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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 25.07.2007
Aktenzeichen: 5 BV 07.276
Rechtsgebiete: StAG, AuslG


Vorschriften:

StAG § 4 Abs. 3
StAG § 40b
AuslG § 89 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

5 BV 07.276

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einbürgerung;

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 08. Dezember 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner,

ohne mündliche Verhandlung am 25. Juli 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 8. Dezember 2003 wird abgeändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts F******* vom 17. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 17. Dezember 2001 verpflichtet, die Kläger einzubürgern.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 13. Mai 1992, 14. August 1993 bzw. 13. März 1995 in F******* geborenen Kläger sind türkische Staatsangehörige und leben seit ihrer Geburt im Bundesgebiet. Am 5. März 1998 erhielten sie jeweils befristete Aufenthaltserlaubnisse. Ihre Eltern beantragten für sie am 2. März 2000 die Einbürgerung gemäß § 40 b StAG.

Der am 2. Februar 1964 in der Türkei geborene Vater der Kläger ist am 20. Oktober 1979 im Wege des Familiennachzugs zu seinem Vater ins Bundesgebiet eingereist und erhielt sodann befristete Aufenthaltserlaubnisse; seit 10. September 1990 besitzt er eine Aufenthaltsberechtigung. Die Mutter der Kläger reiste am 25. August 1991 im Wege des Ehegattennachzugs ins Bundesgebiet ein und erhielt zunächst befristete Aufenthaltserlaubnisse; seit 14. Februar 2001 besitzt sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Die Eltern der Kläger wurden am 18. Juni 2003 eingebürgert.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2001 lehnte das Landratsamt F******* den auf § 40b StAG gestützten Antrag auf Einbürgerung der Kläger ab; denn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 StAG lägen bei keinem Elternteil vor. Der Vater hätte seit dem 13. Mai 1984 (8 Jahre vor der Geburt des ältesten Kindes) bis jetzt ununterbrochen rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben müssen. Jedoch sei seine befristete Aufenthaltserlaubnis am 7. März 1987 abgelaufen und er habe erst am 3. April 1987 die Verlängerung beantragt. Dadurch sei sein rechtmäßiger Aufenthalt im Inland für einen Zeitraum von 27 Tagen unterbrochen worden. Den Regelungen des § 89 Abs. 3 AuslG oder des § 97 AuslG vergleichbare Ausnahmebestimmungen kenne das Staatsangehörigkeitsgesetz nicht.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2001 zurück.

Die auf Verpflichtung zur Einbürgerung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Dezember 2003 ab. Die zulässige Klage sei unbegründet; denn die Kläger hätten keinen Einbürgerungsanspruch. Die Voraussetzungen des § 40b StAG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG hätten bei keinem Elternteil vorgelegen: Die Mutter der Kläger habe die unbefristete Aufenthaltserlaubnis erst nach der Geburt der Kläger am 14. Februar 2001 erhalten. Der Vater der Kläger erfülle zwar die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG, aber es fehle an den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG. Er habe sich zwar bei der Geburt der Kläger seit 8 Jahren im Inland aufgehalten, dieser Aufenthalt sei aber nicht ununterbrochen rechtmäßig gewesen. Er habe vom 8. März bis zum 3. April 1987 keine Aufenthaltserlaubnis besessen und es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er rechtzeitig vor Ablauf der bis zum 7. März 1987 befristeten Aufenthaltserlaubnis deren Verlängerung beantragt habe. Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein Aufenthaltsrecht unmittelbar aufgrund des ARB 1/80, wenn die Voraussetzungen des Art. 6 oder Art. 7 vorlägen. Gleichzeitig habe der Europäische Gerichtshof jedoch ausdrücklich bekräftigt, dass die Mitgliedsstaaten von den in ihrem Gebiet anwesenden Ausländern verlangen könnten, dass diese eine gültige Aufenthaltserlaubnis besäßen und ggf. rechtzeitig deren Verlängerung beantragten. Für Verstöße gegen diese Obliegenheiten des Ausländers dürften die Mitgliedsstaaten keine unverhältnismäßige Sanktion vorsehen, die dieses Aufenthaltsrecht beeinträchtige; insbesondere könnten sie die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht mit der Begründung verspäteter Antragstellung ablehnen. Trotz materieller Rechtmäßigkeit des Aufenthalts gemäß Art. 6 oder 7 ARB 1/80 sei dieser formell unrechtmäßig, wenn die Verlängerung der abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis nicht rechtzeitig beantragt worden sei. Die - ausländerrechtlich gesehen - formelle Rechtswidrigkeit des Aufenthalts nehme diesem die Rechtmäßigkeit im Sinn des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG. Selbst wenn man dem nicht folge, habe der Vater der Kläger im fraglichen Zeitraum auch keinen materiellen Anspruch aus Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 gehabt. Die Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts in dem genannten Zeitraum könne auch nicht durch eine analoge Anwendung des § 89 Abs. 3 AuslG und § 97 AuslG außer Betracht bleiben, da diese Vorschriften auf die Regelungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes nicht entsprechend anwendbar seien.

Die Kläger führen zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung aus, dass der rechtmäßige Aufenthalt des Vaters nicht unterbrochen worden sei. Bestritten werde, dass dieser damals keinen Verlängerungsantrag gestellt habe. Eine schriftliche Antragstellung sei nicht zwingend vorgesehen und wegen des damals laufenden Strafverfahrens entspreche es durchaus der Lebenserfahrung, dass eine Ausländerbehörde den Antragsteller bei einem mündlichen Antrag dahingehend verbescheide, bis zum Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten. Schließlich sei dem Vater der Kläger am 10. September 1990 eine Aufenthaltsberechtigung ohne Hinweise auf angeblich unrechtmäßige Aufenthaltszeiten erteilt worden. Selbst wenn man aber von einer Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts ausgehe, hätten die Kläger Anspruch auf die begehrte Einbürgerung. Die Voraussetzungen der Art. 6 und 7 ARB 1/80 lägen in der Person des Vaters der Kläger vor und in der Annahme eines unrechtmäßigen Aufenthalts infolge verspäteter Antragstellung liege eine unverhältnismäßige Sanktion. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die Regelungen der § 89 Abs. 3 und 97 AuslG entsprechend heranzuziehen; systematisch ergänzten die §§ 85 ff. AuslG die Einbürgerungsnormen der §§ 8 und 9 StAG. Hinsichtlich des Begriff des "rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts" habe der Gesetzgeber an §§ 85 und 86 AuslG a.F. angeknüpft, so dass eine entsprechende Anwendung des § 89 AuslG gerechtfertigt und geboten sei, um dem Integrationsziel des Gesetzgebers gerecht zu werden.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts den Bescheid des Beklagten vom 17. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Kläger einzubürgern.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 17. September 2004 hat der Verwaltungsgerichtshof im Einverständnis mit den Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Im Januar 2007 hat der Beklagte das Berufungsverfahren wieder aufgenommen und unter Bezugnahme auf die mittlerweile ergangenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (vom 18.11.2004 BVerwGE 122, 199 und vom 29.3.2006 NVwZ 2006, 938) betont, dass eine Unterbrechung von beinahe vier Wochen nicht mehr als kurzfristig angesehen werden könne.

Die Kläger erwidern darauf, dass nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine verspätete Antragstellung als unbeachtlich anzusehen sei. Daraus sei zu schließen, dass durch Anträge, die um bis zu einem Monat verspätet bei der Ausländerbehörde eingingen, die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht unterbrochen werde.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger, über die der Verwaltungsgerichtshof gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Die Kläger können ihre Einbürgerung gemäß § 40b StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG beanspruchen, weil die Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts ihres Vaters in entsprechender Anwendung des § 89 Abs. 3 AuslG 1990 außer Betracht bleibt.

Gemäß § 40b StAG (i.d.F. des Gesetzes vom 15.7.1999, BGBl. I S. 1618) ist ein Ausländer, der am 1. Januar 2000 rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, auf seinen bis zum 31. Dezember 2000 gestellten Antrag einzubürgern, wenn bei seiner Geburt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG vorgelegen haben und weiter vorliegen. Mit dem Einbürgerungsanspruch des § 40b StAG sollen die Kinder, die am 1. Januar 2000 bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 noch keine zehn Jahre alt waren, weitgehend so gestellt werden, als hätte der Tatbestand des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland (Ius-soli-Erwerb) schon bei ihrer Geburt gegolten.

Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob sich im Zeitpunkt der Geburt der Kläger zumindest ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig im Sinn des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat. Nach dieser Bestimmung, die hier in der im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des § 40b StAG geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999 (BGBl. I S. 1618) anzuwenden ist (BVerwG vom 29.3.2006 NVwZ 2006, 938), erwirbt ein Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Nr. 1) und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt (Nr. 2). Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG wird durch den Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung vermittelt; darüber hinaus ist der gesetzlich erlaubte oder genehmigungsfreie wie auch der nach § 69 Abs. 3 AuslG 1990 fiktiv erlaubte Aufenthalt rechtmäßig (BVerwG, U.v. 18.11.2004, BVerwGE 122, 199/203). Ob das Erfordernis der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen beim maßgeblichen Elternteil im Zeitpunkt der Geburt des Kindes vorliegt, bemisst sich nach den in diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften.

Der Vater der Kläger hat zum Zeitpunkt ihrer Geburt am 13. Mai 1992, 14. August 1993 bzw. 13. März 1995 nicht durchgehend seit acht Jahren rechtmäßig seinen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt. Er besitzt seit dem 10. September 1990 eine Aufenthaltsberechtigung. Er war vom 13. Februar 1980 bis zum 7. März 1987 im Besitz befristeter Aufenthaltserlaubnisse. Den im Anschluss daran erforderlichen Verlängerungsantrag hat er aber frühestens am 3. April 1987 gestellt; denn das undatierte Antragsformular trägt den Eingangsstempel der Stadt F******* mit diesem Datum. Der Antrag wurde dem Landratsamt als zuständiger Ausländerbehörde - wie es dem beschließenden Senat aus eigener Anschauung bekannter Praxis entspricht - von der kreisangehörigen Gemeinde mit deren Stellungnahme als Meldebehörde übermittelt.

Die Würdigung des Verwaltungsgerichts, es gebe keine Anhaltspunkte für eine rechtzeitige Beantragung der Verlängerung durch den Vater der Kläger, wird von der Klägerseite unter Hinweis darauf bestritten, dass er auf jeden Fall zu diesem Zeitraum einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gestellt habe und es durchaus der Lebenserfahrung entspreche, dass eine Ausländerbehörde bei einem mündlichen Antrag den Antragsteller dahingehend verbescheide, die Entscheidung über den Ausgang eines laufenden Strafverfahrens abzuwarten. Mit diesem - nicht näher substantiierten - Vorbringen wird die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht erschüttert; vielmehr teilt der Verwaltungsgerichtshof dessen Einschätzung und macht sie sich zu eigen. Für einen vor dem 3. April 1987 mündlich gestellten Verlängerungsantrag ergibt sich aus den Akten kein Hinweis. Der Vater der Kläger hat dazu auch keine näheren, konkret datums- und personenbezogenen Angaben gemacht. Darüber hinaus gibt die von der Klägerseite beschriebene behördliche Reaktion nur die während eines laufenden Strafverfahrens praktizierte (im AuslG 1990 in § 67 Abs. 2 zwingend vorgeschriebene) Verfahrensweise wieder, die aber einen (Verlängerungs-)Antrag gerade voraussetzt. Auch der Hinweis der Kläger auf die Erteilung der Aufenthaltsberechtigung an ihren Vater ohne Problematisierung des o.g. Zeitraums hilft nicht weiter, zumal sich aus dem "Arbeitsblatt für Aufenthaltsberechtigung" (Bl. 126 d.A. I****** T.) ergibt, dass die Behörde bei der Prüfung der Voraussetzungen den Unterbrechungszeitraum übersehen hat. Das wirkt weder rechtsbegründend noch resultiert daraus mangels entsprechender schutzwürdiger Dispositionen Vertrauensschutz zugunsten der Kläger. Es sind auch keine Anhaltspunkte dargetan oder ersichtlich, aus denen sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung über den aus den Akten schlüssig erscheinenden damaligen Geschehensablauf von Amts wegen aufdrängt.

Durch die verspätete Stellung des Verlängerungsantrags am 3. April 1997 wurde die Wirkung des vorläufig erlaubten Aufenthalts erst an diesem Tag wieder ausgelöst (zur Fiktionswirkung eines verspätet gestellten Verlängerungsantrags vgl. BVerwG, B.v. 21.4.1972, DÖV 1972, 797; U.v. 16.2.1971, BVerwGE 37, 227/230). Damit hielt sich der Vater der Kläger in dem Zeitraum vom 8. März bis zum 2. April 1987 nicht rechtmäßig im Sinn des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG im Inland auf. Bei dieser Zeitspanne von nahezu einem Monat handelt es sich nicht mehr um eine bereits normintern unschädliche Unterbrechung von nur wenigen Tagen (BVerwG, U.v. 18.11.2004, BVerwGE 122, 199/204 ff.; U.v. 28.9.1993 Az. 1 C 1.93 <juris RdNr. 23>).

Die Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthaltes vom 8. März bis 2. April 1987 infolge verspäteter Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist dennoch unbeachtlich. Dabei kann dahinstehen, ob § 12b Abs. 3 StAG als die nunmehr maßgebliche gesetzgeberische Vorgabe für die Bewertung eines Aufenthalts als rechtmäßig bereits unmittelbar auf Fallgestaltungen Anwendung findet, die - wie die hier zu beurteilende - vor seinem Inkrafttreten lagen. Denn dasselbe Ergebnis folgt nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt der Kläger aus dem ursprünglich nur für die ausländerrechtlichen Einbürgerungen nach langjährigem Aufenthalt vorgesehenen Rechtsgedanken des § 89 Abs. 3 AuslG 1990. Danach bleiben Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts außer Betracht, wenn sie darauf beruhen, dass der Ausländer nicht rechtzeitig die erstmals erforderliche Erteilung oder die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat oder nicht im Besitz eines gültigen Passes war. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. März 2006 (NVwZ 2006, 938) entschieden, dass für eine Einbürgerung eines Kindes nach § 40b in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Elternteils außer Betracht bleibt, wenn die Unterbrechung darauf beruht, dass der Elternteil zeitweise nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses war, und § 89 Abs. 3 Alternative 3 AuslG 1990 analog angewendet. Der Senat sieht keinen Grund, für die übrigen Tatbestände des § 89 Abs. 3 AuslG 1990 eine entsprechende Anwendung auszuschließen.

§ 89 Abs. 3 AuslG 1990 ist (mit Ausnahme der letzten Alternative) durch Art. 5 Nr. 8 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) als § 12b Abs. 3 StAG in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt worden. Dabei hat der Gesetzgeber den Vorschlag des Innenausschusses, klarzustellen, dass die Vorschrift nur für Einbürgerungsverfahren gilt, nicht aber auch im Rahmen eines gesetzlichen Erwerbstatbestandes wie des § 4 Abs. 3 StAG Anwendung findet (BT-Drs. 15/955 S. 43), nicht übernommen. Dem Wortlaut nach ist § 12b Abs. 3 StAG nicht auf Einbürgerungen nach § 10 StAG bezogen und auch sonst systematisch nicht klar von dem Staatsangehörigkeitserwerb kraft Inlandsgeburt abgegrenzt (Berlit in: GK-StAR, IV-2 § 12b StAG RdNr. 3). Mithin steht auch der Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 89 Abs. 3 AuslG im Rahmen des § 40b StAG nicht entgegen, dass § 4 Abs. 3 StAG, auf dessen Voraussetzungen § 40b StAG Bezug nimmt, einen gesetzlichen Erwerbstatbestand darstellt, während § 89 Abs. 3 AuslG 1990 lediglich Einbürgerungen auf Antrag und auf Grund eines Regelanspruchs betrifft. Auch § 40b StAG regelt nur eine Einbürgerung auf Antrag (BVerwG vom 29.3.2006 NVwZ 2006, 938/939). Ebenso wenig greift der Einwand durch, dass § 89 Abs. 3 AuslG 1990 nicht im Staatsangehörigkeitsgesetz verortet, sondern formal eine Vorschrift des Ausländerrechts ist. Der Sache nach handelt es sich vielmehr (zumindest auch) um eine staatsangehörigkeitsrechtliche Bestimmung; denn sie regelt nach ihrer systematischen Stellung innerhalb des Siebten Abschnitts ("Erleichterte Einbürgerung") des Ausländergesetzes 1990 für ihren sachlichen und persönlichen Geltungsbereich den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung (BVerwG vom 29.3.2006 NVwZ 2006, 938/939). Angesichts der teilweisen Parallelität der Integrationsanforderungen im Fall des § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG als der Bezugsnorm des § 89 Abs. 3 AuslG einerseits und des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG andererseits ist die entsprechende Anwendung des § 89 Abs. 3 AuslG im Rahmen der §§ 40b, 4 Abs. 3 StAG sachgerecht und geboten.

Die Voraussetzungen des § 89 Abs. 3 AuslG sind erfüllt. Das Tatbestandsmerkmal "erstmals" bezieht sich ausschließlich auf die Variante der "Erteilung", nicht aber auf die "Verlängerung" der Aufenthaltserlaubnis (Berlit in: GK-StAR, IV-2 § 12b StAG RdNr. 81 m.w.N.). Diese Auslegung erscheint auch teleologisch naheliegend; denn mit der staatsangehörigkeitsrechtlichen Voraussetzung des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 8, und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG verbindet der Gesetzgeber die Erwartung hinreichender Integration der betreffenden Person. Diese Annahme wird jedenfalls durch Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts von - wie im vorliegenden Fall - knapp einem Monat nicht in Frage gestellt.

Wie von § 40b StAG gefordert, liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG auch weiter vor. Der Senat kann dabei weiterhin offenlassen (vgl. Beschluss vom 26.4.2002 Az. 5 C 02.933), ob es insoweit auf den Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. BT-Drucks. 14/533 S. 17, Marx in GK-StAR IV-2 § 40b RdNr. 12 ff.) oder den Zeitpunkt der Einbürgerung (Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage 2005, § 40b RdNr. 3, 9 ff.) ankommt. Zwischen der Geburt der Kläger und deren Einbürgerungsantrag haben sich die aufenthaltsrechtlichen Verhältnisse ihres Vaters nicht verändert. Dass dieser mit Wirkung vom 18. Juni 2003 deutscher Staatsangehöriger geworden ist, kann sich auf den Einbürgerungsanspruch der Kläger nicht nachteilig auswirken. § 40b StAG findet - erst recht - Anwendung, wenn der maßgebliche Elternteil vor der Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat (vgl. Satz 2 der Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht <StAR-VwV> zu § 40b StAG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 24.000 Euro festgesetzt (§ 72 Nr. 1 GKG i.V.m. § 13 Abs. 1 GKG a.F. und § 5 ZPO).

Ende der Entscheidung

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