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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.05.2008
Aktenzeichen: 7 BV 07.3179
Rechtsgebiete: BaySchFG, GG
Vorschriften:
BaySchFG Art. 21 | |
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 6 Abs. 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Büchergeld;
hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 02. Juli 2007,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,
durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner
ohne mündliche Verhandlung am 21. Mai 2008
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten vorläufig abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung zur Bezahlung des sog. Büchergelds (Eigenbeteiligung für die Beschaffung von Schulbüchern).
Die beiden Kinder des Klägers besuchten im Schuljahr 2005/2006 die 10. und 13. Jahrgangsstufe des G.-Gymnasiums in B. Auf den Empfangsbestätigungen für die ausgehändigten Merkblätter teilte der Kläger der Schule jeweils mit, er halte das Büchergeld für rechtswidrig und werde es nicht bezahlen. Nach vorheriger Anhörung verpflichtete ihn daraufhin das Landratsamt Bad Tölz - Wolfratshausen mit Bescheid vom 20. September 2006 zur Zahlung des Büchergelds für das zurückliegende Schuljahr in Höhe von jeweils 40.- Euro.
Über den dagegen eingelegten Widerspruch wurde bisher nicht entschieden.
Am 15. Januar 2007 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,
den Bescheid des Landratsamts Bad Tölz - Wolfratshausen vom 20. September 2006 aufzuheben.
Die Bestimmung des Art. 21 BaySchFG verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG; außerdem stelle das Büchergeld eine nach Art. 2 Abs. 1 GG unzulässige Sonderabgabe dar.
Mit Urteil vom 2. Juli 2007 wies das Verwaltungsgericht München die Klage unter Hinweis auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 19. April 2007 ab.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Er beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 2. Juli 2007 aufzuheben und den Bescheid des Landratsamts Bad Tölz - Wolfratshausen vom 20. September 2006 aufzuheben.
Art. 21 BaySchFG enthalte eine gleichheitswidrige Differenzierung zwischen Eltern einerseits und Kinderlosen andererseits, da die Verpflichtung zur Zahlung von Büchergeld nur den Eltern auferlegt werde. Auch den Kinderlosen komme aber der mit der Schulbuchbeschaffung verbundene Vorteil zugute. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das zur Bestreitung des familiären Existenzminimums benötigte Einkommen, zu dem auch die Ausbildungskosten der Kinder gehörten, von der Besteuerung auszunehmen sei, müsse im vorliegenden Verfahren Beweis darüber erhoben werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Belastung von Eltern mit der Bezahlung von Büchergeld bei der einkommensteuerlichen Belastung berücksichtigt worden sei. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof habe sich in seiner vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidung nicht mit den für Sonderabgaben geltenden Grundsätzen auseinandergesetzt. Die Erhebung des Büchergeldes verstoße gegen die geltende Finanzverfassung. Es handle sich nicht um eine Benutzungsgebühr, da das Büchergeld nicht für die Nutzung einer von der Verwaltung bereitgestellten Einrichtung erhoben werde und somit nicht "gegenleistungsabhängig" sei. Es gehe dabei vielmehr um die Deckung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs. Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II. 1. Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Juli 2007 hält der Senat einstimmig für unbegründet, so dass darüber gemäß § 130a VwGO nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung im Beschlusswege entschieden werden kann. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Leistungsbescheid des Landratsamts Bad Tölz - Wolfratshausen vom 20. September 2006 zu Recht abgewiesen, da die Heranziehung des Klägers zur Zahlung des Büchergelds für das Schuljahr 2005/2006 rechtmäßig war und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden (§ 130b Satz 2 VwGO). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers ist noch Folgendes zu ergänzen:
a) In der gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung des Büchergelds liegt kein Verstoß gegen die im Grundgesetz enthaltene Finanzverfassung. Dabei kommt es nicht auf die vom Kläger aufgeworfene Frage an, ob die in Art. 21 Abs. 3 Satz 1 BaySchFG normierte Zahlungspflicht den vom Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit von Sonderabgaben aufgestellten Kriterien entspricht. Das Büchergeld ist nach seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung keine Sonderabgabe, sondern muss angesichts der in Art. 21 Abs. 2 und 3 BaySchFG zum Ausdruck kommenden Gegenleistungsabhängigkeit als eine Benutzungsgebühr qualifiziert werden. Wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19. April 2007 ausgeführt hat, erhalten die Schüler für die geleistete Abgabe "im Gegenzug für die Dauer eines Schuljahrs ein Nutzungsrecht an den ihnen überlassenen Schulbüchern" (VerfGH 60, 80/88). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 6.2.1979 BVerfGE 50, 217/226) stellt das Büchergeld keine Sonderabgabe, sondern eine Gebühr dar, nämlich eine öffentlich-rechtliche Geldleistung, die einen individuell zurechenbaren, von der öffentlichen Hand vermittelten Vorteil ausgleicht (Wertabschöpfung) bzw. als Ausgleich für den vom Einzelnen verursachten Aufwand (Kostenüberwälzung) erhoben wird (VerfGH 60, 80/89). Dass es sich hierbei anders als z. B. bei einer Kindergartengebühr um keine umfassende "Einrichtungsgebühr" handelt, mit der die Benutzung einer Sachgesamtheit pauschal abgegolten wird, steht der Qualifizierung des Büchergelds als Gebühr nicht entgegen; der allgemeine Gebührenbegriff erfasst auch Gegenleistungen für die Nutzung einzelner zum öffentlichen Vermögen gehörender Gegenstände insbesondere in Gestalt von Leihgebühren.
Dass beim Büchergeld alle Anforderungen eingehalten sind, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Erhebung und Bemessung nicht-steuerlicher Abgaben aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung ergeben, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung ausdrücklich festgestellt (VerfGH 60, 80/89 f. m.w.N.). Anders als bei den Studienbeiträgen, auf die der Kläger insoweit verweist, ist für das vereinnahmte Büchergeld nicht vorgesehen, dass ein bestimmter Anteil davon zweckgebunden für die Abdeckung bestimmter finanzieller Risiken zur Verfügung stehen muss. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht daher kein Anlass, die für die verfassungsrechtliche Einordnung maßgebliche Rechtsnatur als Gebühr auch nur partiell in Zweifel zu ziehen.
b) Soweit der Kläger in der Heranziehung der Eltern eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber kinderlosen Personen sieht, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Schon aus dem Begriff der Gebühr ergibt sich die Begrenzung des Kreises der Abgabepflichtigen auf diejenigen, denen die Gegenleistung unmittelbar zugute kommt, sowie auf die für sie unterhaltsrechtlich Verantwortlichen. Kinderlose Personen erlangen aus der Beschaffung von Schulbüchern, wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19. April 2007 ausgeführt hat, keinen durch die konkrete Überlassung der Bücher entstehenden Vorteil (VerfGH 60, 80/96). Die Forderung nach einer Beteiligung Kinderloser an der Finanzierung von Lernmitteln ist daher rein politischer Art und ändert nichts an der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Entscheidung des Gesetzgebers, die Schulbuchbeschaffung über eine Heranziehung nur derjenigen Personen zu finanzieren, die unmittelbaren Nutzen aus der Überlassung ziehen (VerfGH a.a.O. m.w.N.).
c) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es schließlich auch nicht auf die Frage an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die durch das Büchergeld entstehende finanzielle Belastung der Eltern bei der Bestimmung der einkommensteuerlichen Belastung berücksichtigt worden ist. Wie das Bundesverfassungsgericht zuletzt in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2007 (BayVBl 2008, 238) unter Hinweis auf frühere Entscheidungen dargelegt hat, muss zwar der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Einkommensteuer die jeweiligen Familienverhältnisse berücksichtigen und den grundrechtlich gebotenen Familienlastenausgleich vornehmen. Diese Verfassungspflicht trifft aber nach der genannten Rechtsprechung, auf die sich auch der Kläger bezieht, nur den Bundesgesetzgeber bei der Festlegung der direkten Steuern, nicht dagegen den Landesgesetzgeber, der bei der Erhebung von familienbezogenen Gebühren die Gesamtabgabenbelastung der einzelnen Familien weder überblicken noch gar in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht aktiv gestalten kann. Um seiner allgemeinen Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 1 GG zu genügen, darf sich der Landesgesetzgeber daher, wie in Art. 21 Abs. 4 BaySchFG geschehen, auf die Normierung bestimmter pauschaler Befreiungstatbestände wegen wirtschaftlicher Härte beschränken; die darüber hinaus gebotene Berücksichtigung des kinderbezogenen Mehraufwands im Rahmen der Einkommensteuer kann und muss er dem Bundesgesetzgeber überlassen. Selbst wenn die geltenden einkommensteuerrechtlichen Vorschriften insoweit unzureichend sein sollten, hätte dies demnach nicht die Unwirksamkeit der landesrechtlichen Verpflichtung zur Büchergeldzahlung, sondern allenfalls die - partielle - Verfassungswidrigkeit der Einkommensteuerpflicht zur Folge. Dem vom Kläger in der Berufungsbegründung gestellten Beweisantrag kommt für das vorliegende Verfahren daher keine Entscheidungserheblichkeit zu. 2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 80.-- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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