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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 25.07.2008
Aktenzeichen: 6 B 05.729
Rechtsgebiete: BauGB
Vorschriften:
BauGB § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Erschließungsbeitrags (*********);
hier: Berufung der Beklagten und Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 1. Februar 2005,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 6. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Maunz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Rickelmann
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. Juli 2008
am 25. Juli 2008
folgendes Urteil:
Tenor:
I. Unter Abänderung von Nr. III des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 1. Februar 2005 wird die Klage gegen die Teilabhilfebescheide der Beklagten vom 6. Mai 2003 insgesamt abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Mit fünf Bescheiden vom 5. Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin als Eigentümerin der Grundstücke FlNrn. 2244/4, 2243/3, 2243/4, 2243/8 und 2243/12 der Gemarkung L******* für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage F*****weg Teilstück 2 Erschließungsbeiträge in Höhe von insgesamt 117.889,61 Euro fest.
Die Klägerin erhob Widerspruch und im Jahr 2003 Untätigkeitsklage, nachdem über die Widersprüche nicht entschieden worden war.
Mit Beschluss vom 7. August 2002 (Az. 6 CS 02.1128) ordnet e der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren eines anderen Beitragpflichtigen teilweise die aufschiebende Wirkung dessen Widerspruchs an, da das Abrechungsgebiet zu eng gefasst worden sei. Die Grundstücke FlNrn. 2234/11, 2234/12 und 2234/13 seien in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen. Hinsichtlich der Grundstücke FlNrn. 2234/14 bis 2234/17 sei eine Einbeziehung im Hauptsacheverfahren zu klären.
Im Hinblick auf o.g. Beschluss bezog die Beklagte die Grundstücke FlNrn. 2234/11 bis 2234/17 sowie weitere Grundstücke in vergleichbarer Situation (FlNrn. 2234/35 bis 2234/38, 2233/4, 2233/5 und 2233/11 [teilweise]) in das Abrechnungsgebiet ein und verminderte die Herstellungskosten um die Anschlusskosten für den Libellenweg. Mit Teilabhilfebescheiden vom 6. Mai 2003 ermäßigte die Beklagte die gegenüber der Klägerin festgesetzten Erschließungsbeiträge auf insgesamt 76.057,77 Euro. Hinsichtlich des Erstattungsbetrages von 41.831,84 Euro und dessen Verzinsung erklärten die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt.
Soweit die Klage anhängig geblieben ist, führte die Klägerin zur Begründung aus: Die Kosten des technischen Ausbaus für den F*****weg seien unangemessen hoch. Die Beklagte habe ursprünglich auf Nachfrage eines Anwohners mitgeteilt, dass Kosten in Höhe von 33 DM/m² auf die Anlieger entfallen würden, was auf einen umlagefähigen Erschließungsaufwand in Höhe von rd. 175.000 DM schließen lasse. Tatsächlich belaufe sich der Erschließungsaufwand für das 120 m lange Straßenstück auf 452.356,96 DM und liege damit um 160% über der ursprünglichen Kalkulation. Beim F*****weg ergebe sich ein Preis von 523,56 DM für den Quadratmeter Straße, während für die Straße A* H********* nur Kosten in Höhe von 242,74 DM für den Quadratmeter Straße angefallen seien. Es werde bezweifelt, dass eine Kiesschicht von 0,8 m im Straßenunterbau eingebracht worden sei, da der Untergrund ohnehin aus natürlichem Kies bestehe.
Ein Großteil der Arbeiten für den F*****weg, den B*****weg und den W********** Weg sei gemeinsam vergeben, ausgeführt und abgerechnet worden. Die Gesamtkosten seien dann den einzelnen Straßen prozentual nach Straßenfläche zugeordnet worden. Dies sei nicht zulässig, wenn es sich nicht um gleichgelagerte örtliche Umstände und gleichartige Straßen handele, deren Ausbau gleiche Kosten verursacht habe. Die Beklagte habe geltend gemacht, dass für den F*****weg erhöhte Kosten angefallen seien, da es sich um Schwemmland gehandelt habe, so dass die Aufteilung unzulässig gewesen sei. Die Kosten für die Baustelleneinrichtung seien einfach gedrittelt umgelegt worden. Die Grunderwerbskosten aus dem Jahr 1991 in Höhe von 300 DM/m² für eine Fläche von 395 m² seien grob unangemessen. Selbst wenn man einen Verkehrswert von 160 DM/m² für Bauerwartungsland zu Grunde lege, werde dieser Wert um nahezu 100% überschritten. Die Beklagte habe einen Großteil des Straßengrundes von der Firma ****** gekauft, die die Wohnanlage östlich des F*****weges erbaut habe und daher vorrangiger Nutznießer der Straße sei. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, zu welchem Einstiegsgebot die Firma ****** den Straßengrund angeboten habe und wie die Verhandlungen verlaufen seien. Es werde bestritten, dass eine Überschreitung des Verkehrswerts zur Vermeidung eines Enteignungsverfahrens erforderlich gewesen sei.
Die Beklagte entgegnete, dass die Kosten des technischen Ausbaus angemessen seien. Die lückenlos nachgewiesenen Aufwendungen entsprächen marktüblichen Preisen. Der ursprünglich angenommene Kostensatz von 33 DM/m² sei mit den Unsicherheiten einer Kostenschätzung behaftet gewesen. Insbesondere sei nicht absehbar gewesen, dass ein umfangreicher Bodenaustausch erforderlich werde. Die Straßentrasse befinde sich in einem Schwemmlandgebiet. Dort sei kein tragfähiger Untergrund anzutreffen gewesen. Beim F*****weg beliefen sich die Baukosten auf 258,61 Euro/m², bei der Straße A* H********* auf 210,48 Euro/m². Der Kostensatz betrage 25,02 Euro/m² beim F*****weg und 25,46 Euro/m² bei der Straße A* H*********.
Die gemeinsame Ausschreibung und Realisierung der Straßenbaumaßnahmen im Baugebiet L************* habe die Planungs- und Baukosten reduziert. Soweit gemeinsame Kosten angefallen seien, seien diese anhand eines sachgerechten Verteilungsschlüssels (nach Straßenfläche) auf die einzelnen Anlagen aufgeteilt worden, was zulässig sei.
Die zuletzt 1991 gezahlten Grunderwerbskosten von 300 DM/m² seien nicht überhöht. Für den Bebauungsplan Nr. ***** c "L*************, F*****weg, B*****weg und W********** Weg" sei am 1. Dezember 1989 der Aufstellungsbeschluss gefasst worden; am 21. Januar 1991 sei er in Kraft gesetzt worden. Die Bodenrichtwertkarte (Stand 31.12.1990) weise für baureifes Land Werte von 400 DM/m² und 380 DM/m² auf. In unmittelbarer Nähe zum Baugebiet werde der Wert von Bauerwartungsland mit 160 DM/m² bzw. 180 DM/m² angegeben. Dieser Wert könne als zutreffender Vergleichswert herangezogen werden. Ein 1989 erstelltes Gutachten über die wirtschaftlichen und verkehrlichen Auswirkungen des Flughafens München habe der Beklagten im Zeitraum von zehn bis 15 Jahren einen Zuwachs von 21.000 Einwohnern prophezeit. Nach den damaligen Prognosen hätten im Zeitraum zwischen 1992 und 2004 7.368 Wohnungen errichtet werden müssen, um dem erwarteten Bedarf entsprechen zu können. Es habe daher ein außerordentliches Interesse an einer raschen Realisierung der Bebauung im Wohngebiet L************* bestanden. Durch den freihändig durchgeführten Straßengrunderwerb habe eine zügige Erschließung des Gebiets erfolgen können.
Mit Urteil vom 1. Februar 2005 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden war. Es hob die Teilabhilfebescheide vom 6. Mai 2003 auf, soweit höhere Beiträge als insgesamt 74.146,06 Euro festgesetzt worden waren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Kosten der technischen Herstellung unangemessen seien. Die frühere Kostenschätzung sei naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet gewesen. Die Beklagte verweise auf den nicht absehbaren umfangreichen Bodenaustausch im F*****weg. Mit einem Hinweis auf die Herstellungskosten anderer Erschließungsanlagen erschüttere die Klägerin nicht die Angemessenheit der Kosten für den F*****weg. Die Klägerin habe nicht substantiiert einzelne Positionen der technischen Herstellung der Straße gerügt, so dass die beantragte Einholung eines Gutachtens zur Erforderlichkeit des Herstellungsaufwands nicht in Betracht komme.
Wenn in einem Baugebiet mehrere Straßen vergeben würden, entspreche es regelmäßig dem Wirtschaftlichkeitsgebot, die Maßnahmen gemeinsam auszuschreiben, da dann erfahrungsgemäß günstigere Preise erzielt werden könnten. Die Beklagte habe die Ingenieurleistungen für den F*****weg, den B*****weg und den W********** Weg gemeinsam vergeben. Die Schlussrechnung sei proportional nach den einzelnen Straßenflächen aufgeteilt worden, was nicht zu beanstanden sei. Die Schlussrechnung der Firma **** vom 8. März 1993 sei offensichtlich entsprechend der in den jeweiligen Straßen angefallenen Leistungen aufgeteilt worden; anderenfalls wäre nicht erklärlich, dass bei den einzelnen Straßen bei unterschiedlichen Positionen keine Beträge ausgeworfen würden. Es sei davon auszugehen, dass die jeweiligen Besonderheiten einer Straße Beachtung gefunden hätten. Dass die Baustelleneinrichtung bei allen drei Straßen zu einem gleich hohen Betrag abgerechnet werde, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Erfahrungsgemäß fielen bei - wie hier -nicht erheblich in ihrer Ausdehnung und Fläche differierenden Straßen bei dieser Position in etwa gleich hohe Kosten an.
Die Beklagte habe aber für den 1991 durchgeführten Grunderwerb von 395 m² mit 300 DM/m² einen unangemessen hohen Betrag bezahlt. Nach der zuletzt vorgelegten Auskunft des Gutachterausschusses vom 8. Oktober 2004 habe der Bodenrichtwert von Bauerwartungsland 180 DM/m² betragen (Stand 31.12.1990). Würden wie hier die Durchschnittswerte beim freihändigen Erwerb des Straßenlandes überschritten, müsse sich die Gemeinde auf rechtfertigende Gründe berufen können. Anerkannt seien u.a. die Beschleunigung des Grunderwerbs, Vermeidung von erfahrungsgemäß langwierigen Enteignungsverfahren oder andere, sachlich ähnliche Gründe. Eine Gemeinde könne grundsätzlich den Zeitpunkt bestimmen, zu dem sie eine in einem Bebauungsplan festgesetzte Erschließungsstraße herstellen wolle, jedenfalls sobald ein Bedarf an geordneter Erschließung bestehe. Hierzu habe die Beklagte nachvollziehbar vorgetragen, dass Anfang der 90er Jahre - insbesondere im Hinblick auf die Errichtung des Flughafens München - für ihr Gebiet ein erheblicher Bedarf an Wohnraum prognostiziert worden sei. Sie sei aber ohne konkreten Nachweis besonderer Umstände nicht berechtigt gewesen, den Bodenrichtwert um mehr als 50% zu überschreiten. Der Verlauf der Grundstücksverhandlungen mit der Firma ****** sei nicht dokumentiert worden, Einstiegspreise und dergleichen seien nicht nachgewiesen. Andererseits sei die Auffassung der Klägerin, dass die Firma ****** den Grund auch zum Preis des Bodenrichtwerts abgegeben hätte, nicht zwingend, weil das Baugebiet auch über den B*****weg und den W********** Weg mit dem öffentlichen Verkehrsnetz verbunden sei. Die Beklagte habe deshalb kein geeignetes Druckmittel in der Hand gehabt, um den gewollten zügigen Grunderwerb anders als über den Preis zu beschleunigen. Die Überschreitung des Bodenrichtwerts sei jedoch erheblich, ohne dass die Beklagte dies anhand des Verhandlungsablaufs hätte rechtfertigen können. Bei dieser Sachlage gehe die Kammer davon aus, dass nur eine pauschale Erhöhung des Bodenrichtwerts bis zu 50% angemessen sei. Danach betrage der angemessene Quadratmeterpreis 270 DM. Der Beitrag für die fünf Grundstücke der Klägerin ermäßige sich gegenüber den mit den Teilabhilfebescheiden errechneten Beiträgen um 1.911,71 Euro.
Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Mai 2007 zugelassenen Berufung trug die Beklagte vor: Zur Verkehrswertermittlung des erworbenen Straßengrundes sei nicht auf Vergleichspreise im Baugebiet A* M******* abzustellen, sondern auf die konkrete Wertermittlung im Einzelfall. Den Stellungnahmen des Stadtvermessungsamts vom 4. April 2005 und vom 6. August 2007 zufolge sei unter Anwendung eines deduktiven Wertermittlungsverfahrens vom Preis von Bauerwartungsland höchster Stufe/Rohbauland unterster Stufe auszugehen, der im Zeitpunkt des Erwerbs bei rund 285 DM/m² gelegen habe. Es handele sich bei dem Straßengrund um eine künftige Gemeinbedarfsfläche i.S. von Ziff. 5.1.3 WertR, die bis zu ihrer öffentlichen Zweckbestimmung an der konjunkturellen Bodenpreisentwicklung teilgenommen habe. Der von der Beklagten bezahlte Kaufpreis von 300 DM/m² überschreite den Verkehrswert lediglich um rd. 5,26% und sei damit nicht "grob unangemessen". Die ****** GmbH, von der die Flächen gekauft worden seien, habe diese kurz zuvor selbst für 400 DM/m² erworben. Dem Liegenschaftsamt habe es deshalb fernliegend erscheinen müssen, dass die Eigentümerin ein niedrigeres Angebot als 300 DM/m² ernsthaft in Betracht ziehen würde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Februar 2005 teilweise abzuändern und die Klage gegen die Teilabhilfebescheide vom 6. Mai 2003 insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin erhob Anschlussberufung und beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen
sowie
auf ihre Anschlussberufung das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Februar 2005 teilweise abzuändern und die Teilabhilfebescheide der Beklagten vom 6. Mai 2003 im beantragten Umfang aufzuheben.
Sie rügt weiterhin, dass die Beklagte eine gemeinsame Abrechnung der zur gleichen Zeit durchgeführten Maßnahmen an den Straßen F*****weg, B*****weg und W********** Weg vorgenommen habe. Dies sei in Anbetracht der nicht gleichgelagerten örtlichen Umstände und der für den F*****weg angefallenen erhöhten Kosten unzulässig.
Für die Beurteilung der Angemessenheit der Grunderwerbskosten sei allenfalls der Bodenrichtwert für Bauerwartungsland zum Stand 31. Dezember 1990 in Höhe von 160 DM/m² heranzuziehen. Ein Verkehrswert von 285 DM/m² werde bestritten. Der bezahlte Preis von 300 DM/m² sei grob unangemessen. Nach der Aktennotiz vom 26. Juni 1991 hätten sich die Grunderwerbsverhandlungen mit der Firma ****** auf ein einziges Telefonat beschränkt. Die Zufahrt zur Tiefgarage und zu den oberirdischen Stellplätzen für die seinerzeit von der Firma ****** geplante Wohnanlage erfolge nur über den F*****weg, so dass diese ein dringendes Interesse an der Realisierung der Erschließung gehabt habe. Bei dieser erkennbaren Sachlage habe sich für die Beklagte eine hervorragende Verhandlungsposition ergeben, von der diese überhaupt keinen Gebrauch gemacht, sondern ohne Not 300 DM/m² angeboten habe.
Die Beklagte hält die Anschlussberufung mangels Statthaftigkeit für unzulässig. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass sie die drei Erschließungsanlagen gemeinsam "abgerechnet" habe. Die Straßenbaumaßnahmen seien lediglich gemeinsam ausgeschrieben und in einer Baustelle realisiert worden. Durch diese Vorgehensweise könnten erfahrungsgemäß wesentlich günstigere Preise als bei getrennter Vergabe erzielt werden. Die Aufwandsermittlung für die einzelnen Erschließungsanlagen habe getrennt stattgefunden. Ebenso seien Erschließungsbeitragsbescheide für die einzelnen Anlagen erlassen worden. Der zusätzliche Aufwand für den Bodenaustausch am F*****weg sei gesondert erfasst und nur bei dieser Anlage berücksichtigt worden, wie sich aus dem Aufmaß ergebe.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung der Klägerin sind zulässig. Zu einem Erfolg führt jedoch nur das Rechtsmittel der Beklagten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts war lediglich insoweit abzuändern, als darin der umlegungsfähige Erschließungsaufwand um einen Teil der 1991 von der Beklagten gezahlten Grundwerbskosten gekürzt worden ist.
I.
Aufgrund der (nach Erlass des Verwaltungsgerichtsurteils gefertigten) Bodenwertermittlungen des Stadtvermessungsamtes vom 4. April 2005 und vom 6. August 2007 sowie der schlüssigen, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Erläuterungen des Vermessungsoberrats hierzu in der mündlichen Verhandlung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der 1991 von der Beklagten an die Firma ****** ******* GmbH bezahlte Kaufpreis von 300 DM pro m² keine grob unangemessene Höhe erreicht hat (vgl. BVerwG vom 14.12.1979 BVerwGE 59, 249 ff.).
Regelmäßig umfasst der Erschließungsaufwand die Kosten des Grunderwerbs in der Höhe, in der sie bei der Gemeinde angefallen sind. Bei der gebotenen entsprechenden Anwendung des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf die "Erforderlichkeit" des gezahlten Kaufpreises wird der Gemeinde ein weiter Entscheidungsspielraum zugebilligt. Deswegen ist die Gemeinde nicht auf die Zahlung eines Kaufpreises festgelegt, der dem Verkehrswert des Straßenlandes entspricht. Beschleunigung des Grunderwerbs, Vermeidung von erfahrungsgemäß langwierigen Enteignungsverfahren oder andere sachliche ähnliche Gründe können ein Überschreiten des Verkehrswertes - unter Umständen auch ein beträchtliches Überschreiten - rechtfertigen. Freilich müssen die Rechtfertigungsgründe umso gewichtiger sein, je beträchtlicher die Überschreitung des Verkehrswertes ist. Überschritten wird die Grenze der "Erforderlichkeit", wenn der für das Straßenland vereinbarte Kaufpreis in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreicht, d.h. sachlich schlechthin unvertretbar ist (BVerwG a.a.O., BVerwGE 59, 249/252, 253; vom 10.11.1989 NVwZ 1990, 870 ff.).
Von einer solchen Unangemessenheit kann hier keine Rede sein. Nach Nr. 6 der Wertermittlungsrichtlinien 2002 und 2006 (WertR) sind für die Ermittlung der Verkehrswerte (Marktwerte) von Grundstücken auch bei freivertraglicher Beschaffung von Flächen für öffentliche Zwecke in der Regel zwei Zeitpunkte zu beachten: Der Zeitpunkt, der maßgebend ist für die Qualität (Qualitätsstichtag) und der Zeitpunkt, der maßgebend ist für den Wert (Wertermittlungsstichtag). Bei künftigen Gemeinbedarfs - bzw. Verkehrsflächen ist nach Nr. 5.1.3 WertR der Wertermittlung in der Regel der Zeitpunkt zu Grunde zu legen, in dem ein endgültiger Ausschluss von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung erfolgte (sog. enteignungsrechtliche Vorwirkung). Im vorliegenden Fall ist Qualitätsstichtag der Tag, an dem die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung bei dem einschlägigen Bebauungsplan Nr. 29 c abgeschlossen worden war und damit formelle Planreife i.S. von § 33 Abs. 1 Nr. 1 BauGB eingetreten ist, mithin der 22. Juni 1990. Unmittelbar vor ihrer Ausweisung als Straßenland wiesen die von der Beklagten 1991 erworbenen Flächen die Qualität Bauerwartungsland höchster Stufe an der Grenze zum Rohbauland auf (vgl. § 4 Abs. 2 und Abs. 3 WertV). Dies ergibt sich aus folgendem: Künftige Gemeinbedarfs- und Verkehrsflächen haben zwar keinen Verkehrswert im engeren Sinn, da es in der Regel nur einen potentiellen Käufer (meist nur die Gemeinde) gibt. Das bedeutet aber nicht, dass diese Flächen keinen Wert hätten oder ihr Wert gegen Null ginge. War eine Fläche, bevor sie für eine Straße festgesetzt worden ist, - wie hier - schon Bauerwartungsland, so bleibt der Wert des Bauerwartungslandes erhalten (Dieterich in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, RdNrn. 145, 148 zu § 194). Die Grundstücksqualität bestimmt sich nach den Erwartungen einer baulichen oder sonstigen Nutzung des Grundstücks. Zu beachten sind vor allem die voraussichtliche Dauer (Wartezeit) des Vollzugs der erwarteten Maßnahmen wie Bauleitplanung, Bodenordnung und Erschließung sowie das Risiko, ob es überhaupt zum Vollzug solcher Maßnahmen kommt (Dieterich, a.a.O., RdNr. 67 zu § 194). Übertragen auf den vorliegenden Fall lässt sich sagen, dass die Wartezeit sehr kurz und das Risiko sehr gering waren, was sich qualitätserhöhend auswirkt. Hintergrund war das beträchtliche Interesse der Beklagten an einer zügigen Realisierung des Bebauungsplans Nr. 29 c. Ein 1989 erstelltes Gutachten über die wirtschaftlichen und verkehrlichen Auswirkungen des neuen Flughafens München auf sein Umland prognostizierte für das Stadtgebiet der Beklagten im Zeitraum von zehn bis 15 Jahren einen Zuwachs von ca. 21.000 Einwohnern, also eine Steigerung um rd. 32%. Nach den damaligen Prognosen hätten zwischen 1992 und 2004 mehr als 7.000 Wohnungen errichtet werden müssen, um den erwarteten Bedarf zu decken. U.a. hieraus erklärt sich, dass der Zeitraum vom Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans Nr. 29 c (1.12.1989) bis zu dessen Inkrafttreten (21.1.1991) äußerst kurz war. Hinzu kommen die günstige Lage des Bauerwartungslandes innerhalb des Stadtgebiets und die unmittelbare Nähe von bereits erschlossenen Wohngebieten im Norden, Westen und Süden. Das überplante Areal war mit 1,66 ha Gesamtfläche (davon 1,2 ha Nettobaufläche) relativ klein. Das Eigentum an Grund und Boden lag im Wesentlichen in einer Hand, eine vorherige Bodenordnung war nicht erforderlich. Aufgrund all dieser Umstände war mit einer zeitnahen Realisierung des Baugebiets zu rechnen. Die am 30. Juli 1991 (= Wertermittlungsstichtag) von der Fa. ****** ******* GmbH erworbenen Flächen lagen, kurz bevor sie als Straßenland festgesetzt wurden, in einem als reines Wohngebiet vorgesehenen Bereich mit einer GFZ von überwiegend 1,0, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt von einer höheren Wertigkeit ausgegangen werden konnte (Dieterich, a.a.O., RdNr. 79 a zu § 194).
Die Bodenwertermittlungen des Stadtvermessungsamtes vom 4. April 2005 und vom 6. August 2007 gehen dem entsprechend von Bauerwartungsland höchster Stufe aus und gelangen unter Anwendung einer deduktiven Wertermittlungsmethode zu annähernd gleichen Bodenwerten zum Kaufdatum von 283,83 DM pro m² bzw. 282,36 DM pro m². Wenn Vergleichspreise für Bauerwartungsland oder Rohbauland fehlen, kann bei der Verkehrswertermittlung der Wert sog. werdenden Baulandes deduktiv aus dem Wert von Bauland abgeleitet werden. Vom Ausgangswert sind die Erschließungskosten abzuziehen. Zu berücksichtigen sind ferner die Wartezeit und ein mögliches Risiko (Dieterich, a.a.O., RdNrn. 74 a, 141 a zu § 194; OVG Koblenz vom 16.11.2005, Az. 1 U 1440/04 Baul in <juris>). Dieser anerkannten Methode folgend hat das Stadtvermessungsamt vom Bodenrichtwert (Stichtag: 31.12.1990) von 400 DM pro m² baureife Wohnbaufläche den Erschließungskostenanteil für private und öffentliche Verkehrsflächen abgezogen, eine Aufschließungsdauer bis zur Baureife von 1,5 Jahren angesetzt und einen langfristigen mittleren Zinssatz von 7 % zu Grunde gelegt. Beide Bodenwertermittlungen sind in sich plausibel und nachvollziehbar und wurden vom Vermessungsoberrat in der mündlichen Verhandlung eingehend und widerspruchsfrei erläutert. Sie wurden von der Klägerseite auch nicht mit substantiierten Einwendungen in Frage gestellt. Der von ihr bevorzugte Bodenrichtwert von 160 DM pro m² für Bauerwartungsland (Stand: 31.12.1990) bezeichnet lediglich einen durchschnittlichen Lagewert (§ 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB) und spiegelt nicht den wahren Verkehrswert wieder, da diesem Wert entsprechend dem Planungshorizont des Flächennutzungsplans eine Wartezeit auf das Erreichen von Baulandqualität von zehn bis 15 Jahren zu Grunde liegt, während hier das Bebauungsplanverfahren bereits eingeleitet worden und bei Erwerb der Straßenflächen bereits abgeschlossen war. Die von der Klägerin angeführten Kaufpreise für Straßengrund aus Erwerbsvorgängen der Jahre 1962 bis 1989 (20 DM bis 175 DM pro m²) liegen zeitlich vor dem strittigen Straßengrunderwerb und vor Einleitung des Bebauungsplanverfahrens und sind daher nicht repräsentativ.
Geht man somit von einem Verkehrswert des 1991 erworbenen Straßengrundes von rd. 282 DM pro m² aus, liegt der von der Beklagten gezahlte Kaufpreis von 300 DM pro m² lediglich etwa 6 % darüber und kann im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) keinesfalls als "grob unangemessen" oder "sachlich schlechthin unvertretbar" bezeichnet werden. Der Vorwurf der Klagepartei, dass die Beklagte angesichts des dringenden Interesses der Fa. ****** ******* GmbH an der Realisierung des Baugebiets "ohne Not" 300 DM pro m² angeboten habe, überzeugt angesichts des nur geringfügigen Überschreitens des Verkehrswerts nicht. Im Übrigen sind die Kosten einer Erschließungsmaßnahme nicht bereits deshalb schlechthin unvertretbar, weil die Gemeinde günstigere Preise hätte erzielen können (BayVGH vom 30.1.1992 KStZ 1992, 172). Einzelheiten der Verhandlungsstrategie sind hierbei nicht entscheidend.
II.
Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig.
Sind - wie hier - Klagepartei und Beklagtenseite durch ein Verwaltungsgerichtsurteil beschwert, kann jeder nach §§ 124 ff. VwGO selbstständig die Überprüfung des Urteils in einem Berufungsverfahren anstreben. Daneben ermöglicht es § 127 VwGO dem Berufungsbeklagten, sich der Berufung des Berufungsführers anzuschließen (Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., RdNr. 2 zu § 127). Die Anschlussberufung ist nach herrschender Meinung kein Rechtsmittel (Happ, a.a.O., RdNr. 3) und sie bedarf keiner Zulassung (§ 127 Abs. 4 VwGO). § 127 VwGO kennt nur noch die Anschließung an eine zugelassene Berufung des Gegners; sie ist ihrer Natur nach wegen Abs. 5 unselbstständig. Gegenstand des Antrags des Anschlussberufungsführers kann nur ein anderer Teil des (teilbaren) Streitgegenstands sein (Happ, a.a.O., RdNr. 8). Hier greift die Klägerin einen abtrennbaren Teil eines einheitlichen Lebenssachverhalts (hierzu BVerwG vom 9.7.2002 NVwZ-RR 2002, 233) an, nämlich die Aufteilung der Baukosten auf die zur gleichen Zeit durchgeführten Maßnahmen an den Straßen F*****weg, B*****weg und W********** Weg. Sie wendet sich damit gegen einen Teil der Beitragsfestsetzung, was zulässig ist. Die Anschlussberufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt.
Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin bemängelt, dass die drei Straßen "gemeinsam abgerechnet" worden seien. Sie beruft sich hierbei auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach bei einer zeitgleichen Herstellung mehrerer Straßen bei Abrechnung nach den tatsächlichen Kosten die für die einzelnen Straßen entstandenen Kosten dann nicht prozentual aus der Gesamtabrechnung entnommen werden können, wenn es sich nicht um gleichgelagerte örtliche Umstände und gleichartige Straßen handelt, deren Ausbau auch gleiche Kosten verursacht hat (BVerwG vom 11.2.1977 DÖV 1977, 678; vom 16.3.1970 Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 35). Dieser Einwand greift hier nicht durch. Nach den vorliegenden Abrechnungsunterlagen spricht alles dafür, dass der Aufwand den einzelnen Straßen nicht rein prozentual, sondern nach Fläche, Masse, tatsächlichen Kosten oder tatsächlicher Anzahl zugeordnet wurde. Dies ergibt sich beispielhaft aus der Aufteilung der Schlussrechnung der Baufirma **** vom 8. März 1993: Hier wurden lediglich die Kosten für die Baustelleneinrichtung gedrittelt. Das ist nicht zu beanstanden, wenn sich die Baustelleneinrichtungen nicht im Aufwand unterschieden, wofür hier keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Ansonsten sind bei allen drei Straßen unterschiedliche Rechnungsbeträge genannt bzw. beim B*****weg teilweise gar keine Rechnungspositionen ausgeworfen, was auf eine Differenzierung nach tatsächlich angefallenen Kosten hinweist. Bei Titel 4 "Erdbau" sind die für den F*****weg angefallenen Kosten deutlich erhöht gegenüber denen der beiden anderen Straßen. Das deutet darauf hin, dass der anlässlich des Bodenaustauschs am F*****weg angefallene Mehraushub gesondert erfasst und diesem konkret als höhere Masse zugeordnet wurde. Das Ingenieurhonorar wurde proportional nach den einzelnen Straßenflächen aufgeteilt. Auch dies begegnet keinen Bedenken, zumal nach Erinnerung der Beklagtenvertreter die drei zusammen hergestellten Straßen nach derselben Bauklasse ausgestattet waren und ein zumindest ähnliches Teileinrichtungsprogramm bestand. Die Kosten für die Beleuchtung wurden je nach Anzahl der installierten Straßenlampen aufgeteilt, der Aufwand für die Bepflanzung je nach tatsächlich entstandenen Kosten. Substantiierte Einwendungen gegen die jeweilige Kostenaufteilung wurden von der Klägerin nicht erhoben. Sie rügte in der mündlichen Verhandlung, aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 7. Oktober 2004 an das Verwaltungsgericht ergebe sich, dass die Beklagte selbst nicht von einer Vergleichbarkeit der drei hergestellten Straßen F*****weg, B*****weg und W********** Weg hinsichtlich Lage, Größe und Ausbauart ausgegangen sei. Dies verfängt jedoch schon deshalb nicht, weil sich der von der Beklagten dort aufgestellte Vergleich auf die in einem anderen Baugebiet gelegene Straße A* H********* bezog.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.911,71 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).
Gründe:
Die unselbständige Anschlussberufung wirkt sich auf den Streitwert nicht aus. Eine unselbständige Anschließung stellt ein Angriffsmittel innerhalb des Hauptrechtsmittels dar, so dass ihr Wert nicht dem Wert des Hauptrechtsmittels hinzuzurechnen ist (BayVGH vom 20.5.1999, Az. 6 B 95.2161; vom 11.11.2005, Az. 6 B 01.354).
Ende der Entscheidung
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