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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.09.2009
Aktenzeichen: 4 ZB 09.923
Rechtsgebiete: VwGO, GG, Zweitwohnungsteuersatzung der Landeshauptstadt München, BayBG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 105 Abs. 2 a
Zweitwohnungsteuersatzung der Landeshauptstadt München
BayBG Art. 74 Abs. 2
Beamte, die wegen der für sie bestehenden Residenzpflicht am Dienstort eine Nebenwohnung unterhalten, sind zweitwohnungsteuerpflichtig. Eine Herausnahme dieser Personengruppe aus der Steuerpflicht ist mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

4 ZB 09.923

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Zweitwohnungsteuer;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 5. März 2009,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Peitek

ohne mündliche Verhandlung am 28. September 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 5. März 2009 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 904,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Heranziehung des Klägers zur Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2006 und die Folgejahre.

Der Kläger, ein lediger Polizeivollzugsbeamter mit Hauptwohnsitz in Ingolstadt und dienstlichem Wohnsitz in München, ist bei der Beklagten mit Nebenwohnsitz gemeldet und wurde auf Grund dessen zur Zweitwohnungsteuer herangezogen.

Die auf Aufhebung des Zweitwohnungsteuerbescheids gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 5. März 2009 ab. Der Umstand, dass der Kläger die Zweitwohnung aus beruflichen Gründen halte, stehe seiner Steuerpflicht nicht entgegen; insbesondere zwinge ihn die beamtenrechtliche Residenzpflicht nicht, neben der Wohnung am Dienstort eine weitere Wohnung zu unterhalten. Die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer verstoße auch nicht wegen eines behaupteten, aber nicht substantiiert dargelegten Vollzugsdefizits gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Der Kläger beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen.

Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.

II.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung führt nicht zum Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen.

Mit dem Vorbringen, die beamtenrechtliche Residenzpflicht zwinge den Kläger dazu, neben der Wohnung am Dienstort noch eine weitere Wohnung zu halten und die Entscheidung für den Hauptwohnsitz in Ingolstadt sei Ausfluss der grundrechtlich geschützten Lebensführung des Klägers, können ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfG vom 21.1.2009 JZ 2009, 850/851; vom 26.3.2000 NVwZ 2000, 1163/1164). Das angefochtene Urteil ist tragend darauf gestützt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 6.12.1983 BVerfGE 65, 325/347 f.; vom 11.10.2005 BVerfGE 114, 316/334) das Innehaben der Wohnung aus beruflichen Gründen (sog. Erwerbszweitwohnung), der Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer nicht entgegensteht. Es kommt hiernach nicht auf die Gründe oder den Zweck für das Innehaben der Zweitwohnung an, sondern allein darauf, dass hiermit ein besonderer Aufwand betrieben wird, der der Besteuerung unterworfen werden darf. Das Bundesverfassungsgericht betont ausdrücklich, dass es das Wesen der Aufwandsteuer ausschließt, "für die Steuerpflicht von vornherein auf eine wertende Berücksichtigung der Absichten und verfolgten ferneren Zwecke, die dem Aufwand zugrunde liegen, abzustellen. Maßgeblich darf allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein. Die unterscheidende Berücksichtigung der Gründe für den Aufenthalt zum Zweck der Abgrenzung des Kreises der Steuerpflichtigen ist damit im Rahmen der Aufwandsteuer ein sachfremdes Kriterium und hat vor Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bestand" (BVerfG vom 6.12.1983, a.a.O., S. 357). Darf nach diesen Darlegungen, die zutreffend an dem Wesen der Aufwandsteuer anknüpfen und die nach wie vor Geltung haben, der Zweck für das Halten der Wohnung gerade nicht auf das Bestehen der Steuerpflicht durchschlagen, ist es rechtlich unerheblich, ob im Einzelfall das Halten der Zweitwohnung am Dienstort dadurch begründet ist, dass der Betreffende der Residenzpflicht nach Art. 74 Abs. 2 BayBG unterliegt.

Entscheidet sich ein residenzpflichtiger Polizeivollzugsbeamter oder Notar im Rahmen der ihm grundrechtlich garantierten Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) dafür, seinen Lebensmittelpunkt in seiner Heimatgemeinde beizubehalten oder ihn an einem anderen Ort als dem Dienstort beizubehalten oder zu begründen und am Dienstort eine Zweitwohnung zu unterhalten, so hat er die sich daraus ergebenden steuerrechtlichen Konsequenzen hinzunehmen; er betreibt insoweit einen besonderen Aufwand, der über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht (vgl. BayVGH vom 10.8.2009 4 ZB 09.367; zur Steuerpflicht bei einer örtlich gebundenen Berufstätigkeit s. OVG SH vom 21.5.2008 NVwZ-RR 2008, 816/817; zur Steuerpflicht bei Hauptwohung in einer Gemeinschaftsunterkunft der Bundeswehr s. OVG SA vom 30.4.2008 NVwZ-RR 2008, 817/818). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Residenzpflicht ihn gerade nicht zwingt, neben der Wohnung am Dienstort noch eine weitere Wohnung in einer anderen Gemeinde zu unterhalten. Das Vorbringen im Zulassungsantrag, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass im Fall des Klägers seine freie Selbstbestimmung zum Hauptwohnsitz in Ingolstadt geführt habe, geht fehl. Das Verwaltungsgericht stellt diese persönliche Entscheidung nicht in Frage.

Soweit im Zulassungsantrag weiterhin darauf hingewiesen wird, dass gerade im Bereich der Landeshauptstadt München - was allgemein bekannt ist - ein großer Bedarf an Polizeivollzugsbeamten besteht, der allein durch ortsansässige Beamte nicht gedeckt werden kann, berührt dies die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht; gleiches gilt für die angeführten Äußerungen aus dem politischen Raum.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Mit dem Hinweis, dass es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um einen Musterprozess zur Steuerpflicht von residenzpflichtigen Polizeivollzugsbeamten handele, kann eine besondere rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache nicht begründet werden. Allein ein vielfaches, insbesondere berufsständisches Interesse indiziert per se keine besondere rechtliche Schwierigkeit der zu entscheidenden Rechtsfragen. Gerade mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Unbeachtlichkeit der Motive für das Halten der Zweitwohnung erweist sich die Rechtssache nicht als rechtlich besonders schwierig.

Mit dem weiteren Vorbringen, im Bereich der Beklagten lägen erhebliche Vollzugsdefizite vor, die darauf zurückzuführen seien, dass die Steuerpflicht von der Erklärung des Steuerpflichtigen abhänge und dass keine besonderen Kontrollen hinsichtlich der Richtigkeit der Steuererklärung durchgeführt würden, kann die geltend gemachte besondere rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache nicht belegt werden. Die Berufung auf erhebliche Vollzugsdefizite, die zu einer mit Art. 3 GG nicht zu vereinbarenden Belastungsungleichheit führen, setzt, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, eine substantiierte Darlegung der beanstandeten Verwaltungspraxis voraus. So wären z.B. Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass etwa einzelne Berufs- oder sonstige Personengruppen trotz bestehender normativer Steuerpflicht nicht zur Steuer herangezogen werden oder dass mehr oder weniger nach dem Zufallsprinzip Zweitwohnungsinhaber zur Steuer herangezogen werden. Mit dem Hinweis auf die Abhängigkeit der Heranziehung zur Steuer von der Steuererklärung und der fehlenden Richtigkeitskontrolle wird den Anforderungen an die gebotene substantiierte Darlegung eines bestehenden Vollzugsdefizits bei der Erhebung der Zweitwohungsteuer durch die Beklagte nicht genügt. Dieses Darlegungsdefizit wird auch nicht durch den Vortrag im Schriftsatz vom 11. August 2009 beseitigt, wonach die Beklagte im Fall eines namentlich benannten Notars wegen der Residenzpflicht von dessen Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer absehe. Auch wenn man die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, ist dieser Einzelfall nicht geeignet, ein generelles Vollzugsdefizit im Bereich der Beklagten zu belegen; insbesondere kann hieraus nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, die Beklagte ziehe generell zweitwohnungsteuerpflichtige Notare nicht zur Steuer heran.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob die Residenzpflicht zwingend zu einer Ausnahmeregelung in der Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten führen muss, ist nicht klärungsbedürftig. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist hinreichend geklärt, dass eine solche Ausnahmeregelung, die auf die Gründe für den Aufenthalt in der steuererhebenden Gemeinde abhebt, ein sachfremdes Kriterium darstellt (BVerfG vom 6.12.1983, a.a.O., S. 357). Zur Beantwortung dieser Frage ist daher die Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht erforderlich. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist vielmehr unter Heranziehung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ohne weiteres zu verneinen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG. Zugrunde zu legen ist der Betrag in Höhe von 199,-- Euro für das Jahr 2006 sowie der zweieinhalbfache Betrag der Jahressteuer für 2007 und die Folgejahre in Höhe von 282,-- Euro.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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