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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.01.2003
Aktenzeichen: 1Z AR 173/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 767 | |
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5 | |
ZPO § 797 Abs. 5 |
Gründe:
I.
Der Kläger hat mit Urkunde des Notars N in Köln vom 11.8.1993 unter Einschaltung einer Treuhandgesellschaft einen Kauf- und Werklieferungsvertrag mit Auflassung bezüglich eines Anteils an einer auf einem Grundstück in Düsseldorf zu errichtenden Eigentumswohnanlage geschlossen. Wegen seiner in dieser Urkunde eingegangenen Zahlungsverpflichtungen hat sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen unterworfen. Zur Finanzierung des Immobilienerwerbs, der Kapitalanlagezwecken dienen sollte, schloss der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten Darlehensverträge.
Der Kläger wendet sich gegen die Vollstreckung durch die Beklagte aus der oben genannten notariellen Urkunde und begehrt von der Beklagten als Kreditgeberin Schadensersatz und Rückabwicklung der mit ihr abgeschlossenen Darlehensverträge. Er hat gegen die Beklagte bei dem Landgericht München I Klage erhoben und beantragt:
I. Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde vom 11.8.1993 wird für unzulässig erklärt.
II. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde vom 11.8.1993 bis zum Erlass des Urteils in dieser Sache einstweilen eingestellt.
III. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung der im Aufteilungsplan als Nr. 55 eingetragenen Eigentumswohnung
a) an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 28790,73 EUR nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
b) die Klagepartei von allen weiteren zu Gunsten der Beklagten für das Darlehen vom 27./29.7.1993 über 73196,93 EUR bestehenden Darlehensrückzahlungs- und Zinsverpflichtungen freizustellen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich in Annahmeverzug befindet.
Auf den Antrag II. hat das Landgericht München I mit Beschluss vom 24.7.2002.die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde vom 11.8.1993 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 73000 EUR durch die Klagepartei einstweilen bis zum Ende des Verfahrens erster Instanz eingestellt.
Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung beantragt, die Klage in allen Anträgen abzuweisen; die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I wurde von der Beklagten nicht gerügt.
In seiner Replik vom 16.10.2002 auf die Klageerwiderung hat der Kläger folgendes ausgeführt:
"Sollte das angerufene Gericht der Meinung sein, dass bezüglich der Klageanträge I. und II. das Landgericht Düsseldorf ausschließlich zuständig ist, so werden wir beantragen, die Sache zu trennen und - soweit die Anträge zu I. und II. betroffen sind - Verweisungsantrag an das Landgericht Düsseldorf stellen."
Mit Schriftsatz vom 17.10.2002 hat sich die Beklagte wie folgt geäußert:
"In dem Rechtsstreit wird die Klagepartei den Verweisungsantrag an das Landgericht Düsseldorf stellen. Wir stimmen dem zu und werden uns beim Landgericht Düsseldorf hinsichtlich aller Anträge wegen der Zuständigkeit rügelos einlassen."
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I am 22.10.2002 war für den Kläger niemand erschienen. Der Beklagtenvertreter beantragte die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Landgericht Düsseldorf. Daraufhin erklärte sich das Landgericht München I mit Beschluss vom 22.10.2002 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht Düsseldorf. Der Verweisungsbeschluss wurde nicht begründet.
Das Landgericht Düsseldorf hat sich mit Beschluss vom 27.11.2002 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht München vorgelegt, das sie zuständigkeitshalber an das Bayerische Oberste Landesgericht weitergeleitet hat.
II.
Zu bestimmen war das Landgericht München I. Die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dafür maßgebenden Voraussetzungen liegen vor.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO für die Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem - zuerst mit der Sache befassten - Landgericht München I und dem Landgericht Düsseldorf zuständig.
2. Beide Landgerichte haben sich nach Eintritt der Rechtshängigkeit im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt.
3. Örtlich zuständig ist nach §§ 12, 17, 797 Abs. 5 ZPO das Landgericht München I. Es hat seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint. Seinem Verweisungsbeschluss fehlt die Bindungswirkung.
a) Nach § 281 Abs. 2 Satz 2 und 4 ZPO ist ein Verweisungsbeschluss grundsätzlich unanfechtbar und für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten (Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 36 Rn. 28). Eine Bindung tritt aber ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzwidrig ist, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint, oder wenn sie auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (BGHZ 71, 69/72; 102, 338/341; BayObLGZ 1986, 285/287; 1991, 280/281 f.; Zöller/Greger § 281 Rn. 17, 17a).
b) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 22.10.2002 beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 16.10.2002 keinen Verweisungsantrag gestellt, sondern einen solchen lediglich für den Fall angekündigt, dass das Gericht eine bestimmte Rechtsauffassung vertreten werde. Außerdem hatte der Kläger einen etwaigen Verweisungsantrag auch nicht für den gesamten bei dem Landgericht München I anhängigen Rechtsstreit, sondern lediglich in Bezug auf die Klageanträge I. und II. angekündigt. Auch der Schriftsatz der Beklagten vom 17.10.2002, der im übrigen ausweislich der Akten vom Gericht dem Kläger nicht übermittelt wurde, geht von einem in Zukunft von dem Kläger noch zu stellenden Verweisungsantrag aus. In der mündlichen Verhandlung am 22.10.2002 hat lediglich die Beklagte die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Düsseldorf beantragt.
Bei dieser Sachlage war die Verweisung ohne den hierfür notwendigen Antrag des Klägers (vgl. § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO) für den Kläger nicht vorhersehbar. Das Gericht hätte daher den Kläger, um rechtliches Gehör zu gewähren, darauf hinweisen müssen, dass es entgegen dem Wortlaut der eingereichten Schriftsätze von einem bereits gestellten Verweisungsantrag ausgehe.
c) Das Landgericht München I ist für die Klage in vollem Umfang örtlich zuständig.
aa) Der Klageantrag Ziffer I. und der damit verbundene Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (Ziffer II.) ist nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen Vorbringen des Klägers darauf gerichtet, die Vollstreckbarkeit eines Anspruchs aus einer gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO notariell beurkundeten Unterwerfungserklärung zu beseitigen. Für materielle Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Titels ist die Klage nach § 767 ZPO zulässig (vgl. BGHZ 118, 229). Für diese Klage ist gemäß § 797 Abs. 5 ZPO das Gericht örtlich zuständig, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (Zöller/Herget § 767 Rn. 10; Zöller/Stöber § 797 Rn. 10). Gemäß § 802 ZPO handelt es sich um einen ausschließlichen Gerichtsstand. Eine Zuständigkeit des Gerichts des belegenen Grundstücks gemäß § 800 Abs. 3 ZPO ist nicht gegeben, da Gegenstand der streitgegenständlichen Urkunde vom 11.8.1993 nicht der dingliche Anspruch des Gläubigers einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld ist und sich der Kläger in dieser Urkunde nicht wegen eines solchen dinglichen Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat.
bb) Hinsichtlich der Klageanträge Ziffern III. und IV. ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I aus §§ 12, 17 ZPO, da die Beklagte im Bezirk des Landgerichts München I ihren allgemeinen Gerichtsstand hat.
Ende der Entscheidung
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