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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 4 N 03.3086
Rechtsgebiete: VwGO, KAG


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
KAG Art. 6
Wird eine Satzung nach Änderungen neu bekannt gemacht, setzt das die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinsichtlich der unverändert gebliebenen Vorschriften nicht wieder in Gang.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

4 N 03.3086

In der Normenkontrollsache

wegen Unwirksamerkärung von § 2 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 und 2 der Satzung des Marktes *********** für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann,

ohne mündliche Verhandlung am 31. März 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Beschluss ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Antragsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird auf 8.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Unwirksamerklärung der Vorschriften über die Beitragsberechnung nach Gewinn oder Umsatz in der Satzung des Antragsgegners für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages in der Fassung der Neubekanntmachung vom 28. November 2001.

Die Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

§ 2

Beitragsmaßstab

(1) Durch den Beitrag wird der Vorteil, der dem Beitragsschuldner innerhalb eines Kalenderjahres durch den Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erwächst, abgegolten.

(2) Zur Bestimmung des Vorteils dienen der einkommen- oder körperschaftssteuerliche Gewinn und der steuerbare Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres. Die Beitragsschuld wird gemäß § 3 Abs. 1 auf der Grundlage des Gewinns bestimmt, wenn sich nicht gemäß § 3 Abs. 2 auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes ein höherer Beitrag ergibt.

§ 3

Beitragsermittlung

(1) Der Beitrag nach dem Gewinn errechnet sich, indem der Gewinn mit dem Vorteilssatz (Absatz 3) und dem Beitragssatz (Absatz 4) multipliziert wird.

(2) Der Beitrag nach dem steuerbaren Umsatz errechnet sich, indem der steuerbare Umsatz mit dem Vorteilssatz (Absatz 3) und mit dem Mindestbeitragssatz (Absatz 5) multipliziert wird.

...

Diese Vorschriften gelten aufgrund der Satzung des Antragsgegners vom 27. Dezember 1982, die am 30. Dezember bekannt gemacht worden und am 1. Januar 1983 in Kraft getreten ist. Sie sind seitdem nicht geändert worden. Im Zusammenhang mit der Währungsumstellung auf Euro machte der Antragsteller eine "Neufassung der Satzung für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages vom 28.11.2001" bekannt, bei der auch die Änderungen der Fremdenverkehrsbeitragssatzung durch die Satzungen vom 16. März 1983 und 3. November 1998 berücksichtigt wurden.

Der Antragsteller betreibt eine Gaststätte im Gebiet des Antragsgegners. Er wurde mit Bescheiden vom 7. November 2003 zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für 2001 und zu Vorauszahlungen für die Folgejahre herangezogen. Über seine Widersprüche gegen diese Bescheide ist bislang nicht entschieden.

Der Antragsteller hat am 21. November 2003 Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof gestellt und vorgetragen: Es lasse sich weder mit dem Willkürverbot noch mit dem Gebot der Bestimmtheit und Klarheit beitragsrechtlicher Satzungsregelungen vereinbaren, dass die Fremdenverkehrsbeitragssatzung in § 2 Abs. 2 i.V. mit § 3 Abs. 1 und Abs. 2 dem Antragsgegner die Möglichkeit eröffne, zwischen der Beitragsberechnung nach dem Gewinn oder dem Umsatz zu wählen und den für ihn günstigeren, nämlich höheren Beitrag festzusetzen. Diese Satzungsregelungen könne noch fristgerecht angegriffen werden, weil die Satzung insgesamt unter dem 28. November 2001 neu bekannt gemacht worden sei; im Übrigen müsse eine Gültigkeitskontrolle ohne zeitliche Beschränkung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen möglich sein sein.

Der Antragsteller begehrt (sinngemäß),

§ 2 Abs. 2 i.V. mit § 3 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung des Antragsgegners für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags vom 28. November 2001 für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner hält den Normenkontrollantrag bereits für verfristet, jedenfalls aber in der Sache für unbegründet und beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsakt Bezug genommen.

II.

Mit Einverständnis der Beteiligten wird ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO entschieden.

Der Antrag, § 3 Abs. 2 i.V. mit § 3 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung des Antragsgegners für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages (Fremdenverkehrsbeitragssatzung - FBS) für unwirksam zu erklären, ist nicht zulässig. Denn er wurde erst nach Ablauf der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt.

§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO verlangt in der seit 1. Januar 1997 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 2a des 6. VwGOÄndG vom 1.11.1996, BGBl I S. 1626), dass der Normenkontrollantrag "innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift" gestellt wird. Maßgeblich ist die Bekanntmachung derjenigen konkreten Einzelnorm, durch die oder deren Anwendung der Rechtsschutzsuchende sich in seinen Rechten verletzt sieht. Die vom Antragsteller angegriffenen Vorschriften des § 3 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FBS sind als Bestandteil der Satzung des Antragsgegners vom 27. Dezember 1982 - erstmals - am 30. Dezember 1982 bekannt gemacht worden und am 1. Januar 1983 in Kraft getreten. Sie gelten seitdem bis heute unverändert fort. Da die strittigen Satzungsbestimmungen vor dem Inkrafttreten des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in seiner heute geltenden Fassung veröffentlicht worden waren, hatte die Antragsfrist mit Inkrafttreten des 6. VwGOÄndG am 1. Januar 1997 zu laufen begonnen (Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG). Sie war bei Eingang des Normenkontrollantrags im November 2003 bereits - längst - abgelaufen.

Die "Bekanntmachung der Neufassung der Satzung für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages vom 28.11.2001", die der Antragsgegner aus Anlass der Währungsumstellung in Euro und unter Berücksichtigung mehrerer Änderungen einzelner (anderer) Satzungsbestimmungen seit 1983 vorgenommen hat, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die Satzungsänderungen selbst konnten die Frist nicht etwa hinsichtlich der gesamten Satzung einschließlich der unverändert gebliebenen Vorschriften neu in Gang setzen, sondern nur hinsichtlich der durch die Änderung eingefügten neuen Rechtsvorschriften (BVerwG, U.v. 21.1.2004 - 8 CN 1.02 - NVwZ 2004, 620; vgl. auch BayVGH, U.v. 2.10.2001 - 23 N 01.723 - BayVBl. 2002, 531 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG für Verfassungsbeschwerden gegen ein Gesetz). Die Frist begann auch nicht deshalb erneut zu laufen, weil der Antragsgegner seine Fremdenverkehrsbeitragssatzung am 28. November 2001 insgesamt, also auch die von den Satzungsänderungen nicht betroffenen Vorschriften, neu veröffentlicht hat. Denn die Neubekanntmachung einer Satzung ist - wie die Neubekanntmachung eines formellen Gesetzes - kein erneuter konstitutiver Rechtssetzungsakt, sondern lediglich eine deklaratorische Feststellung des Satzungstextes im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit, die den rechtlich erheblichen Inhalt der Satzung und deren Identität nicht berührt (vgl. Bauer in Dreier <Hrsg.>, Grundgesetz-Kommentar, 1998, RdNr. 19 zu Art. 82 m.w.N.). Sie kann daher selbstständig nicht angegriffen werden und auch die Frist für einen Normenkontrollantrag nicht erneut auslösen. Allein diese Sichtweise entspricht dem mit § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO verfolgten Zweck, Beeinträchtigungen der Rechtssicherheit jedenfalls mit Blick auf die prinzipale Normenkontrolle entgegenzuwirken, die sich durch Angriffe gegen Rechtsvorschriften ergeben, die bereits seit langem praktiziert worden sind und auf deren Rechtsgültigkeit sowohl die zuständigen Behörden als auch die berührten Bürger vertraut haben (vgl. BT-Drs 13/3993 S. 10). Dieser besondere Bestandsschutz für Rechtsvorschriften vor einer zeitlich unbeschränkten gerichtlichen Verwerfung mit allgemeiner Verbindlichkeit (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO) wäre ausgehöhlt, wenn die Antragsfrist bereits durch eine die (Fort-)Geltung einer Vorschrift nicht berührende Neubekanntmachung wieder in Gang gesetzt würde.

Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die Neubekanntmachung sich als ein Akt darstellt, welcher der angegriffenen Vorschrift Geltung verschafft hat; dann ist es eine Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrags und nicht seiner Zulässigkeit, ob die Bekanntmachung wirksam ist (BVerwG, U.v. 21.1.2004 a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Die Neubekanntmachung der Fremdenverkehrssatzung vom 28. November 2001 hat weder die vom Antragsteller angegriffenen Vorschriften erneut in Kraft gesetzt noch sich eine solche Bedeutung beigemessen. Schon aus ihrer Einleitung geht hervor, dass nicht etwa unter Aufhebung der Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 27. Dezember 1982 neues Satzungsrecht gelten, sondern lediglich der gegenwärtig maßgebliche Wortlaut der unverändert fortgeltenden Satzung unter Berücksichtigung der bisherigen Änderungsatzungen veröffentlicht werden soll. Dementsprechend heißt es in der Schlussbestimmung des § 8 Abs. 1 FBS (weiterhin), dass "diese Satzung" am 1. Januar 1983 in Kraft tritt. Ihr ist in der Neubekanntmachung zudem der erläuternde Zusatz beigefügt, dass diese Vorschrift das Inkrafttreten der Satzung in der ursprünglichen Fassung betrifft, während das Inkrafttreten der späteren Änderungen sich aus den jeweiligen Änderungssatzungen ergibt. Damit steht außer Frage, dass die mit dem Normenkontrollantrag angegriffenen Vorschriften ausschließlich aufgrund der Satzung vom 27. Dezember 1982 und nicht aufgrund der Neufassung vom 28. November 2001 gelten.

Der Antragsteller muss sich aus diesen Gründen die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegenhalten lassen. Eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte kann darin schon deshalb nicht erblickt werden, weil ihm unbenommen bleibt, seine Einwände gegen die strittigen Vorschriften im Verfahren gegen die auf der Satzung erlassenen Beitragsbescheide zur (inzidenten) gerichtlichen Prüfung zu stellen.

Angemerkt sei, dass der Normenkontrollantrag aber auch in der Sache ohne Erfolg bleiben müsste: Die vom Antragsteller bemängelten Vorschriften des § 2 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 und 2 FBS entsprechen der Mustersatzung der Staatsministerium des Innern (Bekanntmachung des StMI vom 28.6.1978 - MABl S. 464, geändert durch Bekanntmachung vom 27.11.1979 - MABl S. 770). Sie sehen vor, dass der beitragspflichtige Vorteil aus dem Fremdenverkehr und dementsprechend die Beitragsschuld nach dem einkommen- oder körperschaftssteuerlichen Gewinn oder, wenn das zu einem höheren Beitrag führt, nach dem steuerbaren Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres bestimmt wird. Dieses sog. Vergleichs- oder Doppelberechnungsverfahren ist mit höherrangigem Recht vereinbar (BayVGH, U.v. 3.10.1986 - 4 N 85 A.460 - VGH n.F. 39, 75/77; ständige Rechtsprechung). Da der der tatsächlich erzielte Gewinn im Sinne des Einkommens- oder Körperschaftssteuerrechts nicht in jedem Fall den aus dem Fremdenverkehr gezogenen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne von Art. 6 KAG widerspiegelt, ist es nicht zu beanstanden, wenn der steuerbare Umsatz als Regulativ eine "Auffanggrenze" für die Beitragshöhe bildet.

Der Antragsteller hat als unterlegen die Kosten des Normenkontrollverfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Der Streitwert wird mit dem doppelten Auffangwert bemessen (§ 13 Abs. 1 GKG in der vor dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG)

Ende der Entscheidung

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