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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.09.2009
Aktenzeichen: 7 CE 09.2107
Rechtsgebiete: BayEUG


Vorschriften:

BayEUG Art. 43 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache

7 CE 09.2107

wegen Schulaufnahme und Genehmigung eines Gastschulverhältnisses (Antrag nach § 123 VwGO)

hier: Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. August 2009,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Borgmann, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Linder

ohne mündliche Verhandlung am 10. September 2009 folgenden

Beschluss:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Aufnahme der Antragstellerin als Gastschülerin an einer gebundenen Ganztagsschule.

Die Eltern der Antragstellerin hatten beantragt, diese und ihren Zwillingsbruder nach dem Übertritt von der Grundschule mit Beginn des Schuljahres 2009/2010 als Gastschülerin an der G*****-*********-Hauptschule in L*** ** **** aufzunehmen. Zur Begründung wurde insbesondere auf die Möglichkeit der Ganztagsbetreuung an dieser Schule und die Arbeitsstelle der Eltern in L*** hingewiesen.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2009 lehnte die Antragsgegnerin zu 2) den Antrag ab. Der Aufwandsträger der aufnehmenden Schule, die Gastschule selbst und die Hauptschule in F*********** als Sprengelschule hätten dem Antrag nicht zugestimmt. An der Gastschule sei kein Platz vorhanden. Es könne daher dahinstehen, ob zwingende persönliche Gründe für den Besuch der Gastschule vorlägen.

Hiergegen ließ die Antragstellerin am 30. Juli 2009 Widerspruch einlegen, über den noch nicht entschieden wurde.

Mit Schreiben vom 4. August 2009 ließ die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Würzburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vorläufige Aufnahme in die gebundene Ganztagsklasse, Jahrgangsstufe 5, der G*****-*********-Hauptschule, hilfsweise Gestattung des gastweisen Besuchs, weiter hilfsweise Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2009) beantragen. Wegen ihres durchgehend strukturierten Tages- und Wochenablaufs stelle die gebundene Ganztagsschule für die Antragstellerin, die an einer fachärztlich festgestellten ADS und Dyskalkulie leide, die förderlichste Schulart dar. Der Besuch einer Ganztagsschule sei deshalb fachärztlich empfohlen worden. An der Sprengelschule werde das pädagogische Konzept der gebundenen Ganztagsschule jedoch nicht angeboten. Die Antragstellerin habe sich rechtzeitig angemeldet. Es sei nicht zutreffend, dass an der Gastschule kein Platz vorhanden sei. Zum einen müsse der Antragsgegner zu 1) sich fragen lassen, warum er trotz des Überhangs von Bewerbern nur eine gebundene Ganztagsklasse in der Jahrgangsstufe 5 an der G*****-*********-Hauptschule eingerichtet habe. Zum anderen sei die Auswahl der aufgenommenen Schüler fehlerhaft. In den drei Jahren seit Bestehen der gebundenen Ganztagsklasse in L*** seien ebenfalls Schüler aus dem Schulensprengel P**********/F*********** aufgenommen worden. Die Sprengelpflicht stelle daher im Fall der Antragstellerin einen unverhältnismäßigen Eingriff in deren Recht auf Bildung dar.

Mit Beschluss vom 12. August 2009 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Die Entscheidung über den Gastschulantrag treffe nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG die Gemeinde. Der Freistaat Bayern sei daher nicht der richtige Antragsgegner. Für die hilfsweise Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 2), dem Gastschulantrag stattzugeben, habe die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Zwingende persönliche Gründe für den Besuch der Hauptschule L*** könnten im vorliegenden Fall nicht bejaht werden. Die vorgelegte fachärztliche Bescheinigung vom 29. Juli 2009 besage zwar, dass die Antragstellerin an einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung und an einer Rechenschwäche leide. Dies führe jedoch nicht zwingend zum Besuch der Hauptschule L***. Die fachärztliche Bescheinigung halte lediglich eine Hausaufgaben- und Nachmittagsbetreuung für sinnvoll und erforderlich, die jedoch auch an der Sprengelschule angeboten werde. Die Sprengelpflicht werde auch nicht überholt durch neue pädagogische Konzepte wie beispielsweise die gebundene Ganztagsschule. Andernfalls bestünde die Gefahr eines Überhandnehmens von Gastschulverhältnissen, wodurch die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers für die Sprengelpflicht unterlaufen würde.

Gegen den am 14. August 2009 zugestellten Beschluss ließ die Antragstellerin am 26. August 2009 Beschwerde einlegen mit dem Antrag,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antragsgegner zu 1) und den Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig in die Jahrgangsstufe 5 der G*****-*********-Hauptschule und dort in die gebundene Ganztagsklasse aufzunehmen,

hilfsweise unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Antragsgegnerin zu 2) und den Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, dem Gastschulantrag stattzugeben,

weiter hilfsweise den Bescheid der Antragsgegnerin zu 2) vom 28. Juli 2009 aufzuheben.

Der Antrag gegen den Antragsgegner zu 1) sei zulässig. Er sei nicht auf Begründung eines Gastschulverhältnisses gerichtet, sondern darauf, dass wegen der besonderen pädagogischen Ausrichtung der Hauptschule L*** und der besonderen persönlichen Verhältnisse der Antragstellerin die Sprengelpflicht nicht einschlägig sei, weshalb ein originärer Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufnahme an dieser Schule bestehe. Davon abgesehen lägen auch zwingende persönliche Gründe für den Besuch der gebundenen Ganztagsklasse vor. Die Antragstellerin habe ihren erhöhten Förderungsbedarf durch das vorgelegte ärztliche Attest glaubhaft gemacht. Die Nachmittagsbetreuung an der Sprengelschule reiche hierfür nicht aus. Im Attest vom 3. August 2009 werde der Besuch einer gebundenen Ganztagsschule ausdrücklich empfohlen. Allein ausschlaggebend sei die besonders strukturierte Unterrichtsform an der Gastschule, bei der der Stoff auch auf die Nachmittagsstunden verteilt und hierdurch die Belastung am Vormittag für das Kind verringert werde. Hierin bestehe ein signifikanter Unterschied zum Konzept der offenen Ganztagsschule, das an der Sprengelschule bestehe. Zu den konzeptionellen Unterschieden werde auf einen Beitrag von Holtappels (Ganztagsschule - ein Beitrag zur Förderung und Chancengleichheit) verwiesen. Die elterliche Entscheidung, ob und welche Schule das Kind besuchen solle, sei vor allem bei einer besonderen pädagogischen Ausrichtung einer bestimmten Bildungseinrichtung durch das Personensorgerecht (Art. 6 Abs. 2 GG) geschützt. Für besondere Härtefälle müsse vorab eine Quote bereitgestellt werden. Plätze, die unter Verstoß gegen die dem Schulleiter vorgegebenen oder von ihm selbst zugrundegelegten Auswahlkriterien vergeben worden seien, würden die Kapazität nicht in rechtlich beachtlicher Weise verbrauchen. Wenn die Wahl der Schulform nicht anders zu verwirklichen sei, könne die vollständige Ausschöpfung und auch eine Überschreitung der Kapazität verlangt werden.

Der Antragsgegner zu 1) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Besuch einer Volksschule außerhalb des Sprengels unterliege der ausschließlichen und abschließenden Regelung des Art. 43 Abs. 1 bis 3 BayEUG. Darüber hinaus gebe es keinen "originären" Anspruch auf Besuch einer bestimmten Volksschule. Zwingende Gründe für den Besuch der Gastschule lägen im Fall der Antragstellerin nicht vor. Die fachärztlichen Bescheinigungen würden den Besuch einer gebundenen Ganztagsschule nur empfehlen. Er sei damit aus medizinischer Sicht nicht zwingend erforderlich. Außerdem sei die Frage, ob die Antragstellerin die Bildungsziele nur in der gebundenen Ganztagsschule erreichen könne, primär pädagogisch zu beurteilen. Zur Beurteilung dieser Frage hätte die Antragstellerin entsprechende Fachstellen wie z.B. die Schulberatung beim Staatlichen Schulamt einschalten müssen. Allein die Präferenz der Eltern der Antragstellerin für die gebundene Ganztagsschule könne die Sprengelpflicht nicht überwinden. Außerdem sei die Kapazität der Hauptschule L*** erschöpft. Für gebundene Ganztagsklassen an Grund- und Hauptschulen gelte die allgemeine Empfehlung, dass solche Klassen möglichst nicht mehr als 25 Schüler haben sollten. Im vorliegenden Fall seien jedoch bereits 27 Schüler aufgenommen worden. Dabei handele es sich ausschließlich um Sprengelschüler. Eine Absage sei lediglich sprengelfremden Interessenten erteilt worden.

Die Antragsgegnerin zu 2) beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Art. 43 BayEUG stelle eine abschließende Regelung hinsichtlich der Ausnahmen von der Sprengelpflicht dar. Zwingende persönliche Gründe im Sinne dieser Vorschrift würden im Fall der Antragstellerin nicht vorliegen und gingen auch aus der vorgelegten fachärztlichen Bescheinigung, die den Besuch der gebundenen Ganztagsschule lediglich empfehle, nicht hervor. Vielmehr müsse die Antragstellerin trotz der vorgetragenen Rechenschwäche und der ADS die Sprengelschule besuchen, an der der Förderbedarf ausreichend abgedeckt werden könne. Außerdem fehle die notwendige pädagogische Abklärung und Beurteilung der lediglich medizinisch festgestellten Teilleistungsstörungen der Antragstellerin. Schließlich könne der Antrag auch deshalb keinen Erfolg haben, weil in die gebundene Ganztagsklasse der Gastschule ausschließlich Kinder aus dem eigenen Sprengel aufgenommen worden und keine freien Kapazitäten mehr vorhanden seien.

Mit Schreiben vom 8. September 2009 nahmen die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu den Erwiderungen der Antragsgegner Stellung und führten nochmals aus, die Eltern der Antragstellerin hätten sich ausschließlich wegen des besonderen pädagogischen Konzepts für die gebundene Ganztagsschule entschieden, die für das Kind mit seinen besonderen Bedürfnissen die notwendige Förderung verspreche und nicht nur einen reinen Nachteilsausgleich biete. Die Aufnahmekapazität der Ganztagsklasse von 30 Kindern sei auch noch nicht ausgeschöpft. Es entspreche auch nicht den Tatsachen, dass ausschließlich Kinder aus dem eigenen Schulsprengel aufgenommen worden seien. Außerdem könne die Klasse in 2 Klassen von jeweils 15 Kindern geteilt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), können nicht zum Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen führen. Es ist nach dem derzeitigen Sachstand nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen würde und dass ihr der Besuch der G*****-*********-Hauptschule und die Aufnahme in die gebundene Ganztagsklasse zu gestatten wäre. Dem durchaus nachvollziehbaren Wunsch ihrer Eltern steht die Sprengelpflicht entgegen. Daher kann der Antragstellerin der Schulwechsel auch nicht im Wege einer Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorläufig zugesprochen werden.

1. Mit ihrem Hauptantrag kann die Antragstellerin bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil der Schulsprengel auch im Falle einer Rechenschwäche und einer Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung zu beachten ist und daher grundsätzlich die Pflicht besteht, die Sprengelschule zu besuchen. Für die Hauptschule ergibt sich das aus Art. 42 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, BayRS 2230-1-1-UK), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 467). Danach erfüllen die Schülerinnen und Schüler der Volksschulen, also der Grund- und Hauptschulen (Art. 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, Art. 7, Art. 32 BayEUG), ihre Schulpflicht (Art. 35, Art. 36 BayEUG) in der Schule, in deren Schulsprengel sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der Schulsprengel wird von der Regierung als räumlich abgegrenztes Gebiet für jede Volksschule durch Rechtsverordnung bestimmt (Art. 32 Abs. 5 Satz 1 BayEUG). Er gilt damit auch für Hauptschüler mit Leistungsstörungen oder -defiziten. Sind diese so ausgeprägt, dass sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, ist die Schulpflicht nach Maßgabe eines sonderpädagogischen Gutachtens (Art. 41 Abs. 3 BayEUG) durch den Besuch einer entsprechenden Förderschule (Art. 19, Art. 20 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 lit. b, Art. 33 BayEUG) zu erfüllen (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Art. 41 Abs. 1 BayEUG), für die ebenfalls der Schulsprengel festzusetzen und zu beachten ist (Art. 33 Abs. 3, Abs. 4, Art. 42 Abs. 7 BayEUG).

Damit besteht für Schülerinnen und Schüler der Volksschulen einschließlich solcher mit sonderpädagogischem Förderbedarf grundsätzlich kein Anspruch auf Besuch einer anderen als der Sprengelschule. Das Recht auf freie Wahl der Schulart, Ausbildungsrichtung und Fachrichtung gilt nur, soweit nicht Pflichtschulen zu besuchen sind (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 BayEUG). Selbst bei freier Schulwahl besteht jedoch kein Rechtsanspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Schule an einem bestimmten Ort (Art. 44 Abs. 3 BayEUG).

2. Aber auch mit dem Hilfsantrag auf vorläufige Gestattung des Gastschulverhältnisses kann die Antragstellerin nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht geht zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus, wonach zwingende persönliche Gründe im Sinne des Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG nur dann vorliegen, wenn die persönlichen Nachteile beim Besuch der zuständigen Sprengelschule deutlich schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Sprengelpflicht (BayVGH vom 29.1.1979 VGH n.F. 32, 70, vom 3.2.1992 Az. 7 CE 91.3062 und vom 14.11.1997 Az. 7 ZE 97.2952; vgl. auch Kiesl/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Anm. 2 zu Art. 43 BayEUG). Für den gastweisen Besuch einer anderen Volksschule muss danach eine individuelle Ausnahmesituation vorliegen, die es unter Berücksichtigung des Wohls des Kindes unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unzumutbar macht, die zuständige Sprengelschule zu besuchen. Das ist nicht schon bei allgemein auftretenden Schwierigkeiten der Fall, die eine größere Zahl von Eltern und Schülern betreffen. Es muss sich vielmehr um besondere, individuelle Umstände handeln, die eine vom Normalfall abweichende, durch den Besuch der Sprengelschule bedingte Belastung ergeben.

Den Eltern der Antragstellerin ist allerdings einzuräumen, dass sie nach den vorliegenden Unterlagen im Verwaltungsverfahren zunächst wohl nicht hinreichend auf die Sprengelpflicht und auf die Notwendigkeit zwingender persönlicher Gründe für den gastweisen Besuch der G*****-*********-Hauptschule hingewiesen wurden. Möglicherweise wurde die Gestattung von Gastschulverhältnissen in der Vergangenheit auch eher nach Kapazitätsgesichtspunkten und weniger unter Beachtung der Voraussetzungen des Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG gehandhabt. Hierfür spricht jedenfalls die vom Verwaltungsgericht eingeholte Stellungnahme der G*****-*********-Hauptschule vom 7. August 2009. Danach nimmt die Schule nach Möglichkeit alle gemeldeten Schüler in die gebundene Ganztagsklasse auf; wenn dies nicht möglich ist, nur die Schüler aus dem Schulsprengel, wenn auch dies nicht umfassend möglich ist, werden die Plätze verlost. Eine umfassende Aufnahme aller Schüler unabhängig davon, ob für außerhalb des Sprengels wohnende Schüler zwingende persönliche Gründe vorliegen, ist jedoch auch bei freier Kapazität mit Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG nicht vereinbar. Allein aus einer möglicherweise in den Vorjahren nicht immer gesetzeskonformen Aufnahme sprengelfremder Schüler in die gebundene Ganztagsklasse der G*****-*********-Hauptschule kann die Antragstellerin jedoch keine Verpflichtung der Antragsgegner und des Beigeladenen herleiten, nunmehr ebenfalls unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG als Gastschülerin aufgenommen zu werden. Vielmehr kann ein Anspruch auf eine gastweise Aufnahme nur nach Maßgabe des Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG in Betracht kommen.

Zwingende persönliche Gründe für den Besuch der G*****-*********-Hauptschule und die Aufnahme in die gebundene Ganztagsklasse hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Es ist bereits fraglich, ob die geltend gemachte Rechenschwäche (Dyskalkulie) und Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung überhaupt in der notwendigen Weise festgestellt wurden (a). Des Weiteren ist nicht glaubhaft gemacht, dass sich hieraus die zwingende Notwendigkeit des Besuchs einer gebundenen Ganztagsschule ergibt (b). Schließlich steht dem Schulwechsel entgegen, dass die Kapazität der gewünschten Ganztagsklasse der G*****-*********-Hauptschule erschöpft ist, ohne dass nach derzeitigem Erkenntnisstand bei der Vergabe Auswahlfehler zum Nachteil der Antragstellerin ersichtlich sind (c).

a) Die Eltern der Antragstellerin haben die Rechenschwäche und die Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung im Antrag auf gastweisen Besuch der G*****-*********-Hauptschule nicht erwähnt, sondern den Antrag insbesondere mit dem Gesamtkonzept der Ganztagsbetreuung, der Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und dem Umstand begründet, dass sie in L*** arbeiten. Erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens wurden erstmals fachärztliche Bescheinigungen vom 29. Juli 2009 und vom 3. August 2009 vorgelegt, in denen eine Rechenschwäche und eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung bestätigt wurde. Zwar gilt die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zur Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens (KMBek vom 16.11.1999, KWMBl I S. 379, geändert durch KMBek vom 11.8.2000, KWMBl I S. 403), die für die Feststellung einer Legasthenie eine fachärztliche Bescheinigung im Zusammenwirken mit einem im Schuldienst tätigen Schulpsychologen verlangt, nicht für die fachärztlich attestierte Rechenschwäche und Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung. Auch wurden die vorgelegten Atteste nicht nur von einer Kinder- und Jugendpsychiaterin und Psychotherapeutin, sondern zusätzlich von einer Diplompädagogin unterzeichnet. Allerdings stimmt der in diesen Attesten für die Rechenschwäche vergebene Schlüssel (ICD 10 F81.9) nicht mit dem nach der Internationalen statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) zu vergebenden Schlüssel für eine Rechenstörung (F81.2) überein.

b) Unabhängig von der Frage, wie sehr die Antragstellerin durch die geltend gemachte Rechenschwäche und Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung beeinträchtigt ist, ergibt sich jedenfalls aus den vorgelegten Attesten keine zwingende Notwendigkeit des Besuchs einer gebundenen Ganztagsschule, die das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Sprengelpflicht überwiegen würde. Im Attest vom 29. Juli 2009 wurde eine Hausaufgaben- und Nachmittagsbetreuung als sinnvoll und erforderlich bezeichnet und deshalb dringend eine Ganztagsbeschulung empfohlen. Diese wird jedoch - wenn auch nur in der Form einer offenen Ganztagsschule - auch an der Hauptschule im F*********** angeboten, die die Antragstellerin als Sprengelschule zu besuchen hat. Das Attest vom 29. Juli 2009 unterscheidet nicht zwischen einer offenen Ganztagsschule (mit Unterricht überwiegend am Vormittag und Nachmittagsangebot mit Freizeitaktivitäten und Hausaufgabenbetreuung) und einer gebundenen Ganztagsschule (mit Pflichtunterricht am Vormittag und am Nachmittag). Erst im Attest vom 3. August 2009 wird die Weiterbeschulung der Antragstellerin im Rahmen einer gebundenen Ganztagsklasse dringend empfohlen. Das Vorbringen erscheint damit gesteigert und an die jeweiligen Entscheidungen der Schule und der Antragsgegner angepasst.

Es ist jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass die Sprengelschule, die ebenfalls eine Nachmittagsbetreuung anbietet, nicht in der Lage wäre, die Antragstellerin in der gebotenen Weise zu fördern. Die Unterstützung bei Lern- und Leistungsschwierigkeiten ist keine spezielle Aufgabe der gebundenen Ganztagsschulen. Auch wenn das Konzept der gebundenen Ganztagsschulen unter anderem auch die stärkere individuelle Förderung von Schülern vorsieht, um Defizite zu beheben oder besondere Begabungen zu unterstützen, sind bei Lern- und Leistungsschwierigkeiten grundsätzlich alle Schulen verpflichtet, gegebenenfalls mit Unterstützung von Mobilen Sonderpädagogischen Diensten oder in Kooperation mit Förderschulen die erforderliche sonderpädagogische Förderung zu gewährleisten (Art. 2 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Art. 21, Art. 30 Abs. 1 Sätze 3 bis 6, Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG). Dass die Defizite der Antragstellerin nur an einer gebundenen Ganztagsschule ausgeglichen und angemessen gefördert werden können, ist weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich. Dies ergibt sich auch nicht aus dem zuletzt vorgelegten Attest vom 3. August 2009, das ohne nähere Begründung und in Abweichung von dem erst wenige Tage zuvor erstellten Attest vom 29. Juli 2009 nicht mehr eine auch an der Sprengelschule angebotene Hausaufgaben- und Nachmittagsbetreuung für erforderlich hält, sondern eine Vertiefung des vormittäglichen Schulstoffs durch Fachlehrer der eigenen Schule. Mit einer nicht näher erläuterten Empfehlung des Besuchs einer gebundenen Ganztagsschule sind jedenfalls zwingende persönliche Gründe im Sinne des Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG nicht ausreichend dargelegt. Gleiches gilt für den vorgelegten Beitrag von Holtappelts, der sich allgemein mit Ganztagsschulen und den verschiedenen Konzepten befasst, jedoch naturgemäß nicht mit der konkreten Situation der Antragstellerin.

c) Die Aufnahme in die gebundene Ganztagsklasse der G*****-*********-Hauptschule scheitert schließlich daran, dass deren Kapazität bereits ausgeschöpft ist und Auswahlfehler bei der Vergabe zum Nachteil der Antragstellerin nicht ersichtlich sind.

Wie die Landesanwaltschaft Bayern dargelegt hat, gilt für gebundene Ganztagsklassen an Grund- und Hauptschulen in Bayern die allgemeine Empfehlung, dass möglichst nicht mehr als 25 Schüler aufgenommen werden sollen. Die Höchstzahl von 30 Schülern pro Klasse gilt der Stellungnahme der Landesanwaltschaft zufolge nur für Hauptschulen herkömmlicher Art und nicht für gebundene Ganztagsklassen, die wie jahrgangskombinierte Klassen und Kooperationsklassen maximal 25 Schüler aufnehmen sollen. Diese Kapazität wurde an der G*****-*********-Hauptschule mit 27 Schülern für die Ganztagsklasse der fünften Jahrgangsstufe im Schuljahr 2009/2010 bereits überschritten. Zu Recht weisen die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 2) in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die von den Eltern der Antragstellerin angestrebte Möglichkeit der individuellen Förderung einzelner Schüler mit zunehmender Klassenstärke geringer wird. Da die Plätze nach der Stellungnahme der Landesanwaltschaft vom 2. September 2009 und dem Schriftsatz der Antragsgegnerin zu 2) vom 3. September 2009 - möglicherweise anders als in den Vorjahren - ausschließlich an Sprengelschüler vergeben wurden und die Antragstellerin Gegenteiliges nicht glaubhaft gemacht hat, liegt auch kein Auswahlfehler vor, aus dem die Antragstellerin einen Anspruch auf Vergabe eines zusätzlichen Platzes herleiten könnte. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht keine Verpflichtung, von vornherein eine Quote für besondere Härtefälle außerhalb des Schulsprengels bereitzustellen. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass die Schule möglicherweise die Nachfrage unterschätzt und deshalb keinen Bedarf für einen weiteren gebundenen Ganztagszug angemeldet hat. Wenn - wie hier - die Sprengelschüler in einer Klasse untergebracht werden können, kann die Antragstellerin nicht verlangen, dass ihrem Anliegen durch Überfüllung der bereits ausgelasteten Ganztagsklasse Rechnung getragen oder dass zur Erhöhung der Kapazität eine zweite Klasse, für die das erforderliche Personal nicht vorhanden ist, gebildet wird (vgl. auch NdsOVG vom 18.12.2008 NVwZ-RR 2009, 372 ff.). Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine Zuweisung der Antragstellerin in die gebundene Ganztagsklasse der G*****-*********-Hauptschule durch das Staatliche Schulamt gemäß Art. 43 Abs. 2 Nr. 1 BayEUG aus.

3. Der weitere Hilfsantrag, mit dem die Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2009 begehrt wird, ist bereits deshalb abzulehnen, weil hierdurch die Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen würde, ohne dass dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten wäre. Außerdem ist die Ablehnung des Gastschulantrags aus den dargelegten Gründen rechtmäßig.

Die Beschwerde kann daher keinen Erfolg haben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 38.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).

5. Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.



Ende der Entscheidung

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