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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 17.10.2006
Aktenzeichen: 7 BV 05.2898
Rechtsgebiete: RGebStV, BefrVO, BSHG


Vorschriften:

RGebStV § 5 Abs. 1 Satz 2
BefrVO § 1 Abs. 1 Nr. 7
BSHG § 76
Zur Ermittlung des Einkommens nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV ist das Nettoeinkommen des Rundfunkteilnehmers ohne Abzug von Werbungskosten o.ä. zugrundezulegen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

7 BV 05.2898

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Rundfunkgebühren;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. September 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Oktober 2006

am 17. Oktober 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wohnte im Zeitraum vom 1. Mai 2000 bis zum 15. Juli 2002 im Haus seiner Eltern in Neuss und betrieb dort im genannten Zeitraum ein Fernsehgerät, wie inzwischen unstreitig ist. Er befand sich während dieser Zeit in einem Ausbildungsverhältnis als Kachelofenbauer. Seine monatliche Ausbildungsvergütung betrug nach eigenen Angaben bis zum 31. Juli 2000 764 DM brutto/458,53 DM netto, vom 1. August 2000 bis zum 31. Juli 2001 964 DM brutto/768,80 DM netto, vom 1. August 2001 bis 31. Dezember 2001 1.215 DM brutto/968,96 DM netto sowie vom 1. Januar 2001 bis zum 15. Juli 2002 621,21 Euro brutto/493,87 Euro netto.

Unter dem 22. Juli 2003 unterschrieb der Kläger ein Formular "Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten", in dem unter der Rubrik "Bemerkungen" folgendes ausgeführt ist: "FS seit 18. Geburtstag im eigenen Zimmer i. H. d. E. Jetzt FS im eigenen Bereich in WG seit April 03. Damals Ausbildungsvergütung als Kachelofenbauer. Jetzt Zivi."

Mit Bescheid vom 3. März 2004 setzte der Beklagte rückständige Rundfunkgebühren für den Zeitraum Mai 2000 bis Dezember 2003 in Höhe von insgesamt 373,91 Euro fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2004 zurück.

Die am 9. Juni 2004 erhobene Klage begründete der Kläger insbesondere damit, dass er kraft Gesetzes von der Rundfunkgebührenpflicht befreit sei. Zwar habe sein Einkommen über dem jeweils gültigen relevanten einfachen Sozialhilferegelsatz gelegen; jedoch seien zur Ermittlung des maßgeblichen Nettoeinkommens zusätzlich noch die Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und zur Berufsschule, Mehraufwendungen für Verpflegung für die Zeit der Berufsschule, Aufwendungen für eine überbetriebliche Ausbildung in Münster sowie Prüfungskosten abzuziehen. Bei dieser Berechnung habe sein Einkommen jeweils unterhalb des für Neuss zum jeweiligen Zeitpunkt relevanten Sozialhilferegelsatzes (440 DM, 449 DM sowie 229,57 Euro) gelegen.

Mit Urteil vom 23. September 2005 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Der Einkommensbegriff des § 5 Abs. 1 Satz 2 RfGebStV decke sich nicht mit dem Einkommensbegriff aus dem Sozialhilferecht nach § 76 BSHG. Es sei vielmehr von dem Nettoeinkommen auszugehen, im Fall des Klägers also von der ihm ausbezahlten Ausbildungsvergütung.

Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung beantragt der Kläger zuletzt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 23. September 2005 den Bescheid des Beklagten vom 3. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2004 insoweit aufzuheben, als er den Gebührenzeitraum vom 1. Mai 2000 bis 31. Juli 2002 erfasst.

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seine bisherigen Ausführungen. Maßgeblich für die hier entscheidende Auslegung des Einkommensbegriffs müsse die Tatsache sein, dass die Teilnahme am Rundfunk auch Bürgern mit geringem Einkommen ermöglicht werden solle. Dies folge aus der Informationsfreiheit, die einerseits Bürger mit Sozialhilfe, andererseits auch jungen bzw. noch nicht voll erwerbstätigen Bürgern offen stehen solle. Die Vergünstigung im Rundfunkgebührenstaatsvertrag ziele darauf ab, allen Bürgern, die über wenig Mittel verfügen, eine Teilnahme am Rundfunk zu ermöglichen. Nach alledem seien von dem Nettoeinkommen insbesondere auch die Werbungskosten abzuziehen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zwar müsse im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot und das Grundrecht der Informationsfreiheit möglichst jedermann auch Zugang zum Medium Rundfunk haben. Der Gesetzgeber habe daher eine Befreiung von der jedermann treffenden Rundfunkgebührenpflicht für die Fälle vorgesehen, in denen der Informationszugang sonst wesentlich erschwert oder wegen einer nicht mehr angemessenen finanziellen Belastung der Rundfunkteilnehmer ausgeschlossen wäre. Im Falle der Haushaltsangehörigen habe der Gesetzgeber die Angemessenheitsgrenze auf den einfachen Sozialhilferegelsatz festgelegt. Dies sei angemessen, weil bei diesem Personenkreis regelmäßig davon auszugehen sei, dass der Informationsbedarf auch anderweitig im Rahmen der Haushaltsgemeinschaft gedeckt werden könne. Auch ein Haushaltsangehöriger, der nicht kraft Gesetzes gebührenbefreit sei, könne einen Antrag auf Befreiung nach § 6 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in Verbindung mit der hierzu erlassenen Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht stellen. Dort werde allerdings auf das Einkommen der gesamten Haushaltsgemeinschaft abgestellt und eine andere Einkommensgrenze festgesetzt.

Die Behörden- und Gerichtsakten haben dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegen. Hierauf sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2006 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet, da das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten erweisen sich als rechtmäßig. Der Verwaltungsgerichtshof weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 130 b Satz 2 VwGO zurück und nimmt hierauf Bezug. Ergänzend wird zur Frage der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens auf folgendes hingewiesen:

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags - RGebStV - vom 31. August 1991 in der für den hier maßgeblichen Zeitraum jeweils geltenden Fassung besteht eine Rundfunkgebührenpflicht auch nicht für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von Personen zum Empfang bereit gehalten werden, welche mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben und deren Einkommen den einfachen Sozialhilferegelsatz nicht übersteigt. Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen dieses Privilegierungstatbestandes nicht, weil sein damaliges Einkommen die für Nordrhein-Westfalen im maßgeblichen Zeitraum geltenden einfachen Regelsätze für einen Haushaltsangehörigen vom Beginn des 19. Lebensjahres an überstieg.

Im Rahmen der Ermittlung des Einkommensbegriffs des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht der sozialhilferechtliche Einkommensbegriff des § 76 BSHG heranzuziehen. Es ist vielmehr dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend von dem Nettoeinkommen auszugehen, im Fall des Klägers also von der ihm - nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen - ausbezahlten Ausbildungsvergütung, von der keine weiteren Abzüge vorzunehmen sind. Im Gegensatz zu der auf Antrag bestehenden Befreiungsmöglichkeit aus sozialen Gründen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 RGebStV in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21. Juli 1992 (BefrVO) in der hier maßgeblichen Fassung, die zur Bestimmung des maßgeblichen Einkommens ausdrücklich auf die §§ 76 bis 78 BSHG verwies (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 BefrVO), hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV gerade von einer solchen Bezugnahme abgesehen. Dies entspricht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs auch Sinn und Zweck der genannten Vorschriften. Der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 7 Sätze 1 und 2 BefrVO lag ersichtlich der Zweck zu Grunde, dass von der Rundfunkgebührenpflicht nur Personen befreit werden sollen, deren monatliches Einkommen zusammen mit dem Einkommen der Haushaltsangehörigen eine bestimmte, in § 1 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a bis d bestimmte Einkommensgrenze nicht übersteigt. Dabei kam es - im Gegensatz zu § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV - nicht auf das Einkommen des jeweiligen Haushaltsangehörigen, sondern auf dasjenige der gesamten Haushaltsgemeinschaft, die insoweit als Solidar- bzw. Bedarfsgemeinschaft gesehen wurde, an. Der Normgeber hatte diesbezüglich eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht wegen geringen Einkommens nur für die Haushaltsgemeinschaft insgesamt zugelassen. Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 7 BefrVO gingen deshalb dahin, dass innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft über geringe finanzielle Mittel verfügende Haushaltsangehörige eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nur erlangen konnten, wenn trotz bestehender Unterhaltspflichten des Haushaltsvorstandes gegenüber diesem Haushaltsangehörigen ein rechtfertigender Grund bestand; das bedeutet, dass innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nur dann in Betracht kam, wenn die Haushaltsgemeinschaft insgesamt als Solidargemeinschaft nicht in der Lage war, die geschuldeten Rundfunkgebühren aufzubringen. Dies setzte nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der den sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff des § 76 BSHG ausdrücklich in Bezug nahm, voraus, dass insbesondere entsprechende Werbungskosten in Abzug gebracht werden können.

Im Gegensatz dazu geht es bei der Freistellung weiterer Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von Personen zum Empfang bereit gehalten werden, welche mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben, nicht darum, diesem Personenkreis den Zugang zu einem Rundfunkempfangsgerät überhaupt zu ermöglichen. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass Haushaltsangehörige ihren Informationsbedarf auch anderweitig im Rahmen der Haushaltsgemeinschaft decken können. Für die vom Gesetzgeber im Rahmen der Privilegierung von Zweitgeräten Haushaltsangehöriger vorgenommene Grenzziehung, die sich am einfachen Sozialhilferegelsatz orientiert, durfte deshalb auf das Nettoeinkommen abgestellt werden. Dafür spricht auch, dass die Gebührenfreiheit von Zweitgeräten Haushaltsangehöriger nicht auf Antrag des Betroffenen in einem eigenständigen Verfahren festgestellt wird, sondern von Gesetzes wegen aufgrund der Angaben des Betroffenen zu gewähren ist. In einem derartigen Verfahren ist eine ins Detail gehende Überprüfung der Einkommensverhältnisse, wie sie der sozialhilferechtliche Einkommensbegriff erfordert, nicht möglich. Der Einkommensbegriff der §§ 76 ff. BSHG ist deshalb nicht auf § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV zu übertragen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine derartige Auslegung zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen wesentlichen Erschwerung oder gar zu einem Ausschluss des Informationszugangs (s. hierzu BVerfGE 90, 60) führen würde.

Da die Netto-Ausbildungsvergütungen des Klägers die jeweiligen einfachen Sozialhilfesätze für die genannten Zeiträume überschritten haben, bestand für den Kläger keine gesetzliche Ausnahme von der Rundfunkgebührenpflicht, wie das Verwaltungsgericht im einzelnen zutreffend dargestellt hat. Ein Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht wurde nicht gestellt.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verb. mit §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 373,91 Euro festgesetzt (§§ 71 Abs. 1, 72 Nr. 1 GKG n.F. i.V.m. § 13 Abs. 1 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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