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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.04.2006
Aktenzeichen: 7 BV 05.739
Rechtsgebiete: BayMG, GG, BVerfGG


Vorschriften:

BayMG Art. 33 Abs. 3
BayMG Art. 33 Abs. 4
BayMG Art. 33 Abs. 5
BayMG Art. 33 Abs. 6
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 3
BVerfGG § 31 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 BV 05.739

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Teilnehmerentgelt;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 2. Dezember 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 24. April 2006 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten vorläufig abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungsbescheid der Beklagten vom 24. März 2003, mit dem wegen des Kabelanschlusses in seinem Anwesen Asgardstraße 31, 81925 München, Teilnehmerentgelte für den Zeitraum von 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2002 in Höhe von insgesamt 36,54 Euro sowie Bescheidsgebühren und Auslagen in Höhe von 55,60 Euro festgesetzt wurden.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag, den Leistungsbescheid der Beklagten vom 24. März 2003 aufzuheben.

Die Beklagte besitze weder einen vertraglichen Anspruch gegen ihn noch erbringe sie ihm gegenüber Leistungen. Die Erhebung des Teilnehmerentgelts sei abgabenrechtlich unzulässig und verstoße zudem gegen den Gleichheitssatz; die Höhe des Entgelts sei gesetzlich nicht bestimmt.

Mit Urteil vom 2. Dezember 2004 wies das Verwaltungsgericht München die Klage ab. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache wurde die Berufung zugelassen.

Der Kläger hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2004 Berufung eingelegt mit dem Antrag, unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 2. Dezember 2004 den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2003 aufzuheben.

Zur Begründung wird vorgetragen, es sei bisher nicht ausreichend geklärt, für welche von der Beklagten erbrachten Leistungen das Teilnehmerentgelt in welchem Umfang verwendet werde. Der Rechtsnatur nach handle es sich weder um eine Steuer noch um eine Gebühr, sondern um eine unzulässige Sonderabgabe, die sich als Enteignung im Sinne des Art. 14 GG auswirke. Sie verstoße zudem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da nur die an das Kabelnetz angeschlossenen Rundfunkteilnehmer zur Zahlung herangezogen würden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beim Teilnehmerentgelt handle es sich um ein verfassungskonformes Finanzierungsinstrument des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems. Es werde aufgrund gesetzlicher Festlegung zur Finanzierung von Infrastrukturaufwendungen der Anbieter verwendet. Die Anknüpfung an das Übertragungsmedium Kabel sei nicht willkürlich, so dass die bestehende Ungleichbehandlung der Rundfunkteilnehmer gerechtfertigt sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Berufung, über die der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 130a VwGO unter den dort genannten Voraussetzungen ohne mündliche Verhandlung im Beschlusswege entscheiden kann, ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Leistungsbescheid vom 24. März 2003 zu Recht abgewiesen, da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Begründung kann auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen im angegriffenen erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden (§ 130 b Satz 2 VwGO). Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren ist noch Folgendes auszuführen:

Die Heranziehung zur Zahlung von Teilnehmerentgelten berührt entgegen der Auffassung des Klägers nicht dessen Eigentumsgrundrecht. In der Auferlegung von Geldleistungspflichten liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur ein Eingriff in das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfG vom 10. 3. 1998, BVerfGE 97, 332/340); dies gilt nach dem jüngst ergangenen Grundsatzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts auch für das Teilnehmerentgelt nach Art. 33 Abs. 4 bis 6 BayMG (BVerfG vom 26. 10. 2005, NVwZ 2006, 201/202). In den tragenden Gründen dieser Entscheidung hat das Gericht zugleich mit Bindungswirkung (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) festgestellt, dass die Regelungen über das Teilnehmerentgelt nicht gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 104 a ff. GG verstoßen, da der Zahlungsverpflichtung im Unterschied zur Steuer eine Gegenleistung in Gestalt der Möglichkeit zur Nutzung des Angebots von Kabelprogrammen gegenübersteht (BVerfG, a.a.O., 203); damit wird die bisherige Rechtsprechung des Senats bestätigt (BayVGH vom 21. 1. 1998, BayVBl 1998, 446/447; vom 9. 1. 1997, BayVGH n.F. 50, 124/129 f.). Wegen des gesetzlich begründeten Zusammenhangs mit einer (künftigen) Gegenleistung stellt das Teilnehmerentgelt auch keine Sonderabgabe dar, die angesichts der Schutz- und Begrenzungsfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung an spezielle Zulässigkeitsvoraussetzungen gebunden wäre (vgl. BVerfG vom 18. 4. 2004, BVerfGE 110, 370/387 ff. m.w.N.). Da das Grundgesetz keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabentypen enthält (BVerfG vom 17. 7. 2003, BVerfGE 108, 186/215), bedarf es hier entgegen der Forderung des Klägers keiner weitergehenden Klärung der "Rechtsnatur" des Teilnehmerentgelts.

Zur Höhe des Teilnehmerentgelts und zu dessen Verwendung finden sich im Bayerischen Mediengesetz und in der auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Teilnehmerentgeltsatzung hinreichend genaue gesetzliche Bestimmungen (Art. 33 Abs. 4 bis 6 BayMG, § 9 Abs. 1, § 10 TES). Ob die Beklagte die vereinnahmten Entgelte tatsächlich entsprechend den normativen Vorgaben in erster Linie lokalen und regionalen Fernsehanbietern zukommen lässt, um deren wirtschaftliche Tragfähigkeit und eine möglichst gleichwertige Versorgung mit lokalen und regionalen Fernsehangeboten sicherzustellen (Art. 33 Abs. 5 Satz 2 BayMG), bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Prüfung. Eine der gesetzlichen Zweckbindung widersprechende Mittelverwendung, wie sie im Vortrag des Klägers anklingt, würde an dessen kraft Gesetzes bestehender Zahlungspflicht nichts ändern. Dass das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Herstellung einer gleichgewichtigen Meinungsvielfalt im regionalen und lokalen Bereich vom verfassungsrechtlichen Gestaltungsauftrag des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gedeckt ist und prinzipiell auch auf dem Weg über eine finanzielle Förderung privatwirtschaftlich organisierter Rundfunkangebote erreicht werden kann, hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum bayerischen Teilnehmerentgelt bestätigt (BVerfG vom 26. 10. 2005, NVwZ 2006, 201/203). Allerdings wird durch die bestehenden medienrechtlichen Vorschriften nach Einschätzung des Gerichts nicht in der gebotenen Weise sichergestellt, dass die auf regionaler und lokaler Ebene bestehende Vielfalt der Meinungen innerhalb der geförderten Programme hinreichend zum Ausdruck kommt (BVerfG, a.a.O., 204 f.). Dieses verfassungsrechtliche Defizit bei der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG führt zwar zur Unvereinbarkeit der Regelungen über das Teilnehmerentgelt mit Art. 2 Abs. 1 GG. Im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung der vorhandenen lokalen Fernsehangebote und auf die ohnehin anstehende gesetzgeberische Überprüfung des Teilnehmerentgelts hat das Bundesverfassungsgericht aber die Anwendbarkeit der genannten Regelungen für eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2008 ausdrücklich zugelassen (BVerfG, a.a.O., 205). Gegen Entgeltansprüche der Beklagten, die schon in der Vergangenheit entstanden sind, können demzufolge ebenfalls keine Einwände erhoben werden.

Ob in der Anordnung der vorläufigen Fortgeltung des Art. 33 Abs. 3 bis 6 BayMG die unausgesprochene Feststellung liegt, dass das bayerische Teilnehmerentgelt - von dem erwähnten Regelungsdefizit abgesehen - als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen ist, kann hier offen bleiben. Selbst wenn eine so weitreichende Bindungswirkung der Entscheidung in Anbetracht der verfassungsgerichtlichen Befugnis, die Überprüfung einer Norm auf die ausdrücklich gerügten Grundrechtsverstöße zu beschränken (vgl. Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 2. Aufl., RdNr. 402 ff., 646 ff.), im Ergebnis abzulehnen sein sollte, könnte der Kläger mit seinen weiteren verfassungsrechtlichen Einwänden keinen Erfolg haben. Insbesondere liegt in der Beschränkung des Kreises der entgeltpflichtigen Personen auf die Inhaber von Kabelanschlüssen bei Anlagen der Deutschen Telekom AG sowie auf die Betreiber sonstiger Kabelanlagen (Art. 33 Abs. 3 BayMG) kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die mit der Entgeltregelung vorrangig bezweckte Förderung regionaler und lokaler Anbieter erfolgt unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen fast ausschließlich über das Medium des Kabels (vgl. BayVGH vom 23. 2. 2006, Az. 7 BV 05.1826); dementsprechend kommt auch die damit verbundene Erweiterung des Programmangebots bisher im Wesentlichen den Kabelnutzern und nicht bzw. nur am Rande den Inhabern von Satelliten- oder terrestrischen Empfangsanlagen zugute (zur diesbezüglich gebotenen einschränkenden Auslegung des Art. 33 Abs. 3 BayMG s. BayVGH vom 9. 1. 1997, VGH n.F. 50, 124/127 ff. sowie VerfGH vom 24. 3. 1999, VerfGH 52, 143/149 ff.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Abweichend davon können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36,54 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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