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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 7 ZB 07.1755
Rechtsgebiete: BayEUG


Vorschriften:

BayEUG Art. 86 Abs. 2 Nr. 9
BayEUG Art. 87
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 ZB 07.1755

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Entlassung von der Schule;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. Mai 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 17. April 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1989 geborene Kläger besuchte im Schuljahr 2005/2006 die Klasse 9 b der *********** *************-Realschule. Nach vorheriger Anhörung und Belehrung der Eltern wurde er durch Bescheid der Beklagten vom 3. April 2006 mit sofortiger Wirkung von der Schule entlassen. Zur Begründung gab die Schule an, der Kläger habe am 15. März 2006 in der fünften Stunde und am 24. März 2006 in der vierten Stunde für Mitschülerinnen "seine Männlichkeit" sichtbar entblößt; außerdem habe er verschmutzte Taschentücher umher geworfen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 zurück.

Mit Urteil vom 14. Mai 2007 wies das Verwaltungsgericht die hiergegen erhobene Klage ab. Der Kläger habe durch das ihm vorgeworfene Verhalten sexistisch-obszöner Natur Persönlichkeitsrechte insbesondere der betroffenen Mitschülerinnen erheblich verletzt und dadurch die Erfüllung des Erziehungsauftrages der Schule gefährdet. Entgegen dem Vortrag des Klägers sei die Schule auch nicht nur von Verdachtsmomenten ausgegangen. Der Schulleiter habe die betroffenen Mitschülerinnen eingehend befragt, deren widerspruchsfreie und detailreiche Schilderungen keinen Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit Anlass gegeben hätten. Die hierüber geführten Aufzeichnungen des Schulleiters hätten dem Disziplinarausschuss zur Verfügung gestanden, die fraglichen Vorfälle seien Gegenstand der mündlichen Erörterung in der Sitzung des Disziplinarausschusses vom 3. April 2006 zusammen mit dem Kläger und seinen Eltern gewesen. Angesichts der Schwere der Vorwürfe gegen den Kläger sei die sofortige Entlassung auch verhältnismäßig gewesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er wiederholt im wesentlichen seinen Vortrag erster Instanz und legt das Urteil des Amtsgerichts München vom 22. Mai 2007 vor, mit dem der Kläger aus tatsächlichen Gründen freigesprochen wurde, da weder der angeklagte Straftatbestand der Beleidigung gemäß §§ 185, 194 Abs. 1 StGB noch ein eventuell auch in Frage kommender Straftatbestand der exhibitionistischen Handlung bewiesen worden sei.

Die Behörden- und Gerichtsakten haben dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegen. Hierauf wird im Übrigen Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung führt nicht zum Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da keine gewichtigen Gründe dafür sprechen, dass der Kläger in einem Berufungsverfahren obsiegen könnte.

Der Disziplinarausschuss, der gemäß Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEUG die Aufgaben der Lehrerkonferenz (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 BayEUG) wahrgenommen hat, hat zu Recht die Entlassung des Klägers gemäß Art. 86 Abs. 2 Nr. 9 BayEUG ausgesprochen. Diese Ordnungsmaßnahme darf nach Art. 86 Abs. 6 BayEUG nur verhängt werden, wenn ein Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet hat. Für die Wahl der Ordnungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maß die Erfüllung des Schulzwecks gestört oder gefährdet und die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt wurde, wie sie in Art. 131 BV, Art. 1, 2 BayEUG niedergelegt ist (BayVGH vom 2.9.1993 BayVBl 1994, 346 m.w.N.). Die Wahl der Ordnungsmaßnahme erweist sich damit als eine pädagogische Ermessensentscheidung. Bei dieser Ermessensentscheidung hat die Lehrerkonferenz bzw. der Disziplinarausschuss darauf zu achten, dass die Ordnungsmaßnahme der Entlassung zur Schwere des zu ahndenden und zu unterbindenden Verhaltens eines Schülers nicht außer Verhältnis steht. Die Entlassung greift empfindlich in die Rechtstellung des betroffenen Schülers ein und ist mit nicht unerheblichen Nachteilen für ihn verbunden, auch wenn der entlassene Schüler seine Ausbildung an einer anderen Schule, wie hier, fortsetzen kann. In diesem gesetzlichen Rahmen ist die nach pflichtgemäßem Ermessen (Art. 40 BayVwVfG) zu treffende Entscheidung über die Entlassung vor allem von pädagogischen Erwägungen bestimmt, die sich daran auszurichten haben, ob ein Verbleiben des Schülers an der betreffenden Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags oder wegen des Schutzes Dritter, etwa der Mitschüler, nicht mehr hingenommen werden kann und ob dem Schüler in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet werden kann. Diese neben der objektiven Feststellung und Gewichtung der Schwere des Fehlverhaltens des Schülers vorwiegend nach pädagogischen Gesichtspunkten vorzunehmende Beurteilung der Person und des Verhaltens des betreffenden Schülers entzieht sich einer vollständigen Erfassung nach rein rechtlichen Kriterien und bedingt daher sachnotwendig, ähnlich wie bei sonstigen pädagogischen Werturteilen, einen Wertungsspielraum der Lehrerkonferenz. In diesen Bereich spezifisch pädagogischer Wertungen und Überlegungen haben die Verwaltungsgerichte nicht korrigierend einzugreifen; sie können nicht anstelle der Lehrerkonferenz eigene pädagogische Erwägungen anstellen, zu denen sie sachgerecht auch nicht in der Lage wären. Trotz dieser Grenzen der gerichtlichen Kontrolle haben die Gerichte aber den gegen die Entlassung erhobenen Einwendungen nachzugehen und die pädagogische Bewertung der Schule auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Sie haben insbesondere zu kontrollieren, ob die Lehrerkonferenz bzw. der Disziplinarausschuss mit der Entlassung gegen die vorstehend dargelegten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat. Der gerichtlichen Überprüfung obliegt es ferner, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat - solche Erwägungen wären im Rechtssinne als willkürlich anzusehen - und ob sie ihre Entscheidung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten. Bestreitet ein Schüler die Feststellung, auf denen die Entscheidung der Lehrerkonferenz bzw. des Disziplinarausschusses beruht, so hat das Gericht dem nachzugehen (s. zuletzt BayVGH vom 19.2.2008 Az. 7 B 06.2352 m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Schule den Kläger zu Recht entlassen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger durch das ihm vorgeworfene Verhalten sexistisch-obszöner Natur die Persönlichkeitsrechte insbesondere der betroffenen Mitschülerinnen erheblich verletzt und dadurch die Erfüllung des Erziehungsauftrages der Schule gefährdet hat. Dabei ist die Schule nicht nur von (unbegründeten) Verdachtsmomenten ausgegangen. Der Schulleiter hat zusammen mit der Lehrerin L. die betroffenen Mitschülerinnen zu dem dem Kläger vorgeworfenen Verhalten eingehend befragt. Die entsprechenden Aufzeichnungen des Schulleiters standen dem Disziplinarausschuss zur Verfügung und die fraglichen Vorfälle waren Gegenstand der mündlichen Erörterung in der Sitzung des Disziplinarausschusses vom 3. April 2006, an der der Kläger und seine Eltern teilgenommen haben. Dass die Schule die Aussagen der Schülerinnen für glaubwürdig gehalten hat, ist für den Verwaltungsgerichtshof anhand der vorgelegten Behördenakte ohne weiteres nachvollziehbar (s. S. 22 ff. d. Behördenakte). Die Behauptung des Klägers, es gebe keine Aussagen der beteiligten Schülerinnen vor der Schulleitung, trifft deshalb nicht zu. Im Übrigen hat der Kläger im Verfahren erster Instanz auch keine Beweisanträge auf Vernehmung dieser Zeuginnen gestellt. An dieser Sachlage ändert auch das freisprechende Urteil des Amtsgerichts München vom 15. Juni 2007 nichts. Die Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht hat ohne Zweifel ergeben, dass zumindest die dem Kläger vorgehaltene Entblößung seines Geschlechtsteils stattgefunden hat (S. 4 d. Urteilsumdrucks). Dass dem Kläger dabei strafrechtlich keine Beleidigungsabsicht nachgewiesen werden konnte, spielt im Rahmen des hier maßgeblichen Disziplinarverfahrens keine Rolle. Zu Recht geht die Schule deshalb davon aus, dass der Kläger bereits mit diesem Verhalten in massiver Weise gegen die Schulordnung verstoßen und die ihm gegenüber der Schule obliegenden Pflichten in gravierender Art und Weise verletzt hat. Dabei durfte die Schule auch das Verhalten des Klägers während der gesamten Schullaufbahn mit in den Blick nehmen (s. BayVGH a.a.O.). Wegen der erheblichen Belästigung der Mitschülerinnen war es auch rechtmäßig, von der grundsätzlich anzuordnenden Androhung der Entlassung (§ 114 Abs. 2 Satz 3 RSO) abzusehen. Unabhängig von der Frage, ob eine Versetzung in eine Parallelklasse aus organisatorischen Gründen überhaupt möglich gewesen wäre, was die Schule bestreitet, ist es für den Verwaltungsgerichtshof ohne weiteres nachvollziehbar, dass eine derartige Ordnungsmaßnahme auch aus pädagogischen Gründen nicht angezeigt war. Dafür spricht insbesondere auch, dass der Kläger kein Wort des Bedauerns fand und sich lediglich in Ausreden flüchtete, wie aus der Niederschrift über die Sitzung des Disziplinarausschusses ersichtlich ist.

2. Nach alledem kommt der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), zumal der Sachverhalt in nicht zu beanstandender Weise aufgeklärt wurde.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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