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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: 5 C 06.1826
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, StAG


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
StAG § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

5 C 06.1826

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einbürgerung (Antrag auf Prozesskostenhilfe);

hier: Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Juni 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

ohne mündliche Verhandlung am 22. Februar 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Klägers trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Der am 3. Oktober 2006 verstorbene Kläger hatte am 17. August 2005 Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm die Einbürgerung nach § 10 StAG zuzusichern. Zur Begründung gab er an, dass ihm von der Einbürgerungsbehörde zu Unrecht wegen seiner (Vorstands-)Mitgliedschaft in Ortsvereinen der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG entgegengehalten werde; abgesehen davon, dass einzelfallbezogene Feststellungen zu seinen angeblichen Unterstützungstätigkeiten fehlten, hätten bei der IGMG mittlerweile die liberalen Bestrebungen die Oberhand gewonnen, so dass der Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit überprüft werden müsse.

Den Antrag vom 26. September 2005 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Klageverfahren lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2006 ab. Zur Begründung führte es aus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die IGMG verfolge nach wie vor Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien. Das sei den Vereinen, in denen der Kläger teils Mitglied, teils Vorstandsmitglied sei, zuzurechnen. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von der Unterstützung dieser Bestrebungen abgewandt habe.

Unter dem 19. Juni 2006 beantragte der Kläger erneut Prozesskostenhilfe. Zur Begründung verwies er auf seinen Beweisantrag auf Einholung eines politikwissenschaftlichen Gutachtens zum Beweis dafür, "dass sich der Vorstand des Dachverbandes der IGMG von den Zielen der Gründergeneration unwiderruflich gelöst und hinreichend gefestigt einem verfassungskonformen Euro-Islam zugewandt" habe, und auf die dazu ergänzend angeführten Anknüpfungstatsachen, die der Klärung bedürften. Das Verwaltungsgericht hat den erneuten Prozesskostenhilfeantrag in der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2006 mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Sach- und Rechtslage seit der Entscheidung vom 31. Mai 2006 über den ersten Prozesskostenhilfeantrag nicht geändert habe.

Mit Urteil vom 21. Juni 2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen und sich dabei unter anderem auf ein Gutachten vom 22. April 2006 gestützt, das erst in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt worden war.

Mit seiner am 23. Juni 2006 eingegangenen Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Ablehnung seines (erneuten) Prozesskostenhilfeantrags durch den Beschluss vom 21. Juni 2006. Die entscheidende Frage, ob die IGMG noch unter dem Einfluss des türkischen Islamismus stehe und ob die Äußerungen des türkischen Islamismus noch pauschal der IGMG Deutschland, deren Unterorganisationen und Vereinsmitgliedern zugerechnet werden könne, sei schwierig und mit dem Beweisantrag auf den Prüfstand gestellt worden. Damit hätten hinreichende Erfolgsaussichten bestanden, zumal das Verwaltungsgericht zur Ablehnung des Beweisantrags auf das Gutachten vom 22. April 2006 gestützt habe. Wenn das Gericht einseitig einen Vertreter des Verfassungsschutzes zur mündlichen Verhandlung lade und sich das von diesem spontan vorgelegte Gutachten zu eigen mache, gebiete der Grundsatz der Waffengleichheit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist der Ansicht, dass dessen Tod am 3. Oktober 2006 das Beschwerdeverfahren nicht erledigt habe; für das zu Lebzeiten des Klägers durchgeführte Klageverfahren könne und müsse nachträglich und rückwirkend Prozesskostenhilfe zugebilligt werden.

Der Beklagte tritt dem entgegen und beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist zwar nach wie vor zulässig. Der Tod des Klägers am 3. Oktober 2006 hat die seinem anwaltlichen Vertreter erteilte Prozessvollmacht nicht beendet (§ 173 VwGO i.V.m. § 86 ZPO) und deshalb das Verfahren auch nicht unterbrochen (§ 173 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren geht ungehindert weiter, wobei an die Stelle des Verstorbenen seine Erben als Gesamtrechtsnachfolger getreten sind.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Es besteht kein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das noch zu Lebzeiten des Klägers abgeschlossene erstinstanzliche Klageverfahren.

Prozesskostenhilfe, für deren Bewilligung es gemäß § 166 VwGO i.V. mit § 114 ZPO auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der antragstellenden Partei ankommt, ist personengebunden und nicht vererblich. Sie kann deshalb nach allgemeiner Ansicht einem verstorbenen Verfahrensbeteiligten nicht bewilligt werden (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. 2003, RdNr. 26 m.w.N.). Mit dem Tod erledigt sich mithin das bisherige Bewilligungsverfahren und endet eine bereits bewilligte Prozesskostenhilfe (BayVGH, B.v. 30.3.2004 - 12 CE 03.2604, juris, m.w.N.). Für den Fall des Todes im Verlauf des Beschwerdeverfahrens gegen eine Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung folgt hieraus zugleich, dass eine nachträgliche Bewilligung zugunsten der verstorbenen Partei durch das Beschwerdegericht grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt; denn maßgebend für die Bewilligung ist stets, ob der Antragsteller der Hilfe - noch - aktuell bedarf (P. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 166 RdNr. 41; Künzl/Koller, Prozesskostenhilfe, 2. Aufl. 2003, RdNr. 535). Es ist allerdings umstritten, ob dieser Grundsatz dann eine Ausnahme erfährt und eine rückwirkende Bewilligung in Betracht kommt, wenn das angerufene Gericht den - vollständigen und auch sonst ordnungsgemäßen - Prozesskostenhilfeantrag des verstorbenen Verfahrensbeteiligten verzögerlich oder nicht ordnungsgemäß bearbeitet hatte (vgl. BSG, B.v. 2.12.1987 - 1 RA 25/87, MDR 1988, 610 f.; bejahend z.B. ThürLSG, B.v. 21.9.2004 - L 6 RJ 964.02, juris). Der Senat ist mit dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht (B.v. 18.1.2001 - 5 BS 272/00, NVwZ 2002, 492/493) der Auffassung, dass eine derartige Ausnahme dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe zuwiderlaufen würde. Denn sie kann die zentrale Funktion, der hilfebedürftigen Partei die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu ermöglichen, nicht mehr erreichen; die Prozesskostenhilfe käme nicht mehr dem gesetzlichen Adressaten zu Gute, sondern den Erben oder dem Rechtsanwalt und würde dadurch ihre gesetzliche Bestimmung verlieren.

Im Übrigen wäre die Beschwerde aber auch dann unbegründet, wenn man eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausnahmsweise zulassen würde. Denn das Verwaltungsgericht hat den erneuten Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vom 19. Juni 2006 zu Recht abgelehnt, weil er mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist. Wurde - wie hier - ein vorangegangener Prozesskostenhilfeantrag mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg formell rechtskräftig abgelehnt, ist eine neuerliche Antragstellung nämlich nur dann zulässig, wenn neue Tatsachen oder neu entstandene rechtliche Gesichtspunkte vorgebracht werden, die zu einer anderen Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs führen können (BayVGH, B.v. 25.11.2002 - 12 C 02.2511, juris, m.w.N.). Daran fehlt es. Die vom Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 19. Juni 2006 erstmals vorgetragenen Anknüpfungstatsachen, mit denen der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gestützt werden sollte, sind nicht geeignet, die vorangegangene gerichtliche Beurteilung der Erfolgsaussichten zu erschüttern. Denn sie sind zu einem ganz überwiegenden Teil - ebenso wie die unter Beweis gestellte Behauptung einer Hinwendung des Vorstand des Dachverbandes der IGMG zum "verfassungskonformen Euro-Islam" - auf eine dem Beweis nicht zugängliche rechtliche Wertung gerichtet (z.B. Jugendarbeit der IGMG beruhe nicht auf einer "verfassungsfeindlichen" Grundhaltung; IGMG-Familientag lasse keine "verfassungsfeindlichen Bestrebungen mehr erkennen") oder für das Beweisthema unergiebig (in der Zeitschrift Milli Gazette kämen "im islamischen Spektrum auch Reformgedanken" zum Ausdruck; angebliche Einladung zur Islam-Konferenz des Bundesinnenministers). Dieses Vorbringen hat das Verwaltungsgericht nicht zu einer weiteren Sachaufklärung verpflichtet. Dass es im Urteil neben weiteren Erkenntnisquellen zur Bestätigung der bisherigen Sichtweise auch das Gutachten vom 22. April 2006 verwertet hat, das ihm erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden war, ist unerheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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