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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.10.2004
Aktenzeichen: 7 CE 04.2567
Rechtsgebiete: GSO


Vorschriften:

GSO § 67 Abs. 1
GSO § 71 Abs. 6
1. Die Niederschrift über das Colloquium darf sich nicht auf die Wiedergabe von Bewertungen beschränken, sondern muss den Inhalt der gegebenen Antworten erkennen lassen.

2. Ein Zuwarten der Prüfer nach einem zu kurz geratenen Kurzreferat bis zum Ablauf der für das Kurzreferat vorgesehenen 10 Minuten kann gegen das Gebot einer fairen Ausgestaltung von Prüfungen verstoßen.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 CE 04.2567

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Abiturprüfung/Colloquium (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25. August 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller

ohne mündliche Verhandlung am 8. Oktober 2004 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller besuchte im Schuljahr 2003/04 die 13. Jahrgangsstufe eines Gymnasiums und nahm im Rahmen der Abiturprüfung am 26. Mai 2004 am Colloquium Biologie teil. Unter dem 11. Juni 2004 teilte das Gymnasium dem Antragsteller mit, dass die Colloquiumsprüfung im Fach Biologie mit 0 Punkten bewertet worden sei, was zum Nichtbestehen der Abiturprüfung führte. Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein, da es sich bei der Bewertung um eine Fehlentscheidung handle. Nach Behandlung in der Lehrerkonferenz am 13. Juli 2004 wies die Schule den Widerspruch mit Bescheid vom 19. Juli 2004 zurück. Dagegen erhob der Antragsteller am 5. August 2004 Klage zum Verwaltungsgericht München.

Gleichzeitig beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Bescheid über die Bewertung der Colloquiumsprüfung im Fach Biologie und über die Nichtzuerkennung der Allgemeinen Hochschulreife in der Fassung des Widerspruchsbescheids vorläufig aufzuheben, ferner den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine erneute Colloquiumsprüfung im Fach Biologie abzulegen, sowie über die Bewertung der erneuten Colloquiumsprüfung und die Zuerkennung der Allgemeinen Hochschulreife neu zu entscheiden, wobei für die Wiederholungsprüfung andere Prüfer einzusetzen seien als bei der Erstprüfung. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bewertung im Colloquiumsfach Biologie sei rechtswidrig. Das Prüfungsprotokoll über die mündliche Prüfung leide unter eklatanten Mängeln und Verstößen gegen die vorgeschriebenen Protokollinhalte. So sei im Protokoll keine einzige der von den Prüfern gestellten Teilfragen und ebenso wenig irgendeine konkrete Antwort des Antragstellers erfasst. Zudem lasse der vorschriftswidrige Protokollinhalt darauf schließen, dass die Prüfer die vierfache Benotung mit 0 Punkten aus sachfremden Erwägungen ausgesprochen hätten. Für das Referat des Antragstellers sehe die Gymnasialschulordnung eine Länge von ca. 10 Minuten vor; laut Prüfungsprotokoll habe das Referat des Antragstellers nur 4 Minuten gedauert. Der Beendigung des Referats sei ein mehrminütiges Schweigen der Prüfer gefolgt, das für den Antragsteller extrem belastend gewesen sei; bei ihm habe sich eine innere Situation aufgebaut, die mit Lähmung gleichzusetzen sei.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 25. August 2004 ab. Die Prüfungsniederschrift genüge den rechtlichen Anforderungen. Auch die von den Prüfern zugrunde gelegte Grenze für die Note mangelhaft (1 Punkt) von mindestens 20 % des abgefragten Wissens entspreche dem bei Abiturprüfungen üblichen Niveau und sei rechtlich nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfer von sachfremden Erwägungen ausgegangen seien, seien nicht erkennbar. Das Schweigen der Prüfer bis zum Ablauf der für das Referat vorgesehenen 10 Minuten sei angesichts der entsprechenden Regelung in der Gymnasialschulordnung nicht zu beanstanden.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er wiederholt und vertieft darin seine Argumentation, dass das Protokoll über das Prüfungsgespräch mangelhaft sei. Das Protokoll gebe den Prüfungsverlauf faktisch nicht wieder, sondern beschränke sich ausschließlich auf wertende Äußerungen der Prüfer. Zur Untermauerung seiner Auffassung ließ der Antragsteller drei Protokolle zu Prüfungen an einem Münchner Gymnasium vorlegen, aus denen sich ergebe, wie ein korrektes Protokoll aussehen könne und müsse. Ferner legte der Antragsteller die Stellungnahme eines Biologielehrers vom 7. September 2004 zu dem Gedächtnisprotokoll des Antragstellers über das Colloquiumsreferat vor; danach sei die Bewertung des Vortrags mit 3 Punkten gerechtfertigt. Schließlich weist der Antragsteller nochmals darauf hin, dass das lange absichtliche Schweigen der Prüfer eine sehr starke psychische Belastung beim Prüfling auslösen müsse, noch dazu, wenn ohnehin Unsicherheiten im Prüfungsstoff gegeben seien. Der Antragsteller beantragt,

die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München aufzuheben und die ursprünglich beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Colloquiumsprüfung sei rechtmäßig verlaufen. Das Protokoll genüge den Anforderungen der Gymnasialschulordnung. Darüber hinaus gebe es für die Gestaltung des Protokolls keine Vorgaben; insbesondere sei es nicht erforderlich, die Fragen der Prüfer und die Antworten des Prüflings zu protokollieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Aktenheftung des Gymnasiums Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch, der sich im Kern auf eine Wiederholung der Colloquiumsprüfung in Biologie richtet, gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft machen konnte.

1. Ausgangspunkt für die streitgegenständliche Colloquiumsprüfung ist § 71 Abs. 1 Sätze 4 und 5, Abs. 3 Satz 3, Abs. 6 der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (Gymnasialschulordnung - GSO) vom 16. Juni 1983 (GVBl S. 681), in der hier maßgeblichen Fassung zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. August 2003 (GVBl S. 632, ber. GVBl S. 673). Danach ist das Colloquium eine Einzelprüfung die in der Regel 30 Minuten dauert und sich in zwei Prüfungsteile von je etwa 15 Minuten Dauer gliedert: 1. Kurzreferat des Schülers zu dem ihm gestellten Thema (ca. 10 Minuten) ... sowie ein Gespräch über das Kurzreferat; 2. Gespräch zu Problemstellungen aus zwei weiteren Ausbildungsabschnitten (unter Einbeziehung von Begleitlektüre). Die Leistungen der beiden Prüfungsteile sind vom zuständigen Ausschuss mit je zwei Punktzahlen zu bewerten; die erste Punktzahl wird für die Gesprächsfähigkeit (Beurteilungsbereich 1), die zweite für die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (Beurteilungsbereich 2) erteilt. Die Punktzahlen werden addiert, ihre Summe wird durch 4 geteilt, das Ergebnis wird gerundet; eine Aufrundung zur Punktzahl 1 ist nicht zulässig (vgl. § 72 Abs. 3 Sätze 4 - 6 GSO). Zur Festsetzung des Prüfungsergebnisses in den Abiturprüfungsfächern werden gemäß § 73 Nr. 3 die vier Punktzahlen der Colloquiumsprüfung addiert. Nach § 75 Abs. 1 Nr. 5 GSO wird dem Prüfling die Allgemeine Hochschulreife u.a. zuerkannt, wenn keines der nach § 73 errechneten Prüfungsergebnisse weniger als 4 Punkte beträgt. Da die Leistungen des Antragstellers im Colloquium mit 4 x 0 Punkten bewertet wurden, kann ihm demgemäß die Allgemeine Hochschulreife nicht zuerkannt werden.

2. Bei der Überprüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes spricht viel dafür, dass das Protokoll über das Colloquium den normativen Vorgaben nicht entspricht. Nach § 67 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 GSO ist eine Niederschrift über Verlauf, wesentlichen Inhalt und Ergebnis der Colloquiumsprüfung anzufertigen. Insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis, den "wesentlichen Inhalt" der Prüfung festzuhalten, geht der Senat davon aus, dass die Niederschrift nicht nur Wertungen und Bewertungen enthalten darf; vielmehr muss der tatsächliche Verlauf der Prüfung jedenfalls in Ansätzen inhaltlich wiedergegeben werden, d.h. Fragen und - ggf. - Antworten müssen thematisch skizziert werden. Diese Anforderung erfüllt die Niederschrift nur bezüglich der gestellten Aufgaben und Fragen. Die Aufgabenstellung des Kurzreferats ergibt sich aus dem gewählten Thema des Antragstellers ("Erklären sie an konkreten Beispielen, wie Konditionierungen zu Verhaltensänderungen führen"). Ferner wird die Aufgabenstellung durch die von der Schule vorbereitete Gliederung samt Erwartungshorizont zum Colloquium des Antragstellers weiter verdeutlicht. Dagegen lässt die Niederschrift nicht erkennen, zu welchen Punkten sich der Antragsteller in seinem Kurzreferat geäußert und welche Antworten er auf die ihm gestellten Fragen gegeben hat. Vielmehr enthält die handschriftliche Niederschrift über die Prüfung nur zusammenfassende Bewertungen (z.B. "kein Aufbau erkennbar", "keine Gliederung", "kein Verständnis für die Problematik", "ungenügende Kenntnisse"). Auch unvollständige oder falsche Antworten müssen zumindest stichpunktartig festgehalten werden, weil ansonsten nicht nachvollzogen werden kann, ob die Prüfungsleistungen die vom Prüfungsausschuss getroffene Bewertung rechtfertigen.

Nach allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass die Begründung der Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen nach den Umständen des Einzelfalls dem Grundrechtsschutz des Prüflings Rechnung tragen muss, soweit dies unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten den Prüfern zumutbar ist (BVerwG vom 6.9.1995 BVerwGE 99, 185/190). Auch daraus ist zu folgern, dass die nach § 67 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 GSO über Verlauf und wesentlichen Inhalt zu fertigende Niederschrift sich nicht auf die Wiedergabe von Bewertungen beschränken darf, sondern den Inhalt der gegebenen Antworten erkennen lassen muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Prüfungsgeschehen auch nachträglich noch aufgeklärt werden kann (vgl. BVerwG vom 31.3.1994 NVwZ 1995, 494).

Im vorliegenden Fall hat sich der Fachausschuss (Prüferin und Schriftführer) in seiner Stellungnahme zur Lehrerkonferenz vom 13. Juli 2004 nochmals eingehend mit der Colloquiumsprüfung des Antragstellers befasst. Doch auch dort finden sich keine hinreichenden inhaltlichen Ansätze. Vielmehr stellen die Prüfer erneut ihre Bewertungen dar. ("Der Prüfling ist nicht fähig, in seinem Referat die einschlägigen und begriffsorientierten, ethologischen Sachverhalte darzulegen, seine Ausführungen zu gliedern und wenigstens einigermaßen erkennbar logisch aufzubauen. Fachspezifische Denkansätze fehlen aus Unverständnis für die gestellte Themenproblematik völlig"). Welche Antworten der Antragsteller auf die ihm gestellten Fragen gegeben hat oder zu welchen Komplexen er sich in seinem Kurzreferat geäußert hat, wird auch aus diesen Ausführungen nicht ersichtlich. Eine Heilung der Protokollierungsmängel durch diese Stellungnahme kann deshalb nicht angenommen werden.

Offen ist allerdings, ob und inwieweit die Begründung der Prüfungsbewertung bei Gesprächen mit der Schulleitung und der Prüferin vor der Lehrerkonferenz (vgl. S. 1 der Niederschrift über die Lehrerkonferenz vom 13.7.2004) ergänzt und hinreichend nachvollziehbar gemacht wurde und ob insoweit eine Heilung des Protokollierungsmangels eingetreten sein könnte - sowohl tatsächlich als auch rechtlich.

Diese Fragen können jedoch nur in einem Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden.

3. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand spricht bei summarischer Prüfung viel dafür, dass die Prüfer durch das 6-minütige Schweigen nach vorzeitiger Beendigung des Kurzreferats gegen das Gebot einer fairen Ausgestaltung von Prüfungen verstoßen haben.

Das aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) folgende Gebot eines fairen Prüfungsverfahrens verpflichtet den Prüfer, darauf Bedacht zu nehmen, dass auch der Prüfungsstil, der Ablauf des Prüfungsverfahrens und die Prüfungsatmosphäre nach Möglichkeit leistungsverfälschende Verunsicherungen des Prüflings ausschließen. Der Prüfling soll nicht durch ein unangemessenes Verhalten des Prüfers einer psychischen Belastung ausgesetzt werden, die das Bild seiner Leistungsfähigkeit verfälscht und dadurch seine Chancen mindert. Ob sich das Verhalten eines Prüfers so hätte auswirken können, ist anhand einer objektiven Betrachtung aus der Sicht eines verständigen Prüflings zu beurteilen (BVerwG vom 11.11.1998 Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 392). Auch der Ausschluss von Prüfern wegen Besorgnis der Befangenheit (vgl. Art. 2 Abs. 3 Nr. 2, Art. 21 BayVwVfG) dient der Realisierung eines fairen Prüfungsverfahrens.

Im vorliegenden Fall liegt es für den objektiven Betrachter nahe, dass der Antragsteller durch das etwa 6-minütige Schweigen der Prüfer nach Beendigung seines ca. 4-minütigen Referats erheblich verunsichert wurde. Auch wenn die Antragsgegnerseite geltend macht, der Prüfling sei zunächst zur Fortsetzung oder Ergänzung seines Referats ermuntert worden, so wird jedenfalls eingeräumt, dass dann eine mehrminütige Pause eintrat. § 71 Abs. 6 GSO bestimmt, dass sich das Colloquium in zwei Prüfungsteile von je etwa 15 Minuten Dauer gliedert, wobei der erste Prüfungsteil aus dem Kurzreferat des Schülers (ca. 10 Minuten) sowie einem Gespräch über das Kurzreferat besteht. Der Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass mit den nachfolgenden Prüfungsteilen zugewartet werden muss, wenn der Schüler die Zeitvorgabe für das Kurzreferat nicht ausschöpft. Die in ihr enthaltenen Zeitvorgaben sind ungefähre Angaben dafür, wie lange die einzelnen Prüfungsteile dauern sollen. Dafür spricht schon die Verwendung der Begriffe "etwa" und "ca.". Eine exakte Einhaltung der Zeitschiene wird nicht verlangt; sie könnte in einer mündlichen Prüfung auch nicht erwartet werden. Der Vorschrift ist aber unschwer zu entnehmen, dass das Colloquium in einem Zuge durchzuführen ist; Unterbrechungen sind nicht vorgesehen. Es spricht viel dafür, dass das Zuwarten der Prüfer nach dem zu kurz geratenen Kurzreferat bis zum Ablauf der 10 Minuten geeignet war, den Prüfling durch die so eintretende Pause - sei es auch ungewollt, so doch für jedermann nachvollziehbar - massiv zu verunsichern. Es hätte vielmehr nahe gelegen, in Erfüllung der Fürsorgepflicht für den Prüfling und zur Gewährleistung eines fairen Prüfungsverfahrens nach Beendigung des Referats und nachdem der Prüfling sich trotz nochmaliger Aufforderung nicht zu einer Ergänzung des Referats in der Lage sah, die Colloquiumsprüfung sogleich mit dem Gespräch über das Kurzreferat (vgl. § 71 Abs. 6 Nr. 1 letzte Alternative GSO) fortzusetzen.

4. Allerdings stellen Protokollierungsmängel ebenso wie ein Verstoß gegen das Fairnessgebot oder auch die Voreingenommenheit eines Prüfers Verfahrensmängel der Prüfung dar (vgl. z.B. BayVGH vom 20.1.1999 Az. 7 B 98.2357). Soweit der Prüfling durch Mängel im Prüfungsverfahren gehindert wird, seine tatsächliche Leistungsfähigkeit in entsprechende Prüfungsleistungen umzusetzen, handelt es sich bei einer hierauf zurückzuführenden unzutreffenden Bewertung nicht um einen materiellen Bewertungsfehler, sondern um eine Folge der Mängel im Prüfungsverfahren (vgl. BVerwG vom 22.6.1994 BVerwGE 96, 126/134 f.). Während Rügen von materiellen Bewertungsfehlern grundsätzlich zeitlich unbegrenzt möglich sind, sofern nicht durch Rechtsvorschriften eine zeitliche Begrenzung festgelegt ist, muss der Prüfling Mängel im Prüfungsverfahren in aller Regel unverzüglich rügen. Damit soll zum einen verhindert werden, dass der Prüfling zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, um sodann das ihm negative Ergebnis mit einer Verfahrensrüge anzugreifen und sich eine weitere, ihm nicht zustehende Prüfungschance zu verschaffen. Weil der Prüfling den Verfahrensmangel einer mündlichen Prüfung in der Regel erst nach der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Prüfung) sachgerecht rügen kann, genügt es allerdings, wenn er ihn danach so bald, wie es in zumutbarer Weise möglich ist d.h. "unverzüglich", geltend macht. Zum anderen muss der Prüfungsbehörde eine eigene, zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und unter Umständen sogar einer noch rechtzeitigen Korrektur oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels ermöglicht werden (BVerwG vom 22.6.1994 a.a.O. S. 129; vgl. auch Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 3. Aufl. 1994 RdNr. 195 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller - soweit aus den Akten ersichtlich - erstmals mit seinem bei Gericht am 5. August 2004 eingegangenen Schriftsatz die geschilderte Verletzung des Fairnessgebots und eine mögliche Voreingenommenheit der Prüfer bzw. eine Prüfungsentscheidung aufgrund sachfremder Erwägungen geltend gemacht. Er hat diesen Aspekt, der etwa im Widerspruch vom 28. Juni 2004 noch in keiner Weise anklang, erstmals fast 2 1/2 Monate nach der mündlichen Prüfung geltend gemacht. Dies kann nicht als unverzügliche Geltendmachung im Sinne der oben geschilderten Anforderungen angesehen werden. Allerdings ergibt sich aus der Niederschrift über die Lehrerkonferenz, dass bereits vorher Gespräche des Antragstellers und seines Vaters mit der Schulleitung und der Prüferin stattgefunden haben. Welchen Inhalt diese Gespräche hatten, ob und welche Einwendungen und Rügen die Antragstellerseite dabei bereits vorbrachte, kann nur in einem Hauptsacheverfahren aufgeklärt werden.

Was die Mängel des Protokolls über die Prüfung angeht, ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass es sich um einen Verfahrensmangel handelt, der auf die Nachvollziehbarkeit der Bewertung und damit auf die Rechtmäßigkeit der Bewertung selbst durchschlagen könnte. Da es sich hierbei um einen Mangel handelt, der für den Prüfling - jedenfalls zunächst - nicht zutage tritt, stellt sich die Frage, ob und wann ein derartiger Mangel der Rüge durch den Prüfling bedarf. Auch insoweit muss eine abschließende Entscheidung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Angesichts der dargestellten offenen Rechts- und Tatsachenfragen geht der Senat davon aus, dass die bei überschlägiger Beurteilung festgestellten Mängel der Niederschrift und der voraussichtlich anzunehmende Verstoß gegen das Fairnessgebot einen Anordnungsanspruch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu tragen vermögen. Insbesondere ist hier eine ausnahmsweise Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu rechtfertigen.

5. Soweit sich der Antragsteller gegen die eigentliche Bewertung seiner Leistungen durch die Prüfer wendet, ist die vorgelegte Stellungnahme eines Biologielehrers vom 7. September 2004 zum Gedächtnisprotokoll des Antragstellers über sein Referat nicht geeignet, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Was die Bewertung der einzelnen Leistungen des Schülers angeht, steht den Prüfern ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer pädagogischer Beurteilungsspielraum zu. Das Gericht darf seine pädagogischen Erwägungen nicht an die Stelle der Erwägungen der Schule setzen, die auf einer komplexen Bewertung aller Leistungen und der Gesamtpersönlichkeit des Schülers beruhen. Zur Gewährleistung einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle hat das Gericht insoweit zu prüfen, ob die Schule bei ihrer Entscheidung den Sinngehalt der einschlägigen schulrechtlichen Vorschriften verkannt hat, ob sie frei von sachfremden Erwägungen, also nicht willkürlich entschieden hat, und ob die der Entscheidung zugrunde liegende pädagogische Wertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt ist, die - soweit notwendig - vollständig ermittelt wurden und einer sachlichen Überprüfung standhalten (vgl. BayVGH vom 17.10.2003 Az. 7 B 02.2186). Unbeschadet des mangelnden Beweiswerts des Gedächtnisprotokolls des Antragstellers vermag angesichts des dargestellten gerichtlichen Überprüfungsmaßstabs die Bewertung des Referats durch einen schulfremden Lehrer die hier streitgegenständliche Bewertung nicht derart zu erschüttern, dass dies Raum für einen Anordnungsanspruch im geltend gemachten Umfang gewähren würde.

6. Die Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.



Ende der Entscheidung

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