Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 02.06.2006
Aktenzeichen: 6 B 04.1191
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 125 Abs. 2 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

6 B 04.1191

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausbaubeitrags (*************** Strasse);

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. November 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 6. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Maunz, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Haas, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. Juni 2006

am 2. Juni 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Klagepartei zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Ausbaubeitragsbescheides für die Fahrbahn der P******** Straße.

Diese Straße verläuft von der Kreisstraße ** * nach Süden zur früher selbständigen Gemeinde B*******. Mit der Eintragung in das Bestandsverzeichnis für Gemeindeverbindungsstraßen (Anfangspunkt: Kreisstraße, Endpunkt: Einmündung in die L*****straße, Fortsetzung Ortsstraße P******** Straße) übernahm die Beklagte die Straßenbaulast und stufte die Straße "nach und nach" zur Ortsstraße um.

Am 13. Dezember 1990 beschloss der Stadtrat der Beklagten die Aufstellung eines Bebauungsplans (B 12) "für das Gebiet nördlich und südlich des verlängerten B******" Gemarkung B*******. Die Geltungsbereichsgrenze nach Osten liegt in etwa auf der Mitte der Trasse der P******** Straße. Der Bebauungsplan B 12 ist am 20. März 1996 in Kraft gesetzt worden. Nach Süden schließt sich der Bebauungsplan B 1 "für das Gebiet zwischen der Kreisstraße ** * und dem Ortsteil B******* (Am Südhang) Gem. B*******" an. Sein Geltungsbereich endet an der Westseite der P******** Straße.

Wohl ausgelöst durch Bauwünsche von Grundstückseigentümern im neuen Baugebiet "Verlängerter Bergsteig" genehmigte der Stadtrat mit Beschluss vom 22. Juni 1995 die "Erschließung des Baugebietes". Er beauftragte die Verwaltung, die Planung in Auftrag zu geben und die Arbeiten noch in diesem Jahr zu beginnen. Am 14. August/ 29. September 1995 schloss die Beklagte mit dem Ingenieurbüro ***** einen Ingenieurvertrag für die Baumaßnahme Erschließungsstraße "Bergsteig" (Verlängerung). Unter dem 30. November 1995 legte das Ingenieurbüro der Beklagten den "Bauentwurf" vom 29. November 1995 für die Erschließung des Baugebietes "nördlich und südlich des verlängerten B******" vor.

Die streitgegenständliche Baumaßnahme (Fahrbahn mit Unterbau) wurde 1996/1997 durchgeführt, letzte Rechnungen gingen 1998 bei der Beklagten ein.

Mit Beschluss vom 25. Februar 1999 stufte der Stadtrat die P******** Straße von der Einmündung L*****straße bis zur Einmündung des öffentlichen Feld- und Waldwegs auf FlNr. *** Gemarkung B******* von einer Gemeindeverbindungsstraße zur Ortsstraße um.

Durch Bescheid vom 12. April 1999 setzte die Beklagte gegenüber der Klagepartei als Eigentümerin des 1.131 m² großen Grundstücks FlNr. ***/1 Gemarkung B******* einen Straßenausbaubeitrag "für die Verbesserung/Erneuerung der Fahrbahn der P******** Straße... im Abschnitt von der Einmündung in den Bergsteig bis zur Einmündung in die L*****straße" in Höhe von 13.832,13 DM fest.

Gleichfalls mit Bescheid vom 12. April 1999 setzte die Beklagte einen Erschließungsbeitrag für die erstmalig endgültige Herstellung von Straßenentwässerung, Beleuchtung und Gehsteig "an der Nordseite" der P******** Straße in Höhe von 16.003,65 DM fest (VGH vom 2.6.2006 Az. 6 B 04.1237).

Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens stellte die Stadt klar, dass sie Kanal, Straßenentwässerung und Gasleitung in der P******** Straße neu eingebaut habe. Aufgrund der Lage dieser Leitungen und der geringen verbleibenden Restfläche habe sie die gesamte Fläche zwischen den Einmündungen L*****straße bzw. Bergsteig voll ausgebaut, da hier der Aufbau nicht mehr der jetzigen Straßenklasse entsprochen habe. Vor den Arbeiten habe die Fahrbahn aus 40 cm ungebundener Tragschicht (Frostschutzschicht) sowie einer bituminösen Deck- und Tragschicht zwischen 10 bis 14 cm bestanden, danach aus 51 cm Frostschutzschicht, 10 cm Asphalttragschicht und 4 cm Asphaltdeckschicht.

Das Landratsamt K****** reduzierte den Ausbaubeitrag für die Fahrbahn mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2001 auf 12.836,85 DM. Der Aufwand sei zu vermindern, weil das Verlegen der Versorgungsleitungen im Zuge des Straßenausbaus zu einer Kostenersparnis für die Beklagte führe.

Am 20. April 2001 ließ die Klagepartei Klage zum Verwaltungsgericht erheben mit dem Antrag, den Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 12. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2001 aufzuheben.

Zur Begründung wurde vorgetragen, die Straße hätte nur deswegen erneuert werden müssen, weil Versorgungsleitungen eingebracht worden seien. Solche Kosten seien nicht beitragsfähig. Im Übrigen sei der Ausbaubeitrag zu hoch. Die Beklagte habe die Kostenersparnis durch den gleichzeitigen Neuausbau von Fahrbahn und Kanal nicht ausreichend berücksichtigt.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts verwies die Beklagte zu dem Argument der Klägerseite, dass hinsichtlich der nicht überplanten Straßenteile ein Abwägungsausfall vorliege, da sich der Stadtrat ausweislich der Akten mit dieser Problematik überhaupt nicht befasst habe, darauf, dass aufgrund der vorgegebenen, eindeutigen Situation gar kein Anlass für eine Abwägung bestanden habe.

Mit Urteil vom 12. November 2003 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 12. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2001 auf. Die hier gegebene erstmalige endgültige Herstellung der Anbaustraße lasse es nicht zu, im Wege einer "Kostenspaltung" den für die Herstellung der Erschließungsanlage insgesamt getätigten Aufwand je nach Art der Teileinrichtung dergestalt aufzuteilen, dass die Fahrbahn nach Ausbaubeitragsrecht und die übrigen Teilanlagen Gehweg, Beleuchtung und Entwässerung nach Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet würden.

Die abgerechnete Teilstrecke der P******** Straße habe erst mit Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans B 12 im März 1996 Erschließungsfunktion erhalten, da die anliegenden Grundstücke seinerzeit unbebaut gewesen seien. Bis zum Abschluss der abgerechneten Maßnahmen habe der Ausbauzustand der P******** Straße den objektiven Verkehrsbedürfnissen nicht genügt.

Der Bescheid lasse sich nicht im Wege schlichter Rechtsanwendung mit Blick auf das Erschließungsbeitragsrecht aufrecht erhalten. Die Beklagte habe den Fahrbahnausbau als Verbesserung beurteilt, auch in der Meinung, diese Zuordnung gestatte eine "den Bürgern entgegenkommende" Abrechnung mit einem Gemeindeanteil von 50 %. In dieser rechtsirrigen Annahme könne kein Verzicht auf eine nach Erschließungsbeitragsrecht bestehende Forderung gesehen werden, so dass der systemwidrig auf Ausbaubeitragsrecht gestützte Bescheid aufzuheben sei.

Mit der durch Beschluss vom 26. September 2005 zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts ******** vom 12. November 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Streitentscheidend sei insbesondere die Frage, ob die der Beitragspflicht unterworfene Anlage erstmalig hergestellt oder im Sinne der ausbaubeitragsrechtlichen Bestimmungen verbessert worden sei. Die Anfechtung eines auf eine unzutreffende Ermächtigungsnorm gestützten Beitragsbescheids ziehe nicht zwangsläufig dessen volle Aufhebung durch die Verwaltungsgerichte nach sich. Das ergebe sich letztlich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zu prüfen sei, ob und inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig sei. Das Verwaltungsgericht hätte hier den Beitragsbescheid als Erschließungsbeitragsbescheid aufrechterhalten und die Klage zurückweisen müssen.

Die Klagepartei beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zutreffend gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass eine Beitragserhebung für die abgerechnete Baumaßnahme nur nach Maßgabe der §§ 127 ff. BauGB zulässig gewesen wäre und die P******** Straße erst im März 1996 mit der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans B 12 Erschließungsfunktion erlangt habe. Vorher habe sie weder die Funktion einer zum Anbau bestimmten Straße gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB gehabt, noch habe ihr Ausbauzustand bis zum Abschluss der abgerechneten Baumaßnahme objektiv den Erfordernissen des § 123 Abs. 2 BauGB genügt. Der fälschlich auf Straßenausbaubeitragsrecht gestützte Bescheid könne nicht mit Blick auf das Erschließungsbeitragsrecht aufrecht erhalten werden. Die Voraussetzungen für das Auswechseln der Rechtsgrundlage durch "schlichte Rechtsanwendung" i.S. von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO lägen nicht vor.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Beitragsbescheid vom 12. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2001 aufgehoben. Für die nach Erschließungsbeitragsrecht abzurechnenden Baumaßnahmen an der Fahrbahn der P******** Straße ist die sachliche Beitragspflicht mangels planungsrechtlicher Grundlage noch nicht entstanden.

Nach Aktenlage ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Bebauungsplan B 12 nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden und deshalb unwirksam ist. Bebauungspläne sind als Satzungen auszufertigen, bevor sie in Kraft gesetzt werden (BayVGH v. 4.4.2003 BayVBl. 2004, 22 f.). Das vorgelegte Planexemplar trägt jedoch nur die am Tag nach der Schlussbekanntmachung geleistete Unterschrift der Oberbürgermeisterin. Da dies aber mit Blick auf § 125 Abs. 2 BauGB die Abwägung unberührt lässt und auch bei ordnungsgemäßer Ausfertigung keine ausreichende planungsrechtliche Grundlage besteht, sind weitere Ermittlungen entbehrlich.

Die P******** Straße hat im maßgeblichen Bereich frühestens mit Inkraftsetzen des Bebauungsplans B 12 am 20. März 1996 - zumindest einseitig - Erschließungsfunktion erlangt, da die anliegenden Grundstücke zu diesem Zeitpunkt noch unbebaut waren und im Außenbereich lagen. Im Bebauungsplan hat die Beklagte ihre Vorstellungen darüber niedergelegt, wie die Anbaustraßen im Geltungsbereich im einzelnen auszugestalten sind. Für die P******** Straße, die als Gemeindeverbindungsstraße bereits vorhanden war, hat sie, deren neuer Funktion als Erschließungsstraße entsprechend, nunmehr einen Gehsteig (auf der Westseite) sowie eine Straßenbeleuchtung vorgesehen; außerdem hat sie einen Mischkanal eingelegt und die gesamte Fahrbahn mit Unterbau erneuert, da der konstruktive Aufbau des Straßenkörpers nicht dem Stand der Bautechnik und damit den an eine Erschließungsstraße zu stellenden Anforderungen genügte. Im einzelnen wurde eine 51 cm dicke Frostschutzschicht eingebracht, eine Drainageleitung zur Straßenkofferentwässerung eingebaut sowie eine Asphalttragschicht mit 10 cm und eine Asphaltdeckschicht mit 4 cm. Zwischen den Beteiligten besteht im Berufungsverfahren nunmehr Einigkeit darüber, dass die beschriebene Baumaßnahme als erstmalige Herstellung zu beurteilen und deshalb nach Maßgabe der §§ 127 ff. BauGB abzurechnen ist.

Die technischen Arbeiten waren 1996/1997 abgeschlossen, die letzten Rechnungen gingen im Laufe des Jahres 1998 ein.

Mit Blick darauf, dass die abgerechnete Fahrbahn allenfalls zum Teil innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans liegt und sich für die Flächen außerhalb ein den Anforderungen des § 125 Abs. 2 BauGB in der seit 1. Januar 1998 (Art. 1 Nr. 46 des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18.8.1997 BGBl I 2081/2094) bzw. seit 20. Juli 2004 (Art. 1 Nr. 47 des Europarechtsanpassungsgesetzes Bau vom 24.6.2004 BGBl I 1359/1373) geltenden Fassung genügender Abwägungsvorgang nicht nachweisen lässt, ist die sachliche Erschließungsteilbeitragspflicht für die Fahrbahn (im Gegensatz zu derjenigen für die Teileinrichtungen Gehsteig, Beleuchtung und Entwässerung - vgl. VGH vom 2.6.2006 Az. 6 B 04.1237) bis heute nicht entstanden.

Im Bebauungsplan B 12 schließt sich an die auf der Westseite der P******** Straße eingetragene Straßenbegrenzungslinie (Permanentgrün hell) nach Osten (im Bereich zwischen Bergsteig und südlichem Ende des Geltungsbereichs) eine 5,00 bis 6,00 m breite Fläche an, die sich in einen mit 1,50 m vermaßten Streifen in Goldocker (dunkler) und einen nicht vermaßten, breiteren Streifen in hellerem Goldocker gliedert. Ausweislich der "Zeichenerklärung Planinhalt gem. Planzeichenverordnung 1990, vom 18. Dezember 1990" handelt es sich bei dieser Ausgestaltung laut "4. Verkehrsflächen (§ 9 (1) Nr. 11 BauGB)" um eine "Straßenverkehrsfläche".

Nach dem Bauprogramm der Beklagten (vgl. Bauentwurf Ingenieurbüro ***** vom 29.11.1995, Beilage 3 Lageplan - Straße, sowie Regelquerschnitt 2 P******** Straße Beilage 5.2 - Beiakt X) soll die Fahrbahn eine Breite von insgesamt 6 m erreichen und ist - nach Angabe der Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs und den überreichten Fotos - auch so ausgebaut. Anderslautende Formulierungen in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichts beruhen offensichtlich auf einem Missverständnis.

Von diesen 6 m Fahrbahn sind demgemäß - die 1,50 m des geplanten und in dieser Breite auch hergestellten westlichen Gehsteiges abgezogen - lediglich 3,50 bis 4,50 m innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans B 12 situiert, außerhalb dagegen ein zum Straßengrundstück Fl.Nr. *** gehörender Geländestreifen von 4 bis 5 m Breite entlang der von Osten an die P******** Straße angrenzenden Fl.Nr. ***.

Außerdem liegt die P******** Straße auch, was die Länge der hergestellten Trasse betrifft, nur teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, und zwar mit ca. 105 m. Die rund 40 m lange südliche Teilstrecke von der Nordgrenze der Fl.Nr. ***/1 bis zur Einmündung der L*****straße ist nicht überplant, der Geltungsbereich des Bebauungsplans B 1 endet an der Westseite der P******** Straße.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass von einer 146,80 m langen und 6 m breiten Fahrbahn rund 40 m - entspricht 27 % der Ausbaustrecke - überhaupt nicht überplant sind. Von der verbleibenden etwa 105 m langen nördlichen Strecke befinden sich 25 bis 42 % der Fläche der abgerechneten Fahrbahn außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans.

Die Flächen außerhalb des Bebauungsplans sind mit Blick auf das erschließungsrechtliche Planerfordernis an der Bestimmung des § 125 Abs. 2 BauGB in der ab 1. Januar 1998 bzw. 20. Juli 2004 geltenden Fassung zu messen. Danach dürfen Anlagen, wenn ein Bebauungsplan nicht vorliegt, nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 6 (bzw. Abs. 4 bis 7) bezeichneten Anforderungen entsprechen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 26. November 2003 (NVwZ 2004, 483 = DVBl 2004, 391) mit der neuen Rechtslage nach Wegfall des Zustimmungserfordernisses seitens der höheren Verwaltungsbehörde befasst und ausgeführt, schon nach der früheren Rechtslage seien diese Anforderungen an die Bauleitplanung einschließlich der ihnen vorgegebenen planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der gemeindlichen Entscheidung über die Ausgestaltung einer Anbaustraße im unbeplanten Innenbereich gewesen. Die Neufassung des § 125 Abs. 2 BauGB habe an diesem materiell-rechtlichen Maßstab nichts geändert, sondern nur das Prüfungsverfahren vor der höheren Verwaltungsbehörde entfallen lassen. Die wichtigste materiell-rechtliche Bindung, in deren Rahmen sich jede planende Gemeinde bei Ausübung ihrer Gestaltungsfreiheit und damit auch bei der bebauungsplanersetzenden Planung einer Erschließungsanlage nach § 125 Abs. 2 BauGB halten müsse, sei das in § 1 Abs. 6 BauGB normierte Gebot, alle von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Gebot beziehe sich sowohl auf das Abwägen als Vorgang, insbesondere also darauf, dass überhaupt eine Abwägung stattfinde und dass bei dieser Abwägung bestimmte Interessen in Rechnung gestellt würden, als auch auf das Abwägungsergebnis, also auf das, was bei dem Abwägungsvorgang "herauskomme". Ein Mangel im Abwägungsvorgang sei nur dann erheblich und könne zur Rechtswidrigkeit der Herstellung der Erschließungsanlage führen, wenn nach den Umständen des Falls die konkrete Möglichkeit bestehe, dass die Planungsentscheidung ohne den Mangel im Ergebnis anders ausgefallen wäre.

Im Gegensatz zu der den Gehsteig betreffenden Planung beinhalten weder die beigezogenen Akten irgendwelche Nachweise über das Sammeln des Abwägungsmaterials und den Abwägungsvorgang als solchen, noch gibt der Bebauungsplan B 12 selbst - zeichnerisch oder in der Begründung - Anhaltspunkte dafür, dass eine Abwägung stattgefunden hat.

Da die Schlussphase des Bebauungsplanaufstellungsverfahrens (zum 20. März 1996 in Kraft gesetzt) zeitlich etwa parallel verlief mit dem Auftrag an das Ingenieurbüro *****, die Baumaßnahme Erschließungsstraße Bergsteig (Verlängerung) einschließlich P******** Straße zu planen und durchzuführen, überrascht es umso mehr, dass dies keinerlei Niederschlag in den Akten gefunden hat, sei es in Form von Stadtrats-/Ausschussbeschlüssen o.ä.. Dabei fällt besonders auf, dass der Geltungsbereich des Bebauungsplans "irgendwo" auf der Straßentrasse verläuft, ohne diese insgesamt zu erfassen, andererseits der Bauentwurf des Ingenieurbüros vom 29. November 1995 zentimetergenau die gesamte Trasse der P******** Straße ausarbeitet, einschließlich Bankett und Entwässerungsrinne entlang der Ostseite zum Außenbereich hin.

Während nach dem Bauentwurf, wohl entsprechenden Vorgaben der Stadt als Auftraggeberin folgend, "vorerst halbseitiger Straßenausbau bis geplante Achse", ..."rechte Fahrbahnseite - Ausbau erfolgt später, vorerst Angleichung an deren Bestand" (vgl. Regelquerschnitt 2 P******** Straße Beilage 5.2) ausgeführt werden sollte - insoweit räumlich in gewisser Übereinstimmung mit dem Geltungsbereich des Bebauungsplans -, hat die Beklagte dann doch die P******** Straße in voller Breite ausbauen lassen, anscheinend veranlasst durch das zeitgleiche Einlegen der Gasleitung im östlichen Straßenbereich. Ein Anpassungsbedarf zwischen Bauleitplanung und Bauausführung drängt sich auf, ist aber offensichtlich nicht bewältigt worden.

Dass die Beklagte seinerzeit überhaupt nicht in eine Abwägung eintreten wollte und deshalb auch nicht eingetreten ist, lässt sich mit ihrer Äußerung gegenüber dem Bevollmächtigten der Klagepartei im Vorfeld der streitgegenständlichen Beitragserhebung erklären, die vorhandene Verbindungsstraße habe Trassenverlauf und Ausgestaltung der Anlage vorgezeichnet, die Stadt habe deshalb keinerlei Spielraum mehr.

Diese Einschätzung geht aus mehreren Gründen fehl. Zum einen hat sich mit dem Inkraftsetzen des Bebauungsplans B 12 zum 21. März 1996 die Funktion der P******** Straße im maßgeblichen Bereich entscheidend verändert, da diese Straße nunmehr den westlich angrenzenden Baugrundstücken die Erschließung vermittelt. Vorher war sie als Gemeindeverbindungsstraße im Außenbereich keine "zum Anbau bestimmte" Straße im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Mit dem Funktionswechsel gingen neue Anforderungen einher, nämlich u.a. die, den von den Baugrundstücken ausgehenden Ziel- und Quellverkehr zu bewältigen. Zum anderen hat der Bebauungsplan erhebliche Flächen der "neuen" Ortsstraße unüberplant gelassen, und zwar auf eine Länge von etwa 105 m 25 % bis 42 % der Fahrbahn, auf eine Länge von rund 40 m die gesamte Trasse. Damit war insbesondere die Ausgestaltung und der Abschluss der Straße nach Osten hin völlig offen. Es fehlt demnach eine planerische Entscheidung, aus der abgelesen werden könnte, dass der in Natur hergestellte Zustand der "endgültige" (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) sein soll.

Den gemäß § 125 Abs. 2 BauGB n.F. der Gemeinde vorbehaltenen Abwägungsvorgang kann die Beklagte noch nachholen und damit die sachliche Erschließungsbeitragspflicht zum Entstehen bringen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über deren vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.563,38 Euro (entspricht 12.836,85 DM) festgesetzt (§ 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

Zurück