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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.07.2005
Aktenzeichen: 4 ZB 05.521
Rechtsgebiete: KAG, StromeinspeisungsG


Vorschriften:

KAG Art. 6 Abs. 1
StromeinspeisungsG § 3 Abs. 1 Satz 1
Die Vergütung für die Einspeisung des aus einem Wasserkraftwerk gewonnen Stroms (hier: Vertrag auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1 StromeinspeisungsG) begründet keine sachliche Fremdenverkehrsbeitragspflicht.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Fremdenverkehrsbeitrags;

hier: Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 04. Januar 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft,

ohne mündliche Verhandlung am 7. Juli 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 73,06 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger, der eine Wasserkraftanlage betreibt, wendet sich gegen seine Verpflichtung zur Zahlung eines Fremdenverkehrsbeitrags für das Jahr 1995.

Mit Bescheid vom 31. Juli 1997 erhob die Beklagte von dem Kläger einen Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 1995 in Höhe von 142,90 DM. Dabei ging sie für die Berechnung aufgrund einer Mitteilung des Klägers von einem Gewinn in Höhe von 14.292,00 DM aus und legte einen Vorteilsatz von 25 v.H. sowie einen Beitragssatz von 4 v.H. zugrunde.

Mit seinem Widerspruch rügte der Kläger, dass er von dem Fremdenverkehr im Gemeindegebiet keinen wirtschaftlichen Vorteil habe. Weder die Produktion der Strommenge noch die Vergütung hätten etwas mit dem Fremdenverkehr zu tun. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2001 wies das Landratsamt Forchheim den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass der Kläger im Stadtgebiet eine Produktionsstätte unterhalte und durch die Netzeinspeisung des von ihm erzeugten Stroms einen mittelbaren Vorteil erziele, weil damit andere Fremdenverkehrsbetriebe beliefert würden, die ihrerseits am Fremdenverkehr partizipierten.

Auf seine Klage hob das Verwaltungsgericht mit Gerichtsbescheid vom 4. Januar 2005 den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Forchheim vom 8. August 2001 auf. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass der Kläger durch den Betrieb seiner Wasserkraftanlage weder einen unmittelbaren, noch einen mittelbaren Vorteil aus dem Fremdenverkehr im Gemeindegebiet habe. Er stehe nur in vertraglichen Beziehungen zu den Stadtwerken, die ihrerseits nur einen mittelbaren Vorteil vom Fremdenverkehr hätten. Im übrigen sei nicht ersichtlich, inwieweit der Fremdenverkehr zu einer erhöhten Verdienstmöglichkeit des Klägers aus seiner Stromproduktion führe.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Kläger entgegentritt.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Beklagte macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids geltend, weil das Verwaltungsgericht den durch die Stadtwerke als Energieversorgungsunternehmen vermittelten fremdenverkehrsbedingten Vorteil für den Kläger zu Unrecht verneint habe. Auch die Bereiche der Ver- und Entsorgung seien grundsätzlich geeignet, eine Fremdenverkehrsbeitragspflicht auszulösen. Die lediglich auf die konkrete Vertragsbeziehung zwischen Kläger und Stadtwerke abstellende Perspektive des Verwaltungsgerichts lasse die preisbestimmende Nachfrageseite außer Betracht. Der Grund- und der Spitzenbedarf seien sehr wohl davon abhängig, ob und in welchem Umfang Fremdenverkehr in einer Gemeinde stattfinde.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00, NVwZ 2000, 1163/1164). Diesem Maßstab wird das Vorbringen der Beklagtenseite nicht gerecht.

Nach § 1 Abs. 1 der auf Art. 6 KAG gestützten Satzung über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages (Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten vom 1.10.1980 - FBS) erhebt die Beklagte von allen selbständig tätigen natürlichen oder juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag. Der satzungsrechtliche Vorteilsbegriff bestimmt sich nach Art. 6 Abs. 1 KAG. Das Verwaltungsgericht hat in überzeugender Weise eine sachliche Beitragspflicht des Klägers hinsichtlich seiner Einnahmen aus der Stromerzeugung abgelehnt.

Die Beklagte behauptet nicht, dass dem Kläger durch die Stromgewinnung aus Wasserkraft unmittelbare wirtschaftliche Vorteile erwachsen würden. Entgegen ihrer Auffassung zieht der Kläger aus der genannten Tätigkeit aber auch keinen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil. In Abgrenzung von der nicht beitragsbegründenden allgemeinen wirtschaftlichen Prosperität durch die Fremdenverkehrsentwicklung eines Ortes muss der mittelbarer Vorteil i.S. des Art. 6 Abs. 1 KAG durch einen typischen und offensichtlichen Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr geprägt sein (BayVGH, U.V. 17.5.1965 - 142 IV 64, VGH n.F. 18,47/49; U.V. 27.7.1975 - 185 IV 70, BayVBl. 1976, 208). Das ist dann gegeben, wenn eine Person mit den am Fremdenverkehr unmittelbar partizipierenden Kreisen im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung Geschäfte tätigt oder Dienstleistungen erbringt und dadurch mittelbar vom Fremdenverkehr profitiert. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht bei der Subsumtion unter den Vorteilsbegriff auf die konkrete vertragliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen des Klägers zu den Stadtwerken abgestellt. Denn für den die sachliche Beitragspflicht legitimierenden Gedanken der Abschöpfung fremdenverkehrsbedingter Vorteile ist in Zweifelsfällen nicht die abstrakte, sondern die konkrete Betrachtung der Art und Weise der Einnahmeerzielung und ihr Bezug zum Fremdenverkehr von Bedeutung.

Aufgrund des zwischen den Stadtwerken der Beklagten und dem Kläger als gleichsam "drittes Glied in der Kette der Beziehungen zu Fremden" (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2002 - 4 ZB 02.583, GK 2003 Rdnr. 29 m.w.N) abgeschlossenen Stromlieferungsvertrags vom 26. März 1990 hat das Verwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben, dass nicht ersichtlich ist, inwieweit der Fremdenverkehr im Gemeindegebiet zu erhöhten Verdienstmöglichkeiten des Klägers aus seiner Stromproduktion führen könnte. Weder die Abnahmeverpflichtung der Stadtwerke für die produzierte Strommenge noch der Strompreis für die in das Netz eingespeiste Kilowattstunde lassen irgendeine - auch nur potentielle - Abhängigkeit von dem Fremdenverkehrsaufkommen im Gebiet der Beklagten erkennen. Ein derartiger Zusammenhang ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - für den streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 1995 auch nicht aus § 3 Abs. 1 Satz 1 StromeinspeisungsG (vom 7.12.1990, BGBl. I S. 2633). Nach dieser Vorschrift betrug die Vergütung für Strom aus Wasserkraft mindestens 80 v.H. des Erlöses je Kilowattstunde aus der Stromabgabe von Elektrizitätsversorgungsunternehmen an alle Letztverbraucher. Bezugspunkt dieser gesetzlichen Mindestpreisregelung war indessen nicht die lokale, sondern die bundesweite Perspektive. Mangels einer irgendwie vermittelten spezifischen Beziehung zwischen dem Fremdenverkehrsaufkommen und der Höhe der Vergütung des Klägers für den Strom aus seinem Kleinwasserkraftwerk hat das Verwaltungsgericht einen mittelbaren Vorteil des Klägers durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet zu Recht verneint.

2. Die Zulassung der Berufung kommt auch nicht wegen besonderer tatsächlicher bzw. rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in Betracht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, worin die besondere Komplexität des Rechtsstreits in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht begründet sein sollte. Die aufgeworfene Grundsatzfrage, "ob ein Produzent von Strom aus erneuerbaren Energien, der Strom in das öffentliche Netz abgibt, zum Kreis der Fremdenverkehrsabgabepflichtigen gehört, weil ihm ein entsprechender Vorteil zuwächst", bedarf nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren. Sie lässt sich vielmehr - wie bereits dargelegt - auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorteilsbegriff des Fremdenverkehrsbeitragsrechts ohne weiteres beantworten.

3. Die erhobene Aufklärungsrüge führt nicht zur Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Ob sie bereits daran scheitern muss, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat (vgl. BVerwG, B.v. 3.7.1998 -6 B 67.98 <juris>), kann dahinstehen. Denn die Antragsbegründung verfehlt in jedem Fall die relevante Perspektive für eine erfolgreiche Aufklärungsrüge, die sich nach der zugrunde liegenden materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts bestimmt, selbst wenn - wofür vorliegend nichts spricht - dieser nicht zu folgen sein sollte (BVerwG, U.v. 24.10.1984 - 6 C 49.84, BVerwGE 70, 216/221 f. m.w.N.). Eine Beweisaufnahme zu der von der Beklagtenseite angesprochenen Frage, "die Auswirkungen des Vertrages und den Ablauf der Stromeinspeisung einschließlich des Wegs bis zum Endverbraucher zu untersuchen und zu überprüfen", musste sich dem Verwaltungsgericht auf dem Boden seiner Rechtsauffassung auch nicht von Amts wegen aufdrängen (§ 86 Abs. 1 VwGO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 3, Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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