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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.12.2002
Aktenzeichen: 4 ZB 02.2163
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 60 | |
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4 |
4 ZB 02.2163
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Wahlprüfung;
Antrag des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Juli 2002, hier: Antrag des Beigeladenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dillmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Scheder, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz,
ohne mündliche Verhandlung am 9. Dezember 2002 folgenden
Beschluss:
Tenor:
Der Antrag des Beigeladenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Beigeladene begehrt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Juli 2002. Damit hob das Verwaltungsgericht den Bescheid des Landratsamts Cham vom 2. April 2002 auf, mit dem das Ergebnis der Gemeinderatswahl in der Gemeinde R********* zu Lasten des Klägers und zu Gunsten des Beigeladenen berichtigt wurde.
Das vollständige Urteil wurde dem Beigeladenen am 26. Juli 2002 zugestellt. Mit am 23. August 2002 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schriftsatz beantragten die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen die Zulassung der Berufung. Sie ersuchten nach Akteneinsicht mit beim Verwaltungsgericht Regensburg am 13. September 2002 eingegangenem Schriftsatz um Gewährung einer Frist für die Antragsbegründung bis 15. Oktober 2002. Dem entsprach das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 16. September 2002.
Am 11. Oktober 2002 ging beim Verwaltungsgerichtshof der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen vom 9. Oktober 2002 ein, mit dem der Antrag auf Zulassung der Berufung begründet wurde. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2002 gab ihnen der Verwaltungsgerichtshof "unter Hinweis auf § 124 a Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO (vgl. auch die dem angegriffenen Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung)" Gelegenheit, den Zulassungsantrag binnen zwei Wochen zurückzunehmen. Am 15. Oktober 2002 ging sodann beim Verwaltungsgericht Regensburg der Schriftsatz vom 9. Oktober 2002 ein, mit dem die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen den Antrag auf Zulassung der Berufung begründeten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Zulassungsantrag mit Beschluss vom 4. November 2002 abgelehnt, weil entgegen § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe dargelegt worden sind, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Mit am 18. November 2002 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz beantragten die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie machen im wesentlichen geltend, wegen der vom Verwaltungsgericht Regensburg gewährten Fristverlängerung die Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO unverschuldet versäumt zu haben.
Der Kläger ist dem Wiedereinsetzungsantrag entgegengetreten.
Der Beklage weist u.a. darauf hin, dass nach der dem Urteil beigefügten, zutreffenden Rechtsmittelbelehrung für den Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen kein Anlass bestanden habe anzunehmen, die Begründungsfrist könne - abweichend von der eindeutigen Gesetzeslage - verlängert werden.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) hat keinen Erfolg.
Ihm steht zwar nicht schon die (formelle) Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO) durchgreifend entgegen (BVerwGE 11, 322; BVerwG v.31.1.2000 Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 232). Aber er wurde nicht innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Offen kann deshalb bleiben, ob es grundsätzlich als entschuldbar angesehen werden kann, dass sich ein rechtskundiger Prozessbevollmächtigter auf die Gewährung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Fristverlängerung verlässt (vgl. BVerwG v.22.1.2002 Az. BVerwG 5 B 105/01).
Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. In Fällen des Irrtums über eine Frist ist danach der Zeitpunkt maßgeblich, von dem an der Irrtum über die Frist nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Dazu ist keine positive Kenntnis der Fristversäumung nötig; es kommt vielmehr darauf an, wann bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt Zweifel an der Einhaltung der Frist aufkommen mussten (Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, RdNr. 26 zu § 60; Kopp/Schenke, VwGO, RdNr. 26 zu § 60). Dies war hier der Zeitpunkt, zu dem die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen das Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Oktober 2002 erhielten. Darin wurde nämlich (u.a.) ausdrücklich auf § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO hingewiesen, wonach innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen sind, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Indem die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen trotz dieses Hinweises und seiner Verknüpfung mit der Anheimgabe, den Zulassungsantrag zurückzunehmen, keine Veranlassung sahen, sich über den Charakter dieser Frist als nicht verlängerbarer gesetzlicher Ausschlussfrist kundig zu machen, haben sie die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Weil der rechtskundige Prozessbevollmächtigte nach dem Sinn und Zweck des vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Vertretungszwangs verpflichtet ist, den Ablauf der Antragsbegründungsfrist eigenverantwortlich zu prüfen (vgl. BVerwG v.15.11.2001 Az. BVerwG 6 B 65.01; v.22.1.2002 a.a.O.), ist es nicht zu entschuldigen, dass sich die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen nicht spätestens nach Erhalt des gerichtlichen Hinweises vom 14. Oktober 2002 innerhalb der 2-Wochen-Frist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO Klarheit über die (sich aufdrängende) Divergenz zwischen der vom Verwaltungsgericht Regensburg gewährten Fristverlängerung und der tatsächlichen Rechtslage verschafften.
Ende der Entscheidung
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