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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: 7 B 03.1369
Rechtsgebiete: VwGO, GG


Vorschriften:

VwGO § 130 b Satz 2
GG Art. 4
GG Art. 4 Abs. 1
GG Art. 4 Abs. 2
GG Art. 5
GG Art. 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

7 B 03.1369

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Unterlassung;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Februar 2003

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. September 2005

am 29. September 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2002 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht München:

"Der Beklagten wird untersagt, ausdrücklich oder sinngemäß zu äußern oder äußern zu lassen:

1. Frau Gabriele Wittek, auf deren Neuoffenbarungen sich das Universelle Leben gründe, sage von sich: "Ich bin das Absolute Gesetz selbst." ohne dass die Beklagte hinzufügt bzw. hinzufügen lässt, dass nach der Lehre des Universellen Lebens darunter das göttliche Sein bzw. die göttliche Liebe zu verstehen sei, und dass jeder zu dem so verstandenen Absoluten Gesetz werde, der in Gott lebe;

2. das Universelle Leben sei vor allem durch die Merkmale einer Psychosekte gekennzeichnet: Der Mensch solle durch Umprogrammierung der Gehirnzellen seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werden;

3. das Universelle Leben sei als "totalitäre Sekte" zu bezeichnen und stehe in Verbindung mit Scientology."

Zur Begründung führte der Kläger aus, der Sektenbeauftragte der Beklagten Dr. Behnk habe Anfang Juni 1991 in Alzenau einen Vortrag gehalten, über den die Zeitung "Main Echo" u.a. berichtete:

"Während eines Seminars am Wochenende, das die evangelische Kirchengemeinde Peter und Paul veranstaltete, betonte der 53jährige Theologe und Pfarrer Dr. Behnk besonders "die Gefährlichkeit des etwa 10.000 Mitglieder zählenden "Universellen Lebens". Dieses sei nach seiner Sicht als totalitäre Sekte zu bezeichnen und stehe in Verbindung mit Scientology... Das "Universelle Leben" gründe sich auf die Neuoffenbarungen seiner Würzburger "Prophetin" Gabriele Wittek. Die 1933 bei Augsburg geborene Frau sage von sich: "Ich bin das absolute Gesetz selbst." Neben einem Ufo-Glauben sei die Gruppe vor allem gekennzeichnet durch die Merkmale einer Psychosekte: Der Mensch solle durch "Umprogrammierung der Gehirnzellen" seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werden."

Die Beklagte sei einer Aufforderung des Klägers, eine Unterlassungsverpflichtung abzugeben, nicht nachgekommen. Derartige Ehrabschneidungen gehörten seit Jahren zum festen Bestandteil des kirchlichen Verunglimpfungsrepertoirs, sie hätten wesentlich zur gesellschaftlichen Ausgrenzung der klägerischen Gemeinschaft beigetragen. Bei der Äußerung "Ich bin das absolute Gesetz selbst" handle es sich um ein unvollständiges Zitat; gemeint sei damit nicht, dass Frau Wittek für sich in Anspruch nehme, anderen Vorschriften machen zu können und zwar in absoluter Form. Der Begriff "Absolutes Gesetz" sei anhand der Lehren der Glaubensgemeinschaft zu ermitteln und könne nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Die Äußerung "Der Mensch soll seiner Persönlichkeit beraubt werden" sei ehrenrührig ebenso wie die Verwendung des Begriffs "Psychosekte". Die strittigen Äußerungen seien kein Einzelfall, sondern Teil eines Trommelfeuers, mit dem die Gemeinschaft des Klägers eingedeckt werde.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der Kläger als eingetragener Verein sei nicht aktiv legitimiert, da er nicht die Rechte der nicht verfassten Glaubensgemeinschaft geltend machen könne. Die Klage sei aber auch unbegründet. Der Vortrag des Sektenbeauftragten sei nur verkürzt, zum Teil verzerrt und unzutreffend wiedergegeben worden; insbesondere habe er die Äußerungen nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit dem Originaltext wiedergegeben. Der Begriff "Psychosekte" sei eine zulässige Meinungsäußerung, ebenso wie der Begriff "totalitäre Sekte". Die Beklagte unterliege keinem Neutralitätsgebot.

Mit Urteil vom 27. Februar 2003 wies das Verwaltungsgericht München die Klage ab.

Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus, die Beklagte könne sich auch in ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft auf den Schutz der Grundrechte berufen. Ihr Recht zu kritischen Äußerungen gegenüber anderen Glaubens- und Heilslehren folge aus Art. 4 und 5 GG. Es schließe auch das Recht ein, ohne Behinderung durch den Staat eine - auch scharfe - öffentliche Kritik an der Tätigkeit anderer Religionsgemeinschaften zu verbreiten. Bei Meinungsäußerungen sei eine Abwägung durchzuführen, die hier aber ergebe, dass die Äußerungen des Sektenbeauftragten zulässig seien.

Die Äußerung "Ich bin das absolute Gesetz selbst" sei richtig und nicht etwa verkürzt dargestellt worden; es sei kein Rechtsanspruch darauf erkennbar, dass dieses Zitat nur in Verbindung mit der Interpretation des Klägers verbreitet werden dürfe. Der Kläger könne der Beklagten nicht vorgeben, wie diese die Glaubenssätze des Klägers verbindlich zu verstehen habe. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe vom Grundsatz her der Begriff "Psychosekte" verwendet werden, ebenso der Begriff "totalitäre Sekte", jedenfalls solange genügend tatsächliche Anhaltspunkte hierzu vorhanden seien und nicht die reine Schmähkritik im Vordergrund stehe. Die Beklagte handle in ihrer Eigenschaft als Religionsgemeinschaft in dem Anliegen, eine in ihren Augen als gefährlich erachtete Gruppierung öffentlich zu kritisieren und vor ihr zu warnen. Dies müsse sich eine am öffentlichen Leben teilnehmende Glaubensgemeinschaft in einer pluralistischen Gesellschaft gefallen lassen. Im übrigen stehe es dem Kläger frei, seinerseits die Beklagte zu kritisieren, wovon er reichlich Gebrauch mache.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung mit Beschluss vom 1. März 2005 im Hinblick auf neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.

Mit seiner Berufung beantragt der Kläger,

das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und der Beklagten zu untersagen, ausdrücklich oder sinngemäß zu äußern oder äußern zu lassen:

1. Frau Gabriele Wittek, auf deren Neuoffenbarungen sich das Universelle Leben gründe, sage von sich: "Ich bin das Absolute Gesetz selbst.", ohne dass die Beklagte hinzufügt bzw. hinzufügen lässt, dass nach der Lehre des Universellen Lebens darunter das göttliche Sein bzw. die göttliche Liebe zu verstehen sei, und dass jeder zu dem so verstandenen Absoluten Gesetz werde, der in Gott lebe;

2. das Universelle Leben sei vor allem durch die Merkmale einer Psychosekte gekennzeichnet: Der Mensch solle durch Umprogrammierung der Gehirnzellen seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werden;

3. das Universelle Leben sei als "totalitäre Sekte" zu bezeichnen.

Bezüglich der Äußerung "Ich bin das absolute Gesetz selbst" trägt der Kläger vor, dass Falschzitate auch dann vorliegen könnten, wenn zwar der Wortlaut richtig wiedergegeben werde, aber der Sinn mehrdeutig sei. Der religiöse Meinungskampf führe nicht zu einer Schwächung der Grundrechtsposition des Klägers und auch nicht zu einer Stärkung der Äußerungsfreiheit der Beklagten, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts besonderen Bindungen und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 20. Februar 2003 erhöhten Sorgfaltspflichten bei der öffentlichen Äußerung von Meinungen unterliege. Bezüglich der Äußerung betreffend die "Psychosekte" trägt der Kläger vor, dass durch die Verbindung mit der Aussage von der Umprogrammierung der Gehirnzellen und der Absicht, die Menschen ihrer individuellen Persönlichkeit zu berauben, die Adressaten dieser Äußerung bestimmte Vorgänge tatsächlicher Art vermuten würden. Es liege letztlich eine Tatsachenbehauptung vor; die Beklagte habe deshalb eine besondere Sorgfaltspflicht gehabt. Im übrigen ziehe das Verwaltungsgericht die sog. Osho-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Unrecht zur Begründung seiner eigenen Meinung heran. Die Verwendung des Begriffs "totalitäre Sekte" stelle schließlich eine eindeutige, rechtlich unzulässige Schmähkritik dar. Eine konkrete und nachprüfbare Subsumtion des Tatsachenstoffes, der die genannte Wertung rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich. Auch sei der Kumulativeffekt der Beschimpfungen zu berücksichtigen.

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2003 teilte der Kläger mit, dass der Sektenbeauftragte der Beklagten in einem Interview mit einem Magazin seine Vorwürfe weiter verschärft und dort geäußert habe, dass die Glaubensgemeinschaft des Klägers "durch und durch totalitär" sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei der Äußerung "Ich bin das absolute Gesetz selbst" handle es sich um die eigene, vollständige Aussage der Frau Wittek. Soweit der Kläger diese Aussage für erläuterungsbedürftig halte, stehe es ihm frei, dies zu tun. Die Verwendung des Begriffs "Psychosekte" sei eine Wertung. Der Sektenbeauftragte habe sich sehr detailliert mit den Lehren und Äußerungen von Frau Wittek befasst. Dasselbe gelte für die Aussage zur "totalitären Sekte". Diese Äußerung habe der Bayer. Verwaltungsgerichtshof bereits im Jahr 1995 gebilligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am 21. September 2005 in der Sache mündlich verhandelt. Auf den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie auf die vorgelegten Akten wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat mit eingehender und zutreffender Begründung die Klage abgewiesen, so dass der Verwaltungsgerichtshof insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht (§ 130 b Satz 2 VwGO). Ergänzend ist folgendes auszuführen:

Der Verwaltungsgerichtshof lässt - jedenfalls was die Äußerung der Frau Wittek "Ich bin das absolute Gesetz selbst" betrifft - offen, ob der Kläger prozessführungsbefugt bzw. aktiv legitimiert ist (kritisch hierzu OLG Bamberg vom 13.12.2004 Az. 4 U 135/04); denn die Berufung ist jedenfalls in der Sache unbegründet.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach entschieden hat (grundlegend Beschlüsse vom 28.3.1994 NVwZ 1994, 787/789 und vom 18.12.1995 Az. 7 CE 95.2108), ergibt sich eine mangelnde Befugnis für die angegriffenen Äußerungen nicht bereits daraus, dass für die Kirche keine gesetzliche Grundlage besteht, die es ihr erlaubte, sich mit anderen konkurrierenden Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen auseinander zu setzen und diese dabei zu kritisieren. Aufgrund der Sonderstellung der Kirchen auch in ihrer Eigenschaft als Körperschaften des öffentlichen Rechts handelt es sich bei solcher Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht um Ausübung staatlicher Gewalt, für die allein das Erfordernis nach einer Ermächtigungsgrundlage gilt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich das Recht der Beklagten zu kritischen Äußerungen gegenüber anderen Glaubens- und Heilslehren und solchen Gemeinschaften grundsätzlich aus dem ihr zustehenden Recht aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG zur Wahrnehmung der Freiheit ihres Glaubens. Diese Freiheit umfasst entsprechend dem Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft den gesamten Bereich des religiösen und weltanschaulichen Lebens, des Werbens und der Propaganda für ihre Glaubensrichtung. Maßgeblich ist allein, inwieweit die Religionsgemeinschaft es für erforderlich hält, ihr religiöses Verständnis in der Welt zur Entfaltung und Wirksamkeit zu bringen. Sie ist nicht auf Äußerungen zu "christlichen Lehrinhalten" rein akademischer Natur beschränkt. Das Grundrecht der Religionsfreiheit gibt der Religionsgemeinschaft auch das Recht, ohne Störung durch den Staat eine - auch scharfe - öffentliche Kritik an der Tätigkeit anderer Religionsgemeinschaften zu verbreiten. Das auch diesen zustehende Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung gibt keinen Anspruch darauf, dass solche öffentliche Kritik unterbleibt und die Tätigkeit religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften als reines Internum anzusehen sei, denen ein "kritikfreier Raum" vorbehalten bleiben müsse (BayVGH vom 28.3.1994 NVwZ 1994, 787/789). Ein Unterlassungsanspruch gegenüber kritischen, abwertenden Äußerungen besteht damit grundsätzlich nur, wenn es sich bei den beanstandeten Äußerungen um unrichtige Tatsachenbehauptungen handelt. Ebenso wie im Bereich des Art. 5 Abs. 1 GG, dessen Grundsätze hier entsprechend herangezogen werden können (vgl. BVerfG vom 15.8.1989 NJW 1989, 3269), können Meinungsäußerungen als Werturteile im Bereich religiösen Wirkens in der Welt nicht schon dann untersagt werden, wenn sie grundlos, falsch oder emotional, nicht rational sind (BVerwG vom 11.11.1992 NJW 1993, 1845). Die Belange der Meinungsfreiheit treten nur dann regelmäßig zurück, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde, also als Formalbeleidigung oder Schmähkritik darstellt, wobei an eine solche Einstufung strenge Anforderungen zu stellen sind.

Tatsachenbehauptungen liegen dann vor, wenn sich die Richtigkeit der Gesamtbehauptung durch eine Beweiserhebung klären lässt, es sich also um beweisbare Vorgänge handelt. Demgegenüber sind Meinungsäußerungen in ihrem wesentlichen Inhalt durch Elemente des Meinens und Dafürhaltens gekennzeichnet und einem objektiven Richtigkeitsbeweis nicht zugänglich. Sind beide Äußerungsformen miteinander verbunden und macht dies gemeinsam den Sinn der Äußerung aus, so liegt dann insgesamt eine Meinungsäußerung vor, wenn das Gesamtergebnis durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird, insbesondere wenn durch eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte der Sinn der Äußerung aufgehoben oder verfälscht würde. Vermengen sich in einer Äußerung wertende und tatsächliche Elemente in der Weise, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, kann im Rahmen der Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechtspositionen die Richtigkeit der in der Meinungsäußerung enthaltenen tatsächlichen Behauptungen eine Rolle spielen. Enthält die Meinungsäußerung erwiesen falsche oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Religionsfreiheit im Sinne einer religiösen Meinungsfreiheit hinter das Grundrecht auf Religionsfreiheit der kritisierten Religionsgemeinschaft zurücktreten müssen. Es ist daher eine einzelfallbezogene Abwägung vorzunehmen.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, der Sektenbeauftragte einer öffentlich-rechtlichen korporierten Religionsgemeinschaft unterliege bei kritischen Äußerungen in der Öffentlichkeit über andere Glaubensgemeinschaften im Hinblick auf deren Grundrechte gesteigerten Sorgfaltspflichten, ist auf folgendes hinzuweisen: Grundsätzlich unterliegen die öffentlich-rechtlich korporierten Kirchen, soweit sie nicht ausnahmsweise hoheitliche Befugnisse wahrnehmen, im Rahmen der geistigen Auseinandersetzung mit anderen Religionen und sonstigen weltanschaulichen Fragen nicht den dem Staat gesetzten Grenzen. Sie sind also weder unmittelbar an die einzelnen Grundrechte gebunden noch unterliegen sie im übrigen denselben Beschränkungen, die für den Staat gelten, wenn er beispielsweise Informationen über weltanschauliche Gruppierungen gibt (vgl. hierzu zuletzt insbesondere BVerfG vom 26.6.2002 BVerfGE 105, 252 m.w.N.). Der Bundesgerichtshof weist allerdings daraufhin (BGH vom 20.2.2003 NJW 2003, 1308), dass andererseits für einen interessengerechten und dem Grundrechtssystem entsprechenden Ausgleich der betroffenen Rechtspositionen auch Berücksichtigung finden muss, dass die öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften allgemein einen erhöhten Einfluss in Staat und Gesellschaft haben und nutzen, und dass gerade auch die kirchlichen Sektenbeauftragten in den Augen der Öffentlichkeit eine gesteigerte Sachkompetenz genießen (so bereits BayVGH vom 28.3.1994 NVwZ 1994, 787/789) und damit auch eine erhöhte Verantwortung der Sektenbeauftragten korrespondiert. Wegen der besonderen Machtmittel und des erhöhten Einflusses auf Staat und Gesellschaft lägen den öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften die besonderen Pflichten des Grundgesetzes näher als anderen Religionsgemeinschaften (BVerfG vom 26.3.2001 NVwZ 2001, 908/909; BGH a.a.O., 1310). Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar erhebliche Zweifel, ob eine Anknüpfung an den Korporationsstatus ein geeignetes Kriterium zur Begründung einer erhöhten Verantwortung der Sektenbeauftragten ist (kritisch hierzu Wissmann, Verwaltungsarchiv 2005, 369). Ebenso wie der Bundesgerichtshof ist aber auch der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass von den (derzeit) öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften - auch außerhalb des ihnen übertragenen Bereichs hoheitlicher Befugnisse - in weitergehendem Umfang als von jedem Bürger Rechtstreue verlangt werden muss, insbesondere die Achtung der fundamentalen Rechte der Person, die Teil der verfassungsmäßigen Ordnung ist (BGH a.a.O. 1310 m.w.N.). Aus alledem ist zu folgern, dass von den (derzeit) öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften zwar nicht Neutralität verlangt werden kann, wohl aber ein angemessener Grad an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit (BGH a.a.O.; ebenso bereits BayVGH vom 28.3.1994 NVwZ 1994, 787/789). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs gilt diese erhöhte Sorgfaltspflicht nicht nur gegenüber anderen "Personen und Unternehmen", wie es nach Auffassung der Beklagten der Leitsatz 3 sowie die hierzu gegebene Begründung der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs nahe legen sollen. Denn aus den oben stehenden Ausführungen ergibt sich, dass die erhöhte Sorgfaltspflicht gerade auch gegenüber anderen nicht korporierten Religionsgemeinschaften bestehen muss.

Das ändert jedoch nichts daran, dass gerade gegenüber dem Kläger und den ihm zugeordneten Vereinigungen auch scharfe, plakative und überspitzte Formulierungen zulässig sind, zumal das Universelle Leben selbst die beiden großen korporierten Kirchen - und auch andere Institutionen - nachhaltig und heftig kritisiert (BVerfG vom 9.6.1994 NVwZ 1995, 471; BayVGH vom 18.12.1995 Az. 7 CE 95.2108).

Auch unter Beachtung der genannten gesteigerten Sorgfaltspflicht des Sektenbeauftragten sind die beanstandeten Aussagen durch die religiöse Äußerungsfreiheit der Beklagten gedeckt. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt hierzu auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil Bezug. Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:

a) Was die Äußerung des Sektenbeauftragten betrifft, Frau Wittek sage von sich: "Ich bin das absolute Gesetz selbst.", folgt ihre Zulässigkeit bereits daraus, dass es sich dabei um die Wiedergabe eines wörtlichen Zitats handelt, das richtig und nicht etwa verkürzt wiedergegeben wurde. Das Begehren des Klägers, er könne von der Beklagten verlangen, das Zitat stets nur zusammen mit der Interpretation wiederzugeben, "dass nach der Lehre des Universellen Lebens darunter das göttliche Sein bzw. die göttliche Liebe zu verstehen sei, und dass jeder zu dem so verstandenen Absoluten Gesetz werde, der in Gott lebe", greift demgegenüber nicht durch. Im religiösen Meinungskampf ist die Beklagte nicht an das Selbstverständnis des Klägers gebunden mit der Folge, dass der Kläger der Beklagten als Religionsgemeinschaft vorgeben könnte, wie die Beklagte die Glaubenssätze des Klägers verbindlich zu verstehen habe (vgl. z.B. BayVGH vom 28.3.1994 NVwZ 1994, 787 m.w.N.).

b) Im Rahmen der weltanschaulich-religiösen Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften ist schließlich auch die Äußerung des Sektenbeauftragten der Beklagten zulässig, dass die Gruppe des Universellen Lebens vor allem durch die Merkmale einer Psychosekte gekennzeichnet sei, da der Mensch durch "Umprogrammierung der Gehirnzellen" seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werde. Der Kläger führt zwar zu Recht aus, dass die Bezeichnung als Sekte ganz allgemein für kleine religiöse Gemeinschaften im heutigen gesellschaftlichen Bewusstsein weitgehend eine abwertende Komponente enthält. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf aber selbst der Staat, der im Gegensatz zur Beklagten dem Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität unterliegt, den Begriff "Psychosekte" verwenden, da derartige Äußerungen schon nicht den Schutzbereich des Grundrechts der Religions- oder Weltanschauungsfreiheit berühren (Urteil vom 26.6.2002 BVerfGE 105, 252/295 f.). Derartige Äußerungen enthalten nach der genannten Rechtsprechung keine diffamierenden oder verfälschenden Darstellungen, sondern bewegen sich im Rahmen einer sachlich geführten Informationstätigkeit über die betroffenen Gemeinschaften und wahren somit die selbst vom Staat geforderte Zurückhaltung. Dies muss erst recht für die Beklagte als Religionsgemeinschaft gelten, die - mit der genannten Einschränkung - grundsätzlich dem Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität nicht unterliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach mit den Äußerungen der Beklagten gegenüber der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben befasst (vgl. insbesondere BayVGH vom 28.3.1994 NVwZ 1994, 787; vom 18.12.1995 Az. 7 CE 95.2108). Er lässt offen, ob alle in diesen Entscheidungen nicht beanstandeten Äußerungen den o.g. erhöhten Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Sektenbeauftragten der Beklagten genügen. Jedenfalls sind die hier in Streit stehenden Äußerungen insoweit nicht zu beanstanden, als dort - letztlich im Zusammenhang - behauptet wird, bei der Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens handle es sich um eine totalitäre Psychosekte. Der Verwaltungsgerichtshof weist noch einmal (s. BayVGH vom 18.12.1995 Az. 7 CE 95.2108) darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, das wahre Wesen der Lehre des Universellen Lebens anhand einer Gesamtschau der von diesem herausgegebenen Schriften festzustellen. Das Gericht ist auch nicht zum Schiedsrichter im Streit zwischen Religionsgemeinschaften berufen. Es macht sich die Aussagen des Sektenbeauftragen weder zu eigen, noch stellt es fest, dass diese zutreffen. Alleiniger Gegenstand der Entscheidungen des Gerichts ist, ob sich aus den Schriften des Universellen Lebens hinreichende Anhaltspunkte für die Aussagen des Sektenbeauftragten ergeben und ob diese Aussagen noch vom Recht auf religiöse Meinungsfreiheit gedeckt sind. Dass die Nachforschungen des Sektenbeauftragten die Aussage tragen, bei der Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens handle es sich um eine totalitäre Organisation, hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach entschieden (s. zuletzt Beschluss vom 18.12.1995 Az. 7 CE 95.2108). Daran hat sich nichts geändert.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000 Euro festgesetzt (§ 72 Nr. 1 GKG i.V. mit § 13 Abs. 1 GKG a.F.). Da die noch vor dem Verwaltungsgericht beanstandete Äußerung, das Universellen Leben stehe in Verbindung mit Scientology, nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens war, war der Streitwert zu verringern.

Ende der Entscheidung

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