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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.07.2008
Aktenzeichen: 7 CE 08.10488
Rechtsgebiete: VwGO, ÄAppO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4
ÄAppO § 2 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 CE 08.10488

wegen Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München im WS 2007/2008 (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Februar 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 22. Juli 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes für das Wintersemester 2007/2008 die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) im ersten Fachsemester. Sie ist der Meinung, dass mit der in der Zulassungszahlsatzung für das betreffende Semester festgesetzten Zahl von Studienanfängern die vorhandene Aufnahmekapazität nicht erschöpft ist.

Mit Beschluss vom 12. Februar 2008 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag ab.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden Beschwerde.

Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im Eilverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), lassen nicht erkennen, dass an der LMU im Fach Humanmedizin über die bereits tatsächlich besetzten Studienplätze hinaus noch weitere Ausbildungskapazität vorhanden wäre.

a) Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren allgemein bestritten hat, dass entsprechend den bisherigen Angaben der Hochschule zum Wintersemester 2007/2008 tatsächlich insgesamt 849 Studienanfänger zugelassen worden sind, kann dies ihrem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg verhelfen. Die von der Hochschule gemeldeten Zahlen beruhen auf einer zu einem bestimmten Stichtag nach Semesterbeginn erstellten Immatrikulationsstatistik, an deren inhaltlicher Richtigkeit keine Zweifel bestehen. Zur Vorlage einer Liste mit sämtlichen eingeschriebenen Studierenden des ersten Fachsemesters ist die Hochschule grundsätzlich nicht verpflichtet. Zu einer weitergehenden Sachaufklärung bestünde diesbezüglich nur Anlass, wenn Hinweise dafür vorlägen, dass die gemeldeten Zahlen nicht den Tatsachen entsprechen. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die von der Antragstellerin ohne konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt aufgestellte Vermutung, in die aktuelle Bestandszahl für das Wintersemester 2007/2008 seien auch diejenigen Studienanfänger einbezogen worden, die aufgrund der Senatsbeschlüsse vom 12. Juli 2007 im damaligen Losverfahren einen Studienplatz erhalten haben und daher nach den Verhältnissen zum Wintersemester 2006/2007 vorläufig zuzulassen waren, kann als widerlegt angesehen werden. Der Antragsgegner hat hierzu eine dienstliche Auskunft des zuständigen Mitarbeiters der LMU vom 15. April 2008 vorgelegt, wonach die damals gerichtlich zugelassenen Bewerber rückwirkend zum Wintersemester 2006/2007 zugelassen wurden und sich damit zum hier maßgeblichen Stichtag bereits im 3. Fachsemester befanden.

b) Ob die Annahme der Antragstellerin zutrifft, dass sich unter den als Erstsemester zugelassenen Bewerbern auch solche befinden, die bereits in Ungarn studiert und dort die Vorklinik erfolgreich absolviert haben, so dass sie im Falle einer Anerkennung der Gleichwertigkeit ihr Studium grundsätzlich im ersten klinischen Semester fortsetzen könnten, kann hier offenbleiben. Die Hochschule ist jedenfalls nicht verpflichtet, solche Studienanfänger, die sich trotz im Ausland erworbener anrechnungsfähiger Studienleistungen mit Erfolg für das erste Fachsemester beworben haben, aus der Zahl der zugelassenen Erstsemester herauszurechnen und sie im Rahmen der Immatrikulationsstatistik einem höheren Fachsemester zuzuordnen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass aus kapazitätsrechtlicher Sicht für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Semesterkohorte nicht der individuelle Leistungs- oder Ausbildungsstand, sondern nur der formelle immatrikulationsrechtliche Status entsprechend dem jeweiligen Fachsemester maßgebend ist (vgl. BayVGH vom 20.6.2007 Az. 7 CE 07.10013). Solange es einem nach vorheriger Auslandsausbildung an eine bayerische Hochschule gewechselten Studenten nach den kapazitätsrechtlichen Vorschriften verwehrt oder von ihm gar nicht erst versucht worden ist, die Zulassung zu einem höheren als dem ersten Fachsemester zu erhalten, kann daher der Betreffende nicht allein wegen seines fortgeschrittenen Leistungsstands einem höheren Semester zugerechnet werden. Demnach ist die Hochschule auch nicht verpflichtet, bei der Immatrikulation nach etwaigen anrechenbaren Leistungen aus einem vorhergehenden Studium zu fragen und die Zahl der über solche Qualifikationen verfügenden Studienbewerber gesondert zu ermitteln. Sie darf ungeachtet der individuell bestehenden Unterschiede vielmehr davon ausgehen, dass jeder für das 1. Fachsemester neu aufgenommene Bewerber einen uneingeschränkten Rechtsanspruch auf Ausbildung in diesem Semester hat, so dass er dort auch einen vollen Studienplatz besetzt.

c) Die von der Antragstellerin geäußerten Bedenken gegen die der Schwundberechnung zugrunde gelegten Zahlen greifen nicht durch. Die aus der Immatrikulationsstatistik hervorgehende auffällige Steigerung beim Übergang vom 1. Fachsemester im WS 2005/2006 (721) auf das 2. Fachsemester im SS 2006 (816) lässt sich mit den damals ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts erklären, die zur Verlosung von 130 zusätzlichen Studienplätzen geführt haben (z. B. VG München vom 15.2.2006 Az. M 3 E L 05.20086). Die betreffenden "Nachrücker" mussten, obwohl sie hinsichtlich der Zahl der Fachsemester so zu behandeln waren, als seien sie bereits seit dem Wintersemester 2005/2006 an der Universität eingeschrieben, nicht fiktiv rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Einschreibung in die Immatrikulationsstatistiken aufgenommen werden und konnten daher hier beim Wechsel vom 1. zum 2. Fachsemester ausnahmsweise zu einer positiven Übergangsquote führen (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH vom 31.5.2006 Az. 7 CE 06.10202; vom 21.9.2007 Az. 7 CE 07.10320).

d) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der vom Antragsgegner bei der Kapazitätsberechnung angesetzte Curriculareigenanteil (Cap) der Lehreinheit Vorklinische Medizin nicht deshalb als überhöht anzusehen, weil bei den einzelnen Lehrveranstaltungen zu geringe Gruppengrößen angesetzt worden wären.

Für die Gruppengrößen enthält § 2 Abs. 4 Satz 5 ÄAppO eine bundesrechtliche normative Vorgabe insoweit, als danach die Zahl der Teilnehmer an Seminaren die Zahl von 20 nicht überschreiten darf. Gegen die Verbindlichkeit dieser Vorschrift bestehen entgegen der im Beschwerdeverfahren zitierten älteren Rechtsprechung des OVG Hamburg (B. v. 15.4.1992 Az. OVG Bs III 115/02), die später ausdrücklich aufgegeben worden ist (OVG Hamburg vom 18.10.1999 NordÖR 2000, 158), keine durchgreifenden Bedenken (vgl. etwa OVG NW vom 11.5.2004 Az. 13 C 1283/04; weitere Nachweise bei Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, RdNr. 34 Fn. 91). Es ist auch sachlich nicht begründbar, weshalb allein das (mögliche) Fehlen von Patientenvorstellungen, wie sie in § 2 Abs. 4 Satz 3 ÄAppO vorgesehen sind, zu der von der Antragstellerin geforderten pauschalen Kürzung des Anrechnungsfaktors von 1 auf 0,67 führen soll (so nunmehr auch das OVG Hamburg, B. v. 18.10.1999, NordÖR 2000, 158). Ebenso ist nicht ersichtlich, dass eine etwaige Übernahme mehrerer paralleler Ausbildungsgruppen durch ein und dieselbe Lehrperson wegen des tendenziell verminderten Vorbereitungsaufwands einen pauschalen Abschlag bei dem angesetzten Anrechnungsfaktor erfordern könnte. Wie der Antragsgegner in der Beschwerdeerwiderung zutreffend ausführt, setzt die von § 2 Abs. 2 Sätze 4 und 5 ÄAppO geforderte Einbeziehung klinischer Fächer in die Ausbildung der Vorklinik auch im Bereich der Seminare mit klinischen Bezügen nicht zwingend eine personelle Beteiligung klinischer Fachvertreter voraus, die zu einer quantifizierbaren Entlastung des vorklinischen Lehrpersonals führen könnte.

Abgesehen von den Seminaren richten sich die Gruppengrößen bei den übrigen Lehrveranstaltungen (Praktika/Kurse, Vorlesungen) nicht etwa nach den tatsächlich gegebenen Größen, die erst während des Semesters - also lange nach der Kapazitätsberechnung - bekannt werden. Vielmehr sind der Berechnung abstrakte Gruppengrößen zu Grunde zu legen, die sich allerdings auch an den konkreten Verhältnissen der jeweiligen Universität orientieren können und zudem so bemessen sein müssen, dass im Ergebnis der normativ festgelegte CNW (von 2,42) nicht überschritten wird. Die LMU hat sich bei der Bestimmung der sachlich angemessenen Gruppengrößen im Wesentlichen an den von der ZVS angegebenen Werten orientiert (s. bereits BayVGH vom 26.7.2004 Az. 7 CE 07.10739), was ungeachtet deren fehlender Verbindlichkeit jedenfalls in der Sache nicht zu beanstanden ist (vgl. VGH BW vom 13.6.2008 Az. NC 9 S 241/08; OVG Magdeburg vom 26.2.2007 Az. NC 9 S 241/08). Lediglich bei der Gruppengröße für Vorlesungen ist die LMU - kapazitätsgünstig - von den Vorschlägen der ZVS abgewichen und hat eine Gruppengröße von g = 400 (statt g = 180) angesetzt; die von der Antragstellerin unter Hinweis auf eine Entscheidung des OVG Lüneburg (B. v. 30.11.2004 NVwZ-RR 2005, 409) geforderte Größe von g=250 wird damit weit überschritten.

e) Es ist auch nicht erkennbar, dass der vom Verwaltungsgericht angesetzte Wert von 50,9737 SWS für den Dienstleistungsexport in die Lehreinheit Zahnmedizin überhöht sein könnte. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin bedarf es insoweit keiner zusätzlichen Schwundberechnung im Rahmen des nachfragenden Studiengangs (BayVGH vom 11. 5. 2005 Az. 7 CE 05.10151). Der bloße Umstand, dass der CAq für den Dienstleistungsexport in die Zahnmedizin an der Universität Hamburg niedriger liegt als an der LMU, belegt noch nicht, dass der hier angesetzte Wert objektiv überhöht wäre. Es hängt vielmehr, wie in der Beschwerdebegründung zutreffend ausgeführt wird, von den in der jeweiligen Studien- bzw. Prüfungsordnung zwingend vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen ab, in welchem Umfang sich ein entsprechender Bedarf begründen lässt. Dass die entsprechenden Vorschriften der Antragstellerin nach eigenem Bekunden bisher nicht vorliegen bzw. unbekannt sind, kann weder ihrer Beschwerde unmittelbar zum Erfolg verhelfen noch ergibt sich daraus für das Beschwerdegericht eine Verpflichtung zu weiterer Sachaufklärung. Es ist vielmehr - zumindest im Rahmen einer Beschwerde im Eilverfahren - Sache der Antragstellerin, sich von den als entscheidungserheblich angesehenen Rechtsnormen, sofern sie wie hier öffentlich zugänglich sind (vgl. http://www.med.uni-muenchen.de/studium/zahnmedizin/studienordnung_zahnmedizin.pdf), selbst Kenntnis zu verschaffen und danach den behaupteten Mangel in der Berechnung des Dienstleistungsbedarfs schlüssig darzulegen. Nachdem dies hier nicht geschehen ist und überdies in der Vergangenheit selbst ein rechnerisch höherer Dienstleistungsabzug nicht zu beanstanden war (vgl. BayVGH vom 11.5.2005 Az. 7 CE 05.10151), können die lediglich pauschal geäußerten Zweifel an den angesetzten Zahlenwerten dem vorliegenden Rechtsschutzbegehren nicht zum Erfolg verhelfen.

f) Es kommt schließlich auch nicht darauf an, welcher Anteil der Studierenden im Fach Humanmedizin zuvor bereits Zahnmedizin studiert hat bzw. dieses Fach zusätzlich zum Fach Humanmedizin studiert mit der Folge, dass ein Großteil der vorklinischen Lehrveranstaltungen nicht (nochmals) besucht werden muss. Abgesehen davon, dass diese Form der Berücksichtigung des individuellen Ausbildungsstands im geltenden Kapazitätsrecht generell nicht vorgesehen ist (vgl. OVG Hamburg vom 18.10.1999 Az. 3 Nc 110/99 m.w.N.), scheitert dieses Begehren schon daran, dass an der LMU keine entsprechenden Statistiken geführt werden, die über die Zahl der Zweit- oder Doppelstudenten Auskunft geben könnten. Im Übrigen führt die Anrechenbarkeit der in einem anderen Fach erbrachten Vorleistungen regelmäßig dazu, dass die betreffenden Studierenden sogleich in einem höheren Fachsemester ihr Studium aufnehmen können, so dass sie auch formell entsprechend ihrem tatsächlichen Ausbildungsbedarf eingestuft werden (vgl. bereits BayVGH vom 26.7.2004 Az. 7 CE 04.10739). Ein gleichzeitig beginnendes Studium der Human- und der Zahnmedizin wäre nach den gesetzlichen Maßstäben des Art. 42 Abs. 2 Satz 4 BayHSchG ohnehin kaum genehmigungsfähig (vgl. bereits BayVGH vom 10.3.2003 Az. 7 CE 02.10086).

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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