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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 7 B 05.2660
Rechtsgebiete: JAPO


Vorschriften:

JAPO § 32 a a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

7 B 05.2660

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Bewertung der 2. juristischen Staatsprüfung 2001/I

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Juli 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Juli 2006

am 12. Juli 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 12. Juli 2005 wird die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger unterzog sich im Termin 2000/1 der Zweiten Juristischen Staatsprüfung. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2001 eröffnete ihm das Bayer. Staatsministerium der Justiz - Landesjustizprüfungsamt -, dass er im schriftlichen Teil der Prüfung eine Gesamtnote von 3,59 Punkten (mangelhaft) erzielt und damit die Zweite Juristische Staatsprüfung nicht bestanden habe. In dem sich anschließenden Nachprüfungsverfahren gemäß § 30 a JAPO a.F. rügte der Kläger die Bewertung der zweiten schriftlichen Aufsichtsarbeit, die vom Erstkorrektor mit zwei Punkten und vom Zweitkorrektor mit vier Punkten bewertet wurde. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. Februar 2004 (Az. AN 2 K 01.01708) wurde der Beklagte verurteilt, die Aufgabe 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten; auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen. In der Urteilsbegründung heißt es u.a., der Kläger habe zu Recht bemängelt, dass der von ihm eingeschlagene Lösungsweg vom Erstkorrektor nicht als zutreffend bewertet worden sei, obwohl auch diese Lösungsvariante aufgrund der Mehrdeutigkeit des Sachverhalts als vertretbar hätte angesehen werden müssen; diesbezüglich habe der Kläger nach dem Klausursachverhalt vertretbar davon ausgehen können, dass hinsichtlich des Druckers keine Klage gewollt gewesen sei, da der Kläger im Klausursachverhalt diesen bereits bezahlt habe. Des Weiteren habe der Kläger zu Recht gerügt, dass der Punkt "Unterschrift aus der Bilddatei ausreichend" (A III 4 b d. Begründungsblattes) nicht zu seinen Gunsten bewertet worden sei.

In der auf dieses Urteil erfolgten undatierten erneuten Bewertung der Klausur Nr. 2 gelangte der Erstkorrektor abermals zu einer Bewertung mit zwei Punkten. Dabei führt der Erstkorrektor u.a. aus:

"Rubrum: Kläger und Beklagte statt Klägerin und Beklagte. Es fehlen: Wiederbeklagte und Wiederklägerin.

Im Tenor fehlt eine Entscheidung über die Zinsen. Ansonsten entspricht der Tenor dem im Urteil gefundenen Ergebnis.

Das Problem der ordnungsgemäßen Klageerhebung ist vertretbar abgehandelt. Die Problematik der Bilddatei ist dargestellt....

Auf Seite 5 folgt dann ein Hilfsgutachten, das die Zulässigkeit der Klageänderung bejaht. Das erscheint insofern widersprüchlich als im Urteil auf eine Klageänderung nicht eingegangen wird. Die Erörterung kann jedoch dahin verstanden werden, dass die Klageänderung zulässig wäre, wenn eine solche vorliegen würde....

Im Urteil selbst wird auf die Erledigterklärung nicht eingegangen. Es ist auf Grund der Bindungswirkung des Urteils des VG Ansbach vom 19.4. 2002 als vertretbar anzusehen, dass hinsichtlich des Druckers keine Klage gewollt war, und dass der Lösungsweg zutreffend und konsequent ist. Als Mangel kann und muss es jedoch angesehen werden, dass aus dem Urteil nicht klar wird, wie die Differenz zwischen den ursprünglich eingeklagten 4.000,00 DM und dem Antrag in der mündlichen Verhandlung (3.000,00 DM) prozessual behandelt wird.

.......

Zum Kaufpreis für den Drucker siehe oben. Das Problem des Anspruches aus Wandelung wäre jedoch in dem Hilfsgutachten, das sich nur mit der prozessualen Situation befasst, anzusprechen gewesen.

.....

Die Arbeit behandelt das Problem Computer - Fax ordentlich. Bei den anderen Kernproblemen der Arbeiten sieht es weniger gut aus. Auch ausgehend von der Vertretbarkeit des Lösungsweges stellt es einen schweren Mangel dar, dass im Urteil die Antragsänderung nicht behandelt wurde. Das Problem "fabrikneu" ist nicht gesehen; die Diskussion von c.i.c. ist in diesem Zusammenhang vertretbar (Begründung allerdings schwach), die Erörterung von Anfechtung, Sittenwidrigkeit und PVV nicht falsch, aber weit hergeholt. Über den Zinsantrag ist nicht entschieden. Insgesamt ist das Urteil wenig praxisgerecht. Von den weiteren Problemen sind einige gesehen, zahlreiche andere - auch im Hilfsgutachten - nicht erwähnt (siehe oben.). Eine gute Begründung findet sich zum Problem "Fax". Ansonsten bleiben die Ausführungen an der Oberfläche.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Arbeit brauchbare Aspekte enthält, die Schwächen aber deutlich überwiegen.

Eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung."

Mit Bescheid vom 6. Juli 2004 übermittelte das Landesjustizprüfungsamt dem Kläger das Ergebnis über die Zweite Juristische Staatsprüfung 2001/1 und gab ihm gleichzeitig das Ergebnis der Neubewertung der Aufgabe Nr. 2 bekannt.

Auf die gegen die erneute Bewertung der Prüfungsarbeit Nr. 2 mit zwei Punkten gerichtete Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht München den Beklagten, die Klausur Nr. 2 des Zweiten Juristischen Staatsexamens 2001/1 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts und unter Verwendung eines neuen Erstkorrektors neu zu bewerten.

Es sei bereits zweifelhaft, ob sich der Erstkorrektor bei der aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vorzunehmenden Neubewertung seiner Befugnis einer lediglich beschränkten Überprüfung bewusst gewesen sei. Der Korrektor bemängle nunmehr erstmalig, dass in der Klausur nicht klar werde, wie die Differenz zwischen den ursprünglich eingeklagten 4.000 DM und dem Antrag in der mündlichen Verhandlung (3.000 DM) prozessual behandelt werde. Im Vergleich zur ursprünglichen Klausurkorrektur werde dieser Mangel vom Erstkorrektor nunmehr erstmalig geltend gemacht; durch diese Neueinstellung eines (weiteren) Klausurfehlers ändere der Korrektor sein Bewertungssystem, wozu er infolge der Bindungswirkung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach sowie unter Beachtung der von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze einer Neubewertung nicht befugt gewesen sei. Er hätte sich darauf beschränken müssen, die festgestellten Bewertungsmängel zu bereinigen, um auf dieser Basis eine Neubewertung treffen zu können. Der in dieser Weise erstmalig gerügte Klausurmangel stelle dabei auch keinen berücksichtigungsfähigen Konsequenzfehler dar, denn die Klausurlösung des Klägers sei in sich schlüssig, möge sie auch im Ergebnis falsch sein, weil er in seiner Klausurlösung die Antragsänderung von DM 4.000 auf DM 3.000 völlig übersehe. Der Kläger gehe in seiner Klausur davon aus, dass er über einen Klageantrag in Höhe von DM 4.000 zu entscheiden habe. Hieraus werde deutlich, dass der Kläger über den in der mündlichen Verhandlung zur Entscheidung gestellten Antrag in Höhe von 3.000 DM hinausgegangen sei und sich über die in der mündlichen Verhandlung erklärte Antragsänderung hinweggesetzt habe. Diesen Mangel habe der Erstkorrektor weder in seiner ursprünglichen Bewertung noch in seiner Neubewertung gerügt. Vielmehr bemängle er nunmehr erstmalig und in der Sache zu Unrecht, dass die Behandlung der Antragsänderung "unklar" sei. Diese sei aber nicht unklar, sondern schlicht und ergreifend falsch, da sie vom Kläger offensichtlich übersehen worden sei. Die Neubewertung werde daher bereits aus diesem Grunde vom Kläger abermals zu Recht beanstandet. Das Gericht weise diesbezüglich allerdings darauf hin, dass bei einer Neubewertung unter Vermeidung der durch das Verwaltungsgericht Ansbach bereits festgestellten Fehler sowie des vorstehend beschriebenen Fehlers berücksichtigt werden könne, dass der Kläger über den Klageantrag hinausgegangen sei und damit § 308 ZPO verletzt habe.

Der Erstkorrektor habe zudem bei der Neubewertung sein ursprüngliches Bewertungssystem um einen weiteren Punkt unzulässig erweitert, indem er dem Kläger nunmehr vorwerfe, sein in der Klausurlösung entworfenes Urteil sei insgesamt "wenig praxisgerecht". Auch dieser Kritikpunkt sei völlig neu und dürfe anlässlich einer bloßen Korrektur der früheren Bewertungsmängel nicht in die Bewertung mitaufgenommen werden. Diese Prüferbemerkung sei auch nicht vom einer gerichtlichen Überprüfung unzugänglichen prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum erfasst, sondern stelle sich als eine Überschreitung dieses Bewertungsspielraums durch den Korrektor anlässlich der Neubewertung dar. Letztlich sei auch zweifelhaft, ob sich das vom Erstkorrektor getroffene Gesamturteil mit den zuvor getroffenen Feststellungen zu Vorzügen und Mängeln in der klägerischen Arbeit vereinbaren lasse. Insbesondere die Zusammenfassung im viertletzten Absatz der Neubewertung vermittle den Eindruck, dass es sich danach um eine trotz ihrer Mängel noch durchschnittlichen Anforderungen entsprechende und damit ausreichende Leistung handle.

Mit seiner Berufung beantragt der Beklagte,

das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts München vom 12. Juli 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürften bei der Neubewertung grundsätzlich neue Einwände erhoben werden, wenn sie in sachlichem Zusammenhang mit der Aufgabe des Prüfers stünden, die Prüfungsleistung fachlich richtig und gerecht zu bewerten. Unzulässig sei demnach nur das Nachschieben "beliebiger Gründe" oder eine Kompensation der fehlerhaften Kritik allein aus dem Grund, unter allen Umständen eine Verbesserung der Note auszuschließen. Bei der Neubewertung dürfe das der ursprünglichen Bewertung der Prüfungsarbeiten aller Prüflinge zugrunde gelegte Bewertungssystem, soweit es rechtmäßig sei, nicht verändert werden. Der Prüfer habe bei seiner Neubewertung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach zugrunde gelegt und deshalb die Lösung des Klägers, dass hinsichtlich des Druckers keine Klage gewollt gewesen sei, als vertretbar gewertet. Die Bemerkungen des Prüfers hierzu stellten jedoch nur eine Konsequenz dieser Bewertung nach den Vorgaben des Verwaltungsgerichts Ansbach dar. Angesichts des Grundsatzes der Chancengleichheit sei es sogar erforderlich gewesen, die Prüfungsleistung auf der neuen Grundlage auf ihre folgerichtige und sachgerechte Durchführung und Begründung hin zu bewerten. Deshalb sei die Rüge des Bewerters, dass die Differenz zwischen 4.000 DM und 3.000 DM im Urteil des Klägers offen bleibe, zu Recht erfolgt. Zu Recht stelle der Erstprüfer fest, dass sich das Problem, wie der Unterschied zwischen den eingeklagten 4.000 DM und den zuletzt beantragten 3.000 DM rechtlich zu erklären sei, gerade unter der Prämisse stelle, dass hinsichtlich des Druckers von vornherein keine Klage gewollt gewesen sei und insoweit keine einseitige Erledigungserklärung vorgelegen habe. Auch wenn die Lösung des Klägers, wie vom Verwaltungsgericht dargestellt, "in sich schlüssig" sei, sei sie dennoch falsch; davon gehe im Übrigen auch das Verwaltungsgericht aus, da es die Klausurbearbeitung in diesem Punkt selbst "als schlicht und ergreifend falsch" ansehe.

Die vom Erstprüfer gerügte fehlende Praxistauglichkeit ("wenig praxisgerecht") sei eine Folge dessen, dass der Kläger im Rahmen seiner Lösung die Antragsänderung nicht benannt habe. Im Übrigen müsse ein Prüfer auch bei Gelegenheit der Neubewertung auftauchende weitere Mängel nicht ignorieren, sondern sei verpflichtet, im Interesse der Chancengleichheit die Lösung des Prüfungsteilnehmers allenthalben leistungsgerecht zu beurteilen. Es stelle auch nicht zwangsläufig einen Bewertungsfehler der Neubewertung dar, wenn diese einen Satz enthalte, der in der ursprünglichen Bewertung nicht enthalten gewesen sei. Auch rechtfertige die Bemerkung zur fehlenden Praxistauglichkeit nicht die Annahme, der Bewerter habe sein Bewertungssystem geändert, da die Praxistauglichkeit einer Examensarbeit zu den allgemeinen Bewertungskriterien zähle. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestünden keine Zweifel daran, dass sich die vom Erstkorrektor getroffenen Feststellungen mit dem Gesamturteil vereinbaren ließen, da die Gesamtbewertung einer Prüfungsleistung ureigenste Aufgabe des Prüfers sei.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Begriff "praxisgerecht" spiele bei der Bewertung juristischer Staatsexamensarbeiten nur eine untergeordnete Rolle. Der Erstbewerter verwende bei der Neubewertung diesen Begriff zur Herabqualifizierung der Arbeit des Klägers, ohne dass dieser Begriff mit irgendwelcher Substanz unterlegt werde. Wenn man einem Prüfling vorwerfe, er habe eine Klageänderung übersehen und sich nicht mit dem Klageantrag beschäftigt, so möge die Arbeit insoweit falsch sein. Der Begriff "praxisgerecht" habe aber nichts mit der Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Urteils zu tun. Auch werde hierdurch ein neuer Bewertungsmaßstab in die Prüfung eingeführt. Der Beklagte habe nicht nachweisen können, dass der Prüfer bei der betreffenden Prüfungskampagne vielfach die "Praxisgerechtigkeit" als Bewertungsmaßstab verwendet habe. Somit habe er ein zusätzliches Bewertungskriterium nachträglich eingeführt. Fehler wie fehlende Praxisgerechtigkeit widerführen gerne Richtern zu Beginn ihrer beruflichen Karriere, aber auch Richtern in der Berufungsinstanz. Nicht alles, was juristisch richtig oder vertretbar sei, trage zugleich die Qualität eines guten, für jeden verständlichen Urteils in sich. Liege nach alledem durch die Einführung des Kriteriums der Praxisgerechtigkeit eine unzulässige Erweiterung des Bewertungssystems vor, so habe der Erstprüfer seine bereits aufgehobene Beurteilung wiederholt und lediglich am Ende hinzugefügt, dass er die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach beachtet habe. Dies sei nicht einmal ein - rechtliches - Lippenbekenntnis. Gäben die Prüfer zur Begründung ihrer Bewertung der Prüfungsleistung einen bestimmten Fehler an, so sei davon auszugehen, dass dieser Gesichtspunkt kausal für die Bewertung der Prüfungsleistung gewesen sei. Somit müsse vorliegend davon ausgegangen werden, dass die vom Prüfer bei der Erstkorrektur gegebenen Begründungen, die vom Verwaltungsgericht Ansbach beanstandet worden seien, kausal für die Prüfungsbewertung gewesen seien. Wenn diese Fehler jedoch keine Berücksichtigung mehr finden dürften, spreche eine gewisse Vermutung für eine Anhebung der vergebenen Note. Dies würde vom Prüfer vorliegend dadurch unterlaufen, dass er zusätzlich auf die angeblich fehlende Praxistauglichkeit abstelle.

Dem Verwaltungsgerichtshof haben die Behörden- und Gerichtsakten vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist begründet, da das Verwaltungsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben hat. Der angefochtene Bescheid des Bayer. Staatsministeriums der Justiz - Landesjustizprüfungsamt - ist ebenso wie die Neubewertung der Aufgabe 2 rechtmäßig und verletzt den Kläger schon deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); ein Anspruch auf erneute Neubewertung dieser Prüfungsaufgabe besteht deshalb nicht (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die erneute Bewertung der Leistung des Klägers bei der Aufgabe 2 hält entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts inhaltlich der gerichtlichen Überprüfung stand.

Diese Überprüfung hat sich darauf zu erstrecken, ob die Prüfer anzuwendendes Recht verkannten, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgingen, allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verletzten oder sich von sachfremden Erwägungen leiten ließen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Prüfer ihre Bewertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt haben, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob sie bei ihrer Bewertung den Zweck, dem die Prüfung dient, verkannt haben und ob ferner die Bewertung in sich schlüssig und nachvollziehbar ist und den Anforderungen rationaler Abwägung nicht widerspricht. Streiten Prüfling und Prüfer um die Beantwortung von Fachfragen, so ist dem Prüfling ein Antwortspielraum einzuräumen. Eine von ihm vorgetragene und mit gewichtigen Argumenten versehene fachlich vertretbare Antwort darf nicht als falsch gewertet werden, weil die Prüfer fachlich anderer Meinung sind als der Prüfling. Im Übrigen müssen Prüfer bei ihrem bewertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Prüfungspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und die sie allgemein anwenden. Die Bestehensgrenze, also der Maßstab für ungenügende Prüfungsleistungen, lässt sich nicht starr und ohne den Blick auf durchschnittliche Leistungen bestimmen. Daraus folgt, dass Prüfungsnoten nicht isoliert gesehen werden dürfen, sondern in einem Bezugsystem zu finden sind, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird. Hieraus resultiert ein prüfungsrechtlicher Bewertungsspielraum, der zwar im dargestellten Umfang der durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Kontrolle unterliegt. Prüfungsspezifische Wertungen bleiben dabei aber der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen.

Besonderheiten gelten allerdings dann, wenn aufgrund einer Klage gegen eine Prüfungsbewertung ein Verwaltungsgericht die Bewertung beanstandet und den Beklagten zur Neubewertung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet hat. Zwar wird sich in einem solchen Fall wegen der Rechtskraftwirkung des Urteils (§ 121 VwGO) die Befugnis des beanstandeten Korrektors auf eine Neubewertung unter Vermeidung des ursprünglichen Fehlers beschränken müssen (vgl. Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2, 4. Aufl. 2004, RdNr. 700). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14.7.1999 BVerwGE 109, 211 m.w.N.) verbietet der Grundsatz der Chancengleichheit gleichwohl die Beibehaltung einer Note selbst im Falle der (vom Gericht ausgesprochenen) Rücknahme eines Korrekturmangels nur, soweit sie auf einer Änderung des Bewertungssystems oder einem Nachschieben "beliebiger Gründe" beruht (BVerwG, a.a.O., 211). Selbst wenn der Prüfer eine als falsch bewertete, nunmehr jedoch als (aufgrund gerichtlichen Urteils) vertretbar anzusehende Lösung erstmals auf ihre sachgerechte Durchführung untersucht und sich auf dieser Grundlage neue Einwendungen ergeben, liegt nach dieser Rechtsprechung, der sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt (vgl. bereits Urteil vom 14.9.2000 BayVBl 2001, 244), keine Änderung des Bewertungssystems und kein unzulässiges Nachschieben "beliebiger Gründe" vor (BVerwG, a.a.O., 211/218). Dies bedeutet grundsätzlich, dass im Rahmen der Neubewertung auch neue Einwände erhoben werden dürfen, wenngleich diese in sachlichem Zusammenhang mit der Aufgabe des Prüfers stehen müssen, die Prüfungsleistung anhand des dem Prüfer eigenen Bewertungssystems fachlich richtig und gerecht zu bewerten. Neue Einwände dürfen, selbst wenn sie fachlich gerechtfertigt sind, nicht grundlos sein, insbesondere nicht auf eine nachträgliche und gleichheitswidrige Änderung der Prüfungspraxis hinauslaufen. Eine zugunsten des Prüflings notwendige Korrektur einer früheren nachteiligen Bewertung darf vor allem nicht durch neue nachteilige Einzelbewertungen zunichte gemacht werden, die ersichtlich nur erfolgen, um unter allen Umständen eine Verbesserung der Note auszuschließen. Dabei ist das Verschlechterungsverbot aber nicht berührt, wenn der Prüfer nach der Korrektur eines früheren Bewertungsfehlers die Prüfungsleistung anderweitig anhand der sich dann ergebenden Kriterien misst. Ergeben sich dabei neue Einwendungen, so stellen sie sich lediglich als Folge der Rücknahme der ursprünglichen Kritik dar. Die Berücksichtigung solcher Einwendungen bei der Neubewertung kann auch darum nicht als ein unzulässiges Nachschieben beliebiger Gründe angesehen werden, weil von den Prüfern nicht verlangt werden kann, bei jeder Einwendung gegen eine Prüfungsleistung hilfsweise zu erläutern, wie die Prüfungsleistung zu beurteilen wäre, wenn die Einwendung nicht zuträfe (BVerwG a.a.O., 211).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich im vorliegenden Fall folgendes:

1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Erstprüfer sein Korrektursystem nicht abgeändert, sondern die Prüfungsleistung des Klägers lediglich unter Berücksichtigung des verwaltungsgerichtlichen Urteils erneut bewertet. Nach den soeben genannten Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts zur Neubewertung von Prüfungsleistungen war es dem Erstprüfer nicht verwehrt, die aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach nunmehr als vertretbar anzusehende Lösung des Klägers (keine Klageerhebung bezüglich des Druckers in Höhe von 1.000 DM, da der Kaufpreis hierfür - nach Ansicht des Klägers - bereits bezahlt war) folgerichtig daraufhin zu untersuchen, ob sie auch sachgerecht durchgeführt worden ist, wozu der Erstprüfer nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit sogar verpflichtet war. Der Verwaltungsgerichtshof kann diesbezüglich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Lösung des Klägers schlüssig sei, da er die Antragsänderung in der mündlichen Verhandlung übersehen habe, nicht nachvollziehen. Gerade unter der Prämisse, dass hinsichtlich des Druckers von vornherein keine Klage gewollt war und insoweit keine einseitige Erledigungserklärung vorliegt, stellt sich in besonderer Schärfe die Frage, wie der Unterschied zwischen den eingeklagten 4.000 DM und den in der mündlichen Verhandlung zuletzt beantragten 3.000 DM rechtlich zu erklären ist. Der Prüfer bemängelt deshalb in seiner Bewertung zu Recht, dass aus der Arbeit des Klägers nicht klar hervorgehe, wie die Differenzierung zwischen den ursprünglich eingeklagten 4.000 DM und dem Antrag in der mündlichen Verhandlung auf Zahlung von 3.000 DM prozessual behandelt werde. Es mag zwar zutreffen, dass der Kläger die Antragsänderung völlig übersehen hat. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Bearbeitung des Klägers insoweit an einem erheblichen Mangel leidet. Ob sich dieser Mangel gerade als Folge daraus ergibt, dass - wie vom Verwaltungsgericht Ansbach vorgegeben - der Bewertung zugrunde gelegt wird, hinsichtlich des Druckers sei wegen der bereits erfolgten Zahlung in Höhe von 1.000 DM von Beginn an keine Klage gewollt gewesen, geht aus der Neubewertung nicht hervor. Als Konsequenzfehler beanstandet der Prüfer aber zu Recht, dass die Antragsänderung nicht behandelt wurde. Dass er einen solchen Fehler als schwerwiegend ansieht, unterliegt seinem gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum, für dessen Überschreitung keine Anhaltspunkte vorhanden sind. Soweit das Verwaltungsgericht der Auffassung ist, dass die Lösung des Klägers "in sich schlüssig" sei, ändert dies nichts daran, dass sie falsch ist, wie auch das Verwaltungsgericht hervorhebt ("schlicht und ergreifend falsch") und wovon auch der Erstprüfer ausgegangen ist (s. Absätze 5 und 7 der Neubewertung). Selbst wenn man dessen Bemerkung, im Urteil sei "nicht klar", wie die Differenz aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags behandelt werde, als Prüfungsmangel ansehen wollte, so fehlt es jedenfalls auch unter Zugrundelegung der Auffassung des Verwaltungsgerichts an der Kausalität, da diesbezüglich auch eine fehlerfreie Bewertung zu keinem günstigeren Ergebnis hätte führen können. Das Verwaltungsgericht ist im Übrigen selbst der Auffassung, dass der genannte angebliche Korrekturmangel im Rahmen einer weiteren Neubewertung berücksichtigt werden könnte.

2. Auch aus der Bemerkung des Erstbewerters, das Urteil sei insgesamt "wenig praxisgerecht", kann keine unzulässige Erweiterung des Bewertungssystems oder gar ein beliebiges Nachschieben von Gründen hergeleitet werden. Zum einen kann es nicht Sinn einer erneuten Bewertung sein, diese allein in den Punkten, die von der Bindungswirkung eines zur Neubewertung verpflichtenden Urteils umfasst sind, sprachlich abzuändern und im Übrigen die Bewertung wortgleich aufrechtzuerhalten (Niehues, a.a.O. RdNr. 693). Diese darf deshalb auch von der ursprünglichen Bewertung abweichende Sätze enthalten. Die Frage hinreichender Praxistauglichkeit einer Examensarbeit zählt essentiell zu denjenigen Bewertungskriterien, die - ausgesprochen oder unausgesprochen - bereits jeder Bewertung in einer Zweiten Juristischen Staatsprüfung zugrunde liegen (sollten). Denn gemäß § 43 Abs. 2 JAPO a.F. soll gerade die Zweite Juristische Staatsprüfung feststellen, ob dem Rechtsreferendar u.a. nach seinem praktischen Geschick die Befähigung zum Richteramt und zum höheren Verwaltungsdienst zugesprochen werden kann. Es bestand auch eine sachliche Rechtfertigung für den Erstprüfer, die fehlende Praxistauglichkeit erst im Rahmen der erneuten Bewertung ausdrücklich festzustellen, da sich die Frage der Antragsänderung aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach nunmehr in besonderer Intensität stellte. Des Weiteren stellt der Prüfer in seiner Neubewertung fest, dass im Rubrum die Wiederbeklagte und die Wiederklägerin nicht aufgeführt seien, im Tenor eine Entscheidung über die Zinsen fehle und auf Seite 5 innerhalb der Entscheidungsgründe ein Hilfsgutachten zur Zulässigkeit der Klageänderung folge. All dies rechtfertigt unter Beachtung des Beurteilungsspielraums des Prüfers den Vorwurf der fehlenden Praxistauglichkeit.

3. Der Senat hat im Übrigen keine Zweifel daran, dass sich die vom Erstkorrektor getroffenen Feststellungen mit dem Gesamturteil vereinbaren lassen. Der Prüfer hat die maßgeblichen Kriterien der Bewertung fehlerfrei dargelegt und dabei nachvollziehbar auf den aus seiner Sicht schweren Mangel der nicht behandelten Antragsänderung und weitere Mängel der Bearbeitung hingewiesen. Diese Sicht unterliegt dem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum des Prüfers.

Nach alledem war der Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. mit §§ 708 ff ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG i.V. mit II Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs, DVBl 1996, 605).

Ende der Entscheidung

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