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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 4 C 03.518
Rechtsgebiete: VwGO, GVG, GG


Vorschriften:

VwGO § 40
GVG § 13
GG Art. 3
Zum Rechtsweg für die Entscheidung über den behaupteten Anspruch auf gleichmäßige Berücksichtigung bei (Mitwirkung an der) Auftragserteilung an Bestattungsredner durch eine kommunale Bestattungsanstalt.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

4 C 03.518

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Nichtempfehlung von Bestattungsrednern/Rechtsweg;

hier: Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Januar 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dillmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft,

ohne mündliche Verhandlung am 30. September 2003

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

IV. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte unterhält eine Bestattungsanstalt als unselbständige öffentliche Gemeindeanstalt (§ 1 Abs. 1 der Bestattungs- und Friedhofssatzung vom 14.9.1971 ABl. S. 709, zuletzt geändert durch Satzung vom 6.11.1984, ABl. S. 220 - zukünftig: BFS). Deren Aufgabe ist es, mit der Durchführung von Bestattungen alle Leistungen zu erbringen oder zu vermitteln, die zur Versorgung eines Toten vom Augenblick des Todes bis zum Schließen des Grabes bzw. zur Beisetzung der Urne notwendig oder üblich sind (§ 1 Abs. 3 BFS). § 5 BFS enthält die in Anspruch zu nehmenden Leistungen der Bestattungsanstalt (Einstellung und Aufbahrung im Leichenhaus, Durchführung der Erdbestattung etc.).

Mit ihrer am 11. Februar 2002 beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage begehren die Kläger die Verpflichtung der Beklagten, eine Liste freier konfessionsloser Bestattungsredner zu führen, die Kläger darin aufzunehmen, die Liste an interessierte Hinterbliebene auszuhändigen und gleichheitsgemäß an der Vergabe von Aufträgen an Bestattungsredner an alle in der Liste enthaltenen Bestattungsredner mitzuwirken. Zur Begründung führen sie aus, dass die Bestattungsanstalt nur Herrn S. als einzigen freigeistigen Bestattungsredner empfehle. Diese Praxis verletze die Berufsfreiheit der Kläger und verstoße gegen den Gleichheitssatz. Zur Beseitigung dieser Verletzung hätten die Kläger Anspruch auf Aufnahme in eine entsprechende Liste sowie Weitergabe dieser Liste auf Anfrage von Hinterbliebenen.

Die Beklagte rügt die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Die Bestattungsanstalt erfülle zwei Funktionen: Zum einen würden hoheitliche Aufgaben wahrgenommen und zum anderen Dienstleistungen angeboten, die auch von Bestattungsunternehmen erbracht würden. Vorliegend sei der gewerbliche Bereich betroffen, dessen Tätigkeit zivilrechtlich zu beurteilen sei. Die Klage sei jedenfalls unbegründet, da Fragen der Organisationsgewalt der Beklagten inmitten stünden, wonach die Beklagte nach eigenem Ermessen Regelungen über die Arbeitsweise der Behörden zu treffen habe. Tatsächlich empfehle oder vermittle die Beklagte keine Bestattungsredner.

Die Kläger halten demgegenüber den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für eröffnet, weil die Beklagte als juristische Person des öffentlichen Rechts Trägerin der Anstalt sei. Für das Vorliegen einer Streitigkeit i.S. des § 40 Abs.1 Satz 1 VwGO spreche auch die von der Beklagten ins Feld geführte Organisationsgewalt als öffentlich-rechtliche Rechtsfigur.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2003 erklärte das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Nürnberg. Das Begehren der Kläger sei dem gewerblichen Tätigkeitsfeld der Bestattungsanstalt der Beklagten zuzuordnen, weil deren benutzungspflichtiger Bereich in keiner Weise tangiert werde und die Empfehlung/Vermittlung von Bestattungsrednern auch von privaten Bestattungsunternehmen angeboten werde.

Mit der Beschwerde machen die Kläger geltend, dass die öffentliche Hand entgegen der in Praxis und Lehre herrschenden Fiskusdoktrin nicht privatrechtlich handeln könne. Sie besitze mangels ihr zustehender Privatautonomie kein Wahlrecht über ihre Handlungsformen, sondern aufgrund ihrer strikten Gemeinwohlbindung sei ihr Handeln zwingend öffentlich rechtlich. Selbst wenn man aber der herrschenden Auffassung folge, seien gewerbliche und hoheitliche Abteilung der Bestattungsanstalt weder räumlich noch persönlich-organisatorisch voneinander getrennt. Als Anlaufstelle für Hinterbliebene erscheine die Bestattungsanstalt als Einheit und sei deshalb als Ganzes dem öffentlichen Recht verpflichtet. Ihre unter Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip durchgeführte gewerbliche Tätigkeit erfasse auch die Empfehlung nur eines bestimmten Bestattungsredners. Die aus dem Subsidiaritätsprinzip abgeleitete Unterlassungspflicht sei aber fraglos öffentlich-rechtlicher Natur.

Die Kläger beantragen,

den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. Januar 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Bestattungswesen sei in einem Regiebetrieb mit hoheitlicher und gewerblicher Abteilung zusammengefasst. Die Beschwerde verkenne, dass deren Grundrechtsgebundenheit auch für die Zivilgerichte maßgeblich sei. Organisatorisch seien hoheitliche Funktion und Wirtschaftsbetrieb getrennt und die Anstalt lasse nach außen deutlich erkennen, in welcher Funktion sie tätig werde.

Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die vorliegende Rechtsstreitigkeit gem. § 13 GVG in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fällt. Mit der erstrebten Führung einer Liste von Bestattungsrednern unter Berücksichtigung der Kläger, der Aushändigung der Liste an interessierte Hinterbliebene und Mitwirkung an der gleichheitsgemäßen Vergabe von Aufträgen wird gegenüber der Beklagten kein öffentlich-rechtlicher Anspruch i.S. des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend gemacht.

Das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit richtet sich nach der wirklichen Natur des (behaupteten) Rechtsverhältnisses, aus dem der Anspruch hergeleitet wird; auf die rechtliche Qualifizierung durch den Kläger kommt es nicht an (BVerwGE 96, 71/73 f. m.w.N.). Allein formale Aspekte der Organisation als unselbständige Anstalt in der Hand einer Juristischen Person des Öffentlichen Rechts sowie die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BestG) mittels einer öffentlichen Einrichtung führen entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht zwingend zum Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit. Ein Rechtsträger kann - vorbehaltlich spezieller gesetzlicher Regelung - das Betriebsverhältnis seiner Einrichtung öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestalten (vgl. BVerwG vom 21.7.1989 DVBl. 1990, 154 m.w.N.; BayVGH vom 4.5.1994 BayVBl. 1995, 310; vgl. auch BVerwGE 96, 71/74) und zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgabe zivilrechtliche Verträge mit Dritten schließen (fiskalische Hilfsgeschäfte).

Vorliegend wurzelt der streitgegenständliche Anspruch jedoch weder in dem - regelmäßig als öffentlich-rechtlich anzusehenden - Zulassungsanspruch noch in dem wahlweise zivil- oder öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnis zwischen dem Nutzungswilligen/Nutzer und dem Einrichtungsträger. Die Kläger treten vielmehr als Dritte an die Beklagte heran und verlangen bestimmte organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung gleichmäßiger Berücksichtigung im Falle der Empfehlung von Bestattungsrednern. Dieser Gleichbehandlungsanspruch betrifft - das tatsächliche Vorbringen der Kläger hinsichtlich entsprechender Empfehlungen seitens der Beklagten unterstellt - den nicht-benutzungspflichtigen Tätigkeitsbereich der Bestattungsanstalt, der sich nach Bekunden der Beklagten gegenüber dem Verwaltungsgericht im Schriftsatz vom 22. August 2002 zivilrechtlicher Handlungsformen bedient. Davon unabhängig werden Streitigkeiten im Zusammenhang mit der behördlichen Vermittlung Dritter als Dienstleister in der Rechtsprechung dem Zivilrecht zugeordnet (BVerwG vom 10.11.1972 DÖV 1973, 244/245 = GewArch 1974, 13/15).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 1972 (BVerwGE 39, 329). In dem zugrundeliegenden Fall hatte der klagende Bestattungsunternehmer von der beklagten Stadt die Trennung des hoheitlichen und des erwerbswirtschaftlichen Aufgabenbereichs verlangt. Wegen der damit erstrebten Änderung der Behördenorganisation ist das Bundesverwaltungsgericht von einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ausgegangen, da sich ein entsprechender Anspruch nur aus öffentlichem Recht ergeben könne (a.a.O. S. 331). Vorliegend betreffen die streitgegenständlichen organisatorischen Maßnahmen aber nur die Ablauforganisation in dem nicht dem Benutzungszwang unterliegenden Tätigkeitsbereich der Bestattungsanstalt; der hoheitlich handelnde Teil der Anstalt wird davon in keiner Weise berührt. Der seitens der Kläger geltend gemachte Anspruch auf organisatorische Maßnahmen betreffend die Art und Weise der Aufgabenerledigung des Teilbereichs der Anstalt, der sich im Außenkontakt ausschließlich privatrechtlicher Handlungsformen bedient, wäre - seine Existenz unterstellt - demzufolge ebenfalls zivilrechtlicher Natur. Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger mit ihrem Begehren eine Gleichbehandlung gem. Art. 3 Abs. 1 GG einfordern. Allein diese Fundierung des behaupteten Anspruchs führt nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit, denn auch wenn die Verwaltung ihre Aufgaben in den Formen des Privatrechts wahrnimmt, unterliegt sie nach den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts der Grundrechtsbindung (BGHZ 91, 84/96 f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 5 ZPO. Gründe für die Zulassung der Beschwerde gem. § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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