Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: 6 B 01.2541
Rechtsgebiete: KAG, AO


Vorschriften:

KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 b)
AO § 237
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

6 B 01.2541

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag (Aussetzungszinsen);

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 28. März 2001,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 6. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Maunz, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Rickelmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. Februar 2006

am 21. Februar 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Aussetzungszinsen.

Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 25. November 1988 eine Vorausleistung für die Herstellung der Erschließungsanlage L*******straße in Höhe von 31.440,02 DM fest, auf welche eine 1971 geleistete Abschlagsleistung in Höhe von 3.215,08 DM angerechnet wurde, so dass noch eine Zahlung von 28.224,94 DM gefordert wurde. Aufgrund des hiergegen eingelegten Widerspruchs und eines Aussetzungsantrags des Klägers setzte der Beklagte mit Bescheid vom 23. August 1989 für den offenen Betrag in Höhe von 28.224,94 DM die Vollziehung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO ab Fälligkeit bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Widerspruchsentscheidung aus.

Mit einem Begleitschreiben vom 21. Oktober 1993 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass mit gleicher Post der endgültige Erschließungsbeitragsbescheid für die Erschließungsanlage L*******straße zugestellt werde. In diesem endgültigen Bescheid werde der mit Vorausleistungsbescheid vom 25. November 1988 festgesetzte Beitrag in Abzug gebracht, und zwar unabhängig davon, ob die Vorausleistung tatsächlich bezahlt worden sei oder nicht. Die Verfügung über die Aussetzung der Vollziehung vom 23. August 1989 werde aufgehoben.

Der Beitragsbescheid vom 24. Oktober 1993 setzte einen endgültigen Erschließungsbeitrag in Höhe von 15.532,61 DM fest. Hierauf wurde eine geleistete Vorauszahlung gemäß Vorausleistungsbescheid vom 25. November 1988 in Höhe von 31.440,02 DM angerechnet, so dass sich eine Gutschrift in Höhe von 15.907,41 DM ergab.

Über den Widerspruch gegen den Vorausleistungsbescheid wurde nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 5. November 1993 wurden die Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 5. Januar 1989 bis 25. November 1993 in Höhe von 3.567 DM festgesetzt. Für einen Teilbetrag in Höhe von 12.317,53 DM habe ein Rechtsbehelf endgültig keinen Erfolg gehabt.

Mit Bescheid vom 3. Juli 1996 wurde der Beitragsbescheid vom 24. Oktober 1993 aufgehoben, da sich in einem Rechtsstreit ergeben habe, dass eine endgültige technische Herstellung nicht vorliege. Mit Bescheid vom 1. August 1996 wurde erneut eine Vorausleistung, diesmal in Höhe von 26.316,99 DM erhoben. Dieser Bescheid ist Streitgegenstand im Verfahren 6 B 01.2539, auf das Bezug genommen wird.

Den gegen die Zinsfestsetzung eingelegten Widerspruch wies das Landratsamt F******** mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 1999 zurück.

Auf die dagegen erhobene Klage hin hob das Verwaltungsgericht ******** mit Urteil vom 28. März 2001 den Bescheid vom 5. November 1993 sowie den Widerspruchsbescheid vom 25. März 1999 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Gericht habe in einem Parallelverfahren den Vorausleistungsbescheid des Beklagten vom 1. August 1996 für rechtswidrig erachtet und aufgehoben. Da dieser Bescheid erneut eine Vorausleistung in Höhe von 26.316,99 DM festgesetzt habe und hierin der zunächst aufrecht erhaltene Teil der Vorausleistung von 1988 enthalten sei, wäre damit endgültig eine Vorausleistung aufgehoben worden.

Mit Beschluss vom 22. November 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beklagten die Berufung gegen das Urteil vom 28. März 2001 zugelassen.

Am 28. November 2005 hat der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts ******** vom 28. März 2001 die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte er unter Bezug auf den Zulassungsantrag aus, dass offen sei, ob ein Rechtsbehelf gegen den Vorausleistungsbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt habe, da die Aufhebung des Vorausleistungsbescheids vom 1. August 1996 wegen der - mittlerweile zugelassenen - Berufung im Verfahren 6 B 01.2539 - noch nicht endgültig sei. Nach Auffassung des Beklagten sei der Vorausleistungsbescheid vom 1. August 1996 rechtmäßig. Insoweit werde auf den Sach- und Rechtsvortrag im Verfahren 6 B 01.2539 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt unter Bezugnahme auf das Urteil vom 28. März 2001,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der Behördenakten, sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 9. Februar 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet, da das Verwaltungsgericht den angefochtenen Zinsbescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben hat. Der Beklagte konnte hinsichtlich der ausgesetzten Zahlung der mit Bescheid vom 25. November 1988 erhobenen Vorausleistung weder insgesamt noch zu einem Teilbetrag Aussetzungszinsen geltend machen.

Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 b), cc) KAG i. V. m. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen, soweit ein Widerspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Abgabenbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat.

Nach der hier heranziehbaren steuerrechtlichen Rechtsprechung hat ein Rechtsbehelf insbesondere dann endgültig keinen Erfolg gehabt im Sinne des § 237 Abs. 1 Satz 1 AO, wenn er durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen oder vom Rechtsbehelfsführer zurückgenommen worden ist; die Vorschrift meint dabei jede Art der Erledigung (BFH vom 18.7.1994, BFHE 175, 294). Endgültig erfolglos kann eine Anfechtungsklage auch dann sein, wenn die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären (BFH vom 11.12.1996, BFH/NV 1997, 275). Wird ein Rechtsbehelfsverfahren durch Erlass eines Änderungsbescheids abgeschlossen, dann ergibt sich aus dem bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid, inwieweit der Rechtsbehelf endgültig keinen Erfolg hatte (BFH vom 25.3.1992, BFHE 168, 13; HessVGH vom 7.10.2004, KStZ 2004, 238).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte auf den Widerspruch und Aussetzungsantrag des Klägers hin die Zahlungspflicht aus dem Vorausleistungsbescheid vom 25. November 1988 mit Bescheid vom 23. August 1989 ausgesetzt, soweit eine Zahlungspflicht unter Anrechnung einer 1971 erfolgten Zahlung noch bestand. Die Aussetzung wurde mit Bescheid vom 5. November 1993 aufgehoben. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erlass des endgültigen Erschließungsbeitragsbescheids vom 25. Oktober 1993 und dem Begleitschreiben hierzu vom 21. Oktober 1993 ergibt sich, dass der Beklagte davon ausgegangen war, mit Erlass des endgültigen Bescheids sei der gegen den Vorausleistungsbescheid eingelegte Widerspruch - über den in der Sache nicht entschieden worden war - endgültig erfolglos geblieben. Deshalb wurde, soweit aus den vorgelegten Akten ersichtlich, weder eine Abhilfeentscheidung des Beklagten noch eine Entscheidung der Widerspruchsbehörde getroffen. Der Beklagte war offenbar der Auffassung, dass der endgültige Beitragsbescheid vom 25. Oktober 1993 als Änderungsbescheid anzusehen sei, welcher den Rechtsbehelf gegen den Vorausleistungsbescheid insoweit erledigte, als er eine geringere endgültige Beitragsschuld festsetzte. Nur der damals als endgültig angesehene Beitrag war für die Aussetzung der Vorausleistung zu verzinsen.

Demgegenüber ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass sinngemäß ein Rechtsbehelf gegen die Vorausleistung Erfolg gehabt habe, da es den späteren erneuerten Vorausleistungsbescheid vom 1. August 1996 im Parallelverfahren aufhob.

Es kann dahinstehen, ob im Verhältnis einer Vorausleistungserhebung zur endgültigen Festsetzung des Erschließungsbeitrags diese endgültige Festsetzung als Änderungsbescheid zum Vorausleistungsbescheid im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung anzusehen ist (für den steuerrechtlichen Vorauszahlungsbescheid so Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Okt. 2005, RN 9 zu § 237 AO).

Jedenfalls wurde aber der "endgültige" Beitragsbescheid vom 25. Oktober 1993 wiederum mit Bescheid vom 3. Juli 1996 aufgehoben, da in einem anderen Rechtsstreit festgestellt worden war, dass die endgültige Beitragsforderung noch nicht entstanden war. Damit wurde der Bescheid vom 25. Oktober 1993, gegen den der Kläger ebenfalls Widerspruch eingelegt hatte, seinerseits nicht bestandskräftig. Dementsprechend erließ der Beklagte unter dem 1. August 1996 auch gegenüber dem Kläger einen erneuten Vorausleistungsbescheid. Hierin ist zugleich eine konkludente Aufhebung des früheren Vorausleistungsbescheids vom 25. November 1988 zu sehen. Denn hätte der Beklagte auf die Wirksamkeit bzw. den Bestand des ursprünglichen Vorausleistungsbescheids von 1988 vertraut, wäre es nicht erforderlich gewesen, 1996 erneut einen Vorausleistungsbescheid zu erlassen; vielmehr hätte dieses Vorgehen dann zu einer unzulässig überhöhten Vorausleistungspflicht geführt. Dem zweiten Vorausleistungsbescheid lagen auch keine weiteren Aufwendungen oder zusätzlich prognostizierten Kosten zugrunde, sondern die bereits im 1988 ergangenen Bescheid angesetzten Aufwendungen.

Für den vorliegenden Fall ist somit davon auszugehen, dass der ursprüngliche Rechtsbehelf des Klägers gegen den Vorausleistungsbescheid von 1988 in der Sache Erfolg hatte, ohne dass aber mit dem Verwaltungsgericht auf den Erfolg der Klage gegen den Bescheid von 1996 abzustellen wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über deren vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.824 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 25 GKG a.F.); dies entspricht 3.567 DM.

Ende der Entscheidung

Zurück