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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 9 ZB 05.437
Rechtsgebiete: BayBO 1998


Vorschriften:

BayBO 1998 Art. 6
BayBO 1998 Art. 70
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

9 ZB 05.437

In der Verwaltungsstreitsache

wegen baurechtlicher Nachbarklage;

hier: Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Dezember 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 9. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schechinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Petz, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Krieger

ohne mündliche Verhandlung am 3. April 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Beigeladenen tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und 5 VwGO liegen nicht vor. Es kann daher offen bleiben, ob der Antrag auf Zulassung der Berufung bereits unzulässig ist. Insbesondere muss nicht geklärt werden, wann das angefochtene Urteil den Beigeladenen zugestellt wurde.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 13. Mai 2003 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 15. Oktober 2003 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2004 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben die nach Art. 6 BayBO 1998 erforderlichen Abstandsflächen nicht einhält und die vom Beklagten gewährten Abweichungen die Voraussetzungen des Art. 70 Abs. 1 BayBO 1998 nicht erfüllen.

Die angefochtene Baugenehmigung erlaubt die Errichtung eines Wohngebäudes auf der Fl.Nr. **** der Gemarkung K**************, das vor seinen Außenwänden auf drei Seiten Abstandsflächen mit der Abstandsflächentiefe des Art. 6 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 BayBO 1998 (1 H) nicht einhält. Für die Außenwände auf der Südost- und Nordwestseite des Bauvorhabens ist dies unstreitig und ergibt sich schon aus den eingereichten Bauvorlagen, die für diese Seiten das 16-Meter-Privileg des Art. 6 Abs. 5 BayBO 1998 in Anspruch nehmen wollen.

An der Nordostseite ist die für die Berechnung der für die Abstandsflächentiefe maßgeblichen Wandhöhe in den mit einem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen an der Ostecke des Gebäudes mit 3,42 m (313.07 - 309.65), in der Mitte mit 3,37 m (313.07 - 309.70) und an der Nordostecke mit 3,23 m (313.07 - 309.84) angegeben. Der Abstand zum Grundstück des Klägers ist in den Bauvorlagen mit 3,39 m eingetragen und ist damit schon nach den eingereichten Plänen im Bereich der Ostecke nicht ausreichend. Denn im Gegensatz zu der hier nicht einschlägigen Regelung des Art. 7 Abs. 4 BayBO 1998 sieht Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayBO 1998 die in den eingereichten Bauvorlagen und auch im Zulassungsschriftsatz vorgenommene Ausmittelung der Wandhöhe nicht vor. Soweit sich die Geländehöhe entlang einer Wand ändert, hat diese Wand eine Vielzahl von Fußpunkten mit unterschiedlicher Höhenlage und entsprechend variabler Höhe, die wiederum eine Abstandsfläche mit variabler Tiefe erzeugt (vgl. Rauscher in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, RdNr. 98 zu Art. 6 1998). Hinzu kommt, dass die Bauaufsichtbehörde hier durch Roteintragung den Abstand zum Grundstück des Klägers auf 3,29 m reduziert und das Bauvorhaben nach Maßgabe der durch Roteintragung ergänzten Bauvorlagen genehmigt hat. Auch wenn sich in der Begründung der angefochtenen Bescheide jeweils unterschiedliche Berechnungen der maßgeblichen Wandhöhe finden, die wiederum mit den mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen nicht übereinstimmen und sich deshalb bereits Zweifel an der Bestimmtheit der erteilten Baugenehmigung ergeben, ist Inhalt der Genehmigung jedenfalls ein Bauvorhaben, dessen abstandsflächenrelevante Wandhöhe auf der Nordostseite zumindest teilweise höher als 3,29 m ist, gleichwohl aber bis zum genannten Abstand an die Grundstücksgrenze heranrücken darf.

Da das genehmigte Bauvorhaben somit die erforderliche Abstandsflächentiefe vor mehr als zwei Außenwänden unterschreitet, setzt eine rechtmäßige Baugenehmigung die Zulassung von Abweichungen nach Art. 70 Abs. 1 BayBO 1998 für jede Abstandsflächenunterschreitung voraus (BayVGH vom 17.4.2000 BayVBl 2000, 562). Entsprechende Abweichungen wurden zwar mit Ergänzungsbescheid vom 15. Oktober 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2004 erteilt. Zutreffend geht aber das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen des Art. 70 Abs. 1 BayBO 1998 hier nicht vorliegen.

Nach der genannten Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Bei der Gewährung einer Abweichung von Abstandsflächenvorschriften muss es aber besondere Gründe geben, die es im Einzelfall rechtfertigen, dass die Anforderungen dieser Vorschriften nur unvollkommen erfüllt werden, weil ihrem Schutzzweck im Allgemeinen nicht auf andere Weise entsprochen werden kann (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 3. Aufl., RdNr. 7 zu Art. 70). Solche Gründe können sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt oder einer besonderen städtebaulichen Situation ergeben. Im vorliegenden Fall sind aber keine Verhältnisse gegeben, die ihn als atypisch erscheinen lassen. Insbesondere reichen die von der Widerspruchsbehörde angeführten Planungserschwernisse durch die im hinteren Grundstücksbereich fast rechtwinklig abknickende Grundstücksgrenze für die Annahme einer sich vom Regelfall deutlich unterscheidenden Grundstückssituation nicht aus. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die bestandskräftige Baugenehmigung vom 4. Januar 2002 den Beigeladenen bereits eine sinnvolle Ausnutzung ihres Grundstücks ermöglicht und planabweichendes Bauen nicht das Vorliegen eines atypischen Sachverhalts im Sinne des Art. 70 Abs. 1 BayBO 1998 zu begründen vermag. Da die Zulassung der Abweichungen schon am Vorliegen besonderer Gründe scheitert, kommt es nicht darauf an, wie stark die Interessen des Klägers beeinträchtigt werden.

Auch der Vortrag der Beigeladenen, die unter Vorlage eines Auszugs aus dem Katasterkartenwerk des Vermessungsamts Würzburg darauf verweisen, dass der Abstand zwischen der nordöstlichen Außenwand ihres verwirklichten Bauvorhabens und der Nachbargrenze tatsächlich 3,38 m betrage, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Denn der Vortrag verkennt zum einen, dass aufgrund der oben beschriebenen Berechnung der maßgeblichen Wandhöhe ein Abstand von 3,38 m jedenfalls im Bereich der östlichen Ecke auf der Nordostseite auch nicht ausreichend ist und zum anderen, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung nicht auf das errichtete, sondern auf das genehmigte Vorhaben abzustellen ist.

2. Die Rechtssache weist auch die ferner geltend gemachten besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht auf. Zwar enthalten die von den Beigeladenen vorgelegten Bauvorlagen Unstimmigkeiten. Gleichwohl ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt, für den es insbesondere auch nicht darauf ankommt, welche Wandhöhen tatsächlich errichtet wurden, weder besonders unübersichtlich noch schwierig zu ermitteln.

3. Wie vorstehende Ausführungen zeigen, kommt es auf die höhengenaue Einmessung relevanter Gebäudepunkte nicht entscheidungserheblich an, so dass auch der geltend gemachte Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 159 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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