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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 02.04.2004
Aktenzeichen: 4 N 00.1645
Rechtsgebiete: KAG


Vorschriften:

KAG Art. 8 Abs. 2 Satz 2
KAG Art. 8 Abs. 6 Satz 2
Bei einer rückwirkenden Abfallgebührensatzung, die eine aus materiellen Gründen nichtige Satzung ersetzt, ist mit Blick auf das Kostenüberdeckungsverbot für in der Vergangenheit liegende Zeiträume auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungserlasses abzustellen. Hinsichtlich solcher Kostenansätze, die nicht auf über den Kalkulationszeitraum hinausreichenden Prognoseentscheidungen beruhen, sind die mittlerweile bekannt gewordenen Betriebsergebnisse zugrunde zu legen.
4 N 00.1645

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

In der Normenkontrollsache

wegen

Ungültigerklärung der Hausmüllentsorgungsgebührensatzung vom 8. Dezember 1998;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dillmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft,

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. März 2004

am 2. April 2004

folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Die Hausmüllentsorgungsgebührensatzung vom 8. Dezember 1998 wird für nichtig erklärt.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Hausmüllentsorgungsgebührensatzung (künftig: HGebS) der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 1998 (MüABl. S. 413).

Mit Urteil vom 25. Februar 1998 (Az. 4 B 97.399, NVwZ-RR 1998, 391) hat der Verwaltungsgerichtshof den gegenüber dem Antragsteller ergangenen Abfallgebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 1994 (für das Jahr 1995) aufgehoben und die Hausmüllentsorgungsgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 1990 in der Fassung der Änderungssatzung vom 13. Dezember 1994 inzident für nichtig angesehen. Den Entscheidungsgründen des genanten Urteils ist zu entnehmen, dass für den einjährigen Kalkulationszeitraum (Jahr 1995) das Kostenüberdeckungsverbot verletzt wurde; die über die Jahre angesammelte Gebührenausgleichsrücklage hätte vollständig aufgelöst und in die Kalkulation einbezogen werden müssen. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Während des Verwaltungsprozesses hatte die Antragsgegnerin für die Jahre 1996 bis 1998 eine Änderungssatzung (HGebS vom 12.11.1995, MüABl. S. 282) erlassen, in der die Gebührensätze um 10 v.H. gesenkt worden waren. Gemäß § 4 Abs. 2 HGebS 1995 betrug der Gebührensatz für ein Kalenderjahr bei wöchentlich einmaliger Entsorgung für eine 110 l /120 l Mülltonne 510,00 DM; bei 14-tägiger Entsorgung belief sich die Gebühr für die genannten Gefäße auf 255,00 DM.

Mit Blick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Februar 1998 hat die Antragsgegnerin am 25. November 1998 eine neue Hausmüllentsorgungsgebührensatzung beschlossen (HGebS vom 8.12.1998); die Gebührensätze entsprachen denen in der Satzung vom 12. November 1995. Der Vorlage für den Stadtrat ist zu entnehmen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit ein Neuerlass der Gebührensatzung erforderlich sei, obwohl der vom Verwaltungsgerichtshof gerügte Mangel (Gebührenüberhöhung im Jahr 1995) durch die vom Stadtrat im Oktober 1995 mit Wirkung zum 1. Januar 1996 beschlossene Gebührensenkung um 10 v.H. entfallen sei. Die im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 35/1998 am 21. Dezember 1998 bekannt gemachte Satzung vom 8. Dezember 1998 trat gemäß § 7 Absatz 1 mit Wirkung vom 1. Januar 1996 in Kraft.

Mit seinem am 26. Mai 2000 gestellten Normenkontrollantrag begehrt der Antragsteller,

die Hausmüllentsorgungsgebührensatzung vom 8. Dezember 1998 für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin habe mit Bescheiden vom 7. Juli 1999 für die Jahre 1996 bis 1999 Müllentsorgungsgebühren in Höhe von DM 510,00 DM für die wöchentliche Leerung einer 120 l Tonne erhoben. Diesbezüglich seien Anfechtungsklagen beim Verwaltungsgericht München anhängig. Die streitgegenständliche Satzung habe nicht mit Rückwirkung erlassen werden dürfen, da die Nichtigkeit der Vorgängersatzung lediglich inzident festgestellt worden sei. Bei der rückwirkenden Neuregelung handele es sich um eine unzulässige Einzelfallregelung. Die angegriffene Satzung sei ferner deswegen nichtig, weil sie ihre Gültigkeitsdauer offen lasse; eine ordnungsgemäße Kalkulation sei so nicht möglich. Die Gebührenhöhe habe sich nicht geändert, so dass ein gewichtiges Indiz dafür bestehe, dass die Antragsgegnerin nicht ordnungsgemäß kalkuliert habe und ein Verstoß gegen das Kostenüberdeckungsverbot vorliege.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Stadtrat habe am 25. November 1998 eine neue Hausmüllentsorgungsgebührensatzung beschlossen. Die wegen des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Februar 1998 zulässigerweise mit Rückwirkung erlassene Satzung habe auch nicht mit einem Datum des Außerkrafttretens versehen werden müssen. Der neuen Satzung seien die Gebührenkalkulation für die Jahre 1996 bis 1998 (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 6.2.2001) sowie eine Gebührenbedarfsberechnung 1998 vom 24. November 1997 (VGH Akt Bl. 99 ff.) zu Grunde gelegt worden. Am 25. Oktober 1995 habe der Stadtrat beschlossen, die Gebührensätze für die Hausmüllentsorgung ab 1996 um 10 v.H. zu senken. Bei der (theoretischen) Gebührenbedarfsberechnung 1998 vom 24. November 1997 habe man festgestellt, dass die für 1996 - 1998 festgelegten Gebühren ausreichten, um die kalkulierten Kosten zu decken. Die im Oktober 1995 für den Kalkulationszeitraum 1996 - 1998 für das Jahr 1998 bereits auf Null kalkulierte Gebührenausgleichsrücklage sei tatsächlich noch nicht aufgebraucht gewesen. Weil jedoch die volle Ablösung der Restbuchwerte der zum 1. Januar 1998 stillgelegten Müllverbrennungsanlage Heizkraftwerk Süd im Jahr 1998 noch im Raum gestanden habe, habe man mit einer Auflösung der Rücklage zum 31. Dezember 1998 rechnen dürfen.

Darauf entgegnet der Antragsteller, dass die Gebührenrücklage kalkulatorisch nach den Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs Ende 1998 hätte aufgebraucht sein müssen. Das sei aber im Zeitpunkt des Satzungserlasses gerade nicht der Fall gewesen, da die Kalkulation per 18. Oktober 1998 zum 31. Dezember 1998 einen voraussichtlichen Rücklagenstand von ca.12,47 Mio. DM ausweise, der kalkulatorisch in den nächsten Abrechnungszeitraum 1999 übernommen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, die beigezogene Gerichtsakte Az. 4 B 97.399 sowie die Anlagen 1 - 15 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg. Die angegriffene Hausmüllentsorgungsgebührensatzung vom 8. Dezember 1998 ist wegen Verstoßes gegen das Kostenüberdeckungsverbot nichtig.

1. Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig. Die Antragsfrist wurde eingehalten, und der Antragsteller ist antragsbefugt: Auf die angegriffene Gebührensatzung wurden ihn belastende Gebührenbescheide gestützt, die angefochten sind und über deren Rechtmäßigkeit noch nicht endgültig entschieden wurde.

2. Der Normenkontrollantrag ist begründet.

2.1 Die Nichtigkeit der Hausmüllentsorgungsgebührensatzung ergibt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers allerdings nicht bereits aus der in § 7 Abs. 1 HGebS getroffenen Rückwirkungsanordnung zum 1. Januar 1996. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 20. Februar 1998 (inzident) festgestellt, dass die Hausmüllentsorgungsgebührensatzung vom 14. Dezember 1990 i.d.F. der Änderungssatzung vom 13. Dezember 1994 nichtig ist. Die ursprüngliche Satzung in der vorangegangenen Fassung vom 25. November 1993 (MüABl. S. 354) vermochte die Lücke nicht zu füllen, weil die dort vorgesehenen Gebührensätze gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 HGebS am 31. Dezember 1994 außer Kraft getreten waren. Nachdem sich die vom Verwaltungsgerichtshof inzident festgestellte Nichtigkeit der Regelung der Gebührensätze als Herzstück einer Gebührensatzung auf die übrigen Regelungen erstreckt (VGH vom 2.3.2000, VGH n.F. 53, 71/79 und vom 17.1.1985, BayVBl. 1985, 437), war die gesamte Satzung nichtig.

Die Änderungssatzung vom 12. November 1995 für die Jahre 1996 bis 1998 modifizierte ausschließlich die in § 4 niedergelegten Gebührensätze und enthielt nicht die übrigen obligatorischen Regelungen i.S. des Art. 2 Abs. 1 Satz 2 KAG (Schuldner, abgabebegründender Tatbestand, Fälligkeit). Infolge der Gesamtnichtigkeit der Vorläuferregelung vermochte sie insoweit auch nicht auf deren Regelungsgerüst aufzubauen und ging daher ins Leere. Deshalb war es gerechtfertigt, für den Zeitraum 1996 bis 1998 eine rückwirkende Gebührensatzung zu erlassen (vgl. BVerwG vom 28.11.1975, BayVBl. 1976, 315/316; BayVGH vom 2.8.2000, BayVBl. 2001, 18/19).

2.2 Die Hausmüllentsorgungsgebührensatzung vom 8. Dezember 1998 ist jedoch nichtig, weil die in § 4 HGebS niedergelegten Gebührensätze das Kostenüberdeckungsverbot (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 KAG) verletzen.

2.2.1 Für die Erhebung von Abfallentsorgungsgebühren gilt Art. 8 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) mit den Maßgaben des Art. 7 Abs. 5 BayAbfG entsprechend. Das Gebührenaufkommen soll die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten decken (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG). Soweit die Gebührenschuldner zur Benutzung der Einrichtung verpflichtet sind, soll das Gebührenaufkommen die Kosten nicht übersteigen (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 KAG). Nach dem in dieser Regelung zum Ausdruck kommenden Kostenüberdeckungsverbot als Veranschlagungsmaxime sollen die im Zeitpunkt des Satzungserlasses vorhersehbaren Gebühreneinnahmen nicht höher sein als die zum gleichen Zeitpunkt vorhersehbaren Kosten.

Für in die Zukunft wirkende Gebührensatzungen ist das Kostenüberdeckungsverbot nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nur dann verletzt, wenn Kostenschätzung und Tarifgestaltung nicht auf eine Beschränkung der Gebühreneinnahmen in Höhe des prognostizierten Aufwands gerichtet werden. Auch wenn ein tatsächlich erzielter erheblicher Gebührenüberschuss Indiz für fehlerhafte Gebührensätze sein mag, so begründet seine Erzielung als solche noch keine Verletzung des Kostenüberdeckungsverbots: Dieses stellt nicht auf den - angesichts unvorhersehbarer Entwicklungen unsicheren - tatsächlichen Gebühreneingang, sondern auf eine ordnungsgemäße Tarifgestaltung auf der Grundlage einer tragfähigen Prognose von Einnahmen und Ausgaben ab. Die Relevanz der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten im Zeitpunkt des Satzungserlasses für die nachfolgende gerichtliche Kontrolle folgt aus der Normqualität der Gebührensatzung, deren Rechtsgültigkeit bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses objektiv zu beurteilen sein muss (vgl. BVerwG vom 8.12.1961, BVerwGE 13, 214/223 f.).

Die Gültigkeit einer kommunalabgabenrechtlichen Gebührensatzung hängt nach bayerischem Landesrecht nicht davon ab, dass der Satzungsgeber im Zeitpunkt ihres Erlasses eine Gebührenkalkulation als Prognose der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben vorgenommen hat. Es genügt, dass eine Gebührenberechnung - unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Durchführung - die gefundenen oder auch nur gegriffenen Gebührensätze auf der Grundlage der Daten im Zeitpunkt des Satzungserlasses objektiv rechtfertigt. Unterlässt es der Normgeber, vor Satzungserlass eine Gebührenkalkulation anzustellen, geht er das Risiko ein, dass seine geschätzten oder gegriffenen Gebührensätze sich bei einer später angestellten Gebührenberechnung als zu hoch erweisen und die Gebührensätze nichtig sind. Auch bei einer erst später aufgestellten Kalkulation muss den rechtlichen und tatsächlichen Vorgaben zur Zeit des Erlasses der abgabenrechtlichen Regelung genügt werden (vgl. BayVGH vom 3.3.1993, VGH n.F. 46, 70/71 f.; vom 29.3.1995, VGH n.F. 48, 46/47 f.).

Im Ausgangspunkt ist auch bei einer rückwirkenden Gebührensatzung, die eine aus materiellen Gründen (und nicht etwa nur wegen formeller Fehler) nichtige Gebührensatzung ersetzt, für die gerichtliche Prüfung auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungserlasses abzustellen. Erfolgt der Satzungsbeschluss aber erst kurz vor oder gar erst nach Ablauf des Kalkulationszeitraums, erhält dieser Grundsatz - im Unterschied zu in die Zukunft wirkenden (und kalkulierten) Satzungen - eine veränderte Bedeutung: Soweit der Gültigkeitszeitraum der Gebührensatzung in der Vergangenheit liegt, kommt für die Berechnung des Gebührensatzes keine echte Vorauskalkulation mehr in Betracht. Mangels im Wege der Prognose zu überwindender Unsicherheiten für den Satzungsgeber besteht hinsichtlich bekannter Einnahmen und Ausgaben - also solchen Kostenansätzen, die nicht auf über den Kalkulationszeitraum hinausreichenden Prognoseentscheidungen beruhen - auch kein Bedarf mehr für den Rückgriff auf frühere Schätzwerte. Deren Heranziehung ist nicht mehr gerechtfertigt, sondern es sind die mittlerweile bekannt gewordenen tatsächlichen Betriebsergebnisse ("harte Zahlen") zugrunde zu legen (so auch OVG Schleswig vom 9.10.2002, ZKF 2003, 119/120; OVG Lüneburg vom 8.8.1990, NVwZ-RR 1991, 383/384; vgl. auch BayVGH vom 15.2.2001, BayVBl. 2002, 631/633; VGH Mannheim vom 27.2.1996, NVwZ-RR 1996, 593/595; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnrn. 126 - 127, Stand September 2002).

2.2.2 Demnach sind die in § 4 der angegriffenen Satzung vom 8. Dezember 1998 niedergelegten Gebührensätze mit Blick auf das Kostenüberdeckungsverbot (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 KAG) auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungserlasses unter Heranziehung der bis dahin bekannt gewordenen tatsächlichen Betriebsergebnisse ("harte Zahlen") zu beurteilen.

Im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 25. November 1998 lagen der Antragsgegnerin die Betriebsabrechnungen für die Jahre 1996 (vom 30. Juni 1997, Anlage 5 zum Schriftsatz vom 6.2.2001) und 1997 (vom 30. Juni 1998, Anlage 6 zum Schriftsatz vom 6.2.2001) vor. Die von der Antragsgegnerin (im Schriftsatz vom 20.1.2004, S. 2) u.a. als maßgeblich angesehene Gebührenkalkulation für den Zeitraum 1996 bis 1998 vom Oktober 1995 ("Müllentsorgungsgebühren 1996", Anlage 4 zum Schriftsatz vom 6.2.2001) war damit hinsichtlich der Höhe der für 1996 und 1997 kalkulierten Unterdeckungen (1996: kalkulierte Unterdeckung 91,64 Mio. DM gegenüber tatsächlicher Unterdeckung von 52,38 Mio. DM; 1997: kalkulierte Unterdeckung 103,66 Mio. DM gegenüber tatsächlicher Unterdeckung von 59,44 Mio. DM) überholt.

Das Betriebsergebnis für 1996 ist in die von der Antragsgegnerin ebenfalls als Kalkulationsgrundlage für die streitgegenständliche Satzung genannte "Gebührenbedarfsberechnung 1998" vom 24. November 1997 (VGH Akt Bl. 99 ff.) eingeflossen. Daraus errechnete sich die kalkulierte Höhe der Gebührenausgleichsrücklage zum 31. Dezember 1998 i.H. von 75.060.034 DM (VGH Akt Bl. 100) bzw. 62.794.028 DM (VGH Akt Bl. 105); die Differenz beruht auf dem unterschiedlichen Ansatz für die Einnahmen im Jahr 1997 (VGH Akt Bl. 100: "1997 HhPlan incl. 1. Nachtrag" i.H.v. 372.876.700 DM und Bl. 105: "1997 lt. Hochrechnung" i.H.v. 360.610.694 DM). Die tatsächlichen Betriebsergebnisse für das Jahr 1997 wurden erst in der amtsinternen Vormerkung "Müllentsorgungsgebühren 1999" vom 19. Oktober 1998 (Anlage 8 zum Schriftsatz vom 6.2.2001 = Auszug in VGH Akt Bl. 106) berücksichtigt. Die Antragsgegnerin kalkulierte darin die Höhe der Gebührenausgleichsrücklage zum 31. Dezember 1998 auf 12.472.764 DM. Wäre nicht durch den Nachtragshaushalt für 1998 die Auflösung der Restbuchwerte der zum 1. Januar 1998 stillgelegten Müllverbrennungsanlage des Heizkraftwerks Süd um 67.315.000 DM ausgabeerhöhend berücksichtigt worden (Differenz zwischen Zeile "Verbrennung des Hausmülls" auf VGH Akt Bl. 100 Spalte "1998 lt. Ansatz": 10.460.000 DM gegenüber VGH Akt Bl. 106 Spalte "1998 lt. Haushaltsplan": 77.775.000 DM), wäre die Rücklage zum 31. Dezember 1998 kalkulatorisch auf einen Betrag von 79.787.764 DM angestiegen.

Ob die rücklagenmindernde Auflösung der Restbuchwerte in der genannten Höhe im Jahr 1998 gerechtfertigt war, braucht hier nicht entschieden zu werden: Selbst wenn man der Auffassung der Antragsgegnerin folgt, hätte der im Oktober 1998 zum Jahresende kalkulierte Rücklagebetrag von ca. 12,47 Mio. DM nach den den Beteiligten aus dem Urteil des Senats vom 25. Februar 1998 bekannten Grundsätzen zum Kostenüberdeckungsverbot bereits im Kalkulationszeitraum 1996 - 1998 in der angegriffenen Satzung gebührenmindernd berücksichtigt werden müssen. Auch wenn nur eine ca. 3 v.H. betragende Überdeckung vorliegt, stellt diese keine geringfügige Kostenüberdeckung im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dar (vgl. BayVGH vom 7.5.1982, BayVBl 1983, 305/307; vom 18.7.1986, BayVBl. 1987, 115; vom 3.3.1993, VGH n.F. 46, 68/73 f.). Denn sie ist nicht unbeabsichtigte Folge prognostischer Unsicherheiten, sondern die Antragsgegnerin hat vielmehr wissentlich eine Kostenüberdeckung herbeigeführt: Ohne Einbeziehung der aus der amtsinternen Vormerkung "Müllentsorgungsgebühren 1999" vom 19. Oktober 1998 prognostizierten Überdeckung zum Jahresende 1998 ist sie bei ihrem Beschluss am 25. November 1998 davon ausgegangen, dass 'der seinerzeit vom Verwaltungsgerichtshof gerügte Mangel (Gebührenüberhöhung im Jahr 1995) durch die vom Stadtrat im Oktober 1995 mit Wirkung zum 1. Januar 1996 beschlossene Gebührensenkung um 10 v.H. entfallen sei' (VGH Akt Bl. 86 R). Diese Einschätzung war durch die genannte amtsinterne Vormerkung widerlegt. Der hinter dieser Vorgehensweise der Antragsgegnerin stehende Wunsch nach Gebührenkontinuität ist für den Senat verständlich, lässt sich aber nach geltendem Recht nicht mit Art. 8 Abs. 2 Satz 2 KAG vereinbaren.

Das Vorbringen der Antragsgegnerin, der Betrag von ca. 12,47 Mio. DM sei gem. Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG im Kalkulationszeitraum 1999 den Gebührenzahlern zugute gekommen, hilft nicht weiter. Die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung, am Ende des Bemessungszeitraums aufgetretene Kostenüberdeckungen innerhalb des folgenden Bemessungszeitraums auszugleichen, vermag den Mangel einer bewussten Überdeckung im gegenwärtigen Kalkulationszeitraum nicht zu heilen.

Der Verstoß gegen das Kostenüberdeckungsverbot führt zur Nichtigkeit des § 4 HGebS. Infolge der Nichtigkeit der Gebührensätze ist die gesamte Hausmüllentsorgungsgebührensatzung vom 8. Dezember 1998 nichtig (Art. 7 Abs. 5 BayAbfG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 KAG). Die Antragsgegnerin hat die Entscheidungsformel in derselben Weise zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen wäre (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).

3. Der Kostenausspruch beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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