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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.05.2008
Aktenzeichen: 7 CE 08.10089
Rechtsgebiete: HZV, GG


Vorschriften:

HZV §§ 42 ff.
HZV § 47
HZV § 53
GG Art. 91 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 CE 08.10089

In der Verwaltungsstreitsache

Wegen Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Universität Regensburg WS 2007/2008 (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Januar 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 21. Mai 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrte im Wege einstweiligen Rechtsschutzes für das Wintersemester 2007/2008 die vorläufige Zulassung zum 1. Fachsemester der Humanmedizin, hilfsweise beschränkt auf die Zulassung zum vorklinischen Studienabschnitt. Er ließ vortragen, dass die Universität mit der festgesetzten Zahl von Studienanfängern ihre Aufnahmekapazität nicht ausgeschöpft habe.

Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 17. Januar 2008 ab. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er insbesondere vortragen lässt, dass die Universität die kapazitätsrechtliche Relevanz des Hochschulpaktes 2020 nicht berücksichtigt habe; außerdem sei die Ermittlung der Schwundquote fehlerhaft.

Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im Eilverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen nicht zu dem Ergebnis, dass an der Universität im Fach Humanmedizin über die bereits tatsächlichen besetzten Studienplätze hinaus noch weitere Ausbildungskapazität vorhanden wäre.

1. Die Universität hat im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 19. März 2008 glaubhaft und unwidersprochen mitgeteilt, dass im Wintersemester 2007/2008 keine Lehrauftragsstunden durchgeführt wurden, so dass solche nicht gemäß § 47 Satz 1 HZV in die Berechnung einbezogen werden mussten. Die weitere Behauptung des Antragstellers, im Stellenplan ausgewiesene unterbesetzte Stellen seien mit einem geringeren Lehrdeputat als in den Vorjahren versehen, ist unzutreffend.

2. Die Universität hat darauf hingewiesen, dass ihr Stellen im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 voraussichtlich erstmals im Jahr 2008 zugewiesen werden. Mit seinem Vortrag, nach dem Hochschulpakt 2020 sollten in der ersten Programmphase bis zum 31. Dezember 2010 in Bayern 18.259 zusätzliche Studienanfänger im ersten Hochschulsemester an den Hochschulen aufgenommen werden, diese Mittel seien jedoch nicht in die Kapazitätsberechnung eingestellt worden, trägt der Antragsteller bereits nicht schlüssig vor, wie sich dies konkret auf die Kapazitätsberechnung für das Wintersemester 2007/2008 auswirken hätte sollen.

Der Senat weist im Übrigen zur Klarstellung auf folgendes hin: Der Hochschulpakt 2020 und die zu seiner Umsetzung ergriffenen hochschulplanerischen Maßnahmen vermitteln keine individuellen Ansprüche auf Schaffung von Ausbildungskapazitäten in einzelnen Studienfächern. Es handelt sich vielmehr um eine die Hochschulfinanzierung betreffende Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art. 91 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG, aus der sich Rechte und Pflichten nur im Verhältnis der beteiligten Körperschaften untereinander ergeben können (vgl. bereits BayVGH vom 21.9.2007 Az. 7 CE 07.10320).

Dass die von der Bundesregierung und den Regierungschefs der Länder erst am 20. August 2007 abgeschlossene und am 5. September 2007 öffentlich bekannt gemachte (Bundesanzeiger Nr. 171 vom 12.9.2007 S. 7480) Verwaltungsvereinbarung über den Hochschulpakt 2020 keine auf bestimmte Hochschulen oder gar auf einzelne Studiengänge bezogenen Rechtsansprüche auf Kapazitätserweiterung begründet, folgt zwingend aus Ziel und Inhalt der genannten Vertragsbestimmungen. Mit dem in Art. 1 enthaltenen "Programm zur Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger" wird lediglich angestrebt, bis zum Jahre 2020 ein "der Nachfrage insgesamt entsprechendes Studienangebot" bereitzustellen (Art. 1 § 1 Abs. 1), wobei in quantitativer Hinsicht davon ausgegangen wird, dass die Länder während der ersten Programmphase bis zum 31. Dezember 2010 91.370 zusätzliche Studienanfänger im ersten Hochschulsemester an den Hochschulen aufnehmen (Art. 1 § 1 Abs. 2), von denen 18.259 auf den Freistaat Bayern entfallen (Anlage zur Verwaltungsvereinbarung). Für die Verwendung der Finanzmittel, an denen sich der Bund zur Hälfte beteiligt (Art. 1 § 1 Abs. 3), bestehen Zielvorgaben nur insoweit, als die Länder "Schwerpunkte in der Schaffung zusätzlicher Stellen an den Hochschulen" setzen und für eine Erhöhung des Anteils der Studienanfängerplätze an Fachhochschulen sowie des Anteils von Frauen bei der Besetzung von Professoren und sonstigen Stellen sorgen sollen (Art. 1 § 1 Abs. 4). Die Verwaltungsvereinbarung zum Hochschulpakt 2020, die ohnehin unter dem Vorbehalt der Mittelbereitstellung durch die jeweiligen gesetzgebenden Körperschaften steht (s. Präambel), enthält somit keine - über den allgemeinen Verfassungsauftrag nach Art. 12 Abs. 1 GG hinausgehende - spezielle Verpflichtung zum Abbau von Zugangsbeschränkungen in den sog. harten Numerus-Clausus-Fächern. Sie überlässt die Einzelheiten des vereinbarten Ausbaus der Hochschulen vielmehr den auf Länderebene abzustimmenden "Aufwuchsplanungen" (Art. 1 § 4), in deren Rahmen die zusätzlich bereitstehenden Finanzmittel auf die einzelnen Ausbildungsstätten und die dort angebotenen Studiengänge zu verteilen sind.

Unabhängig von der fehlenden "Drittgerichtetheit" der Pflichten aus der Bund-Länder-Vereinbarung kann auch keine Rede davon sein, dass der Freistaat Bayern seiner vertraglichen Umsetzungspflicht bisher nicht oder nur zögerlich nachgekommen wäre. Zwar ist die Verwaltungsvereinbarung vom 20. August 2007 rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten (Art. 3 Abs. 2). Dies bedeutet aber nicht, dass die Länder etwa verpflichtet waren, schon zum Wintersemester 2007/2008 eine Mindestzahl neuer Planstellen an den einzelnen Hochschulen auszuweisen. Abgesehen von dem insoweit zu beachtenden Vorbehalt des Haushaltsgesetzes bedürfte die Verteilung der zusätzlichen Finanzmittel einiger planerischer Vorentscheidungen und Abstimmungen, die nicht schon im Jahr 2007 zum Abschluss gebracht werden konnten. Die Vereinbarung sieht demgemäß für die erste Programmphase keinen jahres- oder semesterbezogenen Zuwachs von Studienplätzen vor, sondern nur eine im Gesamtzeitraum von vier Jahren (2007 bis 2010) erhöhte Zahl von Studienanfängern (Art. 1 § 1 Abs. 2 und 3).

In Bayern hat der Ministerrat bereits in seiner Sitzung vom 12. Juni 2007 einen Investitionsplan zum schrittweisen Aufbau von 3000 zusätzlichen Personalstellen beschlossen, mit dem - über die quantitativen Vorgaben im damals noch unverbindlichen Hochschulpakt 2020 hinausgehend - insgesamt 38.000 neue Studienplätze an den staatlichen Hochschulen geschaffen werden sollen (vgl. http: //www.stmwfk.bayern.de/hsausbau.html). Nach einer Pressemitteilung des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 10. Januar 2008 ist im Haushaltsjahr 2008 ein erster Einstieg im Umfang von 35,66 Mio. Euro vorgesehen, von denen auf die Universität Regensburg 1.453.200 Euro entfallen (http: www.stmwfk.bayern.de/presse/meldung.asp? News ID = 989). Um alle Beteiligten in die Planungen dauerhaft einzubeziehen, wurde mit Vertretern von Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunalen Spitzenverbänden am 18. Januar 2008 ein "Bündnis Studieren in Bayern" abgeschlossen (http://www.stmwfk.bayern.de/buendnis.html), zu dessen Umsetzung derzeit in allen sieben Regierungsbezirken Regionalkonferenzen mit Vertretern der Wissenschaftsverwaltung und der einzelnen Universitäten stattfinden (http: //www.stmwfk.bayern.de/regionalkonferenz.html). Die konkreten Zielvereinbarungen zwischen den Hochschulen und dem zuständigen Staatsministerium, in denen die künftige Zahl der Studienplätze für die einzelnen Fächer festgelegt werden soll, stehen nach Auskunft des Antragsgegners derzeit noch aus. Aufgrund des bisherigen Verfahrensablaufs kann aber erwartet werden, dass sich das von Bund und Land zusätzlich bereit gestellte Finanzvolumen bereits im Wintersemester 2008/2009 oder spätestens im nachfolgenden Sommersemester 2009 in einer erhöhten Zahl von Planstellen an den einzelnen Hochschulen bemerkbar machen wird. Erst wenn dies der Fall ist, können sich daraus nach den kapazitätsrechtlichen Vorschriften konkrete Folgerungen zu Gunsten einzelner Studienbewerber ergeben.

3. Der Vortrag des Antragstellers, es bestehe "keine sachliche Berechtigung des Dienstleistungsexports in der erbrachten Höhe", setzt sich in keiner Weise mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts (S. 23 d. angefochtenen Beschlusses) auseinander (§ 146 Abs. 4 Sätze 3, 4 VwGO). Im Übrigen wurde der angesetzte Dienstleistungsexport in den vergangenen Semestern auch vom Verwaltungsgerichtshof mehrfach überprüft (BayVGH vom 11.7.2006 Az. 7 CE 06.10152 u.a. für das Wintersemester 2005/2006; BayVGH vom 16.3.2007 Az. 7 CE 06.10494 u.a. für das Wintersemester 2006/2007). Zutreffend weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass der Dienstleistungsexport an Chemie-Diplom bereits zum Wintersemester 2006/2007 entfallen ist und sich weiterhin kapazitätsgünstig auswirkt.

4. Der Vortrag des Antragstellers, die obergerichtliche Rechtsprechung verbiete es, eine über 1,000 liegende und damit positive Schwundquote im Ergebnis kapazitätsmindernd zu berücksichtigen, ist zwar richtig. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in ständiger Rechtsprechung entschieden (sh. hierzu stellvertretend den vom Antragsteller für seine Auffassung herangezogenen Beschluss vom 31.5.2006 Az. 7 CE 06.10202 u.a. m.w.N.), dass grundsätzlich auch über 1,000 liegende Übergangsquoten in die Schwundberechnung einfließen müssen, da § 16 KapVO bzw. § 53 HZV nicht die prinzipielle Möglichkeit ausschließen, dass während eines Studiengangs die Gesamtzahl der Zugänge diejenigen der Abgänge übersteigt. Abgesehen davon hat das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst hier die erste Übergangsquote kapazitätsgünstig von 1,0381 auf 1,000 gemindert.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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