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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 7 ZB 06.1176
Rechtsgebiete: BayHSchG, HSchGebV, GG


Vorschriften:

BayHSchG (a.F.) Art. 68
BayHSchG (a.F.) Art. 85 Abs. 2
BayHSchG (a.F.) Art. 85 Abs. 5 Satz 3
BayHSchG (n.F.) Art. 71 Abs. 5 Satz 2
BayHSchG (n.F.) Art. 71 Abs. 5 Satz 3
BayHSchG (n.F.) Art. 71 Abs. 6
BayHSchG (n.F.) Art. 101 Abs. 1 Satz 2
HSchGebV § 3 Abs. 4 Satz 1
HSchGebV § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3
GG Art. 20 Abs. 1
Verzögerungen im Studienablauf, die durch die Wahrnehmung eines kommunalen Mandats verursacht worden sind, rechtfertigen nicht die Befreiung des Studenten von der Erhebung einer Langzeitstudiengebühr wegen "unbilliger Härte".
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 ZB 06.1176

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Erhebung von Langzeitstudiengebühren;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. Februar 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 17. November 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers, der sich im Wintersemester 2005/2006 im 13. Semester des Studiums "Soziale Arbeit" an der Fachhochschule Nürnberg befand, von der wegen Überschreitung der Regelstudienzeit um mehr als drei Semester zu erhebenden Langzeitstudiengebühr in Höhe von 500 Euro (Art. 85 Abs. 2 BayHSchG a.F.) wegen unbilliger Härte befreit zu werden.

Zur Begründung seines am 4. Juli 2005 bei der Hochschule eingegangenen Befreiungsantrags führte der Kläger aus, sein Studienfortschritt habe sich nach seiner im Mai 2002 erfolgten Wahl in den Rat der Stadt S. verzögert, da er seitdem als Mitglied verschiedener Ausschüsse und als zuständiger Pfleger des Stadtrats für die Jugendarbeit in erheblichem Maße ehrenamtlich tätig sei.

Mit Bescheid vom 11. August 2005 lehnte die Hochschule den Antrag ab. Die ehrenamtliche Tätigkeit in einem Stadtrat sei nicht vergleichbar mit der Mitwirkung von Studenten in Kollegialorganen der Hochschule, die in § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 HSchGebV als möglicher Grund für eine Befreiung wegen unbilliger Härte genannt sei.

Der Kläger ließ dagegen beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage erheben und beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11. August 2005 zu verpflichten, den Kläger von der Entrichtung von Langzeitgebühren für das Wintersemester 2005/2006 zu befreien,

hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11. August 2005 zu verpflichten, über den Befreiungsantrag des Klägers erneut zu entscheiden.

Nach dem Sinn und Zweck der Langzeitgebühren sollten Studenten, die ihr persönliches und eigennütziges "Freizeitprogramm" über ihre Studienpflichten stellten, zum Umdenken angeregt werden; hingegen liege es nicht in der Absicht des Gesetzgebers, Studenten zur Aufgabe ehrenamtlicher Tätigkeiten zu veranlassen. Wegen der aus Art. 20 Abs. 1 GO folgenden Verpflichtung zur gewissenhaften Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit sei der Kläger nicht berechtigt, sein Stadtratsmandat zugunsten eines beschleunigten Studiums zu vernachlässigen. Die Vermeidung von Studiengebühren stelle nach Art. 19 GO auch keinen wichtigen Grund für eine Niederlegung des Mandats dar.

Mit Urteil vom 7. Februar 2006 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Bei der als gebundene Entscheidung ergehenden Prüfung einer "unbilligen Härte" nach § 3 Abs. 4 Satz 1 HSchGebV sei zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber in die exemplarische Aufzählung nach Satz 2 nicht das öffentliche Ehrenamt als solches oder die Mitwirkung in kommunalen Räten als dessen geläufigsten Prototyp, sondern ausdrücklich nur die studentische Mitwirkung in Kollegialorganen der Hochschule aufgenommen habe. Daraus sei zu schließen, dass er allein für diesen besonderen Fall eine Ausnahme habe statuieren wollen, da es sich um eine ehrenamtliche Mitwirkung unmittelbar zu Gunsten der Hochschule handle. Diese Verknüpfung ergebe sich auch daraus, dass das Gebührenaufkommen zum größten Teil den Hochschulen zukomme. Wer seinen "Beitrag" zur Aufrechterhaltung des Hochschulbetriebs bereits im Wege der studentischen Mitwirkung in den dortigen Kollegialorganen erbracht habe, solle nicht zusätzlich zu einer Geldleistung herangezogen werden. Diese Auslegung werde durch die künftig geltende Neuregelung des Art. 71 Abs. 5 Satz 3 BayHSchG bestätigt, wonach die Hochschulen Studierende "für besondere Leistungen" von den allgemeinen Studienbeiträgen befreien könnten. Die bisher geltende Bestimmung des § 3 Abs. 4 HSchGebV sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Ergänzend könne noch darauf verwiesen werden, dass die Rechtsordnung für ehrenamtliche Tätigkeiten in kommunalen Vertretungsorganen nach Art. 20a GO nicht unbeträchtliche Entschädigungen vorsehe; in der Stadt S. seien dies 337,69 Euro monatlich sowie 30 Euro pro Sitzung. Im Übrigen könne der Kläger nach Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 GO sein Ratsmandat niederlegen, wenn mit dessen Wahrnehmung eine wesentliche Beeinträchtigung seines Studiums bzw. eine signifikante Verzögerung des Studienabschlusses und damit der Möglichkeit der Berufsaufnahme einhergehe. Auf Befreiungsentscheidungen anderer Hochschulen in vergleichbaren Fällen könne er sich nicht berufen, da es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gebe.

Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Februar 2006 verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.

Der Beklagte tritt dem Zulassungsantrag entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. Februar 2006 hat keinen Erfolg. An der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); die Rechtssache hat auch nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a) Das Verwaltungsgericht hat in der Sache zu Recht angenommen, dass für die vom Verordnungsgeber als gebundene Entscheidung ausgestaltete Befreiung von den Langzeitstudiengebühren nach der erstmals zum Wintersemester 2005/2006 anzuwendenden Vorschrift des § 3 Abs. 4 Satz 1 der Hochschulgebührenverordnung (HSchGebV) vom 7. März 1994 (BayRS 2210-1-1-9-WFK) i.d.F. der Änderungsverordnung vom 11. Februar 2005 (GVBl S. 43) die tatbestandlichen Voraussetzungen fehlen. Nach der genannten Vorschrift wird von der Gebührenerhebung auf Antrag abgesehen, wenn die Erhebung zu einer "unbilligen Härte" führen würde. Dass diese Folge im Falle des Klägers eintreten könnte, ist auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens im Zulassungsverfahren nicht erkennbar.

Entgegen der Vorstellung des Klägers kann nicht bereits dann von einer "unbilligen Härte" gesprochen werden, wenn den Langzeitstudenten an der Verzögerung des Studienabschlusses kein Verschulden im Sinne eines vorwerfbaren Pflichtverstoßes trifft. Die durch § 18 Nr. 3 des Nachtragshaushaltsgesetzes vom 24. März 2004 (GVBl S. 84) eingeführten Langzeitstudiengebühren nach Art. 85 Abs. 2 BayHSchG a.F. stellen keine Sanktion für ein (vermutetes) individuelles Fehlverhalten dar, sondern sollen in partieller Abkehr vom bisherigen Prinzip des kostenfreien Studiums den Hochschulen neue Finanzmittel erschließen (vgl. LT-Drs. 15/252 S. 38). Über den Gesichtspunkt der Kostenbeteiligung hinaus dürften allerdings die Gebühren für Langzeitstudenten - ähnlich wie die Gebühren für ein Zweitstudium (dazu BayVGH vom 28. 3. 2001 VGH n.F. 54, 52/58) - auch eine langfristige Verhaltensänderung in Richtung auf ein zügigeres Studieren zum Ziel haben. Dieser generelle Lenkungszweck erlaubt aber nicht den Schluss, dass jeder "schuldlos" in Verzug geratene Student in den Genuss der Befreiungsregelung kommen müsste. Die Gebührenpflicht hängt nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes grundsätzlich nicht von den Ursachen ab, die zur Verzögerung des Studienablaufs geführt haben. Auf individuelle Umstände kommt es nur in den vom Verordnungsgeber festzulegenden "Ausnahmefällen" an (Art. 85 Abs. 5 Satz 3 BayHSchG a.F.), in denen zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Belastung eine Gebührenbefreiung geboten ist (vgl. BVerwG vom 25. 7. 2001 BVerwGE 115, 32/43).

Da die Verpflichtung, in atypischen Fällen auftretende "unbillige Härten" abzumildern, aus dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot folgt (BVerfG vom 31. 3. 2006 Az. 1 BvR 1750/01 [juris]; BVerwG, a.a.O., 42 f., jeweils zu Langzeitstudiengebühren nach baden-württembergischem Recht), muss auch die gleichlautende Formulierung in § 3 Abs. 4 Satz 1 HSchGebV dahingehend verstanden werden, dass damit nur individuell unzumutbaren Sonderbelastungen Rechnung getragen werden soll. Für ein weitergehendes Begriffsverständnis fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Von einer (sachlich) unbilligen Härte der Heranziehung wird allgemein nur gesprochen bei Sachverhalten, die sich im Verhältnis zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen der Abgabenerhebung als Sonderfälle darstellen (vgl. zu § 135 Abs. 5 Satz 1 BauGB BVerwG vom 22. 5. 1992 BVerwGE 90, 202/206 m.w.N.). Die Befreiung im Einzelfall darf die dem Abgabentatbestand innewohnende Bewertung des Gesetzgebers nicht durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang abhelfen (Driehaus in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., RdNr. 9 zu § 135 m.w.N.). Davon kann aber im Fall des Klägers keine Rede sein. Dass der Hochschulgesetzgeber bei Einführung der Gebührenregelung für Langzeitstudenten ein allgemein im öffentlichen Interesse liegendes kommunalpolitisches oder soziales Engagement, das keinen Bezug zur Hochschule aufweist, hätte fördern oder belohnen wollen, lässt sich durch nichts belegen. Er war auch aus verfassungsrechtlichen Gründen, etwa mit Blick auf das Demokratie- und Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), nicht dazu verpflichtet, solche hochschulfremden Aktivitäten durch ein Absehen von der Gebührenerhebung zu privilegieren. Dem vom Verwaltungsgericht erwähnten Umstand, dass kommunalen Mandatsträgern für die ehrenamtliche Tätigkeit eine angemessene Entschädigung zusteht und dass sie ihr Mandat aus wichtigen Gründen niederlegen können, kommt danach keine entscheidende Bedeutung mehr zu.

Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das in § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 HSchGebV genannte Beispiel der studentischen Mitwirkung in Kollegialorganen der Hochschulen. Dieser ausdrücklich normierte Sonderfall unterscheidet sich maßgeblich von der bürgerschaftlichen Beteiligung an der kommunalen Selbstverwaltung. Die Legitimation für die gebührenrechtliche Begünstigung der hochschulinternen Aktivitäten ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang des Bayerischen Hochschulgesetzes. Die Mitwirkung der studentischen Vertreter in den Kollegialorganen der Hochschule findet ihre Grundlage in Art. 68 BayHSchG. Die dort angesprochenen Vertretungstätigkeiten kommen unmittelbar der Hochschule zugute und dürfen nicht durch andere hochschulrechtliche Regelungen unzumutbar erschwert werden. Lässt der für die Gremienarbeit notwendige Zeitaufwand das prinzipiell geforderte zügige Studieren objektiv nicht zu, so kann die Heranziehung zu Langzeitstudiengebühren ausnahmsweise als unverhältnismäßig erscheinen, weil der betroffene Student seinen Beitrag zur Förderung der Hochschule gleichsam in doppelter Form erbringen müsste. Der Verordnungsgeber war daher berechtigt, im Einklang mit den gesetzlichen Wertungen für solche Fälle eine Befreiungsmöglichkeit wegen "unbilliger Härte" vorzusehen. Eine vergleichbare Pflichtenkollision lässt sich bei den außerhalb der Hochschule übernommenen Mandaten nicht feststellen. Der vom Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung gezogene Umkehrschluss aus § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 HSchGebV stellt hiernach entgegen dem Klägervorbringen keine unzulässige Rechtsfortbildung, sondern ein mit anerkannten Auslegungsmethoden gewonnenes Subsumtionsergebnis dar.

b) Dem vorliegenden Rechtsstreit kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu, die zur Zulassung der Berufung führen müsste. Der Inhalt des unbestimmten Rechtsbegriffs der "unbilligen Härte" ist aus abgabenrechtlicher Sicht höchstrichterlich ausreichend geklärt; neue Auslegungsfragen sind insoweit weder ersichtlich noch vom Kläger aufgeworfen worden. Nachdem im Zuge der Neufassung des Bayerischen Hochschulgesetzes (G. vom 23. 5. 2006, GVBl S. 245) die Bestimmung über Langzeitstudiengebühren aufgehoben und durch eine umfassendere Vorschrift über die Erhebung allgemeiner Studienbeiträge ersetzt worden ist, die andere Befreiungsvoraussetzungen vorsieht (Art. 71 Abs. 5 Satz 2 und 3 BayHSchG n.F.), wäre ein etwaiger Klärungsbedarf mittlerweile ohnehin entfallen; aus den letztmals im Wintersemester 2006/2007 zur Anwendung gelangten (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 BayHSchG n.F.) verordnungsrechtlichen Vorschriften über die Gebührenbefreiung nach § 3 Abs. 4 HSchGebV können für die ab dem Sommersemester 2007 kraft Gesetzes (Art. 71 Abs. 5 Satz 2 BayHSchG n.F.) oder aufgrund einer Hochschulsatzung (Art. 71 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 BayHSchG n.F.) möglichen Beitragsbefreiungen keine Maßstäbe mehr abgeleitet werden.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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