Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.07.2008
Aktenzeichen: 5 C 08.558
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, LABV, SGB XII


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 115
ZPO § 127 Abs. 3 Satz 1
LABV § 5
SGB XII § 82 Abs. 2 Nr. 4
SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 3
SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 8
SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

5 C 08.558

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einbürgerung (Antrag auf Prozesskostenhilfe);

hier: Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. Januar 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Greve-Decker

ohne mündliche Verhandlung am 17. Juli 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. Januar 2008 wird dahingehend abgeändert, dass der Klägerin für das erstinstanzliche Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt ********** ****** in Nürnberg Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe gewährt wird, dass sie auf die von ihr gegebenenfalls zu tragenden Prozesskosten monatliche Raten in Höhe von 95 Euro sowie eine einmalige Zahlung aus ihrem Vermögen in Höhe von max. 1.895,27 Euro zu leisten hat.

Gründe:

I.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht Würzburg der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten ohne Ratenzahlungsverpflichtung und ohne Einsatz von Vermögen bewilligt. Gegen diese Entscheidung hat das Landratsamt Main-Spessart als Ausgangsbehörde am 5. Februar 2008 Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, der Klägerin die Zahlung von monatlichen Raten auf die Prozesskosten sowie den Einsatz von Teilen ihres berücksichtigungsfähigen Vermögens aufzuerlegen.

Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, die Klägerin verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.618,10 Euro und Kindergeld in Höhe von 308 Euro, so dass sich nach den zu berücksichtigenden Abzügen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO ein einzusetzendes Einkommen von monatlich 407,10 Euro ergebe. Darüber hinaus habe die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann einen zuteilungsreifen Bausparvertrag mit einem Guthaben zum 12. Februar 2008 von 9502,55 Euro, welches zur Hälfte dem Vermögen der Klägerin zuzurechnen und von ihr gem § 115 Abs. 3 ZPO für die Zahlung der Prozesskosten einzusetzen sei.

Die Klägerin lässt dagegen vortragen, sie sei neben ihrem Ehemann zur Hälfte Eigentümerin eines Einfamilienhauses, Baujahr 1990 (400 m² Grundstück, 120 m² Wohnfläche) mit einem geschätzten Verkehrswert von 250.000 Euro. Es bestehe ein Guthaben bei der LBS-Bausparkasse von 9.502,55 Euro. Dieses Guthaben stehe den Eheleuten gemeinsam zur Verfügung. Der Ehemann der Klägerin besitze einen Pkw Jeep Cherokee Baujahr 2002, geschätzter Wert 18.000 Euro. Die Eheleute besäßen Firmenaktien im Wert von 1.000 Euro. Die Klägerin trage jeweils die Hälfte der monatlichen Belastungen wie Kreditschulden sowie der Heizungs- und Nebenkosten des Hauses, so dass es nicht gerechtfertigt sei, diese Belastung nur - wie der Beklagte meine - zu 41 % zu Gunsten der Klägerin anzuerkennen. Vielmehr sei eine Aufteilung nach Kopfteilen angemessen, da die Eheleute Miteigentümer des Anwesens zu je 1/2 seien und daher auch gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten hafteten. Die monatlichen Raten der Klägerin betrügen 639 Euro zuzüglich 38,34 Euro (Bauspardarlehen bei der Schwäbisch Hall-Bausparkasse) und 38,35 Euro (Bauspardarlehen bei BHW-Bausparkasse). Der Beklagte habe ferner die Ausgaben für die beiden Kinder der Klägerin nicht zutreffend berechnet. Die Tochter **** ****** studiere in Wien, wofür die Eltern insgesamt 700 Euro Unterhalt monatlich leisteten, so dass auf Seiten der Klägerin hierfür die Hälfte, also 350 Euro zu berücksichtigen seien. Ferner habe die Klägerin noch nicht einmal die laufenden Fahrtkosten zu ihrem Arbeitsplatz, sondern nur die hälftige monatliche Leasingrate für ihr Kraftfahrzeug in Höhe von 123 Euro geltend gemacht. Der erwähnte Bausparvertrag werde benötigt, um das Hausgrundstück zu finanzieren. Insoweit würde es nicht zum einsetzbaren Vermögen zählen, da das Grundstück bereits gekauft sei und das Guthaben zur Finanzierung erforderlich sei.

Die Klägerin und der Beklagte teilten übereinstimmend ergänzend mit, dass die Tochter ***** ****** mittlerweile ein Ausbildungsverhältnis begonnen habe und daraus selbst Einkünfte in Höhe von 370,20 Euro erziele.

II.

Gegen die ohne Ratenzahlungsanordnung erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet gemäß § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt. Gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. e LABV, § 5 Abs. 2 Satz 1 LABV wird die Staatskasse in Bayern in Verfahren kostenrechtlicher Art vor dem Verwaltungsgericht durch die Ausgangsbehörde - hier das Landratsamt Main-Spessart - vertreten. In Verfahren kostenrechtlicher Art vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wird die Staatskasse ausschließlich durch die Landesanwaltschaft Bayern vertreten (§ 5 Abs. 1 Buchst. e LABV, § 5 Abs. 3 Satz 1 LABV, § 1 Abs. 1 Nr. 2 LABV). Die danach zulässige Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig, weil sie darauf gestützt wird, dass die Klägerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen auf die Prozesskosten zu leisten hat (§ 127 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 ZPO).

In der Sache führt die sofortige Beschwerde zu einer Abänderung der Entscheidung dahingehend, dass die Klägerin auf die gegebenenfalls von ihr zu tragenden Prozesskosten monatliche Raten von 95 Euro zu leisten sowie einen Betrag in Höhe von max. 1.895,25 Euro aus ihrem Vermögen einzusetzen hat.

1. Bei der Ermittlung, ob einer Partei Prozesskostenhilfe mit oder ohne Ratenzahlung zu bewilligen ist, ist von ihrem Einkommen auszugehen, welches sie grundsätzlich einzusetzen hat. Dabei gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 115 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO). Nach den vorgelegten Bezügemitteilungen und Angaben der Klägerin verfügt sie über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.391,80 Euro; hinzu kommt das von ihr bezogene Kindergeld in Höhe von 308 Euro. Darüber hinaus erhält die Klägerin Weihnachtsgeld in Höhe von 2.175 Euro sowie Urlaubsgeld in Höhe von 1.471 Euro. Daraus ergibt sich ein zu dem Monatseinkommen hinzuzurechnender Betrag in Höhe von 303,83 Euro. Danach verfügt die Klägerin über monatliche Einkünfte in Höhe von durchschnittlich 2.003,63 Euro. Hiervon ist monatlich ein Betrag von 1.742,69 Euro abzuziehen. Das ergibt sich aus folgender Berechnung:

Freibetrag für Erwerbstätige (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 b) 176,- Euro

Freibetrag für die Partei (§ 115 Abs. 1 Nr. 2 a ZPO) 386,- Euro

Freibetrag für das Kind **** (§ 115 Abs. 1 Nr. 2 b) 270,- Euro

Kosten für die Unterkunft (§ 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO; Kreditrate) 639,- Euro

Rate für Bauspardarlehen BHW 38,35 Euro

Rate für Bauspardarlehen Schwäbisch-Hall 38,34 Euro

Nebenkosten und Heizung 195,00 Euro

Damit verbleibt der Klägerin ein einzusetzendes monatliches Einkommen in Höhe von 260,94 Euro, von dem sie monatliche Raten in Höhe von 95 Euro aufzubringen hat.

Entgegen der Auffassung des Beklagten verbleibt es vorliegend bei dem Grundsatz der hälftigen Aufteilung der Kosten für die Unterkunft und die Heizung. Zu den Kosten der Unterkunft zählen auch die Kosten für Fremdmittel beim Bau bzw. Kauf eines - zum Schonvermögen zählenden - Einfamilienhauses, soweit sie - wie hier - im angemessenen Verhältnis zum Einkommen stehen. Im Prozesskostenhilfeverfahren sind die Wohnkosten der von den Ehegatten gemeinsam genutzten Wohnung grundsätzlich hälftig zwischen diesen aufzuteilen, wenn beide Ehegatten über ein angemessenes Einkommen verfügen. Eine Aufteilung der Kosten der Unterkunft nach dem Verhältnis der Nettoeinkommen aller verdienenden Mitbewohner würde je nach Umständen des Einzelfalles einen den vernünftigen Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens sprengenden Berechnungsaufwand erforderlich machen und wird daher allgemein abgelehnt (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 26.2.2008 Az. Ta 16/08 in juris m.w.N.).

Für die Tochter ***** ist gemäß § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO kein Freibetrag in Abzug zu bringen, weil ihr monatliches Nettoeinkommen 370,20 Euro beträgt und damit den Unterhaltsfreibetrag des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b ZPO von 270 Euro je Kind (Freibetrag ab 1.7.2008 vgl. Bekanntmachung zu § 115 ZPO 2008 vom 12.6.2008 in BGBl I, 1025) übersteigt (vgl. dazu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz v. 31.10.2007 Az. 10 Ta 231/07 in juris).

Für die Tochter **** ist der pauschale Freibetrag in Höhe von 270 Euro gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b ZPO in Abzug zu bringen, da die Zahlung einer höheren Unterhaltsrente nach den vorgelegten Unterlagen nicht nachgewiesen ist (nachgewiesen wurden lediglich die Zahlung von 300 Euro für die Miete und eine einmalige Zahlung in Höhe von 200 Euro für den Lebensunterhalt, wobei dieser Betrag auf die Klägerin und ihren Ehemann je zur Hälfte anzurechnen ist).

Die von der Klägerin weiter geltend gemachte Leasingrate für ihren Pkw in Höhe von 123 Euro monatlich bleibt ebenfalls unberücksichtigt. Grundsätzlich können zwar Fahrtkosten zur Arbeit gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO i.V.m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII zum Abzug gebracht werden. Allerdings sind hierfür konkrete Darlegungen unerlässlich, da nur "die zur Erzielung des Einkommens notwendigen Ausgaben" vom Einkommen abzusetzen sind (Philippi in Zöller, ZPO, 25. Aufl., RdNr. 33 zu § 115). Daran fehlt es vorliegend völlig. Darüber hinaus bezieht sich diese Regelung grundsätzlich nur auf Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel. Lediglich dann, wenn keine öffentlichen Verkehrsmittel für die Fahrt zur Verfügung stehen, können Kosten für einen Pkw (0,52 Euro pro Entfernungskilometer, max. 208 Euro monatlich) geltend gemacht werden. Allerdings hat die Klägerin tatsächlich offenbar keinerlei Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit aufzuwenden, da sich ihr Arbeitsplatz in derselben Straße wie ihr Wohnhaus befindet.

2. Zudem hat das Verwaltungsgericht auch nicht berücksichtigt, dass die Klägerin einzusetzendes Vermögen i.S. von § 115 Abs. 3 ZPO besitzt. Grundsätzlich sind auch Guthaben aus zuteilungsreifen Bausparverträgen als einzusetzendes Vermögen zu behandeln und nicht wegen ihrer Zweckbindung priviligiert (vgl. dazu BGH vom 18.7.2007 Az. XII ZA 11/07, RdNr. 16 in juris; BAG v. 26.4.2006 Az. 3 AZB 54/04 in juris; Motzer in Münchener Kommentar, ZPO, 3. Aufl. RdNr. 70 zu § 115). Es handelt sich um gespartes Geld, das in angemessener Zeit in liquide Mittel umgesetzt werden kann. Dass ein Bausparguthaben zur Beschaffung bzw. Finanzierung eines (kleinen) Immobilienbesitzes angesammelt wird, ändert nichts am Charakter als Vermögenswert. Die früher anders lautende Bestimmung des § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG a.F. ist durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 22.Dezember 1981 (BGBl. I S. 1523) ersatzlos aufgehoben worden. Die mittlerweile wieder eingefügte Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG n.F. (§ 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) schützt Vermögen, das nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines angemessenen Hausgrundstücks bestimmt ist, nur, soweit die Immobilie Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dienen soll. Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass die Klägerin grundsätzlich auch den ihr zustehenden Anteil des Bausparguthabens für die Finanzierung des Prozesses verwenden muss. Unzumutbar ist der Einsatz eines Bausparguthabens nur dann, wenn es bereits verbindlich in die Finanzierung des Bau- oder Erwerbsvorhabens eingebunden ist, welches unter dem Schutz des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII steht. Das ist vorliegend nicht belegt (vgl. dazu OLG Koblenz vom 7.11.1985 Az. 15 WF 1295/84 in juris). Das der Klägerin somit zuzurechnende Bausparguthaben übersteigt die Grenzbeträge nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V. mit § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII. Danach darf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vom Einsatz kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte abhängig gemacht werden. Die Grenze dieses Schonvermögens nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII beträgt - bezogen auf die Hilfe in besonderen Lebenslagen, zu denen auch die Prozesskostenhilfe gehört - 2.600 Euro (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) zuzüglich 256 Euro für jede Person, die von der PKH-begehrenden Person überwiegend unterhalten wird, d.h. also hier insgesamt 2.856 Euro. Anhaltspunkte dafür, dass der Einsatz des der Klägerin zustehenden hälftigen Bausparguthabens in Höhe des diesen Schonbetrag übersteigenden Teils für die Klägerin eine Härte i.S. von § 115 Abs. 3 ZPO bedeuten würde, sind nicht ersichtlich.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht; Gerichtsgebühren fallen nicht an. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück