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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.03.2006
Aktenzeichen: 8 B 03.3360
Rechtsgebiete: BayStrWG, FStrG, LStVG


Vorschriften:

BayStrWG Art. 18
BayStrWG Art. 18a
BayStrWG Art. 66 Nr. 2
FStrG § 8 Abs. 7a
FStrG § 23 Abs. 1 Nr. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
LStVG Art. 8
1. Pauschalen (stadtgebietsweiten) Untersagungsverfügungen nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 66 Nr. 2 BayStrWG oder § 23 Abs. 1 Nr. 1 FStrG gegen das möglicherweise drohende Aufstellen von Altkleidersammelcontainern ohne Sondernutzungserlaubnis steht in aller Regel das Fehlen einer konkreten Gefahr entgegen.

2. Eingriffsermächtigungen nach Art 18a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG und § 8 Abs. 7a FStrG decken nur ein Einschreiten gegen bereits eingetretene Störungen durch unerlaubte Sondernutzungen des öffentlichen Straßenraums.

3. Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei einem Vorgehen nach Art. 7 Abs. 2 LStVG.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

8 B 03.3360

Verkündet am 15. März 2006

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sondernutzung;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. Oktober 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 8. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Allesch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Graf zu Pappenheim, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2006 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit einer Untersagungsverfügung, die der Klägerin verbietet, künftig ohne Sondernutzungserlaubnis auf öffentlichem Straßengrund der Beklagten Altkleidersammelbehälter aufzustellen bzw. aufstellen zu lassen.

Die Beklagte stellte wiederholt fest, dass die Klägerin an verschiedenen Standorten in ihrem Stadtgebiet auf öffentlichem Straßengrund Altkleidersammelcontainer aufgestellt hatte. Deshalb forderte sie die Klägerin mehrfach auf, die Container vom öffentlichen Straßengrund zu entfernen. Dieser Aufforderung kam die Klägerin hinsichtlich verschiedener Containerstandorte nicht nach.

Mit Bescheid vom 24. Juni 1998 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, 13 Altkleidersammelcontainer an im Einzelnen bezeichneten Standorten zu entfernen. Gleichzeitig wurde der Klägerin unter Nr. I.2. des Bescheids untersagt, künftig ohne Sondernutzungserlaubnis auf öffentlichem Straßengrund der Beklagten Altkleidersammelbehälter aufzustellen oder aufstellen zu lassen. Hinsichtlich beider für sofort vollziehbar erklärter Anordnungen wurden Zwangsgelder angedroht, für die Unterlassungsanordnung in Nr. I.2. des Bescheids in Höhe von 4.000 DM. Die auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 FStrG und Art. 66 Nr. 2 BayStrWG gestützte Unterlassungsanordnung wurde damit begründet, dass diese Anordnung im öffentlichen Interesse notwendig sei, um Bezugsfälle zu vermeiden und die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen sei es zweckmäßig, die Anordnung auf den gesamten öffentlichen Straßengrund der Beklagten zu erstrecken. Es müsse damit gerechnet werden, dass Altkleidersammelcontainer auch in anderen Straßen als bisher aufgestellt würden.

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2003 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheids zurück. Ergänzend wurde ausgeführt, die Beklagte müsse in einem Fall wie dem vorliegenden notfalls auch eine Untersagungsanordnung für das gesamte Stadtgebiet erlassen können, wenn für das gesamte Stadtgebiet Wiederholungsgefahr bestehe. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin im Stadtgebiet breitgestreut Altkleidersammelcontainer aufgestellt habe, sei eine derartige Verfügung notwendig, da die Klägerin andernfalls Container an immer neuen Standorten aufstellen und die Beklagte erst im Nachhinein jeweils mit Beseitigungsanordnungen reagieren könne. Der öffentliche Straßengrund im Bereich der Beklagten sei ein konkret bestimmter Bereich, für den, wie das bisherige Verhalten der Klägerin gezeigt habe, die Aufstellung weiterer Container drohe. Die Anordnung stelle keine bloße Wiederholung der gesetzlichen Regelung dar, sondern konkretisiere diese für den vorliegenden Einzelfall.

Auf die von der Klägerin am 6. März 2003 erhobene Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 24. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2003 aufzuheben, hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 14. Oktober 2003 das Verfahren hinsichtlich des durch die Parteien in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärten Teils (das ist bezüglich der Beseitigungsanordnung) eingestellt. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Nrn. I.2. und III.2. des Bescheids vom 24. Juni 1998 und insoweit auch den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 4. Februar 2003 aufgehoben. Bei der Aufstellung von Altkleidersammelcontainern auf öffentlichem Straßengrund handle es sich um eine Sondernutzung, für die die Klägerin die erforderliche Sondernutzungserlaubnis nicht besitze. Die von der Beklagten verfügte Untersagung künftiger Sondernutzungen finde in § 8 Abs. 7a, Abs. 1 FStrG, Art. 18a Abs. 1 BayStrWG keine Stütze, da diese Vorschrift lediglich eine Befugnis zu Maßnahmen der Störungsbeseitigung, nicht aber zur Abwehr einer künftigen unerlaubten Sondernutzung verleihe. Voraussetzung einer sicherheitsrechtlichen Anordnung sei die konkrete Gefahr einer rechtswidrigen Sondernutzung. Die Maßnahme dürfe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch nur soweit reichen, wie die Abwehr der Gefahr es erfordere. Die streitgegenständliche Anordnung wiederhole lediglich die gesetzliche Regelung des Art. 18a BayStrWG. Eine Anordnung für den Einzelfall gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG, also eine Regelung eines örtlich bestimmten Einzelfalles, die an eine bestimmte Person gerichtet sei, habe die Beklagte hier nicht erlassen. Die entsprechende Zwangsgeldandrohung sei daher ebenfalls aufzuheben.

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts liege eine von Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG gedeckte Anordnung für den Einzelfall vor. Einer bestimmten Person, der Klägerin, werde ein bestimmtes Handeln, das Aufstellen von Altkleidersammelcontainern, in einem räumlich beschriebenen Bereich, dem öffentlichen Straßenraum der Beklagten, untersagt. Könnte die Beklagte das Aufstellen derartiger Container nur in den Straßen untersagen, in denen die Klägerin bereits Container aufgestellt habe, wäre es für diese ein Leichtes, die Untersagung zu umgehen und sich einen anderen Standort zu suchen. Damit würden Untersagungsanordnungen letztlich ins Leere laufen. Die kostenpflichtige Beseitigung der Container sei für die Beklagte keine ausreichende Alternative, da sie bei dieser Vorgehensweise allenfalls die Kosten von der Klägerin zurückerhielte, die ihr selbst entstanden seien, jedenfalls aber in Vorleistung treten müsste. Auch sei eine lückenlose Überwachung des gesamten Stadtgebiets hinsichtlich der unerlaubten Aufstellung derartiger Container nicht möglich, so dass davon auszugehen sei, dass eine hohe Anzahl aufgestellter Container unentdeckt bleibe. Daher sei es notwendig, dass entdeckte Container mit einem Zwangsgeld geahndet werden könnten; damit werde das Risiko für die Klägerin erhöht und das unerlaubte Aufstellen von Containern für sie finanziell unattraktiv. Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte, die ein unmittelbar geltendes Verbot für den Einzelfall konkretisierten und es mit Zwangsmitteln vollziehbar machten, würden allgemein als zulässig angesehen. Der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. November 1990 (Az. 8 C 90.2096) entschiedene Fall, bei dem das Gericht festgestellt habe, dass jedenfalls in der seinerzeit vorliegenden Fallgestaltung einer von der Beklagten für das gesamte Stadtgebiet erlassenen Untersagungsanordnung die rechtliche Grundlage fehle, sei weder von der Anzahl der unerlaubten Sondernutzungen, der örtlichen Anknüpfungspunkte und der tatsächlich handelnden Personen her mit dem vorliegenden Fall vergleichbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. Oktober 2003 aufzuheben, soweit es in Nr. I. die Nrn. I.2 und III.2 des Bescheides der Beklagten vom 24.6.1998 und insoweit den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 4.2.2003 aufhebt und in Nr. II. der Beklagten ein Achtel der Kosten auferlegt.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Fehle es wie vorliegend an einer hinreichenden Konkretisierung sicherheitsrechtlicher Anordnungen, sei der Bescheid rechtswidrig. Auch der von der Beklagten u.a. angeführte Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Mai 2001 (Az.: M 2 S 01.1810) betreffe einen mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Fall einer Vielzahl von Kfz-Anhängern, die im Stadtgebiet zu Werbezwecken am Straßenrand abgestellt worden seien. Anders als bei diesen Werbeanhängern bestehe bei den aufgestellten Altkleidercontainern nicht die Gefahr einer jederzeitigen und unkontrollierbaren Verschiebung auf den öffentlichen Straßen des Stadtgebiets.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsund Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der durch die Klägerin angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 4. Februar 2003 ist hinsichtlich der noch streitbefangenen Untersagungsverfügung und der entsprechenden Zwangsgeldandrohung (Nrn. I.2 und III.2 des Bescheids vom 24.6.1998) rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat der dagegen gerichteten Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

1. Die streitbefangene Untersagungsverfügung der Beklagten ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil sie "lediglich die Wiederholung der gesetzlichen Regelung des Art. 18a BayStrWG" darstellt, wie das Erstgericht rechtsirrig angenommen hat. Denn mit dieser Anordnung konkretisiert die Beklagte das in Art. 18, 18a Abs. 1 Satz 1 und 66 Nr. 2 BayStrWG (vgl. auch § 8 Abs. 1, 7a und § 23 Abs. 1 Nr. 1 FStrG) enthaltene gesetzliche Verbot, eine öffentliche Straße unbefugt zu Sondernutzungen zu gebrauchen, für den Einzelfall. Die Klägerin wird durch die mit einer Zwangsmittelandrohung verbundene Anordnung zur Beachtung dieses Verbots angehalten, um befürchtete künftige Verletzungen der Verbotsnorm wirksam zu verhindern. Damit besitzt diese für den Einzelfall ausgesprochene, auf Durchsetzung mittels Verwaltungszwang abzielende Konkretisierung einer gesetzlichen Pflicht Regelungscharakter. Derartige gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte sind vor allem im Gewerberecht, aber auch in anderen Rechtsbereichen, insbesondere im Sicherheits- oder allgemeinen Ordnungsrecht anerkannt (vgl. BayVGH vom 17.10.1981 DÖV 1982, 251; vom 20.10.1981 BayVBl 1982, 372; vom 18.12.1998 DVBl 1999, 624; vom 6.10.2005 UPR 2006, 122/123 jeweils m.w.N.; vgl. auch Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl. 2001, RdNr. 581 mit Rechtsprechungsnachweisen; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 6. Aufl. 2001, RdNr. 61 zu § 35). Generelle Gebote und Verbote der ordnungsrechtlichen Spezialgesetze können so im Einzelfall, soweit keine Spezialermächtigung vorliegt, auf Grund einer Generalermächtigung im allgemeinen Sicherheitsrecht durch Verfügungen konkretisiert und mit den Mitteln des Verwaltungszwangs (Art. 29 ff. VwZVG) durchgesetzt werden.

2. Als Rechtsgrundlage für die angefochtene präventive Maßnahme zur Verhütung künftiger unbefugter Sondernutzungen kann grundsätzlich auf die allgemeine sicherheitsrechtliche Befugnisnorm des Art. 7 Abs. 2 LStVG zurückgegriffen werden. Diese Befugnisnorm stellt zwar einen Auffangtatbestand dar, der nur dann Anwendung findet, wenn eine Ermächtigung zu Einzelanordnungen im Sinne dieser Bestimmung nicht in "anderen Rechtsvorschriften" enthalten ist (vgl. Art. 7 Abs. 2 1. Halbsatz LStVG; vgl. auch Nr. 7.4.2 letzter Absatz VollzBekLStVG, abgedruckt in Bengl/Berner/Emmerig, Bayer. Landesstraf- und Verordnungsgesetz, Kommentar, Art. 7 sowie ebenda Anm. 4a zu Art. 7). Die speziellen straßen- und wegerechtlichen Eingriffsermächtigungen in Art. 18a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG und § 8 Abs. 7a FStrG stehen dem jedoch nicht entgegen, weil jedenfalls präventive Maßnahmen gegen erst drohende unerlaubte Sondernutzungen nicht zu deren Entscheidungsprogramm gehören.

Für diese Auffassung ist neben dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck dieser straßen-und wegerechtlichen Bestimmungen auch deren Auslegung anhand der Gesetzesmaterialien anzuführen. Gemäß Art. 18a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG kann die Straßenbaubehörde die erforderlichen Anordnungen erlassen, wenn Autowracks oder andere Fahrzeuge verbotswidrig abgestellt oder sonst eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis nach Art. 18 BayStrWG benutzt wird. Nach § 8 Abs. 7a FStrG kann die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen unter anderem zur Beendigung der Benutzung anordnen, wenn eine Bundesfernstraße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird. Schon der Wortlaut dieser Bestimmungen legt damit nahe, als tatbestandliche Voraussetzung für eine Maßnahme nach diesen Bestimmungen eine bereits verwirklichte unerlaubte Sondernutzung, d.h. Störung im sicherheitsrechtlichen Sinn zu verlangen (zum Störungsbegriff vgl. Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Anm. 4c zu Art. 6). Auch die Gesetzesbegründung zum Dritten Gesetz zur Änderung des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes vom 2. Juli 1974 (GVBl S. 333), mit dem Art. 18a neu in das Bayerische Straßen- und Wegegesetz eingefügt wurde, ist dahin zu verstehen. So ist in der amtlichen Begründung (unter Nr. I) zu diesem Gesetzesentwurf unter anderem ausgeführt: "Zur raschen Unterbindung unerlaubter Sondernutzungen, insbesondere zur Beseitigung von Autowracks von öffentlichem Straßengrund, soll eine brauchbare Rechtsgrundlage geschaffen werden" (vgl. LT-Drs. 7/5576 S. 6). In der Begründung zu Art. 18a BayStrWG (Zu § 1 Nr. 7 [Art. 18a BayStrWG]) wird unter anderem ausgeführt: "Art. 18a Abs. 1 BayStrWG räumt den Straßenbaubehörden die Befugnis ein, gegen unerlaubte Sondernutzungen jeder Art wirksam einzuschreiten. Die bisherigen Rechtsgrundlagen haben zu einer raschen Beseitigung solcher Störungen, z.B. für die rasche Beseitigung von Autowracks und anderen verbotswidrig abgestellten Fahrzeugen, nicht ausgereicht." (vgl. LT-Drs. 7/5576 S. 6). Nach der Gesetzesbegründung zu Art. 18a Abs. 6 BayStrWG stellt diese Bestimmung "schließlich klar, dass konkurrierende Befugnisse nach anderen Rechtsvorschriften, z.B. nach dem Abfall- und Polizeirecht, nach Art. 5 AGStPO (Anm.: Vorgängerregelung der Art. 6, 7 LStVG) und nach Art. 78 LStVG (Anm.: jetzt Art. 61 LStVG) neben Art. 18a BayStrWG bestehen bleiben." (vgl. LT-Drs. 7/5576 S. 7). All dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber mit der neu geschaffenen Bestimmung des Art. 18a BayStrWG lediglich eine spezielle Befugnis zur effektiven Unterbindung oder Beseitigung unerlaubter Sondernutzungen sowie zur entsprechenden Auflagenerfüllung schaffen wollte. Für § 8 Abs. 7a FStrG gilt nichts anderes. Auch diese Vorschrift soll den zuständigen Behörden ein Einschreiten ermöglichen, wenn eine Bundesstraße bereits ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird oder Auflagen nicht beachtet werden (so die Begründung zu Art. 1 Nr. 5 (§ 8) des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes - 2. FStrÄndG -, BT-Drs. 7/12659). Sinn und Zweck der Regelungen in Art. 18 und 18a BayStrWG sowie § 8 FStrG ist es, über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzungstatbestände bei Straßen zu regeln und eingetretene Störungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch unerlaubte Sondernutzungen oder Verstöße gegen die Sondernutzungserlaubnis effektiv und rasch zu beseitigen. Atypische Eingriffsmaßnahmen wie die Untersagung erst drohender unerlaubter Sondernutzungen öffentlicher Straßen gehören dagegen nicht zu ihrem Regelungsprogramm. Derartige Anordnungen kann die Behörde daher nur auf Art. 7 Abs. 2 LStVG stützen (so bereits BayVGH vom 9.11.1990 Az. 8 CS 90.2096).

3. Die streitgegenständliche Untersagungsanordnung der Beklagten ist schon deshalb rechtswidrig, weil es an der für eine sicherheitsrechtliche Eingriffsmaßnahme erforderlichen konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung fehlt.

a) Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG räumt den Sicherheitsbehörden die notwendige Befugnis zur Verhütung oder Unterbindung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ein.

Verhüten ist jede vorbeugende Tätigkeit der Sicherheitsbehörden, die darauf gerichtet ist, konkret drohende Handlungen, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verursachen, nicht zu Stande kommen zu lassen (Nr. 7.4.1 VollzBekLStVG).

Das Aufstellen von Altkleidersammelcontainern auf öffentlichem Straßengrund ist eine erlaubnispflichtige Sondernutzung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG und § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FStrG. Durch den unbefugten Gebrauch einer Straße zu einer derartigen Sondernutzung wird der objektive Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 66 Nr. 2 BayStrWG oder § 23 Abs. 1 Nr. 1 FStrG verwirklicht. Wer gegen einen Straf- oder Bußgeldtatbestand objektiv verstößt, verletzt die Rechtsordnung und damit die öffentliche Sicherheit (zum Begriff "öffentliche Sicherheit" vgl. Nr. 6.4 VollzBekLStVG i.V.m. Nr. 2.2 VollzBekPAG, letztere abgedruckt in Honnacker/Beinhofer, Polizeiaufgabengesetz, 18. Aufl. 2004, Art. 2).

b) Bei der Verhütung rechtswidriger Taten muss die zu verhütende Handlung jedoch konkret drohen. Denn Regelvoraussetzung sicherheitsbehördlicher oder polizeilicher Eingriffsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren ist die konkrete Gefahr. Eine konkrete Gefahr in diesem Sinn liegt vor, wenn auf Grund objektiver Tatsachen mit dem Schadenseintritt für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in dem konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft gerechnet werden muss; die bloße Möglichkeit eines schädigenden Ereignisses auf Grund eines hypothetischen Sachverhalts genügt nicht (zum Gefahrenbegriff vgl. Nr. 2.2 VollzBekPAG; Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Anm. 12 zu Art. 6; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl. 2001, Abschnitt E RdNr. 29 ff., 32 ff.; vgl. auch BVerwG vom 8.6.2004 Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 76; vom 3.7.2002 DVBl 2002, 1562). Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer konkreten Gefahr ist danach die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Deshalb kommt es entscheidend auf die durch die handelnde Behörde zu treffende Prognose zum Zeitpunkt der Entscheidung für das Einschreiten (ex ante) an. Diese Prognose muss hinreichend abgesichert sein, d.h. es müssen gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte und/oder Erkenntnisse über die Einzelheiten des konkreten Falles vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Schadenseintritt rechtfertigen (vgl. BVerwG a.a.O.).

c) Eine hinreichend abgesicherte Gefahrenprognose fehlt jedoch im vorliegenden Fall. Die Beklagte hat das behauptete Vorliegen einer konkreten Gefahr nicht durch entsprechende Tatsachen und/oder Anhaltspunkte untermauert. Ihre der angefochtenen Entscheidung zu Grunde gelegte Beurteilung ist daher rechtlich zu beanstanden.

Ist eine Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Tatsachen und Einzelheiten des zu regelnden Sachverhalts oder die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande oder herrscht darüber keine Klarheit, so liegt keine konkrete Gefahr, sondern - allenfalls - ein Gefahrenverdacht vor (vgl. auch BVerwG a.a.O.). So ist es auch hier. Der Umstand, dass die Klägerin im Zeitraum Oktober 1997 bis März 1998 an 14 Standorten im Stadtgebiet der Beklagten unbefugt, d.h. ohne die dafür erforderliche Sondernutzungserlaubnis, Altkleidersammelcontainer aufgestellt und trotz wiederholter Aufforderungen durch die Beklagte nur teilweise und zögerlich beseitigt hat, genügt nicht zur Annahme einer konkreten Gefahr. Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Untersagungsanordnung neben dem Hinweis auf die bereits festgestellten Verstöße der Klägerin lediglich ausgeführt, diese Maßnahme sei "zur Vermeidung von Bezugsfällen" notwendig. Es müsse damit gerechnet werden, dass die Klägerin auch an anderen Standorten als bisher festgestellt Container aufstellen werde. Tatsachen oder besondere Erkenntnisse, die diese Einschätzung nachvollziehbar machen könnten, hat die Beklagte dagegen nicht vorgetragen. Sie hat nicht ansatzweise substanziiert dargelegt, dass im Fall der Klägerin stadtgebietsweit mehr als eine lediglich theoretische oder entfernte Wiederholungsgefahr besteht. Das Vorbringen der Beklagten rechtfertigt damit allenfalls die Annahme eines Gefahrenverdachts.

Soweit im Widerspruchsbescheid darauf verwiesen wird, dass die Klägerin "nicht auf bestimmte Standorte angewiesen ist und nach und nach durch das gesamte Stadtgebiet ziehen könnte", wird damit ebenfalls nur ein nicht durch Tatsachen untermauerter Gefahrenverdacht geäußert.

Die Absicht, durch eine mit einer hohen Zwangsgeldandrohung vollstreckbar gemachte Untersagungsanordnung lediglich das wirtschaftliche Risiko für die Klägerin zu erhöhen und das unerlaubte Aufstellen von Containern für sie finanziell unattraktiv zu machen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 12.1.2004, Bl. 22 der Gerichtsakte), ersetzt die erforderliche hinreichende Gefahrenprognose nicht. Sicherheitsbehördliche Maßnahmen im Einzelfall dienen der Gefahrenabwehr, nicht der reinen Risiko- oder Gefahrenvorsorge. In Bezug auf die Gefahrenprognose handelt es sich dabei allenfalls um sachfremde Erwägungen.

Nicht weiter vertieft werden muss daher auch die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob der vorliegende Fall mit dem vom Verwaltungsgericht München im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit Beschluss vom 18. Mai 2001 entschiedenen Fall der Aufstellung von Pkw-Anhängern zum Zwecke der Werbung auf öffentlichem Straßengrund vergleichbar ist.

4. Unabhängig davon, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für diese sicherheitsrechtliche Einzelfallmaßnahme nicht vorliegen, ist die Untersagungsverfügung auch ermessensfehlerhaft und verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 8 LStVG).

a) Bei der nach Art. 7 Abs. 2 LStVG zu treffenden Ermessensentscheidung hat die Beklagte offensichtlich wesentliche Punkte unberücksichtigt gelassen. Gerade bei einer vom räumlichen Geltungsbereich so weitreichenden Maßnahme wie der vorliegenden hätte insbesondere berücksichtigt werden müssen, dass es sich bei der nahezu unbegrenzten Vielzahl von möglichen Containerstandorten nicht in jedem Fall um eine den Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen in gleicher Weise beeinträchtigende Sondernutzung handeln würde. Vielmehr sind durchaus Fälle nicht auszuschließen, in denen die Klägerin sogar einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nach Art. 18 Abs. 1 BayStrWG haben könnte. Wenn die Beklagte gleichwohl ein umfassendes, präventives und zwangsgeldbewehrtes Verbot verfügt und damit die Berücksichtigung derartiger Umstände zwangsläufig in das Vollstreckungsverfahren (Anwendung des angedrohten Zwangsgeldes) verschiebt, entspricht dies nicht mehr pflichtgemäßer Ermessensausübung.

b) Eine sicherheitsbehördliche Eingriffsmaßnahme genügt nur dann dem Grundsatz der Erforderlichkeit als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, wenn sie unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige darstellt, die für den Betroffenen und die Allgemeinheit die geringste Beeinträchtigung bedeutet (vgl. Art. 8 Abs. 1 2. Halbsatz LStVG und Nr. 8.2 VollzBekLStVG).

Die pauschale Untersagungsanordnung der Beklagten erfüllt das Merkmal der Erforderlichkeit nicht. Vorliegend wird es im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr in aller Regel ausreichen, wenn die Beklagte nach der Feststellung einer unerlaubten Sondernutzung durch einen aufgestellten Sammelcontainer, der Beurteilung seiner Genehmigungsfähigkeit im konkreten Einzelfall entsprechend dem Grad der Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs und nach pflichtgemäßer Ermessensbetätigung die Beseitigung des Containers anordnet und diese Anordnung gegebenenfalls nach Art. 29 ff. VwZVG mit geeigneten Zwangsmitteln vollstreckt. Anhaltspunkte dafür, dass hier ausnahmsweise eine auf das gesamte Stadtgebiet bezogene präventive Untersagungsanordnung unerlässlich wäre, sind auch insoweit nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Bloße Schwierigkeiten der Beklagten bei der Überwachung der Aufstellung derartiger Container sowie bei der Vollstreckung von Beseitigungsanordnungen im Einzelfall (vgl. wiederum Schriftsatz der Beklagten vom 12.1.2004, Bl. 22 der Gerichtsakte) rechtfertigen ein derartiges Vorgehen nicht. Insbesondere darf eine solche Verfügung nicht lediglich zur Erleichterung der sicherheitsbehördlichen Aufsicht dienen; die zuständige Behörde darf nicht Handlungen verbieten, weil sie die Vorgänge nur schwierig oder mit einem gewissen Aufwand überwachen kann (zur Frage der Zulässigkeit derartiger Polizeiverfügungen vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, a.a.O., § 25 Nr. 4, S. 415).

c) Schließlich hat die Behörde sowohl bei der Frage, ob sie einschreitet (sog. Entschließungsermessen), wie auch bei der Wahl ihrer Mittel (sog. Auswahlermessen) den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) zu beachten. Angesichts einer Vielzahl vergleichbarer Sondernutzungstatbestände und entsprechend differenzierter Verwaltungsanordnungen und -richtlinien der Beklagten begegnet eine präventive, pauschal auf das gesamte Stadtgebiet bezogene Untersagungsverfügung auch insoweit rechtlichen Bedenken des Senats.

In diesem Zusammenhang ist es allerdings nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, der Beklagten Richtlinien zur Ermessensausübung bei der Regelung erlaubnispflichtiger Sondernutzungen zu formulieren oder sonst im Einzelfall nachbessernd einzugreifen.

5. War bereits die rechtswidrige Untersagungsanordnung der Beklagten (Grundverwaltungsakt) aufzuheben, gilt dies ebenso für die damit verbundene Zwangsgeldandrohung (vgl. Art. 38 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwZVG).

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.135,-- Euro festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 2, 72 Nr. 1 2. Halbsatz GKG).



Ende der Entscheidung

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