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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.12.2003
Aktenzeichen: 7 CE 03.2722
Rechtsgebiete: VwGO, BayKi, SGB VIII
Vorschriften:
VwGO § 123 Abs. 1 Satz 2 | |
BayKiG Art. 2160 | |
BayKiG Art. 7 | |
BayKiG Art. 15 | |
SGB VIII § 24 | |
SGB VIII § 5 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen
Zuweisung eines Kindergartenplatzes (Antrag nach § 123 VwGO);
hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. September 2003,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat, durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller ohne mündliche Verhandlung am 2. Dezember 2003 folgenden
Beschluss:
Tenor:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Im September 2002 meldeten die Eltern den am 6. Januar 2000 geborenen, im Gebiet der Antragsgegnerin wohnenden Antragsteller zum Besuch des Gemeindekindergartens Hohenbrunn an. Daraufhin sagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16. Juni 2003 einen Platz im Kindergarten St. Magdalena in Ottobrunn zu, der ab Beginn des neuen Kindergartenjahres im September 2003 zur Verfügung stehe. 21 freien Kindergartenplätzen in Hohenbrunn seien 69 Anmeldungen von Hohenbrunner Kindern gegenüber gestanden. Daher habe die Antragsgegnerin die Plätze danach verteilt, ob ein Geschwisterkind bereits im Kindergarten ist, ferner nach sozialen Gründen (z.B. allein erziehender Elternteil), nach dem Alter des betreffenden Kindes und der Berufstätigkeit der Eltern. Da im Falle des Antragstellers nur der letzte Punkt (Berufstätigkeit der Eltern) zugetroffen habe und demgegenüber zahlreiche Kinder angemeldet worden seien, bei welchen bereits Geschwisterkinder den Kindergarten Hohenbrunn besuchten oder Anmeldungen älterer Kinder vorgelegen hätten, habe der Antragsteller bei der Platzvergabe für den Kindergarten Hohenbrunn nicht berücksichtigt werden können.
Den wegen der lokalen Zuordnung des Kindergartenplatzes dagegen eingelegten Widerspruch wies das Landratsamt München mit Bescheid vom 23. Juni 2003 zurück. Es gebe keinen Anspruch auf Zugang zu einem bestimmten Kindergarten im Gemeindegebiet. Mit dem Angebot eines Kindergartenplatzes in der Katholischen Kindertagesstätte St. Magdalena in Ottobrunn habe die Antragsgegnerin ihre gesetzliche Verpflichtung erfüllt. Der angebotene Kindergartenplatz befinde sich vom Wohnort des Antragstellers in einer Entfernung von sieben Kilometern, die Fahrzeit betrage rund elf Minuten. Damit habe die Antragsgegnerin einen Kindergartenplatz in räumlicher Nähe zum Wohnbezirk der Eltern angeboten. Die Orientierung an der Benutzungsordnung bei der Platzvergabe sei nicht ermessensfehlerhaft. Es seien dabei sachgerecht Geschwisterkinder, soziale Härten und das Kriterium möglichst großer Wohnortnähe zu berücksichtigen. Insgesamt hätten 27 (von 69) Kinder aus Hohenbrunn, welche den Kindergarten zu Fuß erreichen könnten, einen Platz in St. Magdalena oder Riemerling-Ost erhalten. Die Eltern des Antragstellers müssten dagegen - egal zu welchem Kindergarten - in jedem Fall mit dem Auto fahren. Selbst wenn also nur diese lokale Zuordnung ausschlaggebend gewesen wäre, hätte der Antragsteller keinen Platz im Kindergarten Hohenbrunn erhalten.
Über die gegen diese Bescheide erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München noch nicht entschieden.
Den Antrag, dem Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung einen Kindergartenplatz im Gemeindekindergarten Hohenbrunn zu verschaffen, lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 10. September 2003 ab.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Da im Gemeindekindergarten Plätze für sogenannte "Notfälle" vorgehalten würden, könnte der Antragsteller auch nachträglich - ohne Platztausch mit anderen Kindergärten - in den Wunschkindergarten aufgenommen werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liege für den Antragsteller ein wesentlicher Nachteil im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO vor. Zum einen sei er auf einen Platz in einer anderen Gemeinde verwiesen worden. Zum anderen seien die "naturräumlichen Gegebenheiten" bei der Zuweisung von Kindergartenplätzen nicht beachtet worden. Schließlich habe die Antragsgegnerin ihr Ermessen bei der Zuteilung der Kindergartenplätze nicht korrekt ausgeübt, insbesondere keine einheitlichen und nachvollziehbaren Aufnahmekriterien angewandt.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller umgehend einen Kindergartenplatz im Gemeindekindergarten Hohenbrunn, Am Schulgarten 2, zur Verfügung zu stellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin habe für ihren Gemeindekindergarten von über 90 Anmeldungen insgesamt nur 26 Kinder berücksichtigen können. Allein 34 Kinder aus Hohenbrunn hätten keinen Platz im Kindergarten Hohenbrunn erhalten. Von diesen 34 Kindern könnten 23 den Kindergarten in Hohenbrunn zu Fuß erreichen (Fußweg bis ca. fünf Minuten) und hätten trotzdem dort keinen Platz erhalten können. Wegen ihres Alters wären von diesen Kindern 14 Kinder noch vor dem Antragsteller vorrangig zu berücksichtigen gewesen. Eine erhebliche Beschwer des Antragstellers sei ohnehin nicht ersichtlich, da der ihm zugewiesene Kindergartenplatz nur drei Kilometer weiter von seinem Wohnort als der Wunschkindergarten entfernt liege und der Antragsteller in jedem Fall auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sei. Schließlich entspräche die begehrte einstweilige Anordnung wohl auch nicht dem Wohl des Antragstellers. Ein Kindergartenwechsel solle wegen der großen emotionalen Umstellungen während des Kindergartenjahres möglichst vermieden werden; zudem müsse nach einer etwaigen gegenteiligen Hauptsacheentscheidung sogar ein nochmaliger Wechsel stattfinden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erscheint nicht ausreichend glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller erforderlich wäre. Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Antragsteller für das Kindergartenjahr 2003/2004 einen Kindergartenplatz im Kindergarten St. Magdalena in Ottobrunn erhalten hat, der von der Wohnung des Antragstellers nur drei Kilometer weiter entfernt ist als der Wunschkindergarten in Hohenbrunn. Zum anderen aber erscheint es für den Antragsteller zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Ausschlaggebend hierfür ist zunächst, dass das Verwaltungsgericht München die mündliche Verhandlung in der Hauptsache bereits am 10. Dezember 2003 angesetzt hat. Ferner wäre es keine Abwendung von Nachteilen, sondern vielmehr mit dem Wohl des Antragstellers kaum vereinbar, wenn er jetzt kurzfristig im Wege der einstweiligen Anordnung den Kindergarten wechseln könnte, bei entsprechendem Ausgang des Hauptsacheverfahrens aber kurz darauf wieder zurück in den Kindergarten St. Magdalena wechseln müsste. Sollte das Hauptsacheverfahren zu Gunsten des Antragstellers ausgehen, wäre im Übrigen immer noch Raum für eine Änderung des Beschlusses vom 10. September 2003 in Analogie zu § 80 Abs. 7 VwGO.
Das Verwaltungsgericht ging jedenfalls aber auch zu Recht davon aus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen konnte (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
Weder aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO noch aus Art. 6 Abs. 2 GG noch aus Art. 7 und 15 des Bayerischen Kindergartengesetzes (BayKiG) folgt ein Rechtsanspruch auf Aufnahme eines Kindes in einen bestimmten Kindergarten im Gemeindegebiet (vgl. BayVGH vom 31.8.1999 BayVBl 2000, 761/762). Dies muss nach summarischer Prüfung auch gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Kindergartenplatz in einer Nachbargemeinde angeboten wird, solange er dem Erfordernis der räumlichen Nähe im Sinne von Art. 15 Satz 2 BayKiG entspricht. Die räumliche Nähe zum Wohnbezirk der Eltern kann nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 30.3.1994 VGH n.F. 47,50 = BayVBl 1995, 341) bei einer Entfernung von sieben Kilometern vom Kindergarten zur Wohnung wohl noch angenommen werden, zumal auch der "Wunschkindergarten" in Hohenbrunn vier Kilometer von der Wohnung des Antragstellers entfernt wäre. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes kann offen bleiben, wie hier die Zusammenarbeit der beteiligten Gemeinden zur Bereitstellung von Kindergartenplätzen organisiert und rechtlich ausgestaltet ist (z.B. gemeindeübergreifende Trägerschaft, Zweckvereinbarung oder Ähnliches).
Aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO folgt ein subjektiv-öffentliches Recht des gemeindeangehörigen Antragstellers auf Benutzung öffentlicher Einrichtungen der Gemeinde. Dies gilt auch für die Vergabe von Kindergartenplätzen. Der Zulassungsanspruch besteht jedoch nur innerhalb der vorhandenen Kapazität. Darüber hinaus ist es Sache der Gemeinde, die Zulassung nach sachgerechten Kriterien zu bestimmen (vgl. Bauer/Böhle, GO, RdNr. 27 zu Art. 21). Nach den Darlegungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren ist die vorhandene Kapazität des Kindergartens Hohenbrunn ausgeschöpft. Nach dem Bescheid des Landratsamts München vom 30. Juni 2003 über die vorläufige Anerkennung des Kindergartens Hohenbrunn gemäß Art. 8 Abs. 1 BayKiG stehen dort insgesamt 90 Plätze zur Verfügung, wobei die allgemeinen Kindergartengruppen höchstens 25 Plätze umfassen. Dies entspricht den Vorgaben in § 16 der Verordnung über die Rahmenpläne für anerkannte Kindergärten (4. DVBayKiG).
Die Vergabe der zur Verfügung stehenden Kindergartenplätze durch die Antragsgegnerin ist zwar nicht in jedem Punkt ohne weiteres nachvollziehbar. Gleichwohl konnte der Antragsteller keinen eigenen Anspruch auf Zuweisung eines Kindergartenplatzes in Hohenbrunn glaubhaft machen.
Bei der durch die Gemeinde getroffenen Auswahl und Verteilung der Kindergartenplätze fällt auf, dass die von der Antragsgegnerin laut Bescheid vom 16. Juni 2003 verwendeten Vergabekriterien (Geschwisterkind bereits im Kindergarten; soziale Gründe - allein erziehender Elternteil; Alter des betreffenden Kindes; Berufstätigkeit der Eltern) nicht deckungsgleich sind mit den in § 2 der Benutzungsordnung für die gemeindlichen Kindertageseinrichtungen in der Gemeinde Hohenbrunn genannten Vergabekriterien; nach dem bei der Anmeldung des Antragstellers am 7. September 2002 verwendeten Anmeldeformular sind die Bestimmungen der Benutzungsordnung jedoch Grundlage der Anmeldung. In § 2 der Benutzungsordnung findet insbesondere das Kriterium "Geschwisterkind bereits im Kindergarten" keine Entsprechung. Demgegenüber können die übrigen im Bescheid vom 16. Juni 2003 genannten Auswahlkriterien Vergabekriterien im Sinne des § 2 der Benutzungsordnung zugeordnet werden (soziale Gründe - § 2b und d; Alter des Kindes - § 2e; Berufstätigkeit der Eltern - § 2c und f). Soweit der Widerspruchsbescheid des Landratsamts München vom 23. Juni 2003 darüber hinaus vor allem noch auf die lokale Zuordnung bei der Auswahl abstellt, findet dies in § 2a der Benutzungsordnung ("Kinder, die in der Gemeinde wohnen") nur teilweise eine Entsprechung, da dort unter den in der Gemeinde wohnenden Kindern nicht mehr weiter differenziert wird. Nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten Liste der in dem Kindergarten Hohenbrunn zum 1. September 2003 neu aufgenommenen 26 Kinder ist als Entscheidungsgrund allein bei 14 Kindern angegeben "Geschwisterkind bereits im Kindergarten". Zwar könnte dieser Entscheidungsgrund durchaus als sachgerechtes Auswahlkriterium dienen, er ist jedoch in der Benutzungsordnung nicht verankert. Die Antragsgegnerin hat allerdings im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass von den 34 für den Kindergarten Hohenbrunn nicht berücksichtigten Kindern aus Hohenbrunn allein 14 Kinder schon wegen ihres Alters vor dem Antragsteller vorrangig zu berücksichtigen gewesen wären. Mit Blick auf § 2e der Benutzungsordnung stellt das Alter jedoch ein sachgerechtes Vergabekriterium dar. Zudem könnte wohl auch das Argument, dass 23 dieser 34 Kinder den Kindergarten in Hohenbrunn - im Gegensatz zum Antragsteller - zu Fuß erreichen könnten, mit Blick auf § 2a der Benutzungsordnung und auf § 15 Satz 2 BayKiG als sachgerechtes Vergabekriterium gelten. Daher konnte der Antragsteller trotz der dargestellten Mängel bei der Begründung der Vergabe der Kindergartenplätze nicht glaubhaft machen, dass gerade er einen Anspruch auf Zuweisung eines Kindergartenplatzes in Hohenbrunn hat.
Auch aus § 24 Satz 1, § 5 SGB VIII folgt ein derartiger Anspruch nicht. Nach dieser Vorschrift, die der Bund in Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG erlassen hat (vgl. BVerfG vom 10.3.1998 DVBl 1998, 699), hat ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens. Der Anspruch nach § 24 Satz 1 SGB VIII erstreckt sich jedoch wie das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII nur auf vorhandene Einrichtungen und auf tatsächlich zur Verfügung stehende Kindergartenplätze. Der aus § 24 Satz 1 SGB VIII ableitbare Anspruch auf einen Kindergartenplatz ist im vorliegenden Fall - wie oben bereits ausgeführt - durch die Zuweisung des noch hinreichend wohnortnahen Kindergartenplatzes in Ottobrunn befriedigt.
Die Beschwerde konnte daher nicht zum Erfolg führen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 14 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
Ende der Entscheidung
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