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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 17.10.2003
Aktenzeichen: 7 B 02.2186
Rechtsgebiete: BayEUG, FOBOSO


Vorschriften:

BayEUG Art. 52 Abs. 2
BayEUG Art. 52 Abs. 3
BayEUG Art. 54 Abs. 4
FOBOSO § 30 Abs. 1
FOBOSO § 30 Abs. 2
FOBOSO § 31 Abs. 1
FOBOSO § 31 Abs. 2
FOBOSO § 43 Abs. 1
FOBOSO § 47 Abs. 1
FOBOSO § 48 Abs. 1
FOBOSO § 48 Abs. 4
Zum pädagogischen Beurteilungsspielraum und zur Berücksichtigung von Notentendenzen bei der Bildung einer Jahresfortgangsnote
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

7 B 02.2186

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Benotung;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 15. Juli 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Oktober 2003

am 17. Oktober 2003

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts W****** vom 15. Juli 2002 wird aufgehoben.

Das der Klägerin erteilte Jahreszeugnis der Fachoberschule der Stadt W****** für die Jahrgangsstufe 12 im Schuljahr 2000/2001 vom 23. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2002 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin ein neues Zeugnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren war notwendig.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wiederholte im Schuljahr 2000/2001 die 12. Jahrgangsstufe der Fachoberschule der Beklagten, Ausbildungsrichtung Sozialwesen. Mit Schreiben vom 23. November 2000 an den Schulleiter beantragte die Klägerin, ihre Legasthenie zu berücksichtigen; sie bat, die Rechtschreibung bei den Arbeiten nicht zu bewerten und die schriftlichen und mündlichen Leistungen im Verhältnis 1 : 1 zu werten. Dem Antrag legte sie u.a. ein nervenfachärztliches Gutachten vom 7. November 2000 und ein psychologisches Gutachten vom 30. Oktober 2000 bei.

Im Jahreszeugnis vom 23. Juli 2001 erhielt die Klägerin in den Fächern Englisch und Pädagogik/Psychologie jeweils die Note "mangelhaft"; im Zeugnis wurde vermerkt, dass sie die Prüfung gemäß Art. 54 Abs. 5 Satz 1 BayEUG nicht mehr wiederholen dürfe. Nach dem Notenbogen hat die Klägerin im Fach Pädagogik/Psychologie für schriftliche Leistungen die Noten +6, +5 (im 1. Halbjahr) sowie 4- (im 2. Halbjahr) erhalten, für mündliche Leistungen die Noten 4 (1. Halbjahr), +5, +3, 4 (2. Halbjahr) sowie für ein Fachreferat die Note 3; in der (schriftlichen) Abschlussprüfung erhielt die Klägerin die Note 5.

Mit Schreiben vom 6. August 2001 wandten sich die Klägerin und deren Mutter an den zuständigen Ministerialbeauftragten und baten um rechtliche Prüfung der Notenerstellung im Fach Pädagogik/Psychologie. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2001 beanstandete der Ministerialbeauftragte die Notengebung schulaufsichtlich und reichte die Angelegenheit zur nochmaligen Beratung an die Schule zurück.

Am 8. Oktober 2001 erörterte die Klassenkonferenz die Bildung der Jahresfortgangsnote der Klägerin. Bei der Errechnung der Gesamtnote der schriftlichen Leistungen ergebe sich der Wert 4,88. Dies ergebe nach dem KMS vom 19.11.1992 in der Regel die Note 5. Um zur Note +5 zu kommen, müsste der Wert der schriftlichen Leistungen um fast 1/10 zum Besseren abgeändert werden. Dies halte die Klassenkonferenz für nicht angemessen. Die positive Tendenz in der Leistungsentwicklung bei den schriftlichen Arbeiten der Schülerin (+6, +5, 4-) werde dabei gewürdigt. Allerdings sei die positive Tendenz zwischen der 2. und 3. Schulaufgabe nur noch recht gering, zumal die Note der 3. Schulaufgabe aus pädagogischen Gründen vom Fachlehrer recht milde erteilt worden sei. Weiterhin sei zu bedenken, dass die Gesamtnote der mündlichen Leistungen mit +4 bei einem arithmetisch errechneten Wert von 3,78 bereits ein für die Schülerin äußerst günstiges Ergebnis ergebe, denn für die Berechnung der Gesamt-Jahresfortgangsnote werde nun mit 3,65 weitergerechnet. Die Jahresfortgangsnote +5 sei deshalb bei der Würdigung des Gesamtleistungsbildes der Schülerin angemessen.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2001 teilte der Ministerialbeauftragte der Mutter der Klägerin dieses Ergebnis mit dem Bemerken mit, die von der Schule festgesetzte Jahresfortgangsnote sei vertretbar.

Den gegen das Jahreszeugnis im Hinblick auf die Jahresfortgangsnote im Fach Pädagogik/Psychologie eingelegten Widerspruch der Klägerin lehnte die Lehrerkonferenz vom 17. Dezember 2001 ab. Dies teilte die Beklagte den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2002 mit.

Die gegen das Jahreszeugnis und den Widerspruchsbescheid nunmehr erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht W****** mit Urteil vom 15. Juli 2002 ab. Würden die Leistungen der Klägerin im Fach Pädagogik/Psychologie mit der Jahresfortgangsnote "ausreichend" bewertet, ergäbe sich angesichts der Abschlussprüfungsnote "mangelhaft" ein Durchschnitt von 4,5, so dass es bei der Gesamtnote 5 bliebe (§ 47 Abs. 1 Satz 5 FOBOSO); insoweit sei bereits das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage zweifelhaft. Die Klägerin habe aber auch keinen Anspruch auf Bewertung ihrer Leistungen mit der Jahresfortgangsnote "ausreichend". Ob bei der Klägerin eine Legasthenie vorliege oder nicht, könne offen bleiben, weil die Berücksichtigung einer solchen Störung in der Regel mit Abschluss der Jahrgangsstufe 10 ende. Für die Klägerin errechne sich günstigstenfalls eine Jahresfortgangsnote von 4,56. Ob die Schule hieraus aufgrund irgend eines "pädagogischen Ermessens" die Note "ausreichend" hätte machen können, könne dahinstehen, weil jedenfalls aus Rechtsgründen eine Verpflichtung hierzu nicht bestehe - von dem vorerwähnten Umstand ganz abgesehen, dass der Klägerin insgesamt die Note ausreichend in diesem Fach nicht helfen würde.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung. Unter Heranziehung verschiedener Berechnungsmodelle führt die Klägerseite aus, dass die Jahresfortgangsnote der Klägerin unter Berücksichtigung der Tendenznoten rechnerisch zwischen 4,42 und 4,56 liegen müsse. Die Schule sei bei der Notengebung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen und habe auch von ihrem pädagogischen Beurteilungsspielraum nur grob fehlerhaft Gebrauch gemacht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts W****** vom 15. Juli 2002 und das Jahreszeugnis der Fachoberschule der Stadt W****** für die Jahrgangsstufe 12 im Schuljahr 2000/2001 vom 23. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2002 aufzuheben,

sowie die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ein neues Jahreszeugnis für die Jahrgangsstufe 12 und insoweit im Fach Pädagogik/Psychologie die Jahresfortgangsnote "ausreichend" zu erteilen,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein neues Jahreszeugnis für die Jahrgangsstufe 12 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen,

sowie die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Klage mangle es bereits am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Rechnerisch ergebe sich für die Klägerin eine Jahresfortgangsnote von 4,67, bei der der Lehrerkonferenz von vornherein kein pädagogischer Beurteilungsspielraum zugestanden habe. Darüber hinaus gebe es keine Anhaltspunkte für eine falsche oder unzutreffende Ausübung dieses Beurteilungsspielraums. Die behauptete Legasthenie der Klägerin habe nicht berücksichtigt werden müssen, zumal die Klägerin gegen die Ablehnung einer Anerkennung dieser Legasthenie durch den Schulpsychologen nichts unternommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im wesentlichen begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Hilfsantrag zu Unrecht abgewiesen, weil das Jahreszeugnis der Fachoberschule der Beklagten vom 23. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2002 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Notenbildung im Fach Pädagogik/Psychologie ist rechtsfehlerhaft, so dass die Klägerin einen Anspruch auf nochmalige Bildung der Jahresfortgangsnote und der Gesamtnote in diesem Fach sowie auf Erteilung eines entsprechenden neuen Zeugnisses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere teilt der Senat nicht die Zweifel des Verwaltungsgerichts am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage. Würde sich die Jahresfortgangsnote der Klägerin im Fach Pädagogik/Psychologie von 5 auf 4 verbessern, würde dies zusammen mit der Note 5 aus der schriftlichen Abschlussprüfung nicht automatisch weiterhin zur Gesamtnote 5 führen. Zum einen gibt in derartigen Fällen die Prüfungsnote gemäß § 47 Abs. 1 Satz 5 der Schulordnung für die Fachoberschulen und Berufsoberschulen in Bayern (Fachober- und Berufsoberschulordnung-FOBOSO) vom 10. März 1998 (GVBl S. 157, geändert durch Verordnung vom 23. Juni 2000, GVBl S. 404) lediglich "in der Regel" den Ausschlag; dies schließt mithin eine andere Entscheidung des Prüfungsausschusses nicht aus. Zum anderen müsste oder könnte sich die Klägerin dann gemäß § 45 Abs. 2 bzw. Abs. 1 Nr. 1 FOBOSO der mündlichen Prüfung unterziehen. Deren Ergebnis könnte gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 FOBOSO zu einer Verbesserung der Prüfungsnote und in der Konsequenz auch der Gesamtnote führen.

2. Die Klage ist im Hilfsantrag begründet.

Im Fach Pädagogik/Psychologie sind an der Fachoberschule in der Ausbildungsrichtung Sozialwesen in der Jahrgangsstufe 12 drei Schulaufgaben zu fertigen (§ 25 Abs. 1 FOBOSO i.V.m. Anlage 3). Die Jahresfortgangsnote wird deshalb gemäß § 31 Abs. 2 FOBOSO aus einer Note für die schriftlichen und einer Note für die mündlichen Leistungen gebildet, wobei der Note für die schriftlichen Leistungen doppeltes Gewicht zukommt. Gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 2 FOBOSO ist das Fach Pädagogik/Psychologie in der Ausbildungsrichtung Sozialwesen Gegenstand der schriftlichen Abschlussprüfung. Vor Beginn dieser schriftlichen Abschlussprüfung setzt die Klassenkonferenz gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 FOBOSO die Jahresfortgangsnoten fest. Nach der schriftlichen Abschlussprüfung und nach Abschluss einer etwaigen mündlichen Prüfung (vgl. § 45 FOBOSO) setzt der Prüfungsausschuss nach Maßgabe von Art. 52 Abs. 3 BayEUG und § 47 FOBOSO die Gesamtnoten fest. Aufgrund der Gesamtnoten entscheidet der Prüfungsausschuss sodann über das Bestehen der Abschlussprüfung. Diese ist u.a. dann nicht bestanden, wenn zweimal die Gesamtnote 5 erzielt wird (§ 47 Abs. 2 Satz 2 FOBOSO). Anschließend erhält der Schüler im Erfolgsfall gemäß Art. 54 Abs. 4 BayEUG i.V.m. § 48 Abs. 1 FOBOSO als Abschlusszeugnis das Zeugnis der Fachhochschulreife, bei erfolgloser Ablegung der Abschlussprüfung ein Jahreszeugnis gemäß § 48 Abs. 4 FOBOSO.

Im vorliegenden Fall sind die Gesamtnote der Klägerin im Fach Englisch (mangelhaft = 5) und ihre Note in der schriftlichen Abschlussprüfung im Fach Pädagogik/Psychologie (mangelhaft = 5) nicht strittig.

Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Bildung der Jahresfortgangsnote im Fach Pädagogik/Psychologie und die darauf basierende Bildung der Gesamtnote in diesem Fach. Die Schule hat insbesondere von ihrem pädagogischen Beurteilungsspielraum fehlerhaft Gebrauch gemacht.

a) Es erscheint fraglich, ob die arithmetische Berechnung der Jahresfortgangsnote im Fach Pädagogik/Psychologie durch die Schule den Vorgaben der Art. 52 Abs. 2 und 3 BayEUG und § 30 Abs. 1 und 2, § 31 Abs. 1 und 2 FOBOSO entspricht. Auszugehen ist dabei von den schriftlichen Noten +6, +5 und 4-, den mündlichen Noten 4, +5, +3, 4 sowie der Note 3 für ein Fachreferat.

Ausweislich des Protokolls der Klassenkonferenz vom 8. Oktober 2001, das hinsichtlich der Notenbildung dem schriftlichen Vermerk des kommissarischen Fachbetreuers für Pädagogik/Psychologie über die Nachkorrektur der Arbeiten der Klägerin vom 19. Juli 2001 entspricht, ergab sich für die Schule bei der Errechnung der Gesamtnote der schriftlichen Leistungen der Wert 4,88; dies ergebe nach dem KMS vom 19.11.1992 (Az. VII/7-13/168114) in der Regel die Note 5. Um zur Note +5 zu kommen müsse der Wert der schriftlichen Leistungen um fast 1/10 zum Besseren abgeändert werden, was die Klassenkonferenz für nicht angemessen halte.

Daraus wird deutlich, dass die Schule bei ihrer arithmetischen Berechnung die Notentendenzen - im Übrigen entgegen den Vorgaben des KMS vom 19.11.1992 - mit n,35 bzw. n,65 gleichsetzte. Dies erscheint mit § 30 Abs. 2 FOBOSO kaum vereinbar, wonach Zwischennoten nicht erteilt werden, jedoch Notentendenzen auf den Arbeiten angebracht werden können.

Für die mündliche Gesamtnote kommt die Schule - ohne dass dies unter Berücksichtigung der §§ 24, 27, 30 Abs. 2 Satz 1 FOBOSO nachvollziehbar wäre - zu einem arithmetisch errechneten Wert von 3,78, der bereits ein für die Schülerin äußerst günstiges Ergebnis ergebe, denn für die Berechnung der Gesamt-Jahresfortgangsnote werde nun mit 3,65 weitergerechnet. Auch die letztere Schlussfolgerung ist vor dem Hintergrund des § 30 Abs. 2 Satz 1 FOBOSO und der einschlägigen Schreiben des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus wohl kaum vertretbar.

Wie sich aus dem erwähnten schriftlichen Vermerk vom 19. Juli 2001 und der Erklärung des Schulleiters in der mündlichen Verhandlung ergibt, ist die Klassenkonferenz aufgrund ihrer Berechnungen zu einer arithmetisch ermittelten Jahresfortgangsnote von 4,55 gekommen.

Nach Auffassung des Senats könnte den normativen Vorgaben für die Notengebung, wonach Zwischennoten nicht erteilt werden (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 1 FOBOSO), etwa durch folgende Berechnung genügt werden: Aus den Noten für die Schulaufgaben ergibt sich die schriftliche Jahresfortgangsnote 5 (15 : 3); aus den erzielten mündlichen Noten ergibt sich die mündliche Teiljahresfortgangsnote 4 (16 : 4), die mit der Note 3 für das Fachreferat, das nach unstrittiger Praxis der Schule ein Gewicht von 1/3 der mündlichen Note besitzen soll, eine rechnerische mündliche Jahresfortgangsnote von 3,66 ((8 + 3( : 3 = 3,66) ergibt. Für die Jahresfortgangsnote sind die schriftlichen Leistungen doppelt zu werten, somit ergibt sich die rechnerische Note 4,55 ((10 + 3,66( : 3 = 4,55).

Da die Klassenkonferenz bei ihrer Entscheidung über die Jahresfortgangsnote ersichtlich - wenn auch auf einem anderen Rechenwege - von dieser arithmetisch ermittelten Note von 4,55 ausgegangen ist, hat sie nach Auffassung des Senats für ihre pädagogische Entscheidung über die Festsetzung der Jahresfortgangsnote insoweit eine vertretbare Tatsachengrundlage angenommen, die jedenfalls nicht zu Gunsten der Klägerin nach oben abzuändern ist.

b) Bei der Ausübung ihres pädagogischen Beurteilungsspielraums für die Notengebung hat die Klassenkonferenz jedoch die zu Gunsten der Klägerin sprechenden Gesichtspunkte nicht hinreichend berücksichtigt.

Für die Bildung der Jahresfortgangsnote (§ 31 FOBOSO) war gemäß Art. 52 Abs. 3 BayEUG die gesamte Leistung der Klägerin unter Berücksichtigung der einzelnen schriftlichen und mündlichen Leistungen unter Wahrung der Gleichbehandlung aller Schüler in pädagogischer Verantwortung der Lehrkraft (hier: der Klassenkonferenz, vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 FOBOSO) zu bewerten. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass - soweit es keine entsprechende normative Regelung gibt - keine strikte Bindung der Lehrer- bzw. Klassenkonferenz an eine rechnerische Gesamtnote besteht; vielmehr ist die Gesamtleistung des Schülers gemäß Art. 52 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BayEUG in pädagogischer Verantwortung unter Berücksichtigung der einzelnen Leistungen zu bewerten. Dies gilt insbesondere im Grenzbereich rechnerischer Gesamtnoten um 4,5. Insoweit steht der Klassen- bzw. Lehrerkonferenz ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer pädagogischer Beurteilungsspielraum zu (vgl. Beschluss vom 2.1.2002 Az. 7 ZE 01.2889; Beschluss vom 6.3.2001 Az. 7 CE 00.3667; Beschluss vom 18.1.1999 Az. 7 ZB 98.3030; Beschluss vom 10.12.1998 Az. 7 ZB 98.2777; Beschluss vom 23.1.1985 Az. 7 CE 84 A.3139 jeweils m.w.N.). Das Gericht darf daher seine pädagogischen Erwägungen nicht an die Stelle der Erwägungen der Schule setzen. Die fachlich-pädagogische Entscheidung der Klassenkonferenz bei der Notengebung beruht auf einer komplexen Bewertung aller Leistungen und der Gesamtpersönlichkeit des Schülers. Die Schule muss bei diesem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die die mit dem Schüler befasten Lehrkräfte im Laufe ihrer fachlich-pädagogischen Tätigkeit erworben haben. Diese komplexen, durch den Leistungs- und Entwicklungsstand des Schülers bedingten Erwägungen lassen sich nicht regelhaft erfassen; sie könnten grundsätzlich auch mit Hilfe von Sachverständigen vom Gericht nicht ersetzt werden. Die spezifisch fachlich-pädagogische Entscheidung über die Notengebung - insbesondere wie hier im Grenzbereich einer rechnerischen Gesamtnote um 4,5 - muss daher der Schule überlassen bleiben. Dennoch hat der betroffene Schüler auch in diesem Bereich einen Anspruch auf eine soweit wie möglich tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die Schule bei ihrer Entscheidung den Sinngehalt der einschlägigen schulrechtlichen Vorschriften verkannt hat, ob sie frei von sachfremden Erwägungen, also nicht willkürlich entschieden hat, und ob die der Entscheidung zu Grunde liegende pädagogische Wertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt ist, die - soweit notwendig - vollständig ermittelt wurden und einer sachlichen Überprüfung standhalten. Bestreitet ein Schüler diese Tatsachen und Feststellungen, so hat das Gericht dem nachzugehen. Schließlich muss die pädagogische Beurteilung in sich schlüssig und nachvollziehbar sein und darf den Erfordernissen rationaler Abwägung nicht widersprechen (vgl. BayVGH vom 16.10.2002 Az. 7 CS 02.2402; BayVGH vom 22.12.1992 BayVBl 1993, 310/311).

Vor diesem Hintergrund muss die pädagogische Entscheidung der Klassenkonferenz, - bzw. im Hinblick auf die Widerspruchsentscheidung - der Lehrerkonferenz, beanstandet werden.

Anhaltspunkte für das Zustandekommen der schulischen Bewertung bieten hier im wesentlichen nur die Protokolle über die Klassenkonferenz vom 8. Oktober 2001 und über die Lehrerkonferenz vom 17. Dezember 2001.

Danach sind zunächst die in der Summe positiven Notentendenzen (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 2 FOBOSO) der einzelnen schriftlichen Arbeiten (+6, +5, 4-) nicht berücksichtigt worden. Nach dem Protokoll vom 8. Oktober 2001 errechnete die Schule zwar insoweit eine Gesamtnote von 4,88, ging aber bei der weiteren Notenbildung von der schriftlichen Jahresfortgangsnote 5 aus. Die überwiegend positive Notentendenz der schriftlichen Leistungen spielte bei der weiteren Entscheidung ausweislich der Begründung keine Rolle. Der zweite Absatz der Begründung im Protokoll vom 8. Oktober 2001 bezieht sich lediglich auf die positive Tendenz in der Leistungsentwicklung, d.h. auf die im Laufe des Schuljahres aufsteigende Leistungsentwicklung. Dem gegenüber fand die überwiegende Notentendenz der einzelnen Leistungen in der Entscheidung der Schule keinen erkennbaren Niederschlag.

Ferner wurde aber auch diese aufsteigende Leistungsentwicklung bei den schriftlichen Arbeiten der Klägerin nicht sachgerecht gewürdigt. Das erwähnte Protokoll beschränkt sich insoweit auf die Aussage, die positive Tendenz in der Leistungsentwicklung werde gewürdigt. Daraus allein ist jedoch weder ersichtlich, worin diese Würdigung bestand, noch warum sie trotz des über das gesamte Schuljahr kontinuierlichen Leistungsanstiegs im Ergebnis keine Berücksichtigung fand. Der einzige Begründungsversuch liegt in der Anmerkung, die positive Tendenz zwischen der 2. und 3. Schulaufgabe (von +5 zu 4-) sei nur noch recht gering, zumal die Note der 3. Schulaufgabe aus pädagogischen Gründen vom Fachlehrer recht milde erteilt worden sei. Dabei verkennt die Klassenkonferenz jedoch, dass auch hier eine Steigerung um eine volle Notenstufe im Sinne des § 30 Abs. 1 FOBOSO gegeben ist und nicht etwa nur eine Tendenzveränderung innerhalb ein und derselben Notenstufe. Zudem erscheint der Hinweis, die Note der 3. Schulaufgabe sei vom Fachlehrer "recht milde" erteilt worden, sachfremd. Zum einen kann es nicht angehen, die Bewertung der 3. Schulaufgabe über die insoweit ohnehin angebrachte negative Notentendenz hinaus ohne nachvollziehbaren Grund gegenüber den beiden anderen Schulaufgaben weniger stark zu gewichten. Zum anderen ergibt sich insbesondere auch aus der Nachkorrektur auch der 3. Schulaufgabe durch den kommissarischen Fachbetreuer für Pädagogik/Psychologie und dem dazu gefertigten Vermerk vom 19. Juli 2001 kein Hinweis auf eine besonders milde Bewertung der 3. Schulaufgabe. Vielmehr kam auch die Nachkorrektur zum Ergebnis, dass die Korrektur sorgfältig und die Notengebung (4-) angemessen gewesen sei.

Ferner ist nicht erkennbar, dass die beiden positiven Notentendenzen bei den mündlichen Noten (+5, +3) gewürdigt wurden. Ausweislich des Protokolls vom 8. Oktober 2001 kam die Klassenkonferenz zwar zu einer mündlichen Jahresfortgangsnote von 3,65. Diese (bzw. 3,66) ergibt sich jedoch, da gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 FOBOSO Zwischennoten nicht erteilt werden, bereits aus der rechnerischen Einbeziehung der Note 3 für das Fachreferat. Die Schule ging demgegenüber fälschlich davon aus, dass die positiven Notentendenzen der mündlichen Leistungen bereits in die arithmetische Berechnung eingegangen seien. Insoweit sei angemerkt, dass die Note für das Fachreferat, die im Notenbogen zum Schuljahr 2000/2001 als "glatte 3" vermerkt ist, in die arithmetische Berechnung auch nur als diese Note gemäß § 30 Abs. 1 FOBOSO eingehen konnte, da Zwischennoten nicht erteilt werden. Soweit der Fachlehrer in seiner Stellungnahme vom 12. September 2001 zur Beschwerde der Klägerin darauf hinweist, dass die negative Notentendenz für das Fachreferat (3-) aus Unachtsamkeit nicht in den Notenbogen eingetragen, der Schülerin aber korrekt mitgeteilt worden sei, könnte dies allenfalls dazu führen, dass diese negative Notentendenz auch in die pädagogische Gesamtwürdigung der Schule einfließt.

Schließlich hat die Schule auch die geltend gemachte Legasthenie der Klägerin in keiner Weise berücksichtigt. Im Protokoll über die Lehrerkonferenz vom 17. Dezember 2001 ist lediglich die Feststellung eines Lehrers festgehalten, dass kein Attest über die Legasthenie der Klägerin vorliege, trotzdem seien pädagogische Spielräume zu Gunsten der Schülerin genutzt worden. Über Art, Umfang und Auswirkungen dieser angeblich zu Gunsten der Klägerin genutzten pädagogischen Spielräume gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Zudem steht die Frage, ob bei der Klägerin tatsächlich eine Legasthenie, d.h. eine Lese- und Rechtschreibstörung im Sinne von Ziffer I 1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 16. November 1999 (KWMBl I S. 379), geändert durch Bekanntmachung vom 11. August 2000 (KWMBl I S. 403) vorliegt, noch im Raum. Nach Ziffer IV Abs. 4 der Bekanntmachung vom 16. November 1999 endet die Berücksichtigung einer Lese- und Rechtschreibschwäche zwar in der Regel mit Abschluss der Jahrgangsstufe 10. Dies bezieht sich jedoch weder auf die Berücksichtigung einer Lese- und Rechtschreibstörung noch schließt es Ausnahmen von der Regel aus. Aufgrund der der Schule mit Schreiben der Klägerin vom 23. November 2000 vorgelegten Gutachten (nervenfachärztliches Gutachten vom 7. November 2000, psychologisches Gutachten vom 30. Oktober 2000 und psychologische Bestätigung vom 8. November 1991) bestehen beachtenswerte Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin an einer Legasthenie leidet. Dem kann mit dem bloßen Hinweis auf eine entgegenstehende Feststellung des Schulpsychologen vom Januar 2001 nicht entgegengetreten werden. Zum einen entfaltet die entsprechende Aussage des Schulpsychologen keine Bestandskraft oder sonst verbindliche Wirkung; die Klägerin ist jedenfalls dadurch nicht gehindert, weiterhin die Legasthenie geltend zu machen. Zum anderen geht der Senat - wie auch der Freistaat Bayern bereits in einem früheren Verfahren - davon aus, dass die Feststellung der Legasthenie ausschließlich der zuständige Facharzt trifft, während es die Aufgabe des Schulpsychologen ist, die Gutachten dahingehend zu überprüfen, ob alle der geforderten fünf Achsen des multiaxialen Diagnosesystems ausreichend beschrieben sind. Bei der Feststellung einer Legasthenie kommt den Schulpsychologen eine Koordinierungsfunktion zu; so tragen sie letztlich die Verantwortung dafür, dass bei einer abschließenden Beurteilung alle erforderlichen Faktoren eingeschlossen sind. Liegen Zweifel oder Unklarheiten vor, wendet sich der Schulpsychologe an die Fachkraft (vgl. BayVGH vom 31.7.2001 Az. 7 CE 01.103, 7 CE 01.103). Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus denkbar, dass bei der Klägerin eine Legasthenie anzunehmen ist, und dies gemäß der Bekanntmachung vom 16. November 1999 entsprechende Auswirkungen auf ihre schriftlichen Leistungen haben könnte. Zumindest erscheint es nahe liegend, diese Aspekte in die pädagogische Entscheidung über die erneute Notengebung bei der Klägerin einfließen zu lassen.

Trotz der dargestellten zu Gunsten der Klägerin bei der pädagogischen Entscheidung über die Notengebung zu berücksichtigenden Aspekte ist die nunmehr neu zu treffende Entscheidung nicht derart determiniert, dass der Senat sie im Sinne des Hauptantrags der Klägerin selbst treffen und der Klägerin im Fach Pädagogik/ Psychologie die Jahresfortgangsnote "ausreichend" erteilen könnte. Daher war - entsprechend dem Hilfsantrag - unter Aufhebung des Jahreszeugnisses vom 23. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2002 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein neues Zeugnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen, und die Klage bezüglich des Hauptantrags abzuweisen. Ob es sich bei dem neu zu erteilenden Zeugnis um ein Abschlusszeugnis im Sinne des § 48 Abs. 1 FOBOSO oder um ein Jahreszeugnis im Sinne des § 48 Abs. 4 FOBOSO handelt, wird davon abhängen, wie das zuständige schulische Gremium nunmehr die Jahresfortgangsnote der Klägerin festsetzen wird und welche Auswirkungen dies auf die Gesamtnote im Fach Pädagogik/Psychologie haben wird.

3. Die Berufung der Klägerin führte daher im dargestellten Umfang zum Erfolg. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da die Klägerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO wegen der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität der Angelegenheit notwendig. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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