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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.12.2005
Aktenzeichen: 4 ZB 04.1684
Rechtsgebiete: KAG


Vorschriften:

KAG Art. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

4 ZB 04.1684

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Fremdenverkehrsbeitrag;

hier: Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. Mai 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft,

ohne mündliche Verhandlung am 12. Dezember 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 13. Mai 2004 wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 57.784,24 Euro (entspricht 103.237,00 DM) festgesetzt; der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 23.008,14 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin betreibt eine Rehabilitationsklinik im Gemeindegebiet der Beklagten. Sie wendet sich gegen die mit getrennten Bescheiden vom 17. Mai 2000 erfolgte Heranziehung zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 1998 in Höhe von 58.237,00 DM (= 29.776,11 Euro) sowie einer Vorauszahlung für das Jahr 2000 in Höhe von 45.000,00 DM (= 23.008,13 Euro). Die Beklagte ging von einem Anteil des Gewinns am Umsatz von 15 bis 20 v.H. aus und gelangte dadurch gem. § 3 Abs. 5 FBS zu einem Mindestbeitragsatz von 0,35 v.H. Die Klägerin hält demgegenüber einen geringeren Anteil des Gewinns am Umsatz von höchstens 15 v.H. für angemessen (Mindestbeitragssatz i.H.v. 0,25 v.H.). Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 18.2.2002).

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13. Mai 2004 die Bescheide insoweit aufgehoben, als für das Jahr 1998 ein 24.959,00 DM (= 12.761,33 Euro) übersteigender Fremdenverkehrsbeitrag und eine 33.278,00 DM (= 17.014,77 Euro) übersteigende Vorausleistung für das Jahr 2000 festgesetzt worden war; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass die Klägerin mit Blick auf die von ihr betriebene Rehabilitationsklinik fremdenverkehrsbeitragspflichtig sei. Die ihr als Sozialversicherungsträgerin zugewiesenen Beiträge, die sich am Pflegesatz für die aufgenommenen Patienten orientierten, seien aus dem Fremdenverkehr erwachsende wirtschaftliche Vorteile (VGH n.F. 45, 87). Da die Klägerin keinen steuerbaren Gewinne erziele, müsse die Beitragsermittlung nach dem Umsatz sowie dem Mindestbeitragssatz erfolgen. Die Bestimmung des Mindestbeitragssatzes erfolge gemäß § 3 Abs. 5 FBS durch Schätzung des branchendurchschnittlichen Anteils des Gewinns am Umsatz. Wie beim Vorteilssatz sei diese Schätzung dem Bereich der Tatsachenfeststellung zuzuordnen und unterliege vollumfänglich gerichtlicher Nachprüfung.

Für Rehabilitationskliniken bestünden keine Erfahrungswerte, so dass sich die Beklagte Schätzungsgrundlagen durch eine Umfrage bei allen größeren Fremdenverkehrsorten Südbayerns habe verschaffen dürfen. Die den streitgegenständlichen Bescheiden zugrunde gelegte, sich auf den Zeitraum von 1990 bis 1996 beziehenden Umfrageergebnisse erachte die Kammer nicht mehr als verlässliche Grundlage, da es in den Folgejahren wegen gesetzlicher Änderungen im Gesundheitsbereich zu einem Rückgang der Belegung von Kur- und Rehabilitationseinrichtungen gekommen sei. Die Beklagte habe deshalb auf Anregung des Gerichts die Umfrage für die Jahre 1998 bis 2001 - beschränkt auf Rehabilitationskliniken - fortgeführt. Bei den privaten Betriebsträgern sei auf den tatsächlich erzielten Gewinn, bei den öffentlich-rechtlichen Betriebsträgern auf den der Beitragsbemessung zugrunde gelegten fiktiven Gewinn abzustellen. Die darauf beruhende, private wie öffentlich-rechtlich organisierte Rehabilitationskliniken erfassende Schätzung führe für das Jahr 1998 zu einem branchendurchschnittlichen Anteil des Gewinns zwischen 5 - 10 v.H. und für das Jahr 2000 zwischen 10 - 15 v.H. Deshalb sei für das Jahr 1998 ein Mindestbeitragssatz i.H.v. 0,15 v.H. und für das Jahr 2000 i.H.v. 0,25 v.H. zu Grunde zu legen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Beklagte macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Mindestbeitragssatzes geltend. Nach der Rechtsprechung sei es sachgerecht, dass die Beklagte sich Schätzungsgrundlagen durch eine Umfrage bei allen größeren Fremdenverkehrsorten Südbayerns verschafft habe; damit könne der von ihr zugrunde gelegte Mindestbeitragssatz nicht als gegriffene Annahme angesehen werden. Die Beklagte habe vor Erlass der Beitragsbescheide eine Umfrage durchgeführt und im laufenden Verfahren - bezogen auf Rehabilitationskliniken - aktualisiert. Das Umfrageergebnis bestätige die den streitgegenständlichen Bescheiden zugrunde gelegten Mindestbeitragssätze; denn es werde von einer sehr großen Anzahl von Betrieben ohne Gewinn und einzelnen Betrieben (Ausreißer) mit sehr hohen Gewinnanteilen geprägt. Bei den Ergebnissen der Rehabilitationskliniken privater Betriebsträger falle im Jahr 1998 insbesondere das negative Betriebsergebnis einer Klinik in Bad G. ins Gewicht; bei Annahme eines am Umsatz orientierten fiktiven Gewinns dieser Klinik würde sich die Gesamtauswertung in Richtung auf einen höheren Branchendurchschnitt positiv verändern. Tatsächlich habe sich bei der genannten Klinik der Gewinn in den Jahren 1999 und 2000 positiv entwickelt. Die Ermittlungen der Beklagten seien deshalb ermessensfehlerfrei gewesen, so dass das Verwaltungsgericht diese nicht durch eigene Berechnungen habe ersetzen dürfen.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00, NVwZ 2000, 1163/1164). Das ist nicht der Fall.

a) Der Ansatz des Verwaltungsgerichts, es sei sachgerecht, sich bei der Schätzung des branchendurchschnittlichen Anteils des Gewinns am Umsatz (im Folgenden: Umsatzrendite) zur Bestimmung des Mindestbeitragssatzes gemäß § 3 Abs. 5 FBS im Falle fehlender Richtsätze die Grundlagen durch eine Umfrage bei anderen Fremdenverkehrsorten der Region zu verschaffen, entspricht der Rechtsprechung des Senats (VGH, U.v. 14.3.2000 - 4 B 96.800, NVwZ-RR 2000, 828 = BayVBl 2001, 407). Diese Vorgehensweise stellt die Beklagte auch nicht infrage, sondern erachtet die aus früheren Verfahren gewonnenen, den Zeitraum zwischen 1990 und 1996 erfassenden Umfrageergebnisse nach wie vor für einschlägig; einer Aktualisierung habe es nicht bedurft. Diese Rüge weckt keine Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung; denn die Kammer durfte den durch die Gesundheitsreform allgemein bekannten Rückgang der Belegung von Kur- und Rehabilitationseinrichtungen zum Anlass nehmen, die Aussagekraft der bisherigen Umfrageergebnisse für die hier streitgegenständlichen Zeiträume zu hinterfragen. Die Ermittlung der Umsatzrendite durch Schätzung (§ 3 Abs. 5 FBS) betrifft - wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt hat - den Bereich der Tatsachenfeststellung und nicht der Ermessensausübung; sie unterliegt deshalb vollumfänglich der gerichtlichen Nachprüfung (BayVGH, U.v. 1.12.1989 - 4 B 88.1720, VGH n.F. 43, 7/8 ff. = BayVBl. 1990, 435 m.w.N.). Damit werden die Unschärfen, die der vom Satzungsgeber vorgegebenen Methodik der Schätzung immanent sind, nicht in Abrede gestellt. Die gerichtliche Überprüfung erstreckt sich jedoch bei entsprechend substantiierten Angriffen auch auf die Aktualität des von der Gemeinde ihrer Schätzung zugrunde gelegten Datenmaterials, so dass im vorliegenden Fall die vom Verwaltungsgericht veranlasste Aktualisierung der Umfrage nicht zu beanstanden ist.

b) Die Beklagte macht darüber hinaus geltend, die aktualisierte Umfrage bestätige die den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Mindestbeitragssätze; die insoweit vorgetragenen Gründe wecken keine zulassungsbegründenden Zweifel i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Antragsbegründung stützt sich für ihre Annahme auf die Gewinnentwicklung einer einzelnen Klinik eines privaten Betriebsträgers in Bad G., die im Jahr 1998 keinen realen Gewinn erzielt hat, in den Folgejahren jedoch steigende Gewinne zu verzeichnen vermochte. Die Beklagte führt aus, dass bei Zugrundelegung eines fiktiven Gewinns in Höhe von 20 v.H. des steuerbaren Umsatzes im Jahr 1998 sich die Gesamtauswertung dieses Jahres positiv verändere.

Die von der Beklagten vorgeschlagene Ersetzung des realen durch einen fiktiven Gewinn bei einem privaten Betriebsträger ist indes - auch bei positiver Gewinnentwicklung dieses Betriebs in den Folgejahren - methodisch unzulässig. Zum einen ist die - als Begründung herangezogene - jahresübergreifende Betrachtung mit dem Charakter des Fremdenverkehrsbeitrags als Jahresabgabe (§ 2 Abs. 1 FBS; vgl. dazu BayVGH, B.v. 3.10.1986 - 4 N 85 A.460, VGH n.F. 39, 75/76) nicht zu vereinbaren. Zum anderen vernachlässigt dieser "Kunstgriff" die Funktion des bei den anderen Fremdenverkehrsgemeinden abgefragten tatsächlichen Gewinns privater Betriebsträger: Der tatsächliche Gewinn dient der Ermittlung des branchendurchschnittlichen Anteils des Gewinns am Umsatz (Umsatzrendite) gem. § 3 Abs. 5 FBS als in die Beitragsbemessung einfließender fiktiver Gewinn, der u.a. für die Beitragsermittlung bei Betrieben ohne reale Gewinne benötigt wird (vgl. zur Rechtfertigung der Berücksichtigung des steuerbaren Umsatzes als Regulativ im Rahmen der Berechnung des Fremdenverkehrsbeitrags: BayVGH, B.v. 3.10.1986 - 4 N 85 A.460, a.a.O. S. 77). Die Höhe des aus dem Branchendurchschnitt tatsächlicher Gewinne ermittelten fiktiven Gewinns kann nicht durch Rückgriff auf einen fiktiven Gewinn gerechtfertigt werden. Inwieweit daher die von den anderen Kommunen übermittelten, der dortigen Fremdenverkehrsbeitragsberechnung zugrunde gelegten Mindestbeitragssätze öffentlich-rechtlicher Betriebsträger überhaupt in die Ermittlung des branchendurchschnittlichen Anteils des Gewinns am Umsatz hätten einfließen dürfen, kann hier dahinstehen. Diese Frage wurde in der Antragsbegründung nicht aufgeworfen und zudem hat sich die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts insoweit allenfalls zugunsten der Beklagten als Rechtsmittelführerin auswirken können.

2. Die Zulassung der Berufung kommt auch nicht wegen besonderer tatsächlicher bzw. rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) in Betracht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, worin die besondere Komplexität des Rechtsstreits in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht begründet sein sollte. Die in diesem Zusammenhang wiederholte Annahme der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe ihre Schätzung fehlerhaft beurteilt, genügt nicht den Darlegungsanforderungen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hinsichtlich dieses Zulassungsgrunds.

3. Soweit die Antragsbegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, rechtfertigt die von ihr aufgeworfene Frage, "ob die von einer Gemeinde durchgeführte Schätzung als verlässliche Grundlage für den Mindestbeitragssatz generell heranzuziehen sei", nicht die Zulassung der Berufung. Diese Frage vielmehr ist eindeutig negativ zu beantworten, ohne dass es dazu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 14. März 2000 (Az. 4 B 96.800, BayVBl. 2001, 407) für den damals zu entscheidenden Fall die von der Gemeinde durchgeführte Umfrage als sachgerechte Ermittlungsmethode angesehen; das daraus entnommene Resultat sei jedenfalls nicht "gegriffen", was unzulässig wäre, sondern beruhe auf einer dem § 3 Abs. 5 FBS entsprechenden Schätzung. Die damals durchgeführte Umfrage betraf den von dem Beitragsbescheid erfassten Veranlagungszeitraum, so dass sich die Frage der Aktualität der Daten überhaupt nicht gestellt hat. Der Entscheidung ist auch kein Rechtssatz des Inhalts zu entnehmen, dass eine Schätzung des Mindestbeitragssatzes auf der Grundlage von Umfrageergebnissen immer - unabhängig von der Aktualität des Datenmaterials - als zulässige Beitragsermittlung anzuerkennen sei; das liegt auf der Hand. Daher ist das Verwaltungsgericht auch nicht von der genannten Entscheidung des Senats abgewichen, so dass die Berufung auch nicht gem. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 14 Abs. 3, 13 Abs. 2 GKG a.F. Der Streitwertbezifferung des Verwaltungsgerichts lag ein Schreibversehen zugrunde (Zahlendreher).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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