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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 05.03.2008
Aktenzeichen: 5 B 05.1449
Rechtsgebiete: StAG
Vorschriften:
StAG § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 | |
StAG § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Einbürgerung;
hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. April 2005,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,
durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. Februar 2008
am 5. März 2008
folgendes Urteil:
Tenor:
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. April 2005 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der seine Einbürgerung begehrende Kläger (geb. 12. Januar 1967) ist türkischer Staatsangehöriger und lebt seit August 1979 im Bundesgebiet. Seit 25. November 1991 ist er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Ebenfalls seit 1991 ist er mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen (geb. 1994, 1995, 2001 und 2003); die zwei jüngeren Kinder besitzen neben der türkischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit.
Auf den Einbürgerungsantrag vom 24. Juli 2000 hin erhielt der Kläger vom Landratsamt Neumarkt i. d. OPf. zuletzt am 6. Juni 2001 eine bis 5. Juni 2003 gültige Einbürgerungszusicherung sowie vom, dem Ministerium des Innern der Republik der Türkei nachgeordneten, Generaldirektorat für Personenstand - Staatsanghörigkeit am 20. Juni 2002 die Erlaubnisurkunde für die Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit. Wegen der nach dem 11. September 2001 geänderten Sicherheitslage wurde der Kläger, in dessen Reisepass für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 30. März 1999 ein Visum für einen Aufenthalt in Pakistan eingetragen war, erneut sicherheitsrechtlich überprüft und befragt.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2003 lehnte die Staatsangehörigkeitsbehörde den Einbürgerungsantrag ab. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass der Kläger in der Anhörung am 1. Juli 2002 eingeräumt habe, dass er für die Vereinigung Tablighi Jamaat (im folgenden TJ) aktiv sei und ein Ausbildungsseminar dieser Vereinigung in Raiwind in Pakistan besucht habe. Auf das Seminar habe ihn der islamistisch beeinflusste bzw. orientierte "Islamische Studentenverein in Erlangen" aufmerksam gemacht. Die TJ sei Beobachtungsobjekt des deutschen Verfassungsschutzes. Zwar distanziere sich der Kläger ausdrücklich von Gewaltanwendung, jedoch bekenne er sich gleichwohl zur Umsetzung des missionarischen Auftrags der TJ. Ein Einbürgerungsanspruch sei nach § 86 Nrn. 2 und 3 AuslG ausgeschlossen; auch eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG komme wegen des Vorliegens eines Ausweisungsgrundes nach § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG nicht in Betracht.
Der Kläger erhob Widerspruch. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass er stärker in seinem Glauben lebe und sich deshalb auch anders kleide als andere Personen. Dass er ein Ausbildungsseminar in Pakistan besucht habe, habe er nie abgestritten. Dies habe aber allein der religiösen Weiterbildung gedient. Dass er irgendwelche Verbindungen zu kriminellen oder terroristischen Organisationen habe oder sich an deren Machenschaften beteilige, werde nicht nachgewiesen werden können. So etwas würde er niemals auch nur in Erwägung ziehen.
Den Widerspruch hat die Regierung der Oberpfalz mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2004 zurückgewiesen.
Der auf Verpflichtung zur Einbürgerung gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. April 2005 stattgegeben. Der Kläger habe wiederholt Erklärungen abgegeben, dass er sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekenne und keine Bestrebungen verfolge oder unterstütze, die dagegen gerichtet seien. Es lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass dies nicht zutreffe und es sich bei den Erklärungen um Lippenbekenntnisse handele. Die Einbürgerungsbehörden begründeten ihre Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers maßgeblich und ausschließlich mit den Ergebnissen der sicherheitsrechtlichen Anhörung vor dem Landratsamt Neumarkt i. d. OPf. am 1. Juli 2002 sowie den behaupteten Erkenntnissen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz.
Der Vermerk über die Befragung des Klägers sei hierfür jedoch in keiner Weise geeignet. Ihm könne bereits nicht entnommen werden, welche Personen außer dem Kläger an der Befragung teilgenommen hätten. Darüber hinaus sei weder festgehalten noch sonst ersichtlich, welche konkreten Fragen dem Kläger gestellt bzw. welche Vorhaltungen ihm im Einzelnen gemacht worden seien. Der Vermerk stelle inhaltlich eine Aneinanderreihung von Sätzen, Halbsätzen und einzelnen Wörtern dar, die eine sichere Zuordnung, was davon Fragestellung durch die Behörde, was Einlassung des Klägers und was Schlussfolgerung sei, nicht zulasse. Aus den dem Kläger vermutlich zuzurechnenden Äußerungen könne nicht zwangsläufig geschlossen werden, er bekenne sich nicht zur grundgesetzlichen Ordnung Deutschlands.
Letztlich stützten die Behörden ihre Ablehnung darauf, der Kläger distanziere sich nicht hinreichend von den Zielen der TJ bzw. identifiziere sich damit. Als Beleg dafür, dass sich diese gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten, werde auf die Erwähnung der Organisation im Bayerischen Verfassungsschutzbericht verwiesen. Zwar böten deren in den Verfassungsschutzberichten 2003 und 2004 beschriebenen Ziele Anlass dafür, an ihrem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung erheblich zu zweifeln. Die Zulässigkeit einer solchen Schlussfolgerung setze jedoch voraus, dass die verfassungswidrige Grundhaltung der betreffenden Organisation auch durch Tatsachen belegt werde. Solche Tatsachen, die die Einschätzung des Bayerischen Verfassungsschutzes nachvollziehbar erscheinen lasse, seien jedoch weder den Verfassungsschutzberichten zu entnehmen, noch seien sie im behördlichen oder gerichtlichen Verfahren vorgebracht worden. Derartige Tatsachen könnten auch nicht in einzelnen Äußerungen von Mitgliedern der Massenorganisation gesehen werden oder darin, dass sich nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Einzelpersonen aus dem Umfeld der TJ militanten Gruppierungen angeschlossen hätten. Gerade bei einer Organisation, die international bestehe und über eine Vielzahl von Anhängern verfüge, könne aus dem Verhalten Einzelner nicht geschlossen werden, es handele sich um die Grundeinstellung der Gesamtorganisation oder auch nur der Mehrheit ihrer Anhänger.
Auch die intensive Befragung des Klägers durch das Gericht habe keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür zutage gefördert, dass er die Erklärung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG nur unter einem inneren Vorbehalt abgegeben habe. Dabei verkenne das Gericht nicht, dass der Kläger auf die Befragung gerade in kritischen Bereichen eher zurückhaltend und oftmals auffällig ausweichend geantwortet habe.
Der Beklagte führt zur Begründung der durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassenen Berufung unter Vorlage verschiedener Ausarbeitungen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz zuletzt am 26. Juli 2007 aus:
Die verfassungsfeindliche und extremistische Grundhaltung der TJ sei in verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen mehrmals festgestellt worden. Das Verwaltungsgericht Bayreuth sei im rechtskräftigen Beschluss vom 24. November 2005 (Az. B 1 S 05.763) zur Überzeugung gelangt, dass die TJ den internationalen Terrorismus unterstütze, das Verwaltungsgericht Hannover (U.v. 2.3.2006 Az. 10 A 5681/04) sehe darüber hinausgehend ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit der TJ die Sicherheit des Bundes und der Länder gefährde und sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richte. Diese in ausländer- und datenschutzrechtlichem Zusammenhang erfolgten Bewertungen müssten auch für Einbürgerungsverfahren gelten. Unter Einbeziehung der die TJ betreffenden Passagen in den Verfassungsschutzberichten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz 2003 - 2005 und des Verfassungsschutzberichts des Bundesministeriums des Innern 2004 wurde weiter ausgeführt, dass Ideologie und Missionsarbeit der TJ mit der deutschen Staats- und Gesellschaftsordnung unvereinbar seien. Ziel der radikal-islamisch extremistischen Organisation sei die Islamisierung der Gesellschaft. Diese Bestrebungen wirkten in nicht-muslimischen Gesellschaften zwangsläufig desintegrierend, so dass eine ernsthafte und dauerhafte Akzeptanz von westlichen Gesellschaftsordnungen, Wertevorstellungen und Integrationsmodellen nicht möglich sei. Die freiheitlich demokratische Grundordnung sei mit der von der TJ angestrebten Scharia unvereinbar.
Zu den Unterstützungshandlungen des Klägers führte der Beklagte aus, dass dieser bei seiner Anhörung vor dem Erstgericht selbst eingeräumt habe, "früher öfter" - nicht in unmittelbarer Wohnortnähe befindliche - Moscheen der TJ in Bayern aufgesucht zu haben. Dies stehe im Einklang mit Erkenntnissen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, wonach der Pkw des Klägers am 21. August 2003 sowie im Zeitraum Juni 2002 bis Dezember 2002 insgesamt neunmal am Gebäude der Islamischen Vereinigung Pappenheim festgestellt worden sei. Für das Jahr 2004 räume der Kläger ca. drei Besuche derselben Moschee, die von der TJ betrieben werde, ein. Darüber hinaus sei der Kläger anlässlich eines Sicherheitsgesprächs bei der Regierung von Mittelfranken am 21. September 2004 von I. J. durch Lichtbildervorlage als Anhänger der TJ identifiziert worden. Er werde somit offensichtlich auch in seinem persönlichen Umfeld als Anhänger der TJ wahrgenommen. Allein aufgrund dieser Umstände sei davon auszugehen, dass es sich beim Kläger um einen Unterstützer der TJ handele. Dass sein Engagement für die TJ deutlich über das eines passiven Sympathisanten oder "Mitläufers" hinausgehe, beweise sein mehrwöchiger Pakistanaufenthalt in einem TJ-Ausbildungszentrum. Er habe hierfür bereitwillig finanzielle Aufwendungen (Flugkosten) und einen erheblichen Zeitaufwand in Kauf genommen. Diese "Vertiefungslehrgänge" seien in den Verfassungsschutzberichten ausdrücklich dahingehend erwähnt, dass sie geeignet seien, die Teilnehmer zu indoktrinieren und für islamistisches Gedankengut empfänglich zu machen.
Mittelbar beweisbar sei zudem, dass der Kläger vom 5. bis 7. Mai 2006 am Jahrestreffen der TJ in Berlin teilgenommen habe. Zu den Jahrestreffen seien in der Regel nur Anhänger zugelassen, die bereits den 40-tägigen Ausbildungsabschnitt der TJ durchlaufen hätten und somit als gefestigte Mitglieder bewertet werden könnten. Der auf den Kläger zugelassene Pkw sei zusammen mit weiteren Fahrzeugen bekannter TJ-Aktivisten am 7. Mai 2006 um 15.15 Uhr auf dem Parkplatz der Autobahnraststätte Köckern festgestellt worden. Die Bundesautobahnpolizei Dessau habe bei einem Fahrzeug eine Personenkontrolle durchgeführt, bei der vier bekannte TJ-Aktivisten kontrolliert worden seien. Des weiteren sei der Kläger, der sich nicht von der Menschenrechte negierenden islamischen Rechtsordnung (Scharia) distanziere, Teilnehmer des TJ-Jahrestreffens vom 20. bis 22. April 2007 in der Al Nur-Moschee in Berlin gewesen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es werde bestritten, dass die TJ terroristische Ziele verfolge, wie behauptet werde. Die vorgelegten Unterlagen belegten dies nicht. Sollten weitere Erkenntnisse vorliegen, die extremistische oder terroristische Hintergründe belegten, würde sich der Kläger unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens sofort von TJ distanzieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die beigezogenen Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2008 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Landratsamts Neumarkt i. d. OPf. vom 23. Juni 2003 und der Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz vom 15. Juli 2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verhandlung des Senats keinen Anspruch auf Einbürgerung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger Bestrebungen unterstützt, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind. Aus diesem Grund hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die erteilten befristeten Einbürgerungszusicherungen sind abgelaufen und standen unter dem Vorbehalt, dass sich die für die Einbürgerung maßgeblichen Verhältnisse bis zum Ablauf der Frist nicht ändern. Deshalb war das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
1. Der Kläger hat trotz seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland keinen Anspruch auf Einbürgerung.
Die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs auf Einbürgerung richtet sich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, auch wenn der Kläger seinen Einbürgerungsantrag im Juli 2000 gestellt hat. Wird mit der Verpflichtungsklage der Erlass eines Verwaltungsakts begehrt, darf die Behörde zu dessen Erlass nur verpflichtet werden, wenn sie dazu nach der geltenden Rechtslage verpflichtet bzw. befugt ist. Ändern sich die maßgeblichen Rechtsvorschriften, ist die neue Rechtslage vorbehaltlich abweichender Übergangsregelungen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie dem Kläger nachteilig ist (BVerwG, U.v. 20.10.2005 - 5 C 8.05, DVBl. 2006, 919 <920>; B.v. 19.8.1996 - 1 B 82.95, InfAuslR 1996, 399 m.w.N.; BayVGH, U.v. 17.2.2005 - 5 BV 04.1225, NVwZ-RR 2005, 856 <857>; U.v. 14.4.2005 - 5 BV 03.3089, Juris).
Nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - die Bestimmung entspricht im wesentlichen wortgleich dem mit dem Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen § 86 Nr. 2 AuslG, der zum 1. Januar 2005 in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG übernommen worden war - ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl. § 4 Abs. 2 BVerfSchG), den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.
Nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 14/533 S. 18 f.) schließt die Vorschrift "den Einbürgerungsanspruch aus, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Sicherheitsgefährdung durch den Einbürgerungsbewerber vorliegen. Dabei geht es in der ersten Alternative um verfassungsfeindliche Bestrebungen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG), in der zweiten Alternative um den Ausländerextremismus (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG)." Dadurch soll die Einbürgerung etwa von PKK-Aktivisten (dazu BayVGH, U.v. 27.5.2003 - 5 B 01.1805, Juris) oder radikalen Islamisten (vgl. VGH BW, U.v. 16.5.2001 - 13 S 916/00, NVwZ 2001, 1434) auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können.
Bei den in der Vorschrift zusammengefassten Sicherheitsbedenken handelt es sich um eine Vorverlagerung des Verfassungsschutzes, die auch Handlungen und Tatbestände erfasst, die strafrechtlich noch nicht relevant sind und keine fassbare Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland mit sich bringen. Deshalb greift die Vorschrift nicht erst dann, wenn die Sicherheitsbedenken tatsächlich vorliegen. Erforderlich und hinreichend sind vielmehr "tatsächliche Anhaltspunkte" hierfür. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass von der Vorschrift erfasste Aktivitäten in aller Regel nicht in aller Öffentlichkeit und transparent entfaltet werden (vgl. Berlit in GK-StAR, RdNr. 65 f. zu § 11 StAG). Der herabgestufte Maßstab der "tatsächlichen Anhaltspunkte" bezieht sich vor diesem Hintergrund nach Sinn und Zweck der Vorschrift dann, wenn die Sicherheitsbedenken aus der Zugehörigkeit zu einer Organisation hergeleitet werden, notwendigerweise auch auf diese (ebenso zu § 54 Nr. 5 AufenthG: Discher in GK-AufenthG, RdNr. 533 f. zu § 54). Denn die für den Gesetzgeber maßgeblichen Nachweisschwierigkeiten und Risikoabwägungen betreffen die Frage, ob eine Organisation Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verfolgt oder unterstützt, in gleicher Weise wie die Frage nach dem Umfang der Tätigkeit des Einbürgerungsbewerbers in der Organisation.
a) Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen die Annahme, dass die islamistische Organisation Tablighi Jamaat (TJ) Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind.
Nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 lit. c BVerfSchG sind Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Die dort genannten Verfassungsgrundsätze sind:
- das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
- die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
- das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
- die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
- die Unabhängigkeit der Gerichte,
- der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
- die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
Bestrebungen, die auf die Errichtung eines "islamischen Staates" gerichtet sind, lassen sich mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbaren. Im "islamischen Staat", dessen einendes Kriterium allein die islamische Religion, nicht aber die Nationalität seiner Bewohner ist, müssen nach der Vorstellung heutiger islamischer Fundamentalisten Verfassung und Gesetze auf den Vorschriften des Korans basieren und sich alle Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Lebens (Verwaltung, Rechtsprechung, Sozialwesen, Erziehung und Wirtschaft) am Geist des Islam ausrichten. Grundlage für diese islamische Staatstheorie ist die Einheit von Religion und Staat, Politik und Glaubensgemeinschaft, wie sie unter Mohammed und den Kalifen bestanden hat. In dieser Staatstheorie stand zunächst die Frage nach dem legitimen Staats- und Gemeindeoberhaupt (Imam) im Vordergrund, später wurde für die Islamizität des Staates die Durchführung des islamischen Rechts für entscheidend gehalten. Nach westlichem Verständnis ist das Konzept der unmittelbaren Geltung der auf Gott als Gesetzgeber zurückgehenden Scharia im Staat mit den Prinzipien der Volkssouveränität und der aus ihr abgeleiteten Gesetzgebungsgewalt des Parlaments jedoch unvereinbar - es sei denn, man beschränkte diese Prinzipien wiederum wesensfremd auf die Regelung jener Fragen, die durch die Scharia nicht geregelt sind. Verfechter dieses "islamischen Staats" lehnen das Mehrparteiensystem meist als der Einheit der Gläubigen zuwiderlaufend und angesichts des für Politik und Recht eindeutig vorgegebenen Gotteswillens als überflüssig ab. Sie halten nach dem islamischen Recht an der Sonderstellung für Angehörige nichtislamischer Schriftreligionen fest, die zwar gegen Zahlung einer Sondersteuer die Beibehaltung ihres Glaubens, aber keine gleichberechtigte Teilhabe am staatlichen Leben gestattet. Insofern bringen Bestrebungen, einen "islamischen Staat" zu errichten, besonders Angehörige religiöser Minderheiten in die Gefahr des Verlustes ihrer vollen Bürgerrechte (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Auflage 2006, Band 13, Stichwort "Islamischer Staat").
Nach dem Verfassungsschutzbericht 2006 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern ist die TJ eine 1927 gegründete pietistische Missionierungsbewegung. Seit ihren Ursprüngen ist sie eng mit der Islamischen Hochschule von Deoband/Indien verbunden. Die Gemeinschaft vertritt eine streng orthodoxe Form des Islam indischer Prägung. Ziel der TJ ist die Islamisierung der Gesellschaft, um dadurch die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen. Sie hat den Charakter einer internationalen islamischen Massenbewegung, deren Anhänger sich nicht einer festen Gruppierung zugehörig fühlen, sondern sich als konsequente Muslime mit missionarischem Auftrag ansehen. Ihre Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung des Korans und der Sunna, die Ausgrenzung der Frau und eine Abgrenzungspolitik gegenüber Nicht-Muslimen. Das Tragen von traditioneller Gebetskleidung und die bis in Details verbindlichen Verhaltensregeln im Alltag sollen die absolute Hinwendung zum Propheten Mohammed ausdrücken. Charakteristisch für die Anhänger der TJ ist eine missionarische Reisetätigkeit, bei der sie Moscheen in ganz Europa aufsuchen. Die Missionierung dient der Rekrutierung neuer Mitglieder. Zur Ausbildung der Anhänger gehört eine vier Monate dauernde Schulung, die vornehmlich in Koranschulen in Pakistan absolviert wird. Die wenigsten Missionare verfügen über eine theologische Ausbildung. Zur Missionierung nutzen ihre Anhänger auch Moscheen, die keinen unmittelbaren Bezug zu TJ haben. Dazu dienen Veranstaltungen, bei denen die Anhänger über Tage oder Wochen hinweg beten, den Koran studieren und indoktriniert werden. Auch für Kinder und Jugendliche werden Koranschulungen durchgeführt. Direkte Aufrufe zum "Djihad" werden dabei vermieden, jedoch wird der ideologische Nährboden für den gewaltbereiten Extremismus bereitet. Durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen besteht die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt werden. Von Einzelpersonen, die die Schulung der TJ durchlaufen haben, ist bekannt, dass sie sich terroristischen Gruppierungen angeschlossen haben. Die Organisation betreibt in Bayern zwei Moscheen in München und Pappenheim. In mehreren Moscheen konnte die TJ an Einfluss gewinnen.
Der Verfassungsschutzbericht 2006 des Bundesministers des Innern zeigt die maßgeblichen Zentren der als islamistisch bezeichneten TJ auf (Lahore <Pakistan>, Neu-Delhi <Indien>, Dhaka <Bangladesch> und in Europa Dewsbury <Großbritannien>). Weiter heißt es dort: Charakteristisch für die TJ ist die intensive Missionierungstätigkeit ihrer Anhänger. Ziel der Missionierungsbemühungen der TJ ist die weltweite Islamisierung der Gesellschaft. Durch das vorbildhafte Leben des islamischen Glaubens durch jeden Einzelnen sollen Muslime zu einem streng an Koran und Sunna ausgerichteten Leben angeleitet werden. Die TJ, die sich selbst als unpolitisch begreift, lehnt Gewalt grundsätzlich ab. Aufgrund ihres strengen Islamverständnisses und der weltweiten Missionierungstätigkeit besteht jedoch die Gefahr, dass sie islamistische Radikalisierungsprozesse befördert. In Einzelfällen ist belegt, dass die Infrastruktur der TJ von Mitgliedern terroristischer Gruppierungen und Netzwerke zu Reisezwecken genutzt wurde. TJ-Einrichtungen beziehungsweise TJ-nahe Einrichtungen existieren in Hannover, Hamburg, Köln, Friedrichsdorf (Hessen), Erfurt, Bochum und München. Die Aktivitäten der TJ werden über ein hierarchisch aufgebautes personelles Netzwerk und über informelle Kontakte der Anhängerschaft untereinander gesteuert und koordiniert. Zielgruppe der TJ in Deutschland sind insbesondere junge, wirtschaftlich und sozial benachteiligte Muslime, die von der TJ als sehr empfänglich für ihre Botschaften eingeschätzt werden. Daneben werden junge Konvertiten in intensiven persönlichen Gesprächen von der TJ geworben.
Die Schlussfolgerungen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz werden von - in seiner Ausarbeitung vom Juni 2007 näher bezeichneten - Tatsachen gestützt. Danach wurde in Reden herausgehobener TJ-Funktionäre u.a. folgendes geäußert:
Einer der weltweiten Führer der TJ - Sheik Abdul Wahab - hat anlässlich des Welttreffens der TJ vom 17. bis 19. November 2005 in Raiwind, erklärt, dass die TJ-Arbeit in den Staaten der Ungläubigen schwierig sei. Man müsse aber durchhalten, um das Ziel, die Errichtung eines Kalifats, zu erreichen.
Bei einem Gastbesuch einer TJ-Gruppe aus Hessen vom 19. bis 21. Mai 2006 in Erlangen machte Roomi Sadia, einer der vier ehemaligen Emire Deutschlands, deutlich, dass Politik, Wirtschaft und Islam eine Einheit bildeten und der Islam nie losgelöst als Religion gesehen werden dürfe. Jeder Muslim habe seine Aufgabe zu erfüllen. Er erklärte dies am Beispiel eines Bienenstocks. Im Bienenvolk, das hier für die Gemeinschaft der Muslime stehe, gebe es Arbeits-, Bewacher- und Soldatenbienen. Jeder Muslim habe seine Pflicht zu tun, um den Einfluss des Islam zu vergrößern. Die Bienen, also Muslime, die ihre Pflicht nicht erledigten, hätten kein Recht weiterzuleben; so sei dies auch bei den Menschen, die kein Recht auf Leben hätten, wenn sie keine Arbeit für den Islam leisteten.
Ein Redner auf dem Deutschlandtreffen der TJ vom 5. bis 7. Juni 2006 in Berlin behauptete, dass alle die nicht an Gott glaubten und somit nach ihren Wünschen lebten, wie Tiere seien. Die TJ steht Andersgläubigen damit geringschätzig gegenüber und hat in ihren Vorstellungen für Religionsfreiheit keinen Platz. Das Regelwerk FazaŽil-e-AŽmaal [das vom Neffen des TJ-Gründers Ilyas, Muhammad Zakariyya, verfasst wurde] macht deutlich, dass die Auslegung des Islam durch die TJ die einzig verbindliche sei und dieser Islam allen anderen Religionen überlegen sei.
Hinzukommt, dass die TJ von einer wortwörtlichen Verbindlichkeit der Scharia und anderer religiösen Rechtsvorschriften ausgeht, so dass eine Geltung der Scharia ohne die dort vorgesehen Körperstrafen für die TJ undenkbar ist. Beim Deutschlandtreffen der TJ vom 15. bis 17. April 2005 in Hamburg wurde demgemäß auch daran erinnert, dass jeder Lebensbereich durch die Befehle Gottes geregelt sei. Belohnung und Bestrafung durch Gott sei durch die Scharia geregelt. Auf diesem Jahrestreffen, bei dem hochrangige Funktionäre der TJ aus Indien und der ehemalige Emir für Norddeutschland, Afzal Qureshi, predigten, wurde als Zielsetzung verkündet: "Wir bereiten sie (die Menschheit) auf ein islamisches Leben vor, indem wir die Umgebung dafür schaffen. Dann sendet Gott die Hidaia (Rechtleitung) der ganzen Menschheit."
Abschließend sei auf das archische Rollenbild der Frau - die TJ postuliert ausdrücklich die Unterordnung der Frau unter den Mann - hingewiesen. In der "Madrasse ul Niswan", einer TJ-Madrasse für Mädchen in Delhi, werden die Schülerinnen dahingehend unterrichtet, dass eine Arbeitsaufnahme für sie nur in Frage komme, sofern sie verhüllt und in einem nach Geschlechter getrennten Umfeld arbeiten können. Grundsätzlich sei eine Vollverschleierung einschließlich Handschuhen zu tragen. Dieses äußere Erscheinungsbild wird auch in Deutschland als vollständige Abgrenzung gegenüber dem westlichen Wertesystem gepflegt.
Die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden wird zudem zur Überzeugung des Senats auch durch die vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz geführten Sicherheitsgespräche bestätigt. So hat der Einbürgerungsbewerber J. T., der regelmäßig den Pakistanisch-Deutschen Kulturverein besuchte, auf die Frage, wie die Leute von TJ zur westlichen Gesellschaftsordnung stehen, geantwortet, diese hätten eine sehr negative Einstellung zu westlichen Demokratien und wollten den Gottesstaat (Schriftsatz des Beklagten vom 9. Juni 2006, Anlage 3 a. E.). Dem Ziel, einen Gottesstaat zu errichten, wurde in weiteren Sicherheitsgesprächen entweder nicht widersprochen (Anlage 16 S. 2) oder falls dies in Abrede gestellt wurde (Anlage 15 S. 23), so wurde doch der Bestrebung, die Scharia einzuführen, nicht widersprochen (Anlage 15 S. 24). Dass in einem islamischen Staat nach dem koranische Strafrecht geurteilt werden soll (Steinigung für Ehebruch, Handabhacken für Diebstahl), wird von TJ-Anhängern befürwortet. Diese Regeln werden als von Allah kommend, der wisse was gut für die Menschen sei, gerechtfertigt und auf die Abschreckungswirkung drastischer Strafen verwiesen (Anlage 13 S. 7; Anlage 17 S. 6; Anlage 18 S. 9 f.; Anlage 19 S. 6 f.). Auf die Frage, ob die Wiedereinführung eines Kalifats erstrebt werde, wird regelmäßig nur auf die fehlende Umsetzbarkeit verwiesen (Anlage 17 S. 7; Anlage 19 S. 7; Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem VG Regensburg vom 27. April 2005, S. 2), gleichzeitig aber betont, dass der Koran in den ersten 300 Jahren noch richtig angewendet worden sei, danach nicht mehr (Anlage 19 S. 8).
Bei einer Gesamtschau dieser Erkenntnisse aus den Verfassungsschutzberichten, den Schriften der TJ, aus Redebeiträgen ihrer führenden Funktionäre sowie den Angaben von Mitgliedern in Sicherheitsgesprächen rechtfertigen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass die TJ Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind. Es besteht - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in - anderen - Prozesskostenhilfeverfahren ausgesprochen hat (BayVGH, Beschlüsse vom 17. und 18.7.2006 - 19 C 06.1494 und 1496) - kein Zweifel, dass die TJ eine islamistische Organisation ist, die die Islamisierung der Gesellschaft betreibt, um damit die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen, was generell das Ziel des Islamismus ist (vgl. Rohe, Islamismus und Schari' a, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Schriftenreihe Band 14, S. 120 ff.). Aufgrund der nachhaltigen Missionierungstätigkeit weisen die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen der TJ auch eine über bloße Meinungen hinausgehende Zielstrebigkeit auf (dazu: Berlit, a.a.O., RdNr. 115 zu § 11 StAG). Gewaltbereitschaft ist dabei kein notwendiges Element verfassungsfeindlicher Bestrebungen i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG (BVerwG vom 11.11.2004 BVerwGE 122, 182 <189>, juris RdNr. 37). Deshalb kann in diesem Zusammenhang auch offenbleiben, ob an der Einschätzung der Gewaltlosigkeit der TJ im Verfassungsschutzbericht des Bundes festzuhalten ist oder ob die TJ auch direkter bei terroristischen Gruppen involviert ist (vgl. dazu VG Bayreuth, B.v. 24.11.2005 - B 1 S 05.763 - juris RdNr. 38; Zusammenstellung der Personen, die terroristische Anschläge in verschiedenen Ländern begangen haben, aus Reihen der TJ rekrutiert wurden bzw. mit ihr in Verbindung standen, bei VG Ansbach, U.v. 15.1.2008 - AN 19 K 05.02681). Denn nachdem allgemein zugängliche Quellen früher über die Rekrutierung von Attentätern in bestimmten großen Moscheen des Westens, vor allem dort, wo diese in der Hand der radikalen fundamentalistischen TJ sind (taz 11.1.2002), oder darüber dass in vielen Terrorismusverfahren Spuren zur TJ führten (Spiegel 2/2005), berichteten (vgl. dazu auch VG Bayreuth, a.a.O., juris RdNr. 30 ff. m.w.N.), wird sie inzwischen als Mutterorganisation aller pakistanischen Dschihad-Gruppen bezeichnet (B. Schirra, "Ich war OsamaŽs Pilot", Cicero 7/2007), deren enge Verflechtungen zur Harakat-ul-Mujahideen, der früheren Harakat-ul-Islam, sowie zur Markaz Dawa und deren militärischen Arm, der Lashkar-e-Toiba wohl dokumentiert seien. Letzteres deckt sich teilweise mit der Veröffentlichung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Islamischer Extremismus und Terrorismus, Militante Organisationen und Strukturen Band 3 Teil 1, S. 60), wonach die TJ 1980 zusammen mit der Jamiat-i Ulema-i Islam in Pakisten die Harkat ul-Jihad-i Islami ins Leben gerufen hat, die als "Other group of concern" auf der Liste der ausländischen Terrororganisationen des US-Außenministeriums geführt wird.
b) Es liegen zudem tatsächliche Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen der TJ jedenfalls unterstützt.
Ein Einbürgerungsbewerber "verfolgt" sicherheitsrelevante Bestrebungen, wenn er diese durch eigene Handlungen aktiv in Kenntnis der Tatsachen vorantreibt. Solche Handlungen liegen etwa in der aktiven und betätigten Mitgliedschaft in einer Organisation, die Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt, namentlich an herausgehobener Stelle (Führungsposition), die eigene Durchführung von Handlungen, welche die in der gesetzlichen Vorschrift genannten Ziele verfolgen, oder die maßgebliche, mitentscheidende oder -gestaltende Planung, Organisation oder Anleitung solcher Aktivitäten durch Dritte. Erforderlich, aber auch hinreichend ist, dass die eigenen Handlungen objektiv geeignet sind, die verfassungsfeindlichen Bestrebungen voranzutreiben. Nicht erforderlich ist eine kämpferisch aktive Haltung i.S.d. Art. 18 GG (Berlit, a.a.O., RdNrn. 94.1 und 95 zu § 11 StAG).
Als "Unterstützung" ist (bereits) jede eigene Handlung anzusehen, die für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist; dazu zählen etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (BayVGH, U. v. 27.5.2003 - 5 B 01.1805, juris; B.v. 13.10.2005 - 5 ZB 04.1781, juris; Berlit, a.a.O., RdNr. 96 zu § 11 StAG). Dass der Einbürgerungsbewerber sicherheitsrelevante Bestrebungen in diesem Sinne unterstützt, muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Tatverdacht ("... wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass ..."). Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können (BT-Drs. 14/533 S. 18 f.). Dazu bedarf es einer wertenden Betrachtungsweise, bei der auch die Ausländern zustehenden Grundrechte (Art. 4, 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen sind; andererseits können grundsätzlich auch legale Betätigungen herangezogen werden (VGH BW U. v. 11.7.2002 - Az. 13 S 1111/01, juris; BayVGH, U. v. 27.5.2003 - 5 B 01.1805, juris). Mit § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG wird der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht mithin vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (BayVGH, U. v. 27.5.2003 - 5 B 01.1805, juris; B. v. 13.7.2005 - 5 ZB 05.901, juris).
Gemessen an diesem Maßstab ist aufgrund konkreter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger die TJ unterstützt hat und noch unterstützt:
Nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger Moscheen der TJ besucht. Früher sei er dort öfter, im letzten halben Jahr vor dem 27. April 2005 "vielleicht drei Mal" dort gewesen. Ebenso ist unstrittig und neben dem Einreisevisum anhand der Ein- und Ausreisestempel im Reisepass des Klägers belegt, dass er für ca. einen Monat in Pakistan war. Dort war er "Gast der (TJ-)Moschee"; die Flugkosten hat er selbst getragen. Über die Pakistanreise hinaus, die bloße Mitläufer und gelegentliche Moscheebesucher nicht unternommen hätten, hat der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat die Teilnahme des Klägers noch am Jahrestreffen der TJ in der Al Nur-Moschee in Berlin vom 20. bis 22. April 2007 bestätigt, diejenige am Jahrestreffen der TJ in Berlin vom 5. bis 7. Mai 2006 nicht in Abrede gestellt. Dass der Kläger zudem bei einem Sicherheitsgespräch der Regierung von Mittelfranken am 21. September 2004 mit I. J., von diesem anhand vorgelegter Lichtbilder als TJ-Mitglied identifiziert wurde (Anlage 23 S. 10 unten), hat vor diesem Hintergrund keine eigenständige Bedeutung mehr.
Diese Feststellungen beruhen zwar zunächst auf den Angaben des Mitarbeiters des Landesamtes für Verfassungsschutz, der in der Berufungsverhandlung von der Landesanwaltschaft Bayern beigezogen und vom Senat informatorisch gehört worden ist. Dieser Mitarbeiter hat zwar zum Kläger aus eigener unmittelbarer Kenntnis nichts angeben können, sondern sich lediglich auf Angaben von Informanten oder auf Unterlagen gestützt, die ihrerseits auf nachrichtendienstlichen Quellen beruhen. Er hat indes eingehend geschildert, dass auf Anfrage der Landesanwaltschaft nur solche Informationen weitergegeben worden seien, die gesichert seien, d.h. wenn sie entweder auf zwei voneinander unabhängige Quellen (menschlicher oder technischer Art) oder auf eine in anderem Zusammenhang mehrfach überprüfte und als absolut zuverlässig eingestufte Quelle gestützt sei. Das sei auch im Fall des Klägers beachtet worden; davon habe er sich hinsichtlich der im Verlauf des Berufungsverfahrens neu genannten Anhaltspunkte für eine aktive Mitgliedschaft des Klägers bei der TJ überzeugt, wobei er allerdings zum Schutz der Quellen keine Einzelheiten sagen könne. Dieses eingehend geschilderte besondere Sicherungsverfahren begründet eine gewisse Richtigkeitsgewähr. Gleichwohl bedürfen diese Angaben wegen der dennoch nur begrenzten Zuverlässigkeit des Zeugnisses vom Hörensagen besonders kritischer Prüfung (vgl. nur BVerfG vom 19.7.1995, NJW 1996, S. 448 f.). Dieser halten sie indes hier schon deshalb stand, weil der Kläger die tatsächlichen Anhaltspunkte für seine aktive Mitgliedschaft ausdrücklich bestätigt, oder jedenfalls nicht in Abrede gestellt hat. In Bezug auf das Jahrestreffen 2006 der TJ werden die Angaben des Mitarbeiters des Landesamts für Verfassungsschutz urkundsbeweislich durch das Telefax der Bundesautobahnpolizei Dessau vom 7. Mai 2006 bestätigt, wonach das auf den Kläger zugelassene Kraftfahrzeug an der Raststätte Köckern festgestellt wurde, während dort vier bekannte TJ-Aktivisten einer Personenkontrolle unterzogen wurden.
Bei der anzustellenden Gesamtschau können die vom Kläger abgegebenen Loyalitätserklärungen zu keiner anderen Bewertung führen. Vor dem Verwaltungsgericht hat er zunächst angegeben, nicht hinter allen Zielen der TJ zu stehen und dass ihm nicht bekannt sei, dass diese die Errichtung eines islamischen Staates verfolge. Auf die Frage, ob ein islamischer Staat in Deutschland wünschenswert wäre, hat der Kläger zwar geantwortet, dass er sich dies nicht vorstellen könne und es nicht funktionieren würde. Wenn ein solcher Staat ohne Gewalt eingerichtet würde, hätte er aber nichts dagegen. In einem islamischen Staat sollten Straftaten nach der Scharia geahndet werden.
Damit bestehen nicht nur tatsächliche Anhaltspunkte jedenfalls für eine Zugehörigkeit des Klägers bei der TJ, soweit dies aufgrund deren Organisationsstruktur (vgl. VG Bayreuth, a.a.O., juris RdNr. 28) festgestellt werden kann. Wegen seiner regelmäßigen Teilnahme an den Deutschlandtreffen der TJ sind die Aktivitäten des Klägers innerhalb der TJ auch von solchem Gewicht, dass die Zweifel an der Organisation zugleich Zweifel in Bezug auf die Person des Einbürgerungsbewerbers begründen. Ein - etwaiger - Irrtum des Klägers über die (Qualifizierung der) Ziele der TJ geht zu seinen Lasten (Berlit, a.a.O., RdNr. 95 zu § 11 StAG). Eine dauernde Identifikation mit den verfassungsfeindlichen Bestrebungen ist regelmäßig nur aus den äußeren Aktivitäten zu schließen, die Indizwirkung entfalten. Da bereits "tatsächliche Anhaltspunkte" hinreichen, sind ausdrückliche Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Einbürgerungsbewerbers in der Regel - und so auch hier - nicht erforderlich (VGH BW, B.v. 29.3.2000 - 13 S 858/98 -, InfAuslR 2001, 225 <227>; U.v. 16.5.2001 - 13 S 916/00 -, NVwZ 2001, 1434).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags im Rahmen des § 8 StAG, selbst wenn dessen Tatbestandvoraussetzungen erfüllt sein sollten. Denn das Ermessen der Einbürgerungsbehörde wäre mit Blick auf das Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 11 Nr. 1 StAG von vornherein in der Weise reduziert, dass lediglich die Versagung der Einbürgerung in Betracht käme (vgl. auch Nr. 8.1.2.5 Abs. 2 StAR-VwV).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt (§ 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG).
Ende der Entscheidung
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