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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: 5 ZB 05.1938
Rechtsgebiete: StAG, VwGO


Vorschriften:

StAG § 40b
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

5 ZB 05.1938

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einbürgerung;

hier: Antrag des Beteiligten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. April 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz,

ohne mündliche Verhandlung am 22. Februar 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Den Klägerinnen wird Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren bewilligt und ihnen wird Rechtsanwalt Rainer Frisch, Erlangen, beigeordnet.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Beteiligte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

IV. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Vater der am 29. November 1994 bzw. 16. Januar 1997 geborenen Klägerinnen wurde am 23. April 1985 als Asylberechtigter anerkannt und erhielt am 11. Juli 1985 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis; seit 4. Mai 1995 ist er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Die Mutter der Klägerinnen wurde mit Bescheid vom 20. Juli 1990 als Asylberechtigte anerkannt und verfügt seitdem über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Am 9. Februar 1999 erschien der Vater der Klägerinnen bei der Beklagten und "wollte für sich und seine Ehefrau mit den vier Kindern einen Einbürgerungsantrag stellen" (so der Aktenvermerk der Beklagten vom 9.2.1999). Die Behörde legte einen entsprechenden Vorgang an, kopierte die Papiere der Familie, forderte Herrn F. zur erneuten Vorsprache auf und holte Stellungnahmen verschiedener Stellen "zum Einbürgerungsantrag" bzw. zur "Überprüfung vor Einbürgerung" ein. Am 9. Februar 2000 veranlasste sie eine behördeninterne Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Einbürgerung der Kinder gem. § 40b StAG vorlägen; weitere behördliche Aktivitäten erfolgten am 9. Mai 2000. Am 5. September 2001 stellten die nunmehr beauftragten Verfahrensbevollmächtigten der Klägerinnen einen ausdrücklichen Antrag auf Einbürgerung.

Die Klägerinnen erhobenen am 26. Februar 2003 Untätigkeitsklage mit dem Ziel, die Beklagte zur Einbürgerung zu verpflichten. Nachdem die Familie im Mai 2004 nach Baden-Württemberg verzogen war, beantragten sie zuletzt die Feststellung, dass die Beklagte vor dem 1. Mai 2004 verpflichtet war, die Klägerinnen einzubürgern.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 27. April 2005 stattgegeben und die begehrte Feststellung ausgesprochen. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag sei zulässig, nachdem sich mit dem Wegzug der Klägerinnen aus dem Gebiet der Beklagten die Hauptsache erledigt habe. Mit Blick auf die Gefahr, dass die nunmehr zuständige Behörde die Einbürgerung ablehne, bestehe ein besonderes Feststellungsinteresse. Die Klage sei auch begründet, denn die zwischen den Beteiligten allein strittige Frage, ob vor dem 31. Dezember 2000 ein Antrag auf Einbürgerung gestellt worden sei, sei zu bejahen. Die Klägerinnen hätten nicht nur eine Art "Vorprüfung" über die Frage angestrengt, ob sie zu dem von § 40b StAG begünstigten Personenkreis gehörten. Ein Antrag nach dieser Vorschrift bedürfe keiner besonderen Form; die davon abweichende Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht binde das Gericht nicht. Aus den Gesamtumständen werde deutlich, dass der Vater der Klägerinnen ab dem Jahr 1999 versucht habe, die Einbürgerung seiner Familie zu erreichen.

Dagegen wendet sich der Beteiligte mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung, den die Beklagte für begründet erachtet und dem die Klägerinnen entgegentreten.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Der Beteiligte macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dahingehend geltend, dass die Klage wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig sei. Eine Einbürgerung der Klägerinnen gemäß § 40b StAG durch die nunmehr zuständige, an eine rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht gebundene Stadt B. sei ausgeschlossen, weil die gesetzliche Ausschlussfrist für die Antragstellung abgelaufen sei.

Dieses Vorbringen weckt keine Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils i.S. von § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00, NVwZ 2000, 1163/1164). Das ist nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gefolgt, derzufolge durch den Wohnortwechsel der Klägerinnen die Zuständigkeit der Beklagten entfallen und das ihr gegenüber geltend gemachte Verpflichtungsbegehren dadurch unbegründet geworden ist. Es hat sich im Sinn des auf Verpflichtungsklagen entsprechend anzuwendenden § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erledigt (BVerwG, U.v. 31.3.1987 - 1 C 32.84, NJW 1987, 2179). Die Klägerinnen haben auch ein berechtigtes Interesse an der nunmehr beantragten Feststellung; dafür genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Ein Feststellungsinteresse lässt sich regelmäßig bereits aus dem Umstand herleiten, dass ein obsiegendes Urteil auch gegenüber der nunmehr zuständigen Behörde von Nutzen wäre, auch wenn diese prozessrechtlich nicht dadurch gebunden wird (BVerwG, U.v. 31.3.1987 - 1 C 32.84 a.a.O.; B.v. 27.9.1993 - 1 B 73.93, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 261).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Frage, ob ein Einbürgerungsantrag rechtzeitig vor Ablauf des 31. Dezember 2000 (§ 40b Satz 2 StAG) gestellt worden ist, betrifft in dem hier vorliegenden Sachverhalt, in dem die Beklagte bereits seit Februar 1999 mit Blick auf eine Einbürgerung u.a. der Klägerinnen ermittelt, die Begründetheit des (Fortsetzungs-)Feststellungsantrags und nicht dessen Zulässigkeit. Sollte für die Klägerinnen ein fristgerechter Antrag gestellt worden sein, hätte darüber mangels Verbescheidung durch die Beklagte die nunmehr zuständige Behörde sachlich zu befinden. Deshalb kann den Klägerinnen ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung mit Blick auf die - ihrer Auffassung nach - noch ausstehende Behördenentscheidung nicht abgesprochen werden.

2. Der Vertreter des öffentlichen Interesses macht darüber hinaus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils in sachlicher Hinsicht sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, weil eine Einbürgerung prinzipiell eine eigenhändige schriftliche Antragstellung voraussetze. Dieses Formerfordernis ergebe sich auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung aus der Natur der Sache bzw. konkludent aus den einschlägigen gesetzlichen Einbürgerungstatbeständen sowie den mit dem erstrebten Statuswechsel verbundenen Folgen. Die in Nr. 8.1.1 StAR-VwV vorgegebene Schriftform äußere Warn-, Beweis- und Hinweisfunktion. Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung.

Anträge können, soweit durch Rechtsvorschriften in den jeweiligen Fachgesetzen nichts anderes bestimmt ist, sowohl schriftlich, zur Niederschrift der Behörde oder aber auch mündlich gestellt werden (zum Grundsatz der Formlosigkeit von Anträgen vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 22 Rdnr. 32). Anders als Art. 3 Abs. 3 Satz 1 RuStAG (i.d.F. vom 20.12.1974, BGBl. I S. 3714) zum Erklärungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit sehen weder das Bundes- noch das Landesrecht für Einbürgerungsanträge ein von dem genannten Grundsatz abweichendes Schriftformerfordernis vor. Mit Blick auf die Fehlerfolgen nicht formgerechter Anträge lässt sich ein den Antragsteller belastendes Formerfordernis auch nicht aus ungeschriebenen Rechtssätzen herleiten, für die im Staatsangehörigkeitsrecht zudem keine Anhaltspunkte ersichtlich sind (für Formlosigkeit des Einbürgerungsantrags: Hailbronner in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 8 Rdnr. 111; Marx in: GK-StAR, IV-2 § 8 Rdnr. 50; Berlit a.a.O. § 10 Rdnr. 64 f.; a.A. - widersprüchlich - Marx a.a.O. § 40b Rdnr. 50 unter der Überschrift "Formlose Antragstellung" für Schriftform). Selbst Nr. 8.1.1 StAR-VwV stützt nicht die Auffassung des Beteiligten; danach soll der Antrag schriftlich gestellt und zur Erleichterung der Antragstellung soll ein Vordruck verwendet werden. In dem Kontext von Verfahrens- und Formerfordernissen weist diese Formulierung nur auf einen nicht zwingenden Ordnungscharakter hin. In einem Berufungsverfahren klärungsbedürftige Grundsatzfragen stellen sich insoweit nicht.

3. Entgegen der in der Antragsbegründung zum Ausdruck kommenden Auffassung des Beteiligten hat der Vater der Klägerinnen als deren gesetzlicher Vertreter sein klar und deutlich gegenüber der Beklagten geäußertes Einbürgerungsbegehren nicht auf § 85 AuslG als Anspruchsgrundlage beschränkt. Eine derartige Annahme läge bei dem Einbürgerungsantrag eines rechtsunkundigen Antragstellers auch eher fern, nachdem der Ausländer grundsätzlich die Einbürgerung als solche erstrebt und sich über die verschiedenen Rechtsgrundlagen keine Gedanken macht (bzw. zu machen braucht). Vielmehr ist grundsätzlich im Sinne einer interessengerechten Auslegung seines Begehrens davon auszugehen, dass er sich auf sämtliche denkbaren Rechtsgrundlagen stützen und den Einbürgerungsantrag nicht beschränken will (BVerwG, U.v. 20.4.2004 - 1 C 16.03, NVwZ 2004, 1368/1369; BayVGH, U.v. 17.2.2005 - 5 B 04.392, VGH n.F. 58, 55/58).

4. Weder mit Blick auf die rechtlichen Maßstäbe noch hinsichtlich ihrer Anwendung auf den vorliegenden Fall stellen sich Fragen, die infolge ihrer besonderen Schwierigkeit die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Sowohl die tatsächlichen Grundlagen des entscheidungserheblichen Prozessstoffs als auch dessen rechtliche Beurteilung unterschreiten die Schwelle des besonderen Komplexitätsgehalts.

5. Nachdem die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts die Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen, kommt es auf dessen Hilfserwägung zur Wiedereinsetzungsmöglichkeit in die Frist des § 40b Satz 2 StAG nicht mehr an.

6. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klägerinnen unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten ergibt sich aus § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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