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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 5 ZB 07.1006
Rechtsgebiete: HAG, AuslG 1990, StAG, GK


Vorschriften:

HAG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AuslG 1990 § 88 Abs. 1 Satz 2
StAG § 12a Abs. 1 Satz 2
GK Art. 34 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

5 ZB 07.1006

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einbürgerung;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Februar 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner

ohne mündliche Verhandlung am 16. Oktober 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Februar 2007 wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1948 in München als Kind heimatloser Ausländer geborene Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Er ist mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts München I vom 22. Juni 1999 wegen Betrugs in 34 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und die nach Ablauf der Bewährungszeit von 3 Jahren mit Wirkung vom 17. Juli 2002 erlassen wurde. Der vom Kläger bereits im April 1998 gestellte und zunächst wegen des Strafverfahrens zurückgestellte Einbürgerungsantrag wurde mit Bescheid des Landratsamtes Starnberg vom 28. November 2005 (hinsichtlich eines Anspruchs nach § 21 HAG und § 86 AuslG 1990) und durch Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 30. Juni 2006 (hinsichtlich einer Einbürgerung nach § 8 StAG) abgelehnt. Die auf Verpflichtung zur Einbürgerung, hilfsweise auf neue Entscheidung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Februar 2007 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Der Beklagte tritt dem entgegen.

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Das Verwaltungsgericht ist entscheidungstragend davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Einbürgerung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 HAG zusteht, weil er wegen einer Straftat verurteilt worden ist und die Verurteilung die Unbeachtlichkeitsgrenze des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 HAG überschreitet. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf erneute behördliche Entscheidung darüber, ob die Verurteilung nach der Vorschrift des § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1990 (nunmehr § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG) außer Betracht bleiben kann; denn bei dieser Regelung handele es sich um eine Sondervorschrift für die Anspruchseinbürgerung von Ausländern mit längerem Aufenthalt nach den §§ 85 ff. AuslG 1990 (nunmehr §§ 10 ff. StAG), die von der Verweisung in § 21 Abs. 2 HAG nicht erfasst werde. Aber auch wenn man die §§ 85 ff. AuslG 1990 (§§ 10 ff. StAG) neben § 21 HAG anwenden wollte, so würde sich dennoch kein Anspruch auf Neuverbescheidung ergeben, weil das Landratsamt im Versagungsbescheid vom 28. November 2005 das ihm nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1990 (nunmehr § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG) eröffnete Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt habe.

Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung wird weder ein einzelner tragender Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00, NVwZ 2000, 1163/1164).

Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die Verurteilung des Klägers zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten seiner Einbürgerung auf der Grundlage des § 21 Abs. 1 Satz 1 HAG entgegensteht. Diese Verurteilung bleibt nicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HAG außer Betracht, weil die gesetzlich normierte Unbeachtlichkeitsgrenze überschritten ist. Der Einwand des Klägers, die Verurteilung sei dennoch unbeachtlich, weil das Strafgericht sein schweres Schicksal als heimatloser Ausländer nicht in der gebotenen Weise strafmildernd berücksichtigt hätte, geht fehl. Denn die Einbürgerungsbehörde und mit ihr die Verwaltungsgerichte sind schon mit Blick auf den Wortlaut des Gesetzes ("Verurteilung") an die Tatsache der Entscheidung der Strafgerichte gebunden; eine Inzidentprüfung insbesondere der Strafzumessung ist ausgeschlossen (vgl. Berlit in GK-StAR IV-2 § 12a RdNrn. 19 f. zu dem insoweit mit § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HAG inhaltsgleichen § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG). Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz und bedarf keiner Überprüfung in einem Berufungsverfahren.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann die nach Maßgabe des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HAG beachtliche Verurteilung nicht durch eine behördlichen Ermessensentscheidung nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1990 (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG) überwunden werden. Diese Vorschrift über eine fakultative Nichtberücksichtigung ist auf eine Einbürgerung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 HAG nicht, auch nicht über die Verweisung in § 21 Abs. 2 HAG auf die "allgemeinen Vorschriften über die Einbürgerung", anwendbar; denn die Einbürgerungsvoraussetzung der strafrechtlichen Unbescholtenheit ist in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HAG abschließend geregelt. Das ergibt sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, aus der Systematik und der Entstehungsgeschichte der Vorschriften, die beide auf das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1354) zurückgehen. § 21 Abs. 1 Satz 1 HAG sieht für den begünstigten Personenkreis der heimatlosen Ausländer (vgl. § 1 HAG) einen Anspruch auf Einbürgerung unter deutlich erleichterten Voraussetzungen vor, als sie nach §§ 85 ff. AuslG (§§ 10 ff. StAG) für Ausländer mit längerem Aufenthalt gelten. Das gilt insbesondere auch für die Einbürgerungsvoraussetzung der strafrechtlichen Unbescholtenheit, die durch eine spürbar großzügigere Unbeachtlichkeitsgrenze bei Verurteilungen den heimatlosen Ausländer gegenüber § 88 AuslG 1990 (§ 12a StAG) erheblich begünstigt. Diese vom Gesetzgeber bewusst gewählte Differenzierung (vgl. die Beschlussempfehlung des Innenausschusses, BTDrs. 11/6955 S. 63 und 80) kann nicht durch das "Herauspicken" einer Teilregelung eingeebnet werden.

Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers die Vorschrift des § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1990 (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG) - sei es im Rahmen des Anspruchs nach § 21 Abs. 1 HAG, sei es im Rahmen eines daneben tretenden Einbürgerungsanspruchs unmittelbar aus den §§ 85 ff. AuslG 1990 (§§ 10 ff. StAG) - anwenden würde, müsste die Klage gleichwohl in Haupt- und Hilfsantrag ohne Erfolg bleiben. Denn das Landratsamt hat in seinem Bescheid vom 28. November 2005 eine Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift getroffen, die, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, rechtlich nicht zu beanstanden ist. Der Einwand des Klägers, die Einbürgerungsbehörde habe nicht beachtet, dass die Strafzumessung im Urteil des Landgerichts zu hoch ausgefallen sei, weil dieses sein schweres Schicksal als heimatloser Ausländer nicht strafmildernd berücksichtigt habe, kann nicht überzeugen. Die Behörde darf grundsätzlich von der Richtigkeit der Strafzumessung in dem (rechtskräftigen) Strafurteil ausgehen. Diese ist allenfalls bei ernsthaften Zweifeln zu hinterfragen (vgl. Berlit in GK-StAR IV-2 § 12a RdNr. 47). Solche sind nicht ersichtlich. Die bloße Behauptung des Klägers, das Strafgericht hätte sein Schicksal nach § 46 Abs. 2 StGB in erheblichem Umfang strafmildernd berücksichtigen müssen, genügt nicht.

Entgegen der Ansicht des Klägers ergeben sich schließlich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils daraus, dass das Verwaltungsgericht nicht die Frage geprüft hat, "ob dem Kläger ein Anspruch auf Einbürgerung gem. Art. 34 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GK) ... zusteht". Art. 34 Satz 1 GK, nach dem die vertragschließenden Staaten soweit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge erleichtern werden, ist innerstaatlich nur im Sinne eines auf das allgemeine Einbürgerungsermessen einwirkenden Wohlwollensgebots unmittelbar anwendbar (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.1984 - 1 C 30/81, DVBl 1985, 242/243). Er setzt mit seiner Transformation in innerstaatliches Recht aber nicht zwingende Einbürgerungsvoraussetzungen, wie die strafrechtliche Unbescholtenheit, außer Kraft und ermächtigt die Behörden nicht, sich im Einzelfall über diese Voraussetzungen hinwegzusetzen.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf und hat auch keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Auf die vom Kläger als besonders schwierig angesehene (umfassende) inzidente Prüfung der Strafzumessung im Urteil des Landgerichts kommt es aus den oben genannten Gründen nicht entscheidungserheblich an. Auch die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage nach dem "Verhältnis der Vorschriften des § 21 HAG zu den Vorschriften der §§ 8, 10 ff. StAG und §§ 85 ff. AuslG" stellt sich nicht, weil dem Kläger, wie ausgeführt, selbst bei Anwendung des § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1990 (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG) kein Anspruch auf Einbürgerung oder Neuverbescheidung zustünde.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtkräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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