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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.12.2008
Aktenzeichen: 6 BV 06.3199
Rechtsgebiete: KAG, AO


Vorschriften:

KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 b
AO § 42 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

6 BV 06.3199

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag (*******, Ringstraße);

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 19. September 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 6. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Maunz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Rickelmann

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Dezember 2008

am 15. Dezember 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger war seit 1955 Eigentümer des Grundstücks FlNr. 2194/2 (alt) der Gemarkung N************, das eine Grundstücksfläche von 3.128 m² aufwies und mit einem Wohngebäude und gewerblich genutzten Gebäuden bebaut war. Das Grundstück grenzte mit seiner Ostseite an die Bundesstraße B *** und mit der Südseite an die Ortsstraße S*****.

Mit Bescheid vom 25. März 2004 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für das "Baugebiet S*****" einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 13.248,33 Euro fest. Mit Schreiben vom 21. Januar 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Erschließungsbeitragsbescheid vom 25. März 2004 aufgehoben werde, weil die abgerechnete Anlage noch nicht endgültig hergestellt sei, und dass stattdessen ein Vorausleistungsbescheid auf den Erschließungsbeitrag erlassen werde.

In der Folgezeit wurde das Grundstück FlNr. 2194/2 (alt) in die Grundstücke FlNr. 2194/2 (neu) mit einer Grundstücksfläche von 2.471 m² und FlNr. 2194/3 (neu) mit einer Grundstücksfläche von 657 m² geteilt. Das mit dem Wohnhaus bebaute Grundstück FlNr. 2194/3 (neu) übereignete der Kläger an seine Ehefrau. Das Betriebsgrundstück FlNr. 2194/2 (neu) mit den gewerblich genutzten Gebäuden verblieb in seinem Eigentum. Es grenzt nicht mehr an die Ortsstraße S***** an; die Zufahrt erfolgt über die Bundesstraße B ***. Die Rechtsänderungen wurden am 17. Februar 2005 im Grundbuch eingetragen.

Mit Bescheid vom 6. April 2005 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger als Eigentümer des Grundstücks FlNr. 2194/2 (alt) für die Erschließungsanlage S***** (Ringstraße) eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag in Höhe von 26.319,77 Euro fest. Auf das Leistungsgebot wurden vom Kläger gezahlte Vorausleistungen in Höhe von 7.083,88 Euro angerechnet.

Die abgerechnete Anlage besteht aus den Grundstücken FlNrn. 2220/1, 2221 und 2217/1 und liegt im Geltungsbereich der Bebauungspläne S***** und S***** II.

Den vom Kläger erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt ******** ** *** mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2006 zurück, da die Grundstücksteilung als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO zu werten sei.

Mit Ergänzungsbescheid vom 6. Juli 2006 i.V. mit dem Berichtigungsbescheid vom 14. Juli 2006 stellte die Beklagte klar, dass die mit Bescheid vom 6. April 2005 geltend gemachte Vorausleistung für die Grundstücke FlNrn. 2194/2 (neu) und 2194/3 (neu) erhoben werde. Auf das Grundstück FlNr. 2194/2 (neu) entfalle eine Vorausleistung in Höhe von 15.195,61 Euro und auf das Grundstück FlNr. 2194/3 (neu) eine Vorausleistung in Höhe von 4.040,28 Euro.

Der Kläger erhob auch hiergegen Widerspruch.

Mit seiner Klage machte der Kläger insbesondere geltend, dass sich der Vorausleistungsbescheid auf ein rechtlich nicht mehr existierendes Grundstück beziehe. Das Grundstück FlNr. 2194/2 (alt) sei vor Bescheidserlass geteilt worden. Es liege kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor. Hintergrund sei folgender: Das Unternehmen auf dem Grundstück FlNr. 2194/2 (neu) sei 1953 vom Kläger gegründet und 1990 in die ****** *** ********** GmbH ******** (im Folgenden: GmbH) umgewandelt worden, an der der Kläger (bis Oktober 2002) und sein Sohn je zur Hälfte beteiligt gewesen seien. Für laufende Kredite bei einer Bank hätten sich beide Gesellschafter persönlich haftend verbürgt; zur Sicherung der Darlehen sei an dem Grundstück FlNr. 2194/2 (alt) eine Grundschuld über 392.000 Euro eingetragen worden. Im Juli 2003 habe die Bank sämtliche Darlehensverträge der GmbH gekündigt und die Forderungen fällig gestellt. Im November 2003 sei das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im März 2004 sei die Zwangsversteigerung des Grundstücks FlNr. 2194/2 (alt) angeordnet worden. Die Zwangsversteigerung habe durch ein Ablösedarlehen einer anderen Bank verhindert werden können. Wesentlicher Grund für die im Anschluss erfolgte Teilung des Grundstücks FlNr. 2194/2 (alt) in ein Betriebsgrundstück und ein privates Wohngrundstück sei gewesen, bei Notwendigkeit einer Verwertung das zu Wohnzwecken genutzte Grundstück vorerst durch Veräußerung der übrigen haftenden Grundstücke von Verbindlichkeiten freizustellen und damit für den Kläger und seine Ehefrau als Wohnsitz zu erhalten.

Von einer Beitragsumgehung könne zudem keine Rede sein, solange die Beitragspflicht nicht entstanden sei; sonst trete ab dem Moment, in dem mit einer künftigen Beitragspflicht zu rechnen sei, eine Art "Veränderungssperre" ein, also ein Verbot, das Grundstückseigentum (teilweise) zu veräußern.

Der in Ost-West-Richtung im nördlichen Teil des Bebauungsplangebiets verlaufende Straßenteil stelle eine selbstständige Erschließungsanlage dar, deren erstmalige Herstellung vermutlich bereits lange vor Erlass des Vorausleistungsbescheids erfolgt sei. Es sei seit 1981 eine ausreichende, dem Standard einer erstmaligen Herstellung entsprechende Straßenbeleuchtung vorhanden gewesen.

Die in einer Vergleichsberechnung der Beklagten für die Herstellung der Straße S***** Nord (= FlNr. 2220/1) vorgenommene Aufwandsermittlung sei fehlerhaft. Die Beklagte habe sämtliche für die drei Erschließungsanlagen angefallenen Kosten zusammengerechnet und entsprechend dem Verhältnis der Straßenflächen aufgeteilt. Richtigerweise könnten nur die tatsächlich für die jeweilige Erschließungsanlage angefallenen Kosten eingestellt werden.

Nicht nachvollziehbar sei die Aufteilung der Kosten der Straßenentwässerung, z.B. weswegen die Kanalherstellungskosten der Straße S***** Nord nahezu doppelt so hoch sein sollten wie die der ähnlich langen Straße S***** West und wie in die 131,50 m lange Straße S***** Nord ein 199,50 m langer Entwässerungskanal eingebracht worden sein solle.

Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei, welche weiteren, zur erstmaligen Herstellung erforderlichen Straßenbaumaßnahmen von der Firma S. im Jahr 2002 nach denen der Firma L. in den Jahren 1981/1982 noch hätten durchgeführt werden müssen.

Mit Urteil vom 19. September 2006 hob das Verwaltungsgericht den Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 6. April 2005, den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes vom 22. März 2006 und den Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 auf. Zur Begründung führte es aus: Nach natürlicher Betrachtungsweise umfasse die Ortsstraße S***** mehrere Erschließungsanlagen. So stelle der Straßenteil mit der FlNr. 2220/1 von der Einmündung in die Bundesstraße B *** bis zur westlichen Grenze des Bebauungsplans S***** eine selbstständige Anlage dar. Im Bereich des Eckgrundstücks FlNr. 2221/14 sei keine Kennzeichnung des Straßenverlaufs durch Granitsteine oder Fahrbahnmarkierungen erfolgt, welche eine andere als die geradeaus nach Westen weiterführende Straßenführung in der Natur erkennen ließe. Dies ergebe sich auch aus den vorgelegten Luftbildern.

Die Heranziehung des Klägers zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die o.g. selbstständige Erschließungsanlage scheitere daran, dass sein Grundstück FlNr. 2194/2 (neu) von der Erschließungsanlage nicht (mehr) erschlossen werde und das von der Erschließungsanlage erschlossene Grundstück FlNr. 2194/3 (neu) nicht in seinem Eigentum stehe. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheids vom 6. April 2005 sei das Grundstück FlNr. 2194/2 (alt) bereits in die Grundstücke FlNr. 2194/2 (neu) und FlNr. 2194/3 (neu) aufgeteilt gewesen. Die Ehefrau des Klägers sei am 17. Februar 2005 als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 2194/3 in das Grundbuch eingetragen worden. Eine Grundstückseinheit (wirtschaftliche Einheit) der Grundstücke FlNrn. 2194/2 und 2194/3 (jeweils neu) scheide schon mangels Eigentümeridentität aus. Eine Heranziehung des Grundstücks FlNr. 2194/2 (neu) als Hinterliegergrundstück komme nicht in Betracht, da die Zufahrt zu diesem Grundstück ausschließlich über die B *** erfolge.

Die Grundstücksteilung stelle keinen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO dar. Zwar komme als Indiz für eine Umgehungsabsicht der zeitliche Zusammenhang zwischen der Ankündigung der Beklagten im Schreiben vom 21. Januar 2005, neue (Vorausleistungs-)Bescheide zu erlassen, und dem Vermessungsantrag des Klägers für die Grundstücksteilung Mitte Februar 2005 in Betracht. Der Kläger habe jedoch dieses Indiz durch eine plausible Erklärung für die von ihm gewählte rechtliche Gestaltung widerlegt. Er habe nämlich erklärt, dass die Grundstücksteilung ihm insofern vorteilhaft erschienen sei, als bei Notwendigkeit einer Verwertung das zu Wohnzwecken genutzte Grundstück vorerst durch Veräußerung der übrigen haftenden Grundstücke von seinen Verbindlichkeiten freigestellt und damit für den Kläger und seine Ehefrau als Wohnsitz erhalten werden könnte. Dies erscheine nachvollziehbar, zumal der Kläger erst wenige Monate zuvor die Zwangsversteigerung seines gesamten Grundstücksbesitzes - einschließlich Wohnhaus - habe abwenden können. Dies sei offenbar nur dadurch gelungen, dass der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau ein Ablösedarlehen aufgenommen habe, um die Verbindlichkeiten der in Insolvenz geratenen Firma seines Sohnes zu erfüllen, soweit er dafür auch persönlich haftete (s. Darlehensvertrag vom 18.3.2004). Da zur Sicherung des Ablösedarlehens Grundschulden hätten bestellt werden müssen, mit denen auch das Grundstück des Klägers FlNr. 2194/2 (alt) belastet worden sei, habe weiterhin die Gefahr bestanden, dass im Fall der Notwendigkeit einer Verwertung des Grundbesitzes auch das Wohngrundstück verwertet würde. Es erscheine deshalb plausibel, dass der Kläger den beschrittenen Weg gewählt habe, um wenigstens das Wohnhaus für die Familie vor dem Zugriff der Gläubiger "zu retten". Hierfür habe er zum einen das Wohngrundstück seiner Ehefrau übereignet - gleichsam als Ausgleich für die mitübernommene gesamtschuldnerische Haftung der Ehefrau für das Ablösedarlehen -, und zum anderen durch die Grundstücksteilung die Möglichkeit der eigenständigen Verwertbarkeit des Betriebsgrundstücks herbeigeführt, um im Fall einer erneuten Erforderlichkeit der Verwertung vorrangig das Betriebsgrundstück unter Schonung des Wohngrundstücks verwerten zu können. Letzteres erscheine auch nicht unrealistisch, da der Wert des Betriebsgrundstücks den Wert des aufgenommenen Ablösedarlehens abdecken würde. Im Hinblick auf die Übernahme gegenseitiger Haftung innerhalb der Familie für Verbindlichkeiten einzelner Familienmitglieder erscheine es gerechtfertigt, dass der mögliche wirtschaftliche Vorteil durch die Grundstücksteilung nicht nur dem Kläger, sondern auch anderen Familienmitgliedern zugute kommen würde. Nicht nur wirtschaftliche, sondern auch sonst beachtliche außersteuerliche, z.B. familiäre Gründe könnten die gewählte rechtliche Gestaltung rechtfertigen.

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung trug die Beklagte vor:

Die Grundstücksteilung stelle einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO dar und sei daher beitragsrechtlich unbeachtlich. Der Umstand, dass der Kläger in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer im Januar 2005 erfolgten Informationsveranstaltung der Beklagten die Vermessung veranlasst und zudem einen Eilantrag gestellt habe, sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Maßnahme der Vermeidung einer Erschließungsbeitragspflicht gedient habe. Dieses Indiz habe besonderes Gewicht durch die klägerische Erklärung im Schreiben vom 27. Februar 2006 erlangt, dass jeder Beitragspflichtige die Rechtsform wählen dürfe, die zu der aus seiner Sicht geringsten Belastung führe. Die von der Klagepartei abgegebenen Erklärungen könnten sachlich nicht überzeugen. Der angegebene Zweck habe mit der Grundstücksteilung und Grundstücksübereignung auf die Ehefrau nicht erreicht werden können. Zum einen habe diese mit Darlehensvertrag vom 18. März 2004 zusätzlich zu ihrem Ehemann als Schuldnerin die persönliche Haftung für den zur Ablösung notwendigen Kredit übernommen, zum anderen laste die Grundschuld sowohl auf dem Betriebsgrundstück als auch auf dem Wohngrundstück. Das Wohngrundstück sei daher dem Zugriff persönlicher Gläubiger und einer Verwertung durch Grundpfandrechtsgläubiger ausgesetzt. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass die Grundstücksteilung Sinn mache, um zwei Beleihungsobjekte zu schaffen, stelle sich jedenfalls die Übereignung des Wohngrundstücks auf die Ehefrau des Klägers in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beitragserhebung als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten dar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit ins Einzelne gehenden Ausführungen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 6. April 2005, den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ******** ** *** vom 22. März 2006 und den Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 aufgehoben.

Das Verwaltungsgericht führt zutreffend aus, dass nach natürlicher Betrachtungsweise der nördliche Straßenzug mit der FlNr. 2220/1 von der Einmündung in die Bundesstraße (B ***) bis zur westlichen Grenze des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans S***** eine selbstständige Erschließungsanlage darstellt. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 130 b Satz 2 VwGO).

Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheids vom 6. April 2005 hatten sich die Eigentumsverhältnisse an dem herangezogenen Grundstück FlNr. 2194/2 (alt) geändert: Mit Wirkung zum 17. Februar 2005 war dieses Grundstück in das Wohngrundstück FlNr. 2194/3 (neu) und das Betriebsgrundstück FlNr. 2194/2 (neu) geteilt worden. Das an der abgerechneten Ortsstraße S***** anliegende Wohngrundstück steht im Eigentum der Ehefrau des Klägers, die nicht Adressatin des Vorausleistungsbescheides ist. Das dahinterliegende Betriebsgrundstück des Klägers grenzt nicht mehr an die streitgegenständliche Anlage an, sondern wird ausschließlich über die Bundesstraße B *** erschlossen. Schon mangels Eigentümeridentität kommt eine Heranziehung dieses Grundstücks als Hinterliegergrundstück nicht in Betracht.

Der Kern des vorliegenden Rechtsstreits betrifft daher die Frage, ob die vorgenommene Grundstücksteilung als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 b KAG i.V. mit § 42 Abs. 1 AO zu werten ist. Entsprechend dieser Vorschrift kann das Gesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Beitragsanspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Beitragsminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht-beitragsrechtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das Motiv, Beiträge zu sparen, macht eine beitragsrechtliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Beitragspflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (u.a. BFH vom 29.5.2008 BStBl 2008 Teil II, S. 789/790 m. Nachweisen der Rechtsprechung).

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die hier vorgenommene Grundstücksteilung und Übereignung des Wohngrundstücks an die Ehefrau des Klägers nicht als missbräuchlich anzusehen. Zwar ist eine "Beitragsumgehung" auch bei einer Vorausleistungsforderung möglich und nicht erst nach Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Eine Vorausleistung ist begrifflich eine Leistung, die vor Entstehen der endgültigen Beitragspflicht für ein einzelnes Grundstück zur Verrechnung mit der endgültigen Beitragsschuld erbracht wird. Sie stellt eine zeitlich vorgezogene Beitragsleistung dar und ruht gemäß § 134 Abs. 2 BauGB als öffentliche Last auf dem Grundstück (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., RdNr. 3 zu § 21). Als solche kann sie umgangen werden. Auch stellt der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem Schreiben der Beklagten vom 21. Januar 2005, mit dem sie den Erlass von Vorausleistungsbescheiden auf den Erschließungsbeitrag angekündigt hat, und der mittels eines Eilantrags veranlassten Vermessung sowie der zum 17. Februar 2005 wirksam gewordenen Grundstücksteilung ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass die Maßnahme der Vermeidung bzw. Verringerung der Vorausleistungspflicht gedient hat. Dieses Indiz hat der Kläger jedoch durch seine nachvollziehbaren, mit zahlreichen Unterlagen untermauerten Angaben widerlegt. In seinem Fall erscheint es sinnvoll, Betriebs- und Wohngrundstück wie von ihm gehandhabt zu teilen. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der im März 2004 vom Amtsgericht ******** ** *** für das frühere Gesamtgrundstück FlNr. 2194/2 (alt) angeordneten Zwangsversteigerung. Diese konnte nur mit Hilfe des Ablösedarlehens einer anderen Bank in Höhe von 220.000 Euro abgewendet werden. Dass die Zwangsversteigerung daraufhin durch Beschluss des Amtsgerichts ******** ** *** vom 7. April 2004 einstweilen eingestellt wurde, ändert nichts daran, dass der aufgenommene Kredit regelmäßig bedient werden muss, um nicht erneut in eine derartige Situation zu geraten. Zwar ist die Ehefrau des Klägers auch Mitschuldnerin des Darlehensbetrages (Darlehensvertrag vom 18.3.2004) und auch ihr Wohngrundstück FlNr. 2194/3 mit einer vollstreckbaren Gesamtbuchgrundschuld in Höhe von 320.000 Euro belastet (vgl. Darlehensvertrag vom 10.5.2006). Doch wurden durch die Teilung des Wohngrundstücks vom Betriebsgrundstück und mit dem weiteren Grundstück FlNr. 576/2 der Gemarkung T***** insgesamt drei Beleihungsobjekte geschaffen. Sollte in Zukunft erneut die Zwangsversteigerung angeordnet werden müssen, könnte das Wohngrundstück gegebenenfalls durch eine vorrangige Verwertung des Betriebsgrundstücks und des Grundstücks in T***** für den Kläger und seine Ehefrau als Wohnsitz erhalten werden, falls der Wert dieser beiden Grundstücke zur Schuldentilgung ausreicht, was von der Beklagtenseite nicht in Zweifel gezogen wurde. Die bestehende Chance, das Wohngrundstück für die Eheleute durch vorrangige Verwertung der beiden anderen Grundstücke zu erhalten, ist ein plausibler Grund für die Vorgehensweise des Klägers. Hinzu kommt bei der gebotenen Gesamtschau, dass durch die Grundstücksteilung ein nach wie vor stattliches Betriebsgrundstück mit 2.471 m² Grundstücksfläche und ein mit 657 m² Grundstücksfläche den Größenverhältnissen in der Umgebung entsprechendes Wohngrundstück gebildet worden sind, die keinen ungewöhnlichen Zuschnitt aufweisen. Das Betriebsgrundstück ist über die Bundesstraße B *** und das Wohngrundstück über die abgerechnete Ortsstraße S***** erschlossen.

Der Einwand der Beklagten, zumindest die Übereignung des Wohngrundstücks auf die Ehefrau des Klägers sei als missbräuchlich zu bewerten, verfängt nicht. Selbst wenn das Wohn- und das Betriebsgrundstück noch im Eigentum des Klägers stünden, hätte das hinterliegende Betriebsgrundstück keinen nennenswerten Vorteil von der abgerechneten Ortsstraße S***** und schiede deshalb aus dem Kreis der erschlossenen Grundstücke aus. Es grenzt selbst an die B *** - Ortsdurchfahrt - an, zu der seit langem eine Zufahrt besteht. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass von diesem Grundstück aus über das Anliegergrundstück die Ortsstraße S***** in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen wird. Auch bei dieser Konstellation müsste das Betriebsgrundstück des Klägers bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands unberücksichtigt bleiben (vgl. Driehaus, a.a.O., RdNrn. 96 ff. zu § 17). Dann kann aber die Übertragung des an der abgerechneten Anlage liegenden Wohngrundstücks auf die Ehefrau nicht missbräuchlich sein.

Das Schreiben des Klägers vom 27. Februar 2006 kann nicht als durchgreifendes Indiz für einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gewertet werden. Darin führt der Kläger aus, dass jeder Beitragspflichtige die Rechtsform wählen darf, die zu der aus seiner Sicht geringsten Belastung führt. Der Kläger hat hier nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern legal die Möglichkeit einer günstigeren Beitragsgestaltung genutzt; er gibt in dem Schreiben sinngemäß nur die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wieder (vgl. BFH vom 29.5.2008 a.a.O.).

Ein Widerspruch der Grundstücksteilung zu den Festsetzungen des Bebauungsplans S***** II ist nicht erkennbar (vgl. § 19 Abs. 2 BauGB).

Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Dezember 2007 (KStZ 2008, S. 112) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In der zitierten Entscheidung ist der hessische Verwaltungsgerichtshof angesichts des zeitlichen Zusammenhangs einer Grundstücksteilung mit der bevorstehenden Beitragsentstehung von einem Missbrauch ausgegangen, weil durch die Teilung unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 der Hessischen Bauordnung (HBO) Verhältnisse geschaffen worden seien, die brandschutzrechtlichen Vorschriften widersprächen. Nach § 7 Abs. 2 HBO dürfen durch die Teilung eines Grundstücks, das bebaut oder dessen Bebauung genehmigt ist, keine Verhältnisse geschaffen werden, die öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechen.

Die bayerische Rechtslage weicht mittlerweile davon ab. Nach Art. 11 Sätze 1 und 3 BayBO 1982 bedurfte die Teilung eines Grundstücks, das mit einem Gebäude bebaut oder auf dem eine solche Bebauung genehmigt war, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde. Die Genehmigung durfte nur versagt werden, wenn durch die Teilung des Grundstücks Verhältnisse geschaffen wurden, die Vorschriften dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften zuwiderliefen. Durch Art. 11 BayBO 1982 sollte verhindert werden, dass durch die Neubildung von Grundstücken dem Bauordnungsrecht widersprechende Verhältnisse entstanden. Mit Gesetz vom 12. April 1994 (GVBl S. 211) hat der Landesgesetzgeber Art. 11 BayBO 1982 ersatzlos aufgehoben, da sich die Vorschrift als "überflüssig" erwiesen habe. Das Landesrecht kann somit nicht mehr verhindern, dass durch Grundstücksteilungen bauordnungsrechtswidrige Zustände geschaffen werden. Zu dem Bereich des Abstandsflächenrechts wird in der Gesetzesbegründung (LTDrs. 12/13482 vom 18.11.1993, S. 43) ausgeführt: "Fallen durch die Grundstücksteilung Abstandsflächen auf das neugebildete Grundstück, geschieht dem gesetzgeberischen Ziel der Abstandsflächenregelungen, vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO), kein Abbruch, da die neue Grundstücksgrenze an den vorhandenen Gebäudeabständen nichts ändert...". Entsprechendes muss für brandschutzrechtliche Bestimmungen gelten. Gegebenenfalls müssten gesonderte Anordnungen der Bauaufsichtsbehörde ergehen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Bebauung auf dem Grundstück des Klägers und dem seiner Ehefrau mit dem Wohngebäude im Süden und dem Gewerbebau im Norden bereits Anfang der 50er Jahre und somit vor Inkrafttreten der Bayerischen Bauordnung am 1. Oktober 1962 entstanden ist. Bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen können Anforderungen nach Art. 54 Abs. 4 BayBO nur gestellt werden, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss:

In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 19. September 2006 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 26.319,77 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 3 Satz 1, § 52 Abs. 3, § 47 GKG).

Ende der Entscheidung

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