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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: 4 BV 05.1037
Rechtsgebiete: GG, BV, GO, WAS, AVBWasserV
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 14 | |
GG Art. 20a | |
BV Art. 118 Abs. 1 | |
BV Art. 141 Abs. 1 | |
GO Art. 24 | |
WAS § 7 | |
AVBWasserV § 3 | |
AVBWasserV § 35 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Wasserversorgung / Beschränkung der Benutzungspflicht;
hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. Januar 2005,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,
durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Kraft
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. April 2007
am 26. April 2007
folgendes Urteil:
Tenor:
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. 473/21 der Gemarkung S. Im Jahr 2002 bebauten sie dieses mit einem Einfamilienhaus, in das eine Regenwassernutzungsanlage für die WC-Spülung und die Gartenbewässerung eingebaut ist. Mit Schreiben vom 29. September 2003 beantragten sie die nachträgliche Genehmigung bei dem Beklagten für den Einbau der Regenwassernutzungsanlage zur Gartenbewässerung sowie für die WC-Spülung.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2003 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil der Verband durch die bereits bestehenden Beschränkungen der Benutzungspflicht jährlich Einbußen in Höhe von 11,5 v.H. habe. Der Wasserpreis wäre andernfalls um diese Marge geringer und die Erteilung weiterer Beschränkungen würde zu noch höheren Wassergebühren führen. Nach der Satzung des Beklagten könne lediglich gesammeltes Niederschlagswasser zum Zwecke der Gartenbewässerung verwendet werden; dazu könne die Anlage der Kläger weiterhin genutzt werden.
Mit ihrem Widerspruch machten die Kläger geltend, dem Verband ginge bei einer Beschränkung der Benutzungspflicht für die Toilettenspülung eine Liefermenge von ca. 33 bis 50 m3 Wasser verloren. Der Beklagte erwiderte, dass wenn allen anhängigen Anträgen stattgegeben würde, unter Berücksichtigung des Mehraufwands für die Kontrolle der Anlagen Einnahmeausfälle in Höhe von 69.000,00 Euro aufträten, so dass die 12 v.H.-Grenze überschritten würde. Nach den vorgelegten Listen seien Befreiungen und Beschränkungen insbesondere für Gartenbewässerung, Viehtränkung und Maschinenwäsche erteilt worden; in geringerem Umfang aber auch für Toilettenspülungen und Waschmaschinen. Das Landratsamt Mühldorf am Inn wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2004 zurück.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 20. Januar 2005 den Bescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2003 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Mühldorf a. Inn vom 13. Juni 2004 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über den Antrag der Kläger auf Beschränkung der Benutzungspflicht für die WC-Spülung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es auf § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS abgestellt, wonach die Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Beschränkung der Pflicht zur Benutzung des vom Beklagten gelieferten Trinkwassers hinsichtlich der WC-Spülung hätten; denn die Teilbeschränkung sei der Gemeinschaft der Gebührenzahler wirtschaftlich zumutbar. Bei den den Anschluss- und Benutzungszwang rechtfertigenden Gründen des öffentlichen Wohls könne zwar auch berücksichtigt werden, dass die kommunale Einrichtung nur bei Teilnahme aller zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen zu betreiben sei. Angesichts der überragenden Bedeutung des verfassungsmäßigen Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen entspreche es jedoch nicht dem öffentlichen Wohl, Grundwasser aus großen Tiefen zu fördern, aufzubereiten und mit erheblichen Kosten zu den einzelnen Grundstücken zu leiten, um es dort für Zwecke der Stallreinigung, Maschinenwäsche oder zum Betrieb von Toiletten zu verwenden, wenn für diese Zwecke Niederschlagswasser zu Verfügung stehe. Deshalb sei die Schwelle der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit in der Regel erst dann überschritten, wenn der Ausfall an Benutzungsgebühren ein solches Ausmaß erreiche, dass ein Weiterbetrieb der Einrichtung nach wirtschaftlichen Grundsätzen unmöglich werde oder doch erheblich in Frage zu stellen sei. Insoweit seien sowohl die bereits gewährten, alle beantragten Beschränkungen sowie alle weiteren Beschränkungsanträge zu berücksichtigen, mit denen in an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen sei. An der nach der bisherigen Rechtsprechung bei etwa 12 v.H. angesetzten relativen Grenze halte die Kammer nicht mehr fest; denn der Grund- und Trinkwasserschutz gebiete auch eine Berücksichtigung der absoluten Höhe der Wassergebühr. Vertretbar sei jedenfalls ein Wasserpreis, der den durchschnittlichen Preis anderer Wasserversorgungsunternehmen in der Region oder landesweit nicht wesentlich überschreite. Der vom Beklagten berechnete Wasserpreis bei Stattgabe aller Beschränkungsanträge von 0,74 Euro für den Kubikmeter Wasser erweise sich jedenfalls als vertretbar; denn im oberbayerischen Vergleich liege er eher am unteren Ende der üblichen Wassergebühren. Die Mehrbelastung des einzelnen Verbrauchers von 3,00 bis 5,00 Euro jährlich sei jedermann zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zuzumuten. Der Verpflichtungsantrag sei abzulehnen, weil die Beschränkung mit Nebenbestimmungen erteilt werden könne; insoweit stehe dem Beklagten ein Ermessensspielraum zu.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend, dass dem Verwaltungsgericht in seinen rechtlichen Ansatz, das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Zumutbarkeit mit Blick auf die Staatszielbestimmungen des Art. 20 a GG beziehungsweise Art. 141 Abs. 1 BV restriktiv auszulegen, nicht gefolgt werden könne. Beschränkungen seien nicht geeignet, die natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere das Grund- und Trinkwasser zu schützen. Durch die Benutzung von Regenwasser für die WC-Spülung werde dieses Wasser dem natürlichen Wasserkreislauf entzogen; es könne nicht mehr versickern und werde dem Grundwasser nicht mehr zugeführt. Auch infolge des erhöhten Reinigungsmittelbedarfs habe die Benutzung eigenen Wassers zum Betrieb von Toiletten nachteilige Auswirkungen auf den Schutz des Wassers als natürliche Lebensgrundlage. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit müsse anhand eines relativen Maßstabs geprüft werden, da es um die konkreten finanziellen Auswirkungen für die Gebührenpflichtigen gehe. Es sei zu bedenken, dass vielfach auch die absolute Belastung für die Gebührenpflichtigen erheblich sei; dies gelte insbesondere für Großabnehmer wie ein im Verbandsgebiet gelegenes Behindertenpflegeheimen mit einem Bezug von 35.000 - 40.000 m3, mittelständische Unternehmen und Landwirte, die das gesamte Wasser für die Viehtränkung vom Beklagten abnähmen. Ein absoluter Maßstab würde sich eher zulasten sozial schwacher Bevölkerungsgruppen auswirken, da Mieter in der Regel keine Möglichkeit hätten, ihre Toiletten mit Brauchwasser zu betreiben. In den Gemeinden des Landkreises Mühldorf am Inn liege der durchschnittliche Wasserpreis mittlerweile bei 0,64 Euro pro Kubikmeter und damit unter den Wassergebühren des Beklagten. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung würde die Beschränkung der Benutzungspflicht die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 20. Januar 2005 die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Beschränkungen der Benutzungspflicht seien sehr wohl geeignet, das Grund- und Trinkwasser zu schützen. Die vom Beklagten dagegen angeführten Argumente stünden im Widerspruch zu den Aussagen in einer Broschüre des Landkreises "Abwasserentsorgung im ländlichen Bereich - Umweltgerechter Umgang mit Regenwasser". Vor diesem Hintergrund habe das Verwaltungsgericht die wirtschaftliche (Un-)Zumutbarkeit richtig beurteilt.
Das Landratsamt Mühldorf a. Inn hat eine aktuelle Übersicht zu den Wasserpreisen im Landkreis übersendet; der Beklagte hat seine Berechnungen zu dem Wasserpreis (nunmehr: 0,90 Euro pro Kubikmeter) und dem Preis ohne (nunmehr: 0,80 Euro pro Kubikmeter) bzw. unter Berücksichtigung aller beantragten Beschränkungen (nunmehr: 0,94 Euro pro Kubikmeter) aktualisiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, insbesondere die Verhandlungsniederschrift, sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger "grundsätzlich" einen Anspruch auf Beschränkung der Benutzungspflicht hinsichtlich des vom Beklagten bezogenen Wassers für ihre Toilettenspülung haben.
1. Grundlage des von den Klägern geltend gemachten Begehrens ist § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS des Beklagten vom 17. Mai 2000. Danach wird auf Antrag die Verpflichtung zur Benutzung auf einen bestimmten Verbrauchszweck oder Teilbedarf beschränkt, soweit das für die öffentliche Wasserversorgung wirtschaftlich zumutbar ist und nicht andere Rechtsvorschriften oder Gründe der Volksgesundheit entgegenstehen. Mit der Normierung dieses Beschränkungsanspruchs ist der Satzungsgeber seiner bundesrechtlichen Verpflichtung aus § 3 Abs. 1 i.V.m. § 35 AVBWasserV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser vom 20.6.1980, BGBl. I S. 750, ber. S. 1067 - AVBWasserV) nachgekommen.
Mit dem Anspruch auf Beschränkung der Benutzungspflicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS sollen die Härten des generell-abstrakt wirkenden Anschluss- und Benutzungszwangs als belastender eigentumsrelevanter Regelung von Gewicht abgefedert werden. Die gesetzliche Ermächtigung (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO) sowie die satzungsmäßige Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an die öffentliche Wasserversorgung fällt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Eigentumsgrundrecht (vgl. BVerfG, B.v. 15.7.1981 - 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300) als generell abstrakte Ausgestaltung(sermächtigung) des Gesetz- und Satzungsgebers unter die Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Mit Blick auf die Pflicht des Normgebers, bei der Ausgestaltung des Eigentums einen gerechten Ausgleich zwischen den Polen der Verfügungsbefugnis und der Sozialbindung (Art. 14 Abs. 2 GG) unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu finden, ist die Pflicht zum Anschluss sowie zur Benutzung einer öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung bei vorliegenden Gründen öffentlichen Wohls jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn für atypische Einzelfälle eine Befreiungsmöglichkeit besteht (BayVGH, U.v. 16.12.1992 - 23 B 89.3170, NVwZ-RR 1994, 412). Diesem Gesichtspunkt dient im Hinblick auf individuell auftretende Härten der Befreiungstatbestand des § 6 WAS, neben den der Satzungsgeber - aufgrund bundesrechtlicher Verpflichtung gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 35 AVBWasserV - den Beschränkungsanspruch des § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS gestellt hat. Auch die Beschränkung der generellen Benutzungspflicht auf einen bestimmten Verbrauchszweck bzw. Teilbedarf dient der Herstellung eines schonenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst sicheren, kostengünstigen und zu weitgehend gleichen Bedingungen erfolgenden Wasserversorgung einerseits und den Individualinteressen der einzelnen Verbraucher an der Berücksichtigung ihrer jeweils besonderen Bedürfnisse und Wünsche andererseits (BVerfG, B.v. 2.11.1981 - 2 BvR 671/81, NVwZ 1982, 306/308; BVerwG, U.v. 11.4.1986 - 7 C 50.83, NVwZ 1986, 754/755 zu §§ 3 Abs. 1, 35 AVBWasserV). Bei der Auslegung der Beschränkungsregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips ist zu berücksichtigen, dass damit die Härten abstrakt-genereller Rechtsetzung (Anordnung des Benutzungszwangs) auf der Ebene der Rechtsanwendung mit Blick auf die individuellen Gegebenheiten des einzelnen Anschlussnehmers abgemildert werden können und die Vorschrift - durch Bundesrecht vorgezeichnet - als Anspruch und nicht etwa nur als Ermessensvorschrift ausgestaltet ist.
2. Nachdem keine hygienischen Standards ersichtlich sind, die für den von den Klägern beabsichtigten Verbrauchszweck der Toilettenspülung die Benutzung von Trinkwasser erfordern, stellt sich im vorliegenden Fall allein die Frage, ob die beantragte Beschränkung auf die verbleibenden Verbrauchszwecke der öffentlichen Wasserversorgung "wirtschaftlich zumutbar" ist. Darlegungspflichtig ist insoweit der Beklagte, der wegen des kostenrechnenden Charakters der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung (Art. 8 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KAG, § 12 KommHV), die durch Beiträge und Gebühren als spezielle Entgelte finanziert wird, nur schwerlich genuine Eigeninteressen geltend machen kann. Vielmehr wird es regelmäßig auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit für die übrigen Wasserabnehmer ankommen, die einen Gebührenausfall infolge von Teilbedarfsbeschränkungen über erhöhte Gebühren mitfinanzieren müssen. Erst wenn weitere Beschränkungen zu "für den Verbraucher nicht mehr tragbaren Wasserpreisen führen würde(n)" (so BVerwG, U.v. 11.4.1986 - 7 C 50.83, NVwZ 1986, 754/755 zu § 3 Abs. 1 AVBWasserV), kann der Ausschlussgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit einem Beschränkungsbegehren entgegengehalten werden.
Der vom Beklagten kalkulierte Wasserpreis setzt sich aus der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr und der Verbrauchsgebühr zusammen, deren Höhe von der vom Zweckverband tatsächlich abgesetzten Wassermenge abhängt. Dieser erachtet wegen der Korrelation von Gesamtverbrauchsmenge und Preis weitere Beschränkungen angesichts der dadurch ausgelösten Steigerungen der Verbrauchsgebühr seinen Gebührenzahlern nicht mehr für zumutbar. Zu berücksichtigen seien über den hier zu entscheidenden Antrag hinaus alle bereits positiv entschiedenen und wegen der Gleichbehandlung auch alle anhängigen Anträge auf Beschränkung. Dadurch würde die in etwa bei 12,5 v.H. anzusiedelnde Grenze überschritten, die sich in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs herauskristallisiert habe. Dem folgt der erkennende Senat nur zum Teil:
a) Dem Beklagten ist es nicht verwehrt, bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit nicht nur die Auswirkungen des konkret zu prüfenden Antrags auf die Gebührenkalkulation in den Blick zu nehmen, sondern aus Gründen der Gleichbehandlung darüber hinaus auch die übrigen anhängigen Beschränkungsanträge mit in die Betrachtung einzubeziehen. Die Anhängigkeit eines Antrags bzw. die zeitliche Reihenfolge des Eingangs bildet mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV ein legitimes Differenzierungskriterium. Dem Einrichtungsträger des weiteren bekannt gewordene Beschränkungswünsche, die sich noch nicht in entsprechenden Anträgen manifestiert haben, sind demgegenüber nicht geeignet, einem ansonsten durchgreifenden Beschränkungsanspruch entgegengehalten zu werden (Abweichung von BayVGH, U.v. 10.8.1984 - 23 B 82 A.2924, VGH n.F. 37, 83 = BayVBl. 1985, 152 und U.v. 14.11.1986 - 23 B 84 A.1720, KStZ 1987, 129/130 zur Berücksichtigung auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwartender Folgeanträge). Andernfalls würde durch die vorbeugende Einbeziehung z.B. durch Umfragen im Raum stehender Wünsche und Absichten Dritter in die Entscheidung über einen gestellten Beschränkungsantrag das bundesrechtlich durch §§ 3, 35 AVBWasserV garantierte subjektiv-öffentliche Recht auf Beschränkung der Benutzungspflicht ausgehöhlt. Für die Annahme des Ausschlussgrunds der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit darf der Einrichtungsträger unter dem Aspekt der Gleichbehandlung nicht auf zukünftige, sondern nur auf manifeste Umstände abstellen; denn § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS ermächtigt nicht dazu, bereits vor Erreichen der Unzumutbarkeitsschwelle gestellte und für sich betrachtet "unbedenkliche" Anträge wegen der Besorgnis künftiger Folgeanträge und erst dadurch zu befürchtender Unzumutbarkeit abzulehnen.
Es bleibt der Kommune jedoch unbenommen, die Einschränkung der Benutzungspflicht mit Blick auf zukünftige Folgeanträge ggf. unter Widerrufsvorbehalt zu stellen (so auch BayVGH, U.v. 13.2.1997 - 23 B 94.2319), um sich auf diese Weise für den Fall der Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze in der Zukunft Handlungsspielräume zur anderweitigen Verteilung der Beschränkungskapazitäten offen zu halten. Nach Überschreiten der wirtschaftlichen Zumutbarkeitsgrenze schwächt sich der Anspruch aus § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS - wie in den Fällen erschöpfter Kapazitäten z.B. im Rahmen der Zulassung zu kommunalen Einrichtungen (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO) - zu einem subjektiv-öffentlichen Recht auf sachgerechte und fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens ab. Dann kann der Einrichtungsträger entweder nach dem Prioritätsprinzip vorgehen, Gruppen von Verbrauchszwecken bilden oder andere legitime Auswahlkriterien aufstellen.
b) Bei der Bestimmung des Maßstabs wirtschaftlicher Unzumutbarkeit hat sich das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des früher für den Anschluss- und Benutzungszwang zuständigen 23. Senat des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs gelöst, der in einigen Entscheidungen die Grenze zur wirtschaftlichen Unzumutbarkeit bei einer Steigerung der Verbrauchsgebühr des einzelnen Einrichtungsträgers um ca. 12 v.H. angedeutet hat (BayVGH, U.v. 14.3.1986 - 23 B 83 A.648; U.v. 23.1.1991 - 23 B 88.00655, NVwZ-RR 1991, 585/586). Die Kammer hat wegen der Bedeutung des verfassungsrechtlichen Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG, Art. 141 Abs. 1 BV) neben dieser relativen eine absolute Betrachtung für notwendig gehalten, die auf die Gebührenhöhe im Vergleich zu anderen Wasserversorgern abstellt.
Auch der erkennende Senat erachtet eine rein relative, auf die Verbrauchsgebührensteigerung bei dem jeweiligen Einrichtungsträger abstellende Vergleichsbetrachtung zur Bestimmung der Grenze wirtschaftlicher Unzumutbarkeit nicht als ausreichend. Nicht nur mit Blick auf die ökologische Staatszielbestimmung des Art. 20a GG und die Pflicht zum schonenden Umgang mit Grundwasser als natürlicher Ressource gemäß Art. 141 Abs. 1 Satz 3 BV, sondern auch in einer an Art. 14 GG und dem Verhältnismäßigkeitsprinzips ausgerichteten Interpretation des § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS überzeugt es angesichts des vom Eigentumsrecht umfassten Beschränkungsanspruchs nicht, wenn dieser allein vom Ausmaß der Verbrauchsgebührensteigerung im Bereich des konkreten Einrichtungsträgers abhängig gemacht wird.
Zum einen darf bei Konkretisierung der Schranke wirtschaftlicher Unzumutbarkeit die Grundgebühr nicht außer Betracht bleiben. Denn der Einrichtungsträger muss alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Auswirkung einer Beschränkung der Benutzungspflicht etwa durch Anpassung der Gebührenstruktur aufzufangen. Demzufolge hat er vor Berufung auf wirtschaftliche Unzumutbarkeit zu prüfen und darzulegen, ob die Tragbarkeit des Wasserpreises im Rahmen ordnungsgemäßer Kalkulation nicht durch eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen Grund- und Leistungsgebühr aufgefangen werden kann (OVG Koblenz, U.v. 30.5.1995 - 7 A 12843/94, DVBl. 1996, 385/387).
Zum anderen kann die Schwelle wirtschaftlicher Unzumutbarkeit für die übrigen Wasserabnehmer nicht ohne Berücksichtigung der Wasserpreise anderer Versorger in der Region bestimmt werden (vgl. OVG Koblenz, U.v. 30.5.1995 - 7 A 12843/94, a.a.O. S. 387; VGH Kassel, U.v. 27.2.1997 - 5 UE 2017/94, juris Rdnr. 31). Zwar hängt die Kalkulation des Wasserpreises von den natürlichen Gegebenheiten im Gebiet des jeweiligen Einrichtungsträgers (Erschließung oberflächennaher bzw. tiefer Grundwasserschichten, Aufbereitungsaufwand, Leitungswege etc.) ab. Entgegen der Auffassung des Beklagten zwingt dieser Befund bei der Preiskalkulation jedoch nicht dazu, auch die wertende Grenze wirtschaftlicher (Un-)Zumutbarkeit für die angeschlossenen Gebührenzahler allein mit Blick auf die Preissteigerungen für diese Gruppe zu fixieren. Profitieren z.B. die Anschlussnehmer eines Einrichtungsträgers von dessen im Vergleich zu anderen Kommunen absolut gesehen geringen Gestehungskosten für Wasser, kann ihnen durchaus ein relativ hoher Gebührensprung als Folge der Absenkung des Gesamtwasserverbrauchs durch vermehrte Beschränkungen zugemutet werden. Eine ausschließlich relative Vergleichsbetrachtung der Verbrauchsgebührensteigerung ohne Berücksichtigung des Ausgangs- und Zielniveaus schöpft den Zumutbarkeitsmaßstab als anspruchsvernichtendes Element in § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS nicht aus; vielmehr ist ein Abgleich mit den Wasserpreisen anderer Versorger in der Region geboten. Von wirtschaftlicher Unzumutbarkeit kann erst gesprochen werden, wenn die Beschränkung der Benutzungspflicht zu einer Gebühr führen würde, deren Höhe den in der weiteren Umgebung üblichen Rahmen spürbar überschreitet. Es spricht Einiges dafür, die Schwelle der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS bei der Schranke des gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzips anzusiedeln, ohne dass diese Frage im vorliegenden Fall abschließender Klärung bedarf.
c) Daraus folgt für den hier zu entscheidenden Fall, dass das Begehren der Kläger, ihre Benutzungspflicht auf den Wasserbezug mit Ausnahme der Toilettenspülung zu beschränken, begründet ist. Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass bei der Kalkulation im Verhältnis von Grund- und Leistungsgebühr "noch Spielraum bestehen könnte". Darüber hinaus liegt die vom Beklagten für den Fall der Stattgabe aller anhängigen Beschränkungsanträge errechnete Verbrauchsgebühr von 0,94 Euro pro Kubikmeter Wasser im Vergleich mit den Gebühren der übrigen Wasserversorger im Landkreis zwar im oberen Bereich, wird aber noch von zwei Kommunen überschritten. Damit kommt es auf das zwischen den Beteiligten strittige Problem, ob der Überwachungsaufwand als Folge der Beschränkungen bei der Kalkulation der Verbrauchsgebühr berücksichtigt werden kann, nicht entscheidungserheblich an und die Frage der relativen Betrachtung (Gebührensprung von 0,80 Euro ohne Beschränkungen zu 0,94 Euro bei Stattgabe aller anhängigen Anträge) stellt sich vorliegend nicht.
3. Der Bescheidungsausspruch in der angefochtenen Entscheidung kann nicht abgeändert werden (§ 129 VwGO), weil nur der Beklagte, nicht jedoch die Kläger Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1, § 47 GKG).
Ende der Entscheidung
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