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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 4 CE 04.3137
Rechtsgebiete: GG, VwGO, BauGB, GO


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123
VwGO § 161 Abs. 2
BauGB § 192
GO Art. 29
GO Art. 37
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

4 CE 04.3137

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Besetzung des Gutachterausschusses (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Oktober 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat, durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft ohne mündliche Verhandlung am 11. Mai 2005 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Das Verfahren wird eingestellt.

II. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2004 ist in Ziffern I. und II. wirkungslos geworden.

III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, ein Architekt, war bis zum 30. April 2001 ehrenamtliches Mitglied des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 25. Mai 2004 bewarb er sich um eine Berufung als ehrenamtliches Mitglied des Gutachterausschusses für die neue Wahlperiode.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers ersuchte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 3. August 2004 um Mitteilung, nach welchen Kriterien die Vorschlagsliste der Verwaltung erstellt werde bzw. der Stadtrat entscheide und ob nicht berücksichtigte Bewerber eine entsprechende Mitteilung erhielten.

Der Antragsteller wurde von der Stadtverwaltung nicht in die Vorschlagsliste zur Benennung der ehrenamtlichen Mitglieder des Gutachterausschusses aufgenommen. Seinem Verfahrensbevollmächtigten wurde mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 mitgeteilt, dass mangels gesetzlicher Regelung nach langjähriger Praxis neben den Kriterien der Fachkunde und der Erfahrung auch auf das Lebensalter abgestellt werde. Sofern es sich nicht um eine Anschlussberufung handle, dürften Bewerber das dreiundsechzigste Lebensjahr nicht vollendet haben. Mangels gesetzlicher Obergrenze für die Zahl der ehrenamtlichen Mitglieder bestehe keine Eilbedürftigkeit; der Antragsteller könne ggf. für die Wahlperiode nachnominiert werden. Nicht berücksichtigte Bewerber würden selbstverständlich benachrichtigt.

Auf die Empfehlung des Kommunalausschusses (Beschluss vom 21. Oktober 2004) beschloss die Vollversammlung des Stadtrates am 27. Oktober 2004, die Mitglieder des Gutachterausschusses nach der von der Verwaltung erarbeiteten Liste zu berufen.

Bereits am 21. Oktober 2004 beantragte der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Vollversammlung des Stadtrates in der Sitzung, in der über die Bestellung der ehrenamtlichen Mitglieder entschieden wird, umfassend über die Bewerbung des Antragstellers als ehrenamtliches Mitglied im Gutachterausschuss zu informieren.

Zur Begründung führte er aus, dass die Mitglieder des Gutachterausschusses, dem der Antragsteller bereits angehört habe, nach dem verfassungsrechtlich verbürgten Leistungsgrundsatz zu berufen seien. Der Antragsteller habe nach rechtsstaatlichen Grundsätzen einen Anspruch darauf, dass die Vollversammlung des Stadtrates als demokratisch gewähltes Organ vor einer Entscheidung ausreichend über die Bewerbung des Antragstellers informiert werde. Die von der Antragsgegnerin behauptete Altersgrenze sei nirgendwo geregelt und nach Kenntnis des Antragstellers auch in der Vergangenheit nicht angewandt worden. Eine solche Altersgrenze verstoße zudem gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Leistungsgrundsatz; die Auswahlkriterien seien durch den Stadtrat aufzustellen.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat im Schriftsatz vom 26. Oktober 2004 das fehlende Rechtsschutzbedürfnis gerügt. Das Anordnungsbegehren sei erstmals mit dem Antragsschriftsatz gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht worden. Zudem sei wegen der Nachbenennungsmöglichkeit von ehrenamtlichen Ausschussmitgliedern keine Eilbedürftigkeit ersichtlich. Im übrigen werde die Verwaltung - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - den Stadtrat in der nächsten mit Blick auf notwendige Vorlauffristen erreichbaren Sitzung von der Bewerbung des Antragstellers unterrichten.

Mit Beschluss vom 26. Oktober 2004 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Der zulässige Antrag sei mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs unbegründet. Ein Anspruch auf Berücksichtigung der Bewerbung könne sich nur aus Art. 3 GG, Art. 118 BV i.V.m. dem Kriterienkatalog und der ständigen Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin ergeben. Daran gemessen seien die Kriterien der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Es sei sachgerecht, neben der Fachkunde und Erfahrung auch auf das Lebensalter für Neuberufene abzustellen, sofern es sich nicht um eine Anschlussberufung handele. Die Festsetzung einer strikten Altersgrenze sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zulässig. Es ergäben sich entgegen dem Vorbringen des Antragstellers auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin sich nicht an die von ihr aufgestellten Grundsätze halte und in ihrer Verwaltungspraxis davon abweiche.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde und beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Vollversammlung des Stadtrates unverzüglich und umfassend über die Bewerbung des Antragstellers als ehrenamtliches Mitglied des Gutachterausschusses zu informieren.

Der Kommunalausschuss sei über die von der Verwaltung vorgeschlagenen Bewerber, nicht jedoch über die Bewerbung des Antragstellers informiert worden. Die von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Kriterien seien, wie die unterschiedlichen Äußerungen ihrer Repräsentanten belegten, alles andere als transparent und zudem den Beschlussgremien offenbar nicht bekannt. Angesichts des verfassungsrechtlich verbürgten Leistungsgrundsatzes könne eine Altersgrenze von dreiundsechzig Jahren nicht gerechtfertigt werden. Entgegen ihrer Ankündigung habe die Antragsgegnerin den Stadtrat auch in den Vollversammlungen am 24. November und 15. Dezember 2004 nicht von der Bewerbung des Antragstellers informiert.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Beschwerde für unzulässig, da sie auf das erstmals mit dem Antrag vom 20. Oktober 2004 gegenüber dem Verwaltungsgericht geltend gemachte Informationsbegehren umgehend eingegangen sei; die Bekanntgabe der Bewerbung des Antragstellers werde am 20. Januar 2005 im Kommunalausschuss und am 26. Januar 2005 in der Vollversammlung des Stadtrates erfolgen. Damit fehle es an einem Anordnungsgrund.

Der Stadtrat der Antragsgegnerin wurde in seiner Vollversammlung vom 26. Januar 2005 über die Stellung des Gutachterausschusses, die Auswahlkriterien für die ehrenamtlichen Gutachter und die Bewerbung des Antragstellers informiert. Auf Antrag aus dem Plenum wurde die Vorlage auch in der Kommunalausschusssitzung vom 17. Februar bekannt gegeben.

Daraufhin erklärt der Antragsteller die Hauptsache für erledigt; dieser Erklärung schließt sich die Antragsgegnerin der Sache nach an.

II.

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog) und die Entscheidung der Vorinstanz für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).

Über die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen ist nach Maßgabe von § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Dem sich am Erfolgsgrundsatz orientierenden billigen Ermessen im Sinne dieser Vorschrift entspricht es, die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen, da er voraussichtlich im Beschwerdeverfahren unterlegen wäre. Unabhängig von den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Anordnungsanspruch, die formell mit Blick auf die Legitimation der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Kriterien durch das zuständige Organ (Art. 29, 37 GO) und die Berechtigung einer Vorauswahl durch die Verwaltung ohne Beteiligung des Beschlussorgans an einer Ablehnungsentscheidung überdenkenswert erscheinen, hat die Antragstellerseite keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Die Antragsgegnerin rügt zu Recht, dass sie mit dem im Wege des § 123 VwGO verfolgten Begehren, die Vollversammlung des Stadtrats von der Bewerbung des Antragstellers zu informieren, nicht vorbefasst worden sei. Der Antragsteller hat das streitgegenständliche Informationsbegehren erstmalig mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Schriftsatz vom 20. Oktober 2004 gegenüber dem Verwaltungsgericht geltend gemacht. Auch wenn daher im Rahmen des § 123 VwGO nicht zwingend davon ausgegangen werden kann, dass das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung fehlt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 123 Rdnr. 22 m.w.N.), ist in der vorliegenden Fallkonstellation jedenfalls kein Anordnungsgrund ersichtlich: Die Antragsgegnerin hat bereits in ihrem Schriftsatz vom 26. Oktober 2004 erklärt, dass die Verwaltung den Stadtrat in der - mit Blick auf notwendige Vorlauffristen - nächsten erreichbaren Sitzung von der Bewerbung des Antragstellers unterrichten werde. Dass sie dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht getan hat, ist für den seitens des Antragstellers glaubhaft zu machenden Anordnungsgrund unerheblich. Zudem hat sie zutreffend auf die Nachbenennungsmöglichkeit von ehrenamtlichen Ausschussmitgliedern und die deswegen fehlende Eilbedürftigkeit der Sache hingewiesen, so dass keine Gefahr der Rechtsvereitelung oder erschwerten Durchsetzung bestand.

Auch das sich an diese Erklärung anschließende Verhalten der Antragsgegnerin, mit dem sie dem Informationsbegehren nachgekommen ist, rechtfertigt nicht etwa in der Retrospektive die Annahme eines Anordnungsgrundes: Angesichts der Nachbenennungsmöglichkeit und der vierjährigen Wahlperiode für die ehrenamtlichen Mitglieder des Gutachterausschusses erweist sich die Kenntnisnahme des Stadtrats von der Bewerbung des Antragstellers am 26. Januar 2005 auf der Basis der von der Antragsgegnerin abgegebenen Erklärung nicht als verspätet. Mangels objektiv gegebener Dringlichkeit des Anliegens und der gerichtsbekannten, der Größe der Landeshauptstadt geschuldeten Komplexität ihrer Verwaltungsstrukturen musste die Antragsgegnerin das Anliegen des Antragstellers auch nicht auf die Tagesordnungen der Stadtratssitzungen im November und Dezember 2004 setzen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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