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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.09.2002
Aktenzeichen: 7 ZB 02.1219
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 5
VwGO § 60 Abs. 1
VwGO § 118
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 ZB 02.1219

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Diplomvorprüfung Wirtschaftspädagogik;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Januar 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Heinl

ohne mündliche Verhandlung am 20. September 2002 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin studierte an der Universität München Wirtschaftspädagogik. Nachdem ihr mit Schreiben vom 14. Juni 1999 ausnahmsweise eine weitere Möglichkeit zur Wiederholung der Klausur des Vordiploms in Betriebswirtschaftslehre (BWL) I eingeräumt worden war, nahm sie weder am folgenden Klausurtermin vom 2. August 1999 noch an dem vom 26. April 2000 teil. Vielmehr machte sie mit am 9. Mai 2000 beim Prüfungsamt eingegangenen Schreiben geltend, sie habe an der Prüfung vom 26. April 2000 wegen Krankheit nicht teilnehmen können.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2000 teilte der Prüfungsausschuss für Diplom-Kaufleute, Diplom-Volkswirte und Diplom-Handelslehrer der Klägerin mit, dass ihr Rücktritt nicht unverzüglich geltend und glaubhaft gemacht worden sei; die Diplomvorprüfung im Fach BWL I gelte wegen Versäumung der Frist für die Wiederholungsprüfung als endgültig nicht bestanden. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin hiergegen Klage, die das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 21. Januar 2002 abwies, da die Klägerin die Gründe für ihren nachträglichen Prüfungsrücktritt weder unverzüglich schriftlich angezeigt noch unverzüglich glaubhaft gemacht habe. Das Urteil wurde der Klägerin am 17. April 2002 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2002, am gleichen Tage per Telefax beim Verwaltungsgericht München eingegangen, ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Mit weiterem Schriftsatz vom 17. Juni 2002, der an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof adressiert war und dort per Telefax am 17. Juni 2002 um 14.19 Uhr einging, begründete die Bevollmächtigte der Klägerin den Antrag auf Zulassung der Berufung.

Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 28. August 2002 auf § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO hingewiesen hatte, machte diese geltend, der Verwaltungsgerichtshof hätte im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Schriftsatz vom 17. Juni 2002 an das richtige Gericht weiterleiten müssen. Hilfsweise werde wegen der Versäumung der Frist für die Begründung des Zulassungsantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Begründungsfrist habe neu zu laufen begonnen, da das angefochtene Urteil vom Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 21. Juni 2002 berichtigt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig, da die Begründung des Zulassungsantrags entgegen § 124 a Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils beim Verwaltungsgericht München eingereicht wurde.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde der Klägerin am 17. April 2002 zugestellt. Die Begründungsfrist von zwei Monaten (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) endete daher gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am Montag, dem 17. Juni 2002. Die Berichtigung des Urteils des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 21. Juni 2002 gemäß § 118 VwGO wegen einer offenbaren Unrichtigkeit setzte eine neue Rechtsmittelfrist für die berichtigte Entscheidung nicht in Lauf. Eine derartige Berichtigung hat grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen; dies wäre allenfalls dann ausnahmsweise möglich, wenn das berichtigte Urteil in der ursprünglichen, der Zustellung zugrunde liegenden Fassung nicht hinreichend klar genug war, um den Parteien die Grundlage für ihr weiteres prozessuales Handeln, insbesondere für ihre Entscheidung über die Frage der Notwendigkeit und Möglichkeit eines Rechtsmittels zu bieten (vgl. BayVGH vom 18.11.1980 BayVBl 1983, 502; BGHZ 113, 228; BGH vom 9.11.1994 NJW 1995, 1033). Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht gegeben.

Durch den Eingang der Begründung des Zulassungsantrags beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 17. Juni 2002, also am letzten Tag der Frist, wurde diese nicht gewahrt. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO, wonach die Begründung bei dem Verwaltungsgericht einzureichen ist, worauf wiederum die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils vom 21. Januar 2002 ausdrücklich hingewiesen hat, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht der richtige Adressat. Angesichts des klaren und eindeutigen Wortlauts von § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem schwer nachvollziehbaren Sinn und Zweck dieser Regelung.

Da die Begründung des Zulassungsantrags erst am letzten Tag der Frist, dem 17. Juni 2002, per Telefax um 14.19 Uhr beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist, durfte die Klagepartei auch nicht darauf vertrauen, dass der Verwaltungsgerichtshof diesen fristgebundenen Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Verwaltungsgericht weiterleiten wird und dass er noch fristgerecht dort eingeht. Auch bei Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang wäre der Zulassungsantrag nämlich frühestens am 18. Juni 2002, also nach Fristablauf beim Verwaltungsgericht eingegangen. Es erübrigt sich daher im vorliegenden Fall eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage, ob und inwieweit überhaupt eine derartige Fürsorgepflicht des Verwaltungsgerichtshofs bestanden hätte (vgl. dazu BVerfG vom 20.6.1995 NJW 1995, 3173).

Wegen der Versäumung der Frist für die Begründung des Zulassungsantrags kann der Klägerin auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO gewährt werden. Zwar hat die Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 13. September 2002 binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist der Klägerin jedoch nicht zu gewähren, weil sie nicht darlegen konnte, dass ihre Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden daran gehindert gewesen ist, die gesetzliche Frist zur Einreichung der Begründung des Zulassungsantrags einzuhalten. Die Wahrung prozessualer Fristen ist eine der wesentlichen Aufgaben des Rechtsanwalts, der er besondere Sorgfalt widmen muss. So ist der Rechtsanwalt für die rechtlich korrekte Zuordnung eines fristgebundenen Schriftsatzes zum richtigen Gericht verantwortlich (BGH vom 23.3.1995 NJW 1995, 2105/2106) und hat demgemäss bei Anfertigung einer Rechtsmittelschrift sein Arbeitsergebnis auch bezüglich der Bezeichnung des Adressatengerichts sorgfältig zu überprüfen (vgl. OVG Hamburg vom 4.9.1997 NJW 1998, 696/697). Insbesondere muss von einem Rechtsanwalt grundsätzlich die sorgfältige Lektüre einer der angefochtenen Gerichtsentscheidung beigefügten Rechtsmittelbelehrung und/oder ein Blick in die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen erwartet werden. Im vorliegenden Fall enthält die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Verwaltungsgerichts München den ausdrücklichen Hinweis, dass die Begründung (für den Antrag auf Zulassung der Berufung) bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht München einzureichen ist, wobei die Worte "Bayerischen Verwaltungsgericht München" sogar durch Fettdruck hervorgehoben sind. Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten entfällt ihr Verschulden an der Fristversäumung auch nicht dadurch, dass ihr der Verwaltungsgerichtshof mit Schreiben vom 23. Mai 2002 mitgeteilt hat, dass ihr Antrag gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München hier unter dem Az. 7 ZB 02.1219 geführt wird und sie künftige Schriftsätze dreifach einreichen möge. Es kann nicht ernsthaft erwogen werden, dass dieser Umstand die Klägerbevollmächtigte berechtigterweise zu der Annahme veranlassen hätte können, dass die Begründung des Zulassungsantrags nunmehr abweichend von der eindeutigen Gesetzeslage und der diese zutreffend wiedergebenden Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Verwaltungsgerichts beim Verwaltungsgerichtshof einzureichen wäre (ebenso OVG Saarland vom 29.4.2002 Az. 1 Q 20/02 - Juris). Etwaige Unklarheiten hätte die Klägerbevollmächtigte darüber hinaus durch entsprechende Nachfragen in der Zeit bis zum Fristablauf am 17. Juni 2002 klären können.

Das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (BVerwG vom 5.5.1999 NVwZ 2000, 65).

Der Wiedereinsetzungsantrag konnte somit nicht zum Erfolg führen und es bleibt bei der Unzulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung.

2. Unabhängig davon wäre der Antrag auf Zulassung der Berufung auch unbegründet. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten oder wegen eines Verfahrensmangels sind nicht gegeben (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 5 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin ihren krankheitsbedingten nachträglichen Prüfungsrücktritt weder unverzüglich geltend noch die Gründe für ihr Fernbleiben von der Prüfung unverzüglich glaubhaft gemacht hat.

3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 13 Abs. 1, § 73 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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