. Mai 1993 ist hierzu ausgeführt, dass der Kläger nach Aktenlage einen entsprechenden nach der Satzung erforderlichen Antrag nicht gestellt habe; solange eine Befreiung nicht gegeben sei, müsse er auch die Biotonne benutzen. Der Kläger hat sich zu diesem Gesichtspunkt im Gerichtsverfahren nicht geäußert. Weitere Ermittlungen drängen sich insoweit dem Verwaltungsgerichtshof nicht auf.

Nach allem sind die angefochtenen Bescheide zu Recht ergangen, und der Kläger ist durch sie nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage ist deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Bayer. Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. Januar 1998 für beide Rechtszüge auf jeweils 1.674,99 Euro (entspricht 3.276 DM) festgesetzt (936 DM mal 3,5; § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 73 Abs. 1 GKG, § 9 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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