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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.04.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 29/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6 | |
ZPO § 36 Abs. 2 | |
ZPO § 35 |
Gründe:
I.
Die Klägerin, eine Spedition, hat am 3.9.2001 beim Amtsgericht Regensburg eine Klage eingereicht, mit der sie von der in Großbritannien ansässigen Beklagten Vergütung für Speditionsleistungen in Höhe von 4141,46 EUR nebst Zinsen verlangt. Sie trägt vor, die Beklagte habe sie mit dem Transport von Obstkonserven aus Mazedonien zum Sitz des Käufers im Amtsgerichtsbezirk Berlin-Tiergarten unter Zugrundelegung der Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen beauftragt. Nachdem die Klägerin entsprechend der Aufforderung des Amtsgerichts Regensburg eine neugefasste Klageschrift ohne Abkürzungen, die erforderliche Übersetzung der Klageschrift und einen Vorschuss in Höhe von DM 300,-- eingereicht hatte, wies der zuständige Richter darauf hin, dass im Hinblick auf die Regeln der CMR das Amtsgericht Regensburg nicht zuständig sei und fragte an, ob die Klage im Ausland zugestellt werden solle. Die Klägerin beantragte daraufhin, den Rechtsstreit an das örtlich und sachlich zuständige Amtsgericht zu verweisen. Weder dieser Antrag noch die Klage selbst wurden der Beklagten zugestellt. Dessen ungeachtet erklärte sich das Amtsgericht Regensburg mit Beschlüssen vom 5./19.2.2002 für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das für den Sitz des Lieferungsempfängers zuständige Amtsgericht Berlin-Tiergarten. Auch diese Entscheidung wurde der Beklagten nicht zugestellt. Ohne Anhörung der Parteien lehnte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten mit Beschluss vom 25.2.2002 die Übernahme des Verfahrens ab und ersuchte aufgrund Verfügung vom 18.3.2002 das Bayerische Oberste Landesgericht um Zuständigkeitsbestimmung.
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen den Amtsgerichten Regensburg und Berlin-Tiergarten berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Das gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zuerst mit der Sache befasste Amtsgericht Regensburg gehört zu einem bayerischen Oberlandesgerichtsbezirk.
2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor. Diese Vorschrift setzt rechtskräftige Unzuständigkeitserklärungen der beteiligten Gerichte voraus, die hier nicht vorliegen. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 5./19.2.2002 enthält zwar die erforderliche Unzuständigkeitserklärung, hat aber keine "Rechtskraft" im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO erlangt, weil er nicht der beklagten Partei bekannt gegeben worden ist. Der Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 25.2.2002 ist weder der Klägerin noch der Beklagten mitgeteilt worden. Bei diesem Beschluss handelt es sich daher lediglich um einen akteninternen Vorgang, der gegenüber den Parteien rechtlich nicht wirksam geworden ist. Aber auch der Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 5./19.2.2002, der nur einer Partei mitgeteilt worden ist, stellt noch keine "rechtskräftige" Unzuständigkeitserklärung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dar, weil er erst mit der letzten Mitteilung an die Verfahrensbeteiligten wirksam wird (BGH NJW-RR 1995, 641; BayObLGZ 1991, 280/281; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 36 Rn. 25 a.E. m.w.N.). im Hinblick darauf kann offen bleiben, ob die Unzuständigkeitserklärungen der beteiligten Gerichte nicht schon deshalb unwirksam sind, weil mangels Klagezustellung (§ 253 Abs. 1, § 263 Abs. 1 ZPO) noch kein "Rechtsstreit'" im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO anhängig ist, oder ob ausnahmsweise vom Erfordernis der Rechtshängigkeit abgesehen werden kann (vgl. Zöller/Vollkommer aaO Rn. 26 m.w.N.).
3. Zur Vermeidung weiteren Zuständigkeitsstreits weist der Senat auf folgendes hin:
a) Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 5./19.2.2002 hat schon deswegen keine Bindungswirkung entfaltet, weil er vor Klagezustellung, also vor Rechtshängigkeit der Streitsache, ergangen ist (vgl. Zöller/Greger § 281 Rn. 7 m.w.N.). Im übrigen könnte er auch deswegen keine Bindungswirkung entfalten, weil die Beklagte keine Gelegenheit erhielt, sich zu dem Verweisungsantrag der Klägerin zu äußern. Erhält wie hier die Gegenpartei von einem Verweisungsantrag vor Erlass des Verweisungsbeschlusses kein rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), so ist aus rechtsstaatlichen Gründen der Verweisungsbeschluss nicht als bindend anzusehen (vgl. BGH NJW-RR 1990, 718; BGHZ 102, 338/341; BayObLGZ 1993, 317/319; Zöller/Greger § 281 Rn. 17a m.w.N.).
b) Als für die Klage zuständiges Gericht kommen sowohl das Amtsgericht Berlin-Tiergarten als auch das Amtsgericht Regensburg in Betracht.
aa) Dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten ist insoweit zuzustimmen, als Art. 31 Abs. 1b Alternative 2 CMR allein einen Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bietet und im übrigen die örtliche und sachliche Zuständigkeit nach dem innerstaatlichen Recht des angerufenen Gerichts begründet sein muss (vgl. Koller Transportrecht 4. Aufl. CMR Art. 31 Rn. 6). Eine solche innerstaatliche Anknüpfung ist aber durch Art. 1a CMR Vertragsgesetz gegeben, nach dem auch das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk der für die Ablieferung des Gutes vorgesehene Ort - hier der im Amtsgerichtsbezirk Berlin-Tiergarten gelegene Sitz des Lieferungsempfängers - liegt.
bb) Da Art. 31 Abs. 1b Alternative 2 CMR nur die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vermittelt, kommt ein gemäß Art. 23 EuGVVO oder § 38 Abs. 1 ZPO vereinbarter Gerichtsstand in Betracht (vgl. Koller aaO). Nach dem maßgeblichen Vorbringen der Klägerin wurden dem Auftrag die ADSp zugrunde gelegt. Im Verkehr mit einem Spediteur gilt kraft stillschweigender Unterwerfung die Gerichtsstandsklausel gemäß ADSp Nr. 30.2 (vgl. Zöller/Vollkommer § 38 Rn; 22 m.w.N.), wonach sich der Gerichtsstand für alle Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Auftragsverhältnis entstehen, soweit - wie hier - Kaufleute daran beteiligt sind, nach dem Ort der Niederlassung des Spediteurs richtet, an die der Auftrag erteilt worden ist. Auch unter den Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. c EuGVVO könnte eine solche Gerichtsstandsvereinbarung ohne schriftliche Vereinbarung oder Bestätigung Vertragsinhalt geworden sein. Da nach der Behauptung der Klägerin der verfahrensgegenständliche Auftrag an ihrem Sitz erteilt worden ist, der sich im Amtsgerichtsbezirk Regensburg befindet, wäre danach auch beim Amtsgericht Regensburg ein Gerichtsstand begründet.
cc) Da mangels Klagezustellung (§ 253 Abs. 1 ZPO) Rechtshängigkeit noch nicht eingetreten ist (§ 261 Abs. 1 ZPO), hat die Klägerin ihr Wahlrecht unter mehreren Gerichtsständen gemäß § 35 ZPO noch nicht endgültig und unwiderruflich ausgeübt (vgl. Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 35 Rn. 2). Die Klägerin kann daher vor Rechtshängigkeit unter den in Betracht kommenden Gerichtsständen auswählen.
Die Akten sind an das vorlegende Amtsgericht Berlin-Tiergarten zurückzuleiten.
Ende der Entscheidung
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