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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.08.2004
Aktenzeichen: 4 CE 04.1778
Rechtsgebiete: VwGO, GO


Vorschriften:

VwGO § 40
GO Art. 21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

4 CE 04.1778

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Vergabe der Bewirtschaftungsrechte an einer kommunalen Einrichtung (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 09. Juni 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dillmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft,

ohne mündliche Verhandlung am 23. August 2004

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Unter Änderung der Ziffer 3. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Juni 2004 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die Besitzüberlassung und Bewirtschaftung eines im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Gebäudes. Der Ziegelbau, eine als Industriedenkmal geschützte ehemalige Fabrikationshalle, befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der kommunalen Konzert- und Kongresshalle der Antragsgegnerin sowie eines privaten Tagungshotels (****** Hotel GmbH).

Ursprünglich beabsichtigte die Antragsgegnerin, den Ziegelbau nach der Sanierung als Tagungsstätte sowie gastronomisch zu nutzen und in unmittelbarer Nachbarschaft ein Hotel Garni betreiben zu lassen. In dem zwischen den Beteiligten am 24. Juni 1998 geschlossenen Bewirtschaftungsvertrag wurde der Antragstellerin wie bereits zuvor die gastronomische Bewirtschaftung der Konzert- und Kongresshalle übertragen und in einer Zusatzvereinbarung wurden die Regelungen dieses Vertrages ab der Fertigstellung der Sanierung des Ziegelbaus auf die darin befindlichen Kongressräume ausgedehnt.

Die Sanierung des Ziegelbaus geriet aufgrund von Haushaltsproblemen der Antragsgegnerin im Jahr 2000 ins Stocken. Nach ihrem Vorbringen sei der avisierte Hotelbetreiber "abgesprungen" und die ******-Gruppe als potenzieller Investor habe kein reines Hotel Garni betreiben wollen, so dass der Ziegelbau konzeptionell in die Hotellösung eingefügt worden sei. Der Investor habe die teilsanierte Immobilie aber nur anmieten wollen und aufgrund des ausgehandelten Mietzinses sei die Finanzierung der Sanierung gesichert worden. Mit Vertrag vom 21. Januar 2003 vermietete die Antragsgegnerin den Ziegelbau an die ****** Hotel GmbH für 20 Jahre.

Im Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Bewirtschaftungsvertrag einerseits und der damit im Widerspruch stehenden Vermietung des Ziegelbaus andererseits sind mehrere zivilgerichtliche Verfahren (Landgericht Bamberg und Oberlandesgericht Bamberg) anhängig. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist der ******-Gruppe als Mieterin am 30. April 2004 der Besitz überlassen worden; am 14. Mai 2004 sei die Schließanlage übergeben worden.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der unverzüglichen Rückgängigmachung einer ggf. bereits erfolgten Besitzüberlassung an die ****** Hotels - Gruppe und Unterlassung, die Bewirtschaftung der im Ziegelbau befindlichen Kongressräume oder den unmittelbaren Besitz daran an jemand anderen als die Antragstellerin zu überlassen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Juni 2004 ab. Der Antrag sei unzulässig, da die Ast. keinen vor den Verwaltungsgerichten durchsetzbaren Anspruch auf Benutzung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung bzw. auf Sicherung entsprechender Rechte nach Art. 21 Abs. 1 GO geltend machen könne. Nach der derzeitigen Konzeption, wie sie in dem Vertrag vom 21. Januar 2003 zum Ausdruck komme, sei die Eigenschaft des Ziegelbaus als öffentliche Einrichtung fraglich. Selbst wenn man das aber zugunsten der Antragstellerin unterstellen wollte, sei ein öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch im Sinn der Zwei-Stufen-Theorie nicht gegeben, weil die Antragstellerin nicht zu den Benutzern der Einrichtung zu zählen sei. Das Tätigwerden eines Gewerbetreibenden in einer öffentlichen Einrichtung mache diesen nicht zwangsläufig zum Benutzer der Einrichtung. Auch der Vertrag vom 24. Juni 1998 beinhalte kein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts im Sinne des Art. 54 BayVwVfG' so dass auch daraus keine vor dem Verwaltungsgericht durchsetzbaren öffentlich-rechtlichen Ansprüche abgeleitet werden könnten. Die Antragstellerin sei dadurch nicht rechtlos gestellt; sie könne ihre Rechte in ausreichender Form vor den Zivilgerichten geltend machen.

Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragstellerin u.a. vor, dass sie die Sicherung ihres öffentlich-rechtlichen Anspruchs aus der (dem am 24. Juni 1998 geschlossenen Vertrag) zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Vergabeentscheidung erstrebe. Die Antragsgegnerin habe den Ziegelbau, der das Kongresszentrum als öffentliche Einrichtung in kommunaler Hand ideal ergänze, ebenfalls als kommunale Einrichtung (Tagungszentrum) errichtet. Für die Erfüllung dieser kommunalen Aufgabe seien auch öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen worden. Die Vergabe des Bewirtschaftungsrechts sei nach der Zwei-Stufen-Theorie jedenfalls öffentlich-rechtlicher Natur. Unabhängig von dem Vorliegen einer wirksamen anderweitigen Besitzübertragung liege in der von der Antragsgegnerin behaupteten Übergabe ein Widerruf der ursprünglich an die Antragstellerin ergangenen Vergabeentscheidung. Dagegen habe die Antragstellerin Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts wird aufgehoben.

2. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Überlassung des unmittelbaren Besitzes am sog. "Ziegelbau" in Bamberg an die ******-Hotels-Gruppe - ggf. auch unter Einflussnahme auf die Fa. Stadthallen GmbH - unverzüglich rückgängig zu machen.

3. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro' ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu vollziehen an ihren verfassungsmäßig berufenen Vertretern, aufgegeben, es - ggf. auch unter Einflussnahme auf die Fa. Stadthallen GmbH - zu unterlassen, die Bewirtschaftung der im sog. "Ziegelbau" in Bamberg befindlichen Kongressräume ab Fertigstellung der Sanierung des Ziegelbaus und der Parkgarage - für die Dauer von 10 Jahren ab Fertigstellung der Sanierung des Ziegelbaus - vor der Bestandskraft des Widerspruchsbescheids in Bezug auf den erstinstanzlich als Anlage A1 vorgelegten Widerspruch der Antragstellerin vom 28. Juni 2004 bzw. der erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung im diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren an einen anderen als die Antragstellerin zu überlassen oder einem anderen als der Antragstellerin bereits zuvor den unmittelbaren Besitz am "Ziegelbau" zu überlassen

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerseite sei nicht jede Vergabeentscheidung der öffentlichen Hand über die Zwei-Stufen-Theorie dem öffentlichen Recht zuzurechnen. Diese Lehre greife nur dort, wo sich das Grundverhältnis z.B. aus einer Widmung nach öffentlichem Recht richte. Das sei hier nicht der Fall, da der Ziegelbau nach der nunmehrigen Konzeption nicht unter den Begriff der öffentlichen Einrichtung falle. In Erfüllung des Vertrags vom 21. Januar 2003 sei der ******-Gruppe der Besitz am gesamten Ziegelbau übertragen worden. Am 12. Juli 2004 habe die Eröffnung des neuen Hotels und des Ziegelbaus stattgefunden, der nunmehr auch hinsichtlich des Restaurants durch die ******-Gruppe betrieben werde. Schließlich sei die Antragstellerin keine im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin ansässige juristische Person.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg, da die Antragstellerin mit Blick auf ihr Beschwerdevorbringen keinen Anordnungsanspruch im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf Besitzverschaffung am sog. Ziegelbau als Grundlage sämtlicher von ihr geltend gemachter prozessualer Ansprüche glaubhaft zu machen vermag (§§ 146 Abs. 4 Satz 6, 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass sich aus dem rein privatrechtlichen Bewirtschaftungsvertrag vom 24. Juni 1998 nebst Zusatzvereinbarung keine subjektiv-öffentlichen Rechte ergeben.

Auch Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 GO greift nicht zugunsten der Antragstellerin. Nach der nunmehr verwirklichten Gesamtkonzeption ist der Ziegelbau keine öffentliche Einrichtung der Antragsgegnerin und auch nicht Teil einer solchen. Nachdem ein expliziter Widmungsakt nicht ausgesprochen worden ist, könnte sich eine konkludente Widmung nur aus der tatsächlichen Überlassungspraxis der Antragsgegnerin ergeben (BayVGH, B.v. 21.1.1988 - 4 CE 87.03883, BayVBl. 1988, 497/498). Eine derartige Praxis liegt aber angesichts der Fertigstellung des Gebäudes erst unter dem neuen Nutungskonzept gerade nicht vor und die früheren, nicht umgesetzten Vorstellungen der Beteiligten vermögen für sich genommen nicht widmungsbegründend zu wirken. Es spricht viel dafür, den Ziegelbau in der jetzt verwirklichten Nutzungskonzeption allenfalls als private Einrichtung (vgl. Bauer/Böhle/Masson/Samper, Gemeindeordnung, Art. 21 GO Rdnr. 8; Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung, Art. 21 GO Nr. 1a) oder aber reines Fiskalvermögen der Antragsgegnerin anzusehen. Die Ausgestaltung der damit zusammenhängenden Rechtsbeziehungen richtet sich indes unmittelbar nach Privatrecht, dessen Regelungen angesichts der Stellung der Gemeinde als juristischer Person des Öffentlichen Rechts durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts lediglich ergänzt, überlagert oder modifiziert werden (sog. Verwaltungsprivatrecht; vgl. BGH, U.v. 5.4.1984 - III ZR 12/83, BGHZ 91, 84/96 f.).

Das verkennt auch die Antragstellerin nicht und leitet die von ihr geltend gemachten Ansprüche aus der - ihrer Auffassung nach - dem zivilrechtlichen Vertrag vom 24. Juni 1998 zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Vergabeentscheidung ab. Die Antragsgegnerin habe den Ziegelbau als kommunale Einrichtung (Tagungszentrum) geplant, errichtet und zur Erfüllung dieser kommunalen Aufgabe öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen. Die Vergabe des Bewirtschaftungsrechts sei daher nach der Zwei-Stufen-Theorie jedenfalls öffentlich-rechtlicher Natur und begründe öffentlich-rechtliche Sicherungsrechte. Dem folgt der Senat nicht.

Ausgehend von der Organisationsautonomie der Gemeinde vermag eine Kommune auch öffentliche Aufgaben, wenn und soweit keine öffentlich-rechtlichen Normen oder Rechtsgrundsätze entgegenstehen, in der Form und mit den Mitteln des Privatrechts zu erfüllen. Selbst wenn eine öffentlichen Aufgabe vorliegt, darf deswegen nicht ohne weiteres auf den öffentlich-rechtlichen Charakter ihrer Ausführung geschlossen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Gemeinde öffentlich-rechtlicher Rechtsformen bedient oder das öffentliche Recht auch die Ausführung der Aufgabe steuert, also den Verwaltungsvollzug ausschlaggebend prägt (BVerwG, B.v. 18.10.1993 - 5 B 26.93, BVerwGE 94, 229/231 f.; U.v. 19.5.1994 - 5 C 33.91, BVerwGE 96, 71/73 f.; B.v. 15.11.2000 - 3 B 10.00, Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 286). Das ist bei der hier in Rede stehenden "Vergabeentscheidung" zur Bewirtschaftung des im gemeindlichen Eigentum stehenden Ziegelbaus nicht der Fall; denn die Zwei-Stufen-Theorie ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht auf jede Vergabeentscheidung der öffentlichen Hand anwendbar. Ihre Heranziehung setzt vielmehr voraus, dass das erstrebte Verhalten des Trägers öffentlicher Verwaltung (z.B. eine Zulassung) als solches durch einen Rechtssatz (z.B. Art. 21 Abs. 1 GO), einen Rechtsakt (z.B. Widmung) oder Gewohnheitsrecht öffentlich-rechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.8.1971 - VIII C 25.69, BVerwGE 38, 281/283; Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 16). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin vor Abschluss des Bewirtschaftungsvertrags vom 24. Juni 1998 eine Vergabeentscheidung in einer öffentlich-rechtlichen Handlungsform getroffen hat. Sie brauchte dies mangels zwingend vorgegebener Aufgabenerfüllung in öffentlich-rechtlicher Form auch nicht zu tun, so dass kein Raum für die Fiktion eines derartigen vorgeschalteten öffentlich-rechtlichen Vergabeakts bleibt.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin nicht rechtsschutzlos gestellt ist, sondern ihre Rechte vor den Zivilgerichten geltend zu machen vermag. Die Schwäche schuldrechtlicher Primäransprüche gegenüber anderweitiger tatsächlicher Verfügung des Schuldners ist dem Zivilrecht allerdings systemimmanent. Sie kann bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Vertragspartnern - außerhalb der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Rechtsansprüche mittels privatrechtlicher Rechtsformen - nicht durch Rückgriff auf öffentlich-rechtliche Rechtsinstitute kompensiert werden.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 20 Abs. 3 GKG, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung und orientiert sich an der Streitwertfestsetzung der zwischen den Beteiligten ergangenen zivilgerichtlichen Entscheidungen (LG Bamberg, B.v. 7.5.2004 - 1 O 510/02; OLG Bamberg, B.v. 19.5.2004 - 3 W 60/04).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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