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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.02.2008
Aktenzeichen: 7 B 06.2352
Rechtsgebiete: VwGO, BayEUG


Vorschriften:

VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
BayEUG Art. 86 Abs. 2 Nr. 9
BayEUG Art. 87
1. Bei der Entlassung aus einer Schule besteht grundsätzlich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der Form des Rehabilitationsinteresses.

2. Die Äußerung eines Schülers, "an dieser Schule könne auch so etwas wie in Erfurt passieren", kann von der Schule jedenfalls dann als eine die Entlassung rechtfertigende Drohung aufgefasst werden, wenn das Vorverhalten des Schülers dazu Anlass gibt (hier: Vermerk auf einer Stegreifaufgabe "Rache ist süß"; jahrelanges ungebührliches Verhalten)


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

7 B 06.2352

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Schulentlassung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Februar 2008

am 19. Februar 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen ihn ausgesprochenen Entlassung vom Gymnasium.

Der Kläger besuchte im Schuljahr 2004/2005 die 9. Jahrgangsstufe des *************-Gymnasiums in München. Mit Bescheid vom 29. März 2004 wurde ihm die Entlassung aus dem Gymnasium angedroht. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das Gymnasium mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2004 zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München.

Am 28. Juli 2004 äußerte der Kläger gegenüber seinem Klassenleiter unstreitig, dass an dieser Schule "auch so was wie in Erfurt passieren könne". Zwei Wochen zuvor hatte er auf einer Stegreifaufgabe im Fach Griechisch die Bemerkung "Rache ist süß" angebracht. Am 29. Juli 2004 fand eine Besprechung zu dem Vorfall vom Vortag zwischen u.a. dem Schulleiter und dem Vater des Klägers statt. Der Leiter des Gymnasiums verständigte am 30. Juli 2004 die Polizei, die daraufhin die Wohnung des Klägers durchsuchte, dort aber keine Waffen fand. Nachdem er das Klassenziel der Jahrgangsstufe 9 nicht erreicht hatte, legte der Kläger die ihm nach Einschaltung des Ministerialbeauftragten gewährte Nachprüfung ab und bestand diese im September 2004, so dass er im Weiteren die 10. Jahrgangsstufe besuchte. Mit Schreiben vom 17. September 2004 bat der Leiter des Gymnasiums den Kläger, sich bei der staatlichen Schulberatungsstelle zu einem schulpsychologischen Gespräch vorzustellen, um nach den Vorfällen zum Ende des abgelaufenen Schuljahres die Folgen für die Weiterführung eines geordneten Unterrichtsbetriebs und die Möglichkeiten einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit mit allen Schülern auszuloten. Laut Aktennotiz der staatlichen Schulberatung vom 27. September 2004 erschien der Kläger nicht zu diesem Gesprächstermin. Am 29. September 2004 erhielt der Kläger einen Verweis wegen unerlaubten Verlassens des Schulgebäudes. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2004 teilte das Gymnasium dem Kläger mit, die Untersuchung gemäß § 129 Abs. 1 GSO werde fortgesetzt, er erhalte Gelegenheit, sich nochmals ergänzend zu dem Vorfall vom 28. Juli 2004 zu äußern. Hierzu teilte der Kläger dem Schulleiter mit, er sei über dessen Vorgehensweise mehr als verwundert. Die ermittelnden Polizeibeamten hätten der Schule bereits am 2. August 2004 im Rahmen einer Unterredung unzweideutig mitgeteilt, dass aus den Äußerungen des Klägers einem Lehrer gegenüber keinerlei Gefahr weder für den Schulleiter noch für die Schule ausgehe. Bereits in der Besprechung vom 29. Juli 2004 habe der Kläger unzweideutig erklärt, dass es zu keiner Zeit eine Überlegung oder Absicht seinerseits gegeben habe, einen ähnlichen Vorfall wie in Erfurt geplant zu haben oder durchzuführen. Mit Schreiben vom 10. November 2004 wurde dem Kläger das vorläufige Untersuchungsergebnis gemäß § 129 Abs. 2 GSO mitgeteilt und eine erneute Äußerungsfrist bis 19. November 2004 gesetzt. Mit Schreiben vom 12. November 2004 wurde er aufgefordert, sich wegen seiner häufigen krankheitsbedingten Unterrichtsversäumnisse zu einer schulärztlichen Untersuchung vorzustellen.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 entließ das Gymnasium den Kläger von der Schule und sprach ein sofortiges Hausverbot aus. Durch die Äußerung des Klägers vom 28. Juli 2004, an dieser Schule könne auch so was wie in Erfurt passieren, habe der Kläger den Schulfrieden und die Ordnung der Schule erheblich gestört und massiv in die Rechte der im Gymnasium Lernenden und Arbeitenden eingegriffen. Die als Drohung zu verstehende Äußerung sei um so ernster zu nehmen, als der Kläger bereits zuvor auf einer Stegreifaufgabe im Fach Griechisch den schriftlichen Vermerk "Rache ist süß" angebracht habe. Auch habe der Kläger die Androhung der Entlassung nicht zum Anlass genommen, sein Verhalten zu verbessern.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, er habe nie eine Straftat geplant. Auch die ermittelnden Polizeibeamten hätten gegenüber dem Schulleiter erklärt, es gehe keine Gefahr vom Kläger aus. Er entspreche nicht dem Typ eines Amokläufers. Vielmehr hätten der Schulleiter und sein Vertreter den Kläger systematisch von der Schule verdrängen wollen.

In der Folgezeit wechselte der Kläger in das *******gymnasium.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2005 (Az. M 3 K 04.2859) wurde die Klage gegen die Androhung der Entlassung im Bescheid vom 29. März 2004 abgewiesen. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung wurde dagegen nicht gestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2005 wies das Gymnasium den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Dezember 2004 zurück. Dagegen erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Entlassungsbescheids.

Im Jahreszeugnis des *******gymnasiums vom 29. Juli 2005 erhielt der Kläger die Erlaubnis zum Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe nicht. Ein Antrag auf probeweises Vorrücken ist bestandskräftig abgelehnt. Er hat außerdem die Höchstausbildungsdauer überschritten.

Mit dem hier streitgegenständlichen Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2006 wies dieses die Fortsetzungsfeststellungsklage als unzulässig ab. Der angefochtene Verwaltungsakt der Schulentlassung habe sich dadurch erledigt, dass der Kläger seine Schullaufbahn an staatlichen oder staatlich anerkannten Schulen nicht mehr fortsetzen könne. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger im Schuljahr 2004/2005 am *******gymnasium das Klassenziel der 10. Jahrgangsstufe wiederum nicht erreicht und somit eine Vorrückenserlaubnis in die nächsthöhere Jahrgangsstufe nicht erhalten habe. Da der Kläger bereits die 9. Jahrgangsstufe habe wiederholen müssen, sei ein weiteres Wiederholen nicht zulässig. Dem Kläger stehe deshalb kein Feststellungsinteresse zur Seite, insbesondere sei ein Rehabilitationsinteresse nicht ersichtlich. Der Entlassungsbescheid lege dem Kläger zur Last, mit der Äußerung, "hier könne so etwas wie in Erfurt passieren", der Schule gegenüber eine Drohung ausgesprochen zu haben. Ein für den Kläger diskriminierender, ehrenrühriger Inhalt sei in diesem Verwaltungsakt nicht zu erkennen. Der Kläger werde in dem Bescheid der Schule weder einer Straftat oder deren Planung bezichtigt noch als potentieller Amokläufer bezeichnet. In diese Richtung gehende Formulierungen in der Presse seien nicht der Schule zuzurechnen. Auch eine angebliche Bezeichnung des Klägers als Waffennarr sei dem Bescheid nicht zu entnehmen.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung beantragt der Kläger,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 10. November 2004 (richtig: 7. Dezember 2004) in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 3. März 2005 rechtswidrig ist.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Ein Feststellungsinteresse sei im Wege des Rehabilitationsinteresses zu bejahen, da von der Schulentlassung eine bis jetzt andauernde Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ausgehe. Die Klage sei auch begründet, da der Kläger nie einen Amoklauf habe ankündigen wollen, er habe den Schulleiter nur vor einer derartigen Gefahr warnen wollen. Bei der von der Polizei durchgeführten Hausdurchsuchung seien keinerlei Waffen gefunden worden. Die Polizeibeamten hätten eindeutig erklärt, dass vom Kläger keinerlei Gefahr ausgehe. Es sei von der Schule nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger seit längerer Zeit als Rettungssanitäter tätig gewesen sei und nicht in das Täterprofil eines Amokläufers passe. Das Angebot der Schule zur schulpsychologischen Beratung habe er abgelehnt, da er die Straftat nie begangen habe. Trotz seiner angeblichen Gefährlichkeit sei dem Kläger bis zum 2. Dezember 2004 der reguläre Klassenunterricht gewährt worden. Auch sei kein kriminalpsychologisches Gutachten über das Täterprofil eines Amokläufers erstellt worden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der vorliegenden besonderen Fallgestaltung stehe dem Kläger kein Rehabilitationsinteresse zur Seite. Der Kläger versuche, aus einer (unzulässigen) ex-post-Betrachtung heraus sein Verhalten zu relativieren. Die Aufforderung der Schule, die darauf abgezielt habe, durch Gespräche an der schulpsychologischen Beratungsstelle eine Änderung des Verhaltens des Klägers herbeizuführen und die Möglichkeit einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit auszuloten, habe der Kläger ignoriert bzw. dezidiert abgelehnt und damit den Versuch seitens der Schule, deeskalierende Maßnahmen einzusetzen, unmöglich gemacht. Bemerkenswert sei diesbezüglich, dass der Kläger auf die Aufforderung, sich beim Schulpsychologen vorzustellen, mit einer Anzeige gegen den Schulleiter wegen Körperverletzung reagiert habe. Der Kläger habe in den vorausgehenden Jahren schon eine unglaubliche Vielzahl an Ordnungsmaßnahmen erhalten. Angesichts dieser Vorgeschichte sei die "Erfurt-Äußerung" um so ernster zu nehmen gewesen, zumal bereits vorher auf einer Stegreifaufgabe die Bemerkung "Rache ist süß" angebracht gewesen sei.

Die Behörden- und Gerichtsakten haben dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegen. Hierauf wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klage ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zwar zulässig (s. hierzu I), sie ist jedoch unbegründet (s. II). Das Verwaltungsgericht hat deshalb die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I.

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht das berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids verneint. Jedenfalls mit der endgültigen Beendigung der Schullaufbahn des Klägers an staatlichen Schulen hat sich die angefochtene Ordnungsmaßnahme erledigt. Der Kläger kann im vorliegenden Fall auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dartun. Allerdings rechtfertigt das Ziel, "Recht zu behalten", nicht das erforderliche berechtigte Interesse der begehrten Feststellung. Ein bloßes ideelles Interesse an der endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungshandelns ohne Rücksicht darauf, ob abträgliche Nachwirkungen dieses Handelns fortbestehen, denen durch gerichtliche Sachentscheidung wirksam begegnet werden kann, vermag ein Feststellungsinteresse nicht zu begründen (BayVGH v. 20.10.1998 NVwZ-RR 1999, 378 m.w.N.). So liegt der Fall hier aber nicht. Ein Rehabilitationsinteresse begründet ein Feststellungsinteresse dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist (st. Rspr., vgl. z.B. zuletzt BVerwG v. 4.10.2006 Az. 6 B 64/06 m.w.N.). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Kläger durch die streitige Maßnahme in seinem Persönlichkeitsrecht objektiv beeinträchtigt ist und die abträglichen Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes nur durch eine gerichtliche Sachentscheidung ausgeglichen werden können (BVerwG a.a.O.; VGH BW v. 8.5.1989 NVwZ 1990, 378). Für den Fall der Nichtversetzung eines Schülers wird ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit schon dann angenommen, wenn im Einzelfall nachteilige Auswirkungen auf die weitere schulische oder berufliche Laufbahn des Schülers nicht ausgeschlossen werden können (BVerwG v. 24.10.2006 NVwZ 2007, 227). Dies ist auch vorliegend zu bejahen. Bei dem Schulausschluss aus disziplinarischen Gründen handelt es sich um einen erheblichen Grundrechtseingriff, bei welchem dem Kläger Gelegenheit gegeben werden muss, die Berechtigung dieser Maßnahme gerichtlich klären zu lassen. Für den Kläger besteht (nach wie vor) ein Interesse daran, gegenüber seinen ehemaligen Mitschülern, der Schule, den Lehrern und insbesondere der Öffentlichkeit rehabilitiert zu werden, zumal auch in der Presse über ihn als möglichen Amokläufer berichtet wurde.

II.

Die Klage ist aber unbegründet. Die Entlassung aus dem *************-Gymnasium und das sich daran anschließende Hausverbot für Schulhaus und Schulgelände waren nicht rechtswidrig (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Ausschluss von der Schule ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig zu Stande gekommen.

Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist Art. 86 Abs. 2 Nr. 9, Art. 87 BayEUG. Danach kann die Lehrerkonferenz mit mindestens zwei Dritteln der Stimmen ihrer anwesenden stimmberechtigten Mitglieder einen Schulausschluss aussprechen, wenn die Schülerin oder der Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet hat (Art. 86 Abs. 7 BayEUG). Für die Wahl der Ordnungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maß die Erfüllung des Schulzwecks gestört oder gefährdet und die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt wurde, wie sie in Art. 131 BV, Art. 1, 2 BayEUG niedergelegt ist (BayVGH v. 2.9.1993 BayVBl 1994, 346 m.w.N.). Die Wahl der Ordnungsmaßnahme erweist sich damit als eine pädagogische Ermessensentscheidung. Bei dieser Ermessensentscheidung hat die Lehrerkonferenz (Art. 87 Abs. 1 BayEUG) bzw. der Disziplinarausschuss (Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEUG) darauf zu achten, dass die Ordnungsmaßnahme der Entlassung zur Schwere des zu ahndenden oder zu unterbindenden Verhaltens eines Schülers nicht außer Verhältnis steht. Die Entlassung greift empfindlich in die Rechtsstellung des betroffenen Schülers ein und ist mit nicht unerheblichen Nachteilen für ihn verbunden, auch wenn der entlassene Schüler seine Ausbildung an einer anderen Schule fortsetzen kann. In diesem gesetzlichen Rahmen ist die nach pflichtgemäßem Ermessen (Art. 40 BayVwVfG) zu treffende Entscheidung über die Entlassung vor allem von pädagogischen Erwägungen bestimmt, die sich daran auszurichten haben, ob ein Verbleiben des Schülers an der betreffenden Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags oder wegen des Schutzes Dritter, etwa der Mitschüler, nicht mehr hingenommen werden kann und ob dem Schüler in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet werden kann. Diese neben der objektiven Feststellung und Gewichtung der Schwere des Fehlverhaltens des Schülers vorwiegend nach pädagogischen Gesichtspunkten vorzunehmende Beurteilung der Person und des Verhaltens des betreffenden Schülers entzieht sich einer vollständigen Erfassung nach rein rechtlichen Kriterien und bedingt daher sachnotwendig, ähnlich wie bei sonstigen pädagogischen Werturteilen, einen Wertungsspielraum der Lehrerkonferenz. In diesen Bereich spezifisch-pädagogischer Wertungen und Überlegungen haben die Verwaltungsgerichte nicht korrigierend einzugreifen; sie können nicht anstelle der Lehrerkonferenz eigene pädagogische Erwägungen anstellen, zu denen sie sachgerecht auch nicht in der Lage wären. Trotz dieser Grenzen der gerichtlichen Kontrolle haben die Gerichte aber den gegen die Entlassung erhobenen Einwendungen nachzugehen und die pädagogische Bewertung der Schule auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Sie haben insbesondere zu kontrollieren, ob die Lehrerkonferenz mit der Entlassung gegen die vorstehend dargelegten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat. Der gerichtlichen Überprüfung obliegt es ferner, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat - solche Erwägungen wären im Rechtssinne als willkürlich anzusehen - und ob sie ihre Entscheidung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten. Bestreitet ein Schüler die Feststellung, auf denen die Entscheidung der Lehrerkonferenz beruht, so hat das Gericht dem nachzugehen (vgl. BayVGH a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Ordnungsmaßnahme der Entlassung des Klägers vom *************-Gymnasium als rechtmäßig anzusehen. Die dem Kläger zur Last gelegte Verfehlung geht über das hinaus, was das Gymnasium noch ohne Entlassung hinnehmen musste und nur mit einer weniger einschneidenden Ordnungsmaßnahme ahnden durfte. Dabei ist es rechtlich insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Schule hilfsweise auch auf das der Androhung der Entlassung zu Grunde legende Fehlverhalten des Klägers abgestellt hat. Das Verwaltungsgericht stellt hierzu in seinem rechtskräftigen Urteil vom 28. Februar 2005 (Az. M 3 K 04.2859) folgendes fest:

"Ausweislich der Niederschrift über die erste Sitzung des Disziplinarausschusses am 25. März 2004 waren Auslöser für die Ladung des Klägers vor dem Disziplinarausschuss zum einen der von dem Fachlehrer Latein erteilte Hinweis, dass der Kläger wiederholt die Hausaufgabe nicht angefertigt hatte, und auch der Aufforderung, seinen Lateinordner vorzulegen, nicht nachgekommen ist, zum anderen eine Beschwerde des Religionslehrers wegen wiederholt ungebührlichen Betragens im Religionsunterricht. Zu dem erstgenannten Vorwurf hat sich der Kläger nicht geäußert, er hat diesen auch nicht bestritten, die Beanstandungen des Religionslehrers, wie sie dieser in seinem Aktenvermerk vom 17. März 2004 festgehalten hat, wurden vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2004 zugestanden.

Bereits aus den Beanstandungen, die der Religionslehrer in seinem Aktenvermerk vom 17. März 2004 festgehalten hat, ergibt sich ein so erhebliches Fehlverhalten des Klägers, das eine schwerwiegende Ordnungsmaßnahme jenseits von Verweis und verschärftem Verweis rechtfertigt. Der Aktenvermerk enthält die Vorwürfe des vielfach gestörten Unterrichts, Fehlen der Mitarbeit im Unterricht, des Liegens auf mehreren Stühlen während des Unterrichts sowie anderweitige Verfehlungen des Klägers. Darüber hinaus wird dies auch durch die vom Religionslehrer in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2005 glaubhaft dargestellten Vorfälle hinsichtlich des Unterrichts störenden und beleidigenden Verhaltens des Klägers bestätigt, die vom Kläger nicht bestritten wurden. Die Äußerung gegenüber einem Lehrer, "heut sind wir mal wieder schwul", sowie das Auseinanderziehen des Hemdes des Lehrers mit der Bemerkung, er wolle nur mal sehen, ob dieser Brusthaare habe, stellen ein Verhalten dar, das aufgrund der Verletzung des betroffenen Lehrers nicht mehr als Schülerstreich angesehen werden kann, sondern zu Recht mit schwerwiegenden Ordnungsmaßnahmen zu ahnden ist.

.....

Er erhielt im Schuljahr 2002/2003 zahlreiche Hinweise wegen wiederholt fehlender Hausaufgaben, Unterrichtsstörungen, unflätiger Ausdrücke bzw. unangemessene Wortwahl, zwei Verweise wegen "unverschämter Äußerung" sowie "keine Mitarbeit, permanente Unterrichtsstörung" sowie einen verschärften Verweis wegen unverschämten Verhaltens gegenüber einer Lehrkraft. Dem verschärften Verweis lag der von dem Fachlehrer Wirtschaft und Recht als Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2005 dargestellte Vorfall zu Grunde, wonach der Kläger ihm einen Zettel auf den Rücken geklebt hat mit dem Text "riech mich, ich stinke". Dies wurde vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auch zugestanden.

Im Schuljahr 2003/2004 erhielt der Kläger bis zur streitgegenständlichen Androhung der Entlassung einen Verweis sowie einen verschärften Verweis wegen Verstoßes gegen die Hausordnung, Rauchen. Gegen die Umwandlung des ursprünglichen Verweises beim zweiten Vorfall in einen verschärften Verweis bestehen rechtlich keine Bedenken, da es sich innerhalb relativ kurzer Zeit um ein gleiches Fehlverhalten des Klägers handelte und daraus ersichtlich ist, dass er sich von der ersten Ordnungsmaßnahme unbeeindruckt zeigte. Soweit der Kläger den zum verschärften Verweis führenden Vorfall bestreitet, steht dieser zur Überzeugung der Kammer aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen ****** in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2005 fest. Weiterhin erhielt der Kläger im Schuljahr 2003/2004 zwei Verweise wegen fortgesetzter Unterrichtsstörung bzw. frecher Bemerkungen. Hinsichtlich des ersten dieser Verweise vom 12. Dezember 2003 hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Der Fachlehrer Wirtschaft und Recht hat darüber hinaus als Zeuge das zugrunde liegende Fehlverhalten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2005 glaubhaft geschildert. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird insoweit Bezug genommen.

Soweit der Kläger vorträgt, der zweite dieser Verweise vom 16. Januar 2004 sei zu Unrecht erteilt worden, da er sich nur gegen falsche Beschuldigungen zur Wehr gesetzt habe, ist dies nicht glaubhaft. Zum einen hat der Fachlehrer Wirtschaft und Recht als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2005 glaubhaft vorgetragen, er habe beim Kläger einen Verweis erteilt, weil dieser den Unterricht wiederholt gestört habe und dann auch im Rahmen eines Rechtfertigungsgesprächs eine Bemerkung gemacht habe, die er als persönliche Beleidigung angesehen habe.

Der vom Kläger als Zeuge benannte Mitschüler hat dazu in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2005 ausgesagt, der Kläger habe auf die Beschuldigung durch den Fachlehrer geantwortet: "Sie brennen doch". Ob der Kläger während der Unterrichtsstunde anderweitig den Unterricht gestört hat, ergibt sich aus der Aussage des Mitschülers nicht. Der erteilte Verweis ist jedoch nach Ansicht der Kammer zumindest nach der als beleidigend anzusehenden Äußerung des Klägers gegenüber dem Fachlehrer gerechtfertigt. Selbst wenn der Kläger vom Lehrer zu Unrecht beschuldigt worden sein sollte, rechtfertigt dies nicht, sich mit beleidigenden Äußerungen gegenüber dem Lehrer zur Wehr zu setzen.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, Respektlosigkeit habe er nur gegenüber der Lehrkraft Wirtschaft und Recht an den Tag gelegt, da dessen Fachkompetenz mehr als gering sei, führt dies nicht zum Erfolg. Zum einen kann dies aufgrund der verhängten Ordnungsmaßnahmen nur für das Schuljahr 2003/2004 zutreffen, da gleichartiges Fehlverhalten des Klägers im vorausgehenden Schuljahr jeweils von anderen Lehrkräften geahndet wurde. Zum anderen könnte, selbst wenn die Behauptung des Klägers über die Fachkompetenz des Klägers zuträfe, dies nicht das von dem Kläger an den Tag gelegte Verhalten rechtfertigen."

Der Verwaltungsgerichtshof kann offen lassen, ob diese über Jahre hinweg fortgesetzten ungebührlichen Verhaltensweisen des Klägers bereits als solche eine Entlassung vom Gymnasium gerechtfertigt hätten. Es ist der Schule jedenfalls zu bestätigen, dass sie gegenüber dem Kläger über längere Zeit hinweg große Geduld hat walten lassen. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch offen lassen, ob die unstreitige Bemerkung des Klägers, "hier könne so etwas wie in Erfurt passieren", und der schriftliche Vermerk "Rache ist süß" auf der Stegreifaufgabe im Fach Griechisch für sich gesehen eine Entlassung des Klägers gerechtfertigt hätten. Denn jedenfalls im Zusammenhang mit den massiven Verfehlungen des Klägers in den vorausgegangenen Jahren ist die verhängte Ordnungsmaßnahme rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es zulässig, Fehlverhalten des Schülers und darauf beruhende Ordnungsmaßnahmen aus einer vorausgegangenen Zeit zu berücksichtigen, besonders dann, wenn sich daraus ein andauerndes gleichartiges Fehlverhalten des Schülers ergibt. Gegenüber dem Kläger war im März 2005 die Androhung der Entlassung auf Grund der oben geschilderten Sachverhalte ausgesprochen worden. Zu Recht weist das Gymnasium im angefochtenen Bescheid darauf hin, dass die vorausgegangenen Ordnungsmaßnahmen, insbesondere die genannte Androhung der Entlassung einschließlich der im vergangenen Schuljahr vorausgegangenen diversen Ordnungsmaßnahmen, ohne jede erkennbare pädagogische Wirkung im Sinne einer Verhaltensänderung beim Kläger geblieben sind, und dass der Kläger sein unter anderem die Androhung der Entlassung auslösendes Verhalten in gleicher Weise beim gleichen Lehrer unbeeindruckt fortgesetzt hat. Vor diesem Hintergrund durfte das Gymnasium die Äußerung des Klägers, an dieser Schule könne auch so etwas wie in Erfurt passieren, und den Vermerk "Rache ist süß" objektiv als Bedrohungsszenario auffassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger, wie er vorträgt, die ihm vorgeworfene Bemerkung nur deshalb geäußert hat, weil er dem Klassenleiter vertraulich mitteilen habe wollen, dass es "gewisse Äußerungen anderer Schüler" gegeben habe (s. Niederschrift über die mündliche Verhandlung, S. 2). Abgesehen davon, dass der Verwaltungsgerichtshof diesen Relativierungsversuch des Klägers für wenig glaubhaft hält, ist insoweit nicht auf eine ex-post-Betrachtung des Klägers aus seiner subjektiven Sicht abzustellen, sondern darauf, wie der damalige Adressat der Äußerungen diese vernünftigerweise verstehen durfte. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die Polizeibeamten, die den Kläger vernommen haben, diesen für einen potentiellen Amokläufer hielten oder nicht.

Hinzu kommt, dass der Kläger das Angebot der Schule auf schulpsychologische Beratung abgelehnt hat. Wie aus der Niederschrift über die zweite Sitzung des Disziplinarausschusses vom 2. Dezember 2004 folgt, antwortete er auf die Frage, warum er sich einer schulpsychologischen Beratung verweigert habe, dass er die Notwendigkeit einer solchen Beratung nicht sehe und dass diese Forderung der Schule nicht angemessen sei. Es mache sich auch nicht gut in seinem Lebenslauf und seine Meinung von Psychologen sei "nicht sehr hoch". Zu Recht weist die Schule nach alledem darauf hin, dass der Kläger auch sämtliche angebotenen Hilfsmaßnahmen abgelehnt hat und dass eine gedeihliche, dem Bildungs- und Erziehungsauftrag entsprechende Zusammenarbeit mit der Schule nicht mehr möglich war. Der Kläger selbst hat einer zielführenden pädagogischen Zusammenarbeit die Grundlage entzogen und deutliche Signale gesetzt, mit der Schule auf Konfrontation gehen zu wollen. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat, bereits unmittelbar nach dem Vorfall vom 28. Juli 2004 gegenüber dem Kläger ein Hausverbot ausgesprochen wurde; denn ein solches wäre jedenfalls mit Beginn des Schuljahres 2004 konkludent wieder aufgehoben worden. Schließlich kann der Schule nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids im Dezember 2004 nach den genannten Äußerungen über vier Monate vergangen sind. Nach den auf den Vorfall folgenden Sommerferien hat die Schule den Zeitraum ab September 2004 dahingehend zu nutzen versucht, dem Kläger eine schulpsychologische Beratung angedeihen zu lassen, die dieser jedoch in schroffer Weise abgelehnt hat. Dass die sich daran anschließenden weiteren disziplinarischen Ermittlungen eine gewisse Zeit in Anspruch nahmen, entspricht dem normalen Verfahrensablauf.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 47 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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