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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 17.03.2004
Aktenzeichen: 4 BV 03.1159
Rechtsgebiete: GO


Vorschriften:

GO Art. 33 Abs. 1 Satz 2
Die Pflicht des Gemeinderates, bei der Zusammensetzung der Ausschüsse dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO), schließt die Sitzverteilung nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren aus, wenn eine dabei im Einzelfall durch eine sog. Über-Aufrundung auftretende Überrepräsentation einer Fraktion zu Lasten einer anderen durch alternative Verfahren (z.B. nach Hare-Niemeyer oder Saint Laguë/Schepers) vermieden wird, ohne dass die bei jenen Verfahren auftretenden Rundungsfehler zu einer Unterrepräsentation anderer Fraktionen bzw. Gruppen führen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

4 BV 03.1159

Verkündet am 17. März 2004

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Ausschussbesetzung;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. März 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dillmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. März 2004 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Ziffer I des Urteils des Verwaltungsgerichts wird wie folgt gefasst: "Der Beklagte wird verurteilt, die Sitze in den drei ständigen Ausschüssen mit acht Gemeinderatsmitgliedern in der Weise zu verteilen, dass die Klägerin einen Sitz und die Beigeladene fünf Sitze erhält."

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zusammensetzung der Ausschüsse des Gemeinderates. Aufgrund der Kommunalwahl vom 3. März 2002 entfielen von den 24 Sitzen 14 Sitze auf die CSU, vier Sitze auf die Freien Wähler (FW), drei Sitze auf die SPD, zwei Sitze auf die ÖDP und ein Sitz auf die FDP.

Der Antrag der Klägerin (ÖDP-Gruppe), die Verteilung der Sitze in den Ausschüssen nach dem Verfahren Hare-Niemeyer vorzunehmen, wurde in der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats vom 7. Mai 2002 abgelehnt; es blieb somit gem. § 6 der Geschäftsordnung bei der Verteilung nach dem d'Hondtschen Verfahren, das bereits in den vorhergehenden vier Wahlperioden Anwendung gefunden hatte. Demzufolge war die Klägerin in keinem dieser aus acht Gemeinderatsmitgliedern bestehenden Ausschüsse (Haupt- und Finanzausschuss, Bau- und Umweltausschuss sowie Kultur-, Sozial- und Festausschuss) vertreten. Allerdings ermöglichte ihr die SPD-Fraktion die Übernahme eines Sitzes im fünfköpfigen Rechnungsprüfungsausschuss.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten, die drei ständigen Ausschüsse gemäß § 8 seiner Geschäftsordnung nach dem Verfahren Hare-Niemeyer zu besetzen und die Beschlüsse des Beklagten (Nr. 8 und Nr. 9) vom 7. Mai 2002 insoweit aufzuheben, als sie dieser Verpflichtung entgegenstehen. Mit Beschluss vom 18. Juli 2002 wurde die CSU-Fraktion zum Verfahren beigeladen.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage mit Urteil vom 26. März 2003 statt. Zwar könnten die Kommunen bei der Ausschussbesetzung prinzipiell zwischen dem d'Hondt'schen Höchstzahlverfahren und dem Restverteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer wählen. Der Beklagte habe jedoch mit der Wahl des Systems d'Hondt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum verlassen, denn in dem hier vorliegenden - seltenen - Fall werde die im Gemeinderat vorliegende Kräfteverteilung durch das System Hare-Niemeyer spiegelbildlich besser übertragen und dieser Effekt werde nicht durch eine entsprechende Benachteiligung einer anderen Gruppe erkauft. Die Beigeladene sei in den Ausschüssen auch bei einer Sitzverteilung nach Hare-Niemeyer - verglichen mit der Zahl ihrer Gemeinderatsmandate - immer noch überrepräsentiert. Der Beklagte habe daher mit dem System nach d'Hondt den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit verletzt.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung beantragt der Beklagte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. März 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Bei der Ausschussbesetzung sei ein Anspruch auf Anwendung eines bestimmten Berechnungsverfahrens ausgeschlossen, denn die Frage nach der Anwendbarkeit des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens sei nur abstrakt-generalisierend zu beantworten. Der Gesetzgeber habe die Auswahl der Verfahren offen gelassen. Trotz mit dem Billigkeitsempfinden nicht immer voll in Einklang stehender Ergebnisse habe die Rechtsprechung beide Verfahren für verfassungsgemäß erachtet. Weil die Verfahren gerade der Umsetzung des Gebots der Spiegelbildlichkeit dienten, könne eine Korrektur ihrer Ergebnisse nicht erneut aus diesem Grundsatz abgeleitet werden. Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO enthalte kein Optimierungsgebot. Eine derartige Forderung nach Einzelfallgerechtigkeit gehe zulasten der Praktikabilität und zwinge zu einer Verfahrenswahl nach nur schwer bestimmbaren Billigkeitserwägungen. Die Rechtssicherheit und das Bestreben nach Kontinuität durch dauerhafte Anwendung desselben Berechnungssystems gingen verloren. Dem Minderheitenschutz sei über die Berücksichtigung von Ausschussgemeinschaften Rechnung getragen. Schließlich habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass angesichts weiterer Berechnungsverfahren die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung nicht vorlägen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stelle das Urteil des Verwaltungsgerichts die konsequente Umsetzung des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO dar. Im Unterschied zu den bisher entschiedenen Fällen sei der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt dadurch gekennzeichnet, dass die bei der Berechnung nach Hare-Niemeyer auftretenden Fehler bei der einen Fraktion sich nicht gleichzeitig zulasten einer anderen Gruppe auswirkten. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Rechtmäßigkeit des d'Hondtschen Verfahrens in jedem Einzelfall zu prüfen. Eine derartige Pflicht sei weder unzumutbar noch unpraktikabel.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag, hält aber die Verpflichtung des Beklagten zur Anwendung eines bestimmten Verfahrens für ausgeschlossen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt im wesentlichen ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Verpflichtung des Gemeinderates, bei der Zusammensetzung der Ausschüsse dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO), angesichts der im Gemeinderat des Beklagten vorliegenden Kräfteverhältnisse die Heranziehung des d'Hondtschen Höchstzahlverfahrens ausschließt. Die bei d'Hondt durch eine sog. Über-Aufrundung auftretende Überrepräsentation der Beigeladenen zu Lasten der Klägerin wird durch andere Verfahren (z.B. nach Hare-Niemeyer, Sainte Laguë/Schepers) vermieden, ohne dass die bei jenen Verfahren auftretenden Rundungsfehler zu einer Unterrepräsentation einer anderen Fraktion bzw. Gruppe führen.

1. Die gem. Art. 33 Abs. 1 Satz 1 GO in der Geschäftsordnung niederzulegenden Entscheidungen - soweit nicht bereits gesetzlich geregelt - über die Bildung von Ausschüssen, deren Größe sowie das bei der Besetzung anzuwendende Verfahren sind Ausfluss der Organisationskompetenz des Gemeinderates (BayVGH vom 8.5.1968, VGH n.F. 21, 71/73 f. = BayVBl. 1968, 324/326). Seine Autonomie bei der Bestimmung der Mitgliederzahl sowie der Wahl des Besetzungsverfahrens ist gesetzlich durch Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO insoweit gebunden, als dem Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen und Gruppen Rechnung zu tragen ist. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung bereits früh den Zweck dieses zwingenden Grundsatzes betont, dass jeder Ausschuss in seiner Zusammensetzung ein verkleinertes Abbild des Gemeinderates darstellen muss (VGH vom 26.11.1954, n.F. 8, 5 LS 2 und S. 8 f.).

2. Das Proportionalitätsgebot wirkt auf die für die Erreichung seines Zwecks relevanten zwei Faktoren, die Bestimmung der Ausschussgröße sowie die Auswahl des Berechnungsverfahrens, in unterschiedlicher Intensität ein:

a) Die Bestimmung der Ausschussgröße - soweit gesetzlich nicht festgelegt - hat sich an dem sachlichen Gesichtspunkt der Gewährleistung effektiver Ausschussarbeit auszurichten. Ausschüsse als fachlich spezialisierte Untergliederungen des Gemeinderates dienen - insbesondere durch die Übernahme der Beratung - einer Beschleunigung der im Plenum vergleichsweise umständlicheren Willensbildung. Es liegt auf der Hand, dass die Effektivität und damit der Entlastungseffekt gegenüber der Plenararbeit mit zunehmender Größe des Gremiums abnimmt. Daher garantiert Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO nicht jeder kleinsten Fraktion oder Gruppe einen Anspruch auf einen Ausschusssitz, d.h. die Ausschussgröße muss nicht danach bemessen werden, dass auch die kleinste Gruppe einen Ausschusssitz erhält. Die Bestimmung der Zahl der Ausschussmitglieder ist vielmehr Ausdruck der Organisationsautonomie des Gemeinderats (BayVGH vom 8.5.1968, VGH n.F. 21, 71/73) und dessen Einschätzung, bis zu welcher Größe das jeweilige Gremium sachgerecht zu arbeiten vermag. Neben dem Willkür- und dem Übermaßverbot wirkt das Spiegelbildlichkeitsgebot nur insoweit limitierend, als die Mitgliederzahl eines Ausschusses nicht so gering bemessen werden darf, dass ansehnlich große Fraktionen und Gruppen von einer Vertretung im Ausschuss ausgeschlossen werden, so dass der Ausschuss kein Spiegelbild der Zusammensetzung des Gemeinderates mehr darstellen würde (BayVGH vom 26.11.1954, VGH n.F. 8, 5/8 unten; vom 8.5.1968, VGH n.F. 21, 74/78; vom 7.10.1992, BayVBl. 1993, 180/182). Insoweit enthält Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO nur ein Verbot grober Verzerrungen.

b) Etwas anderes gilt für die Auswahl des Berechnungsverfahrens zur Gewährleistung des Proporzes bei der Sitzverteilung in den Ausschüssen. Nachdem der Landesgesetzgeber den kommunalen Gremien insoweit kein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben hat, haben diese grundsätzlich die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Prinzips der repräsentativen Demokratie und des Gebots der Wahlgleichheit gerecht werdenden Berechnungsverfahren. Entscheidet sich der Gemeinderat für ein Verfahren, ist dieses konsequent bis zur Verteilung aller Sitze anzuwenden (BayVGH vom 8.5.1968, VGH n.F. 21, 71/72 = BayVBl. 1968, 324/326). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass sowohl das Höchstzahlverfahren nach d'Hondt als auch das Restverteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer dem Gebot der Wahlgleichheit nach Maßgabe des verbesserten Verhältniswahlrechts entsprechen (VerfGH vom 10.6.1994, VerfGH 47, 154/156 = BayVBl. 1994, 656 m.w.N.) und daher die Entscheidung eines Gemeinderates für das d'Hondtsche Höchstzahlverfahren grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (BayVGH vom 8.5.1968, VGH n.F. 21, 71/72 = BayVBl. 1968, 324/325; vom 5.3.1986, VGH n.F. 39, 22/23; vom 7.10.1992, BayVBl. 1993, 180/181 f.; zum Maßstab des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG: BVerwG vom 12.9.1977, DÖV 1978, 415; vom 7.12.1992, Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 87; vom 14.10.1993, BayVBl. 1994, 375 und vom 25.9.1985, BayVBl. 1986, 51).

3. Die Problematik des vorliegenden Falles beschränkt sich angesichts des klägerischen Begehrens auf den zuletzt genannten Aspekt der Auswahl eines Berechnungsverfahrens. Wegen der Unteilbarkeit von Menschen und Ausschusssitzen müssen die bei proporzgerechter Übertragung der Kräfteverhältnisse aus dem Plenum auf die (gewählte) Ausschussgröße (= Anzahl der Gemeinderatssitze der Fraktion multipliziert mit der Gesamtzahl der Ausschusssitze geteilt durch die Gesamtzahl der Gemeinderatssitze) typischerweise auftretenden Teilungsreste (= Dezimalbrüche) aufgelöst werden. Dazu stehen verschiedene mathematische Verfahren zur Verfügung: Entweder werden auf der Grundlage der strengen Proportionalberechnung im Anschluss an die Sitzvergabe nach ganzen Zahlen die restlichen Ausschusssitze im zweiten Takt nach der Größe der Dezimalreste verteilt (so z.B. Hare-Niemeyer) oder es wird die Reihenfolge der Zugriffe auf die Ausschusssitze für die einzelnen Fraktionen über Rangmaßzahlen bzw. Höchstzahlen definiert (so d'Hondt mit fortlaufenden und Sainte Laguë/Schepers nur mit ungeraden Höchstzahlen; vgl. zu dem letztgenannten Verfahren: Schindler [Hrsg.], Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999, Bd. 2, 1999, S. 2081 ff., S. 2085). Sobald bei der strengen Proportionalberechnung Dezimalzahlen auftreten und angesichts der sachgesetzlichen Forderung nach ganzzahligen Ergebnissen ein Rundungsbedarf besteht, können die verschiedenen Verfahren zu unterschiedlichen Resultaten führen. Tendenziell ist festzustellen, dass das d'Hondt'sche Verfahren eher größere Fraktionen bevorzugt, während das Restverteilungsverfahren eher die Minderheiten begünstigt und deren Beteiligung am demokratischen Prozess fördert (vgl. BayVGH vom 5.3.1986, VGH n.F. 39, 22/24 m.w.N.).

a) Die referierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Wahlmöglichkeit des Berechnungsverfahrens im Rahmen des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO (wie der entsprechenden Vorschrift des Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO) als einfachgesetzlicher Ausprägung des Spiegelbildlichkeitsgebots basiert auf der Erkenntnis, dass beiden Berechnungsverfahren die genannten spezifischen Fehler immanent sind. So hat der Senat beispielsweise in dem Urteil vom 5. März 1986 (VGH n.F. 39, 22/25 = BayVBl. 1986, 366/367) darauf abgestellt, dass "... dem Proporz auch dann nicht mit Genauigkeit Rechnung getragen wäre, wenn die Ausschusssitze nach dem Restverteilungsverfahren vergeben würden. Die Klägerin mit 5 % der Kreistagssitze würde 8,3 % der Sitze im Kreisausschuss erhalten und die CSU mit 70% der Kreistagssitze würde 66,6 % der Sitze im Kreisausschuss erhalten." Auch in der Entscheidung vom 7. Oktober 1992 (BayVBl. 1993, 180/181) findet sich der Hinweis darauf, dass "gewisse Abweichungen vom mathematisch genauen Proporz bei jedem Verteilungsverfahren auftreten, auch bei dem Verfahren nach Hare-Niemeyer. Die Umrechnung auf Sitze führt regelmäßig nicht zu ungebrochenen, sondern zu Bruchteilszahlen, so dass Auf- oder Abrundungen zur nächsten ganzen Zahl notwendig sind." In jenem Fall hätte die Mehrheitsfraktion gegenüber 40 v.H. der Gemeinderatssitze bei der Berechnung nach Hare-Niemeyer nur 33,3 v.H. der Ausschusssitze erhalten. Den bisherigen Entscheidungen lagen - soweit ersichtlich - Fallkonstellationen zugrunde, in denen bei einem Wechsel vom Höchstzahlverfahren nach d'Hondt auf das Restverteilungsverfahren (Hare-Niemeyer) andere Rundungsfehler aufgetreten wären und diese sich zulasten einer anderen Fraktion in der Weise ausgewirkt hätten, dass diese dann im Ausschuss unterrepräsentiert gewesen wäre. In einer derartigen Situation wechselseitig begünstigender und belastender Rundungsfehler stößt der strikte Normbefehl des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO an immanente Grenzen, und die Rechtsprechung hat deshalb dem Gemeinderat die Auswahl zwischen den beiden Berechnungsverfahren überlassen. Billigkeitserwägungen im Sinne einer Minimierung des bei der jeweiligen Methode auftretenden Gesamtfehlers hat der Senat ausdrücklich eine Absage erteilt (BayVGH vom 5.3.1986 a.a.O. und vom 7.10.1992 a.a.O. S. 182).

b) Demgegenüber hebt die Klägerin und daran anschließend das Verwaltungsgericht die Besonderheit des hier zu entscheidenden Falles hervor: Auf der Grundlage der vom Gemeinderat gewählten Ausschussgröße von acht Mitgliedern (und dem ersten Bürgermeister) vermeidet z.B. das Restverteilungsverfahren (und in gleicher Weise das Proportionalverfahren nach Sainte Laguë/Schepers) eine Überrepräsentation der Beigeladenen zulasten der Klägerin, ohne dass durch den Übergang zu diesen Verfahren eine andere Fraktion bzw. Gruppe unterrepräsentiert wird:

 Partei/ WählergruppeGemeinderat:  Ausschüsse:        
    math. Prop. d'Hondt:   Hare-Niemeyer und Sainte Laguë/Schepers  
 Sitze:Prozent   Sitze:ProzentAbweichung Sitze:ProzentAbweichung
CSU:1458,33% 4,7 675,00%+ 16,67 % 562,50%+ 4,17 %
SPD:312,50% 1,0 112,50%  112,50%
FW:416,67% 1,3 112,50%- 4,17 % 112,50%- 4,17 %
ÖDP:28,33% 0,7   - 8,33 % 112,50%+ 4,17 %
FDP:14,17% 0,3   - 4,17 %   - 4,17 %
Summe:24100,00% 8,00 8100,00%  8100,00%

Die vorliegenden Zahlen führen bei der Ausschussbesetzung nach d'Hondt zu einer sog. Über-Aufrundung: Im Abgleich mit den Ergebnissen der strengen Proportionalberechnung als (typischerweise auftretenden) Dezimalzahlen zeigt sich, dass die z.B. nach dem Höchstzahlverfahren errechnete Anzahl der Ausschusssitze der Beigeladenen die nächste ganze Zahl überschreitet. Aus dem Dezimalbruch 4,7 werden nicht nur 5, sondern 6 Ausschusssitze für die CSU-Fraktion und diese Über-Aufrundung wirkt sich unmittelbar zulasten der Klägerin aus, die dadurch (ihren) einen Sitz verliert. Die im Ergebnis über Differenzbeträge von 0,99 hinausgehende Rundung tritt demgegenüber bei einer Ausschussbesetzung z.B. nach Hare-Niemeyer oder Sainte Laguë/Schepers nicht auf, und bei beiden Verfahren bleiben die Zahlen für die anderen Fraktionen bzw. Gruppen unverändert.

c) Mit der Über-Aufrundung überschreitet das vom Beklagten herangezogene Höchstzahlverfahren nach d'Hondt, das die bei proporzgenauer Gremienverkleinerung typischerweise auftretenden Teilungsreste handhabbar gestalten soll, seinen eigentlichen Zweck. Die Anomalie der Über-Aufrundung sprengt den den mathematischen Verfahren gesetzten Rahmen. Dadurch wird die in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO (bzw. Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO) enthaltene Proportionalitätsforderung hinsichtlich der Auswahl der Berechnungsmethodik verletzt. Dazu hat der Senat erwogen:

Das Gebot der Spiegelbildlichkeit soll als Ausfluss des Prinzips der repräsentativen Demokratie die dem Gemeinderat als Plenum aufgetragene Repräsentation aller Gemeindebürger auf der Ebene seiner fachlichen Untergliederungen sichern (vgl. BVerwG vom 27.3.1992, BVerwGE 90, 104/109; vom 7.11.1992, Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 87 und vom 10.12.2003, Az. 8 C 18.03). Die Willensbildung in den Ausschüssen - und in gesteigertem Maße die abschließende Entscheidung bei beschließenden Ausschüssen (Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GO) - verlangt nach demokratischer Legitimation, die über den Gemeinderat nur vermittelt wird, wenn der Ausschuss mit Blick auf das Plenum hinreichend repräsentativ besetzt ist. Die Repräsentation setzt deshalb voraus, dass jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums ist und dessen Zusammensetzung widerspiegelt.

Bereits in seinen ersten Entscheidungen zu Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO als einfachgesetzlichem Niederschlag des Spiegelbildlichkeitsgebots hat der Verwaltungsgerichtshof betont, dass jeder Ausschuss soweit als möglich ein verkleinertes Abbild des Plenums sein müsse (BayVGH vom 26.11.1954, VGH n.F. 8, 5/8 und vom 15.7.1955, VGH n.F. 8, 97/100 f.). Die der Vorschrift insoweit innewohnende Annäherungstendenz an eine proporzgerechte Umsetzung der Kräfteverhältnisse hat zur Konsequenz, dass der Grad des Gelingens nicht ohne Betrachtung des Einzelfalls und -entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht nur abstrakt-generalisierend beurteilt werden kann. Die mathematischen Verfahren sind kein Selbstzweck und führen nicht aus sich heraus zu nicht hinterfragbaren Resultaten. Ihrer bedarf es dann nicht, wenn die Zahl der errungenen Sitze einer jeden Fraktion/Gruppe durch den Quotienten von Anzahl der Mitglieder des Plenums und des Ausschusses (= Anzahl der Gemeinderatssitze, auf die ein Ausschusssitz entfällt) in der Weise teilbar ist, dass das Ergebnis in jedem Fall eine ganze Zahl ergibt (vgl. BayVGH vom 5.3.1986, VGH n.F. 39, 22/23). Die Berechnungsverfahren bieten nur mathematische Techniken, um mit den in der Praxis zumeist auftretenden Bruchzahlen umgehen zu können. Das Resultat ist daher einer Überprüfung im Hinblick auf den ihnen vorgegebenen Zweck, der Repräsentation möglichst nahe zu kommen, fähig und bedürftig.

Hinter der vom Beklagten betonten Wahlfreiheit des Gesamtkollegialorgans für ein Berechnungsverfahren steht - anders als bei der von Effektivitätsüberlegungen zu steuernden Wahl der Ausschussgröße - kein materielles Substrat. Diese Wahlmöglichkeit ist nur die Folge begrenzter Umsetzbarkeit des Spiegelbildlichkeitsgebots in den - in der Praxis freilich zumeist vorliegenden und daher die bisherige Rechtsprechung prägenden - Fallkonstellationen, in denen aufgrund der zahlenmäßigen Gegebenheiten die Auswahl nach d'Hondt und Hare-Niemeyer zu wechselseitig begünstigenden und belastenden Rundungsfehlern zwischen den Fraktionen bzw. Gruppen führten. Nur in diesen Fällen stößt der strikte Normbefehl des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO an seine immanenten Grenzen, so dass die Rechtsprechung dem Gemeinderat die Auswahl für ein Verfahren überlassen und keinen Raum für Billigkeitserwägungen mit Blick auf einen Gesamtfehlerabgleich der beiden Verfahren gesehen hat (BayVGH vom 5.3.1986, VGH n.F. 39, 22/25). Daran hält der Senat fest.

Auch der Verweis von Beklagtem und Beigeladener auf die bei der Vergabe nach Hare-Niemeyer auftretende Verzerrung im Verhältnis von Freien Wählern und der Klägerin zueinander hilft nicht weiter. Zwar wird bei einer Verteilung nach Hare-Niemeyer und Sainte Laguë/Schepers aus der doppelten Sitzzahl im Gemeinderat (FW: 4 Sitze, ÖDP: 2 Sitze) in den Ausschüssen eine gleiche Repräsentation mit je einem Sitz, aber der Anteil der Freien Wähler verändert sich durch den Methodenwechsel nicht. Die Unterrepräsentation dieser Fraktion gegenüber ihrem Gewicht im Plenum beruht nicht auf den spezifischen Abbildungsfehlern eines bestimmten Verfahrens, sondern ist allen Verfahren in gleicher Weise immanent. Diese Abbildungsungenauigkeit gehört damit zu den durch eine Gremiumsverkleinerung hinzunehmenden Unbilligkeiten (vgl. BayVGH vom 15.7.1955, VGH n.F. 8, 97/101).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist ein Abgleich der Resultate verschiedener mathematischer Verfahren bei der Ausschussbesetzung für eine Gemeinde weder unpraktikabel noch unzumutbar. Schließlich führt auch der Hinweis auf die durch dauerhafte Anwendung desselben Berechnungssystems herbeizuführende, Rechtssicherheit schaffende Beständigkeit nicht weiter: Jeder neu gewählte Gemeinderat ist - intertemporal betrachtet - gegenüber dem während der vorangegangenen Wahlperiode im Amt gewesenen Gremium in Fragen seiner Selbstorganisation autonom und hat sich gemäß Art. 45 GO eine Geschäftsordnung zu geben (BayVGH vom 8.5.1968, BayVBl. 1968, 324/325); dem steht nicht entgegen, dass konkludent die Geschäftsordnung des vorhergehenden Gemeinderats übernommen werden kann. Kontinuität ist bei der Ausschussbesetzung auch innerhalb der Wahlperiode kein eigenständiger Wert, da während der Wahlperiode auftretende Änderungen des Stärkeverhältnisses der Fraktionen und Gruppen untereinander auszugleichen sind (BayVGH vom 15.7.1955, VGH n.F. 8, 97/101; vom 8.5.1968, VGH n.F. 21, 71/74 = BayVBl. 1968, 324/326; vom 7.10.1992, BayVBl. 1993, 180/181 f.).

4. Da das Höchstzahlverfahren nach d'Hondt angesichts der im Gemeinderat des Beklagten vorliegenden Kräfteverhältnisse im Vergleich mit den Resultaten anderer Verfahren das einfachgesetzliche Spiegelbildlichkeitsgebot des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO deutlich verfehlt, ohne dass die bei alternativen Verfahren auftretenden Rundungsfehler sich zulasten einer anderen Fraktion bzw. Gruppe auswirken, ist die Heranziehung des d'Hondtschen Höchstzahlverfahrens hier ausgeschlossen. Insoweit bleibt die Berufung ohne Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist jedoch insoweit abzuändern, als ein Ausspruch zur Heranziehung eines bestimmten Verfahrens hier nicht verlangt werden kann: Zum einen ist die subjektivrechtliche Position der Klägerin aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO ergebnisbezogen. Zum anderen führen die Verfahren nach Hare-Niemeyer, Sainte Laguë/Schepers wie auch eine einfache Auf- und Abrundung der bei strenger Proportionalberechnung auftretenden Dezimalzahlen zu gleichen Resultaten. Deshalb hat die Klägerin in den mit acht Gemeinderatsmitgliedern besetzten Ausschüssen Anspruch auf einen Sitz zulasten der Beigeladenen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; ein Ausspruch nach § 162 Abs. 3 VwGO ist nicht veranlasst. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Der entsprechenden Anregung des Beklagten konnte schon deshalb nicht entsprochen werden, da der für die Entscheidung allein relevante Maßstab des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO zum bayerischen Landesrecht gehört.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG).



Ende der Entscheidung

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