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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 36/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6 | |
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4 | |
ZPO § 797 Abs. 5 | |
ZPO § 800 Abs. 3 |
Gründe:
I.
Die Klägerin hat bei der Beklagten Immobiliendarlehen aufgenommen und mit notariellen Urkunden vom 28.10.1997 und 16.10.1998 Grundschulden an zwei im Landgerichtsbezirk Passau belegenen Grundstücken zugunsten der Beklagten bestellt und sich wegen der Ansprüche aus diesen Grundschulden der sofortigen Zwangsvollstreckung in den bestehenden Grundbesitz in der Weise unterworfen, dass die Zwangsvollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundbesitzes zulässig sein soll; die Grundschulden und Unterwerfungen sind im Grundbuch eingetragen. Ferner hat sie in beiden Urkunden jeweils ein abstraktes Schuldversprechen abgegeben und sich insoweit der Zwangsvollstreckung auch in ihr sonstiges Vermögen unterworfen. Die Beklagte betreibt aus den Urkunden die Zwangsvollstreckung in das sonstige Vermögen der Klägerin. Mit ihrer beim Landgericht Passau erhobenen Vollstreckungsgegenklage begehrt die Klägerin, dass die Zwangsvollstreckung aus den Notarurkunden für unzulässig erklärt wird. Das Landgericht Passau hat sich nach Anhörung der Parteien unter Hinweis auf § 797 Abs. 5 ZPO für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21.12.2001 an das Landgericht Heilbronn verwiesen, in dessen Bezirk die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ihren Wohnsitz hatte. Das Landgericht Heilbronn hat mit Beschluss vom 20.3.2002 seine örtliche Zuständigkeit verneint, da nach § 800 Abs. 3 ZPO das Landgericht Passau ausschließlich örtlich zuständig und der Verweisungsbeschluss nicht bindend sei; es hat die Akten dem Oberlandesgericht München zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst mit der Sache befassten Landgericht Passau und dem Landgericht Heilbronn berufen (§ 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
2. Als örtlich zuständig ist das Landgericht Passau zu bestimmen.
a) Das Landgericht Passau ist für die Klage als Gericht, in dessen Bezirk die Grundstücke belegen sind, zuständig, da dort ein ausschließlicher dinglicher Gerichtsstand gemäß § 800 Abs. 3, § 802 ZPO begründet ist. Die vollstreckbaren Urkunden enthalten die Unterwerfung nach Maßgabe des § 800 Abs. 1 ZPO; deren Eintragung im Grundbuch ist erfolgt. Die erhobene Vollstreckungsgegenklage fällt unter die in § 797 Abs. 5 ZPO bezeichneten Arten von Klagen, auf die § 800 Abs. 3 ZPO Bezug nimmt. Sie bezieht sich nach Klageantrag und -begründung auf die Abwehr der in den Urkunden begründeten dinglichen wie persönlichen Schuld, denn die Klägerin wendet sich - ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte die Klägerin derzeit nur aus der persönlichen Haftung im Wege der Forderungspfändung in Anspruch nimmt - umfassend gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus den Urkunden schlechthin. In einem solchen Fall greift der dingliche Gerichtsstand des § 800 Abs. 3 ZPO für die gesamte Klage ein.
Letzteres ist allerdings nicht unbestritten. Nach einer in der Literatur vertretenen Meinung soll sich § 800 Abs. 3 ZPO nur auf Klagen beziehen, die die Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs zum Gegenstand haben, während es für Klagen, die sich gegen die Zwangsvollstreckung wegen des persönlichen Anspruchs richten, bei dem Gerichtsstand des Schuldnerwohnsitzes gemäß § 797 Abs. 5 ZPO verbleiben soll; der Schuldner könne auch bei identischen Einwendungen gegen die dingliche Schuld nur im dinglichen Gerichtsstand und gegen die persönliche Schuld nur im allgemeinen Schuldnergerichtsstand vorgehen (Wieczorek/Schütze/Paulus ZPO 3. Aufl. § 800 Rn. 13 ff.; MünchKommZPO/Wolfsteiner 2. Aufl. § 800 Rn. 42; Musielak/Lackmann ZPO 2. Aufl. § 800 Rn. 10). In Konsequenz dieser Meinung wäre hier die Vollstreckungsgegenklage in zwei Verfahren aufzuspalten; für die Teilklage gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs wäre das Landgericht Passau, für jene gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen des persönlichen Anspruchs das Landgericht Heilbronn zuständig.
Demgegenüber nimmt die überwiegende Meinung zu Recht jedenfalls dann, wenn die Klage - wie hier - zugleich den dinglichen und den persönlichen Anspruch betrifft, einen einheitlichen Gerichtsstand am Belegenheitsort nach § 800 Abs. 3 ZPO als der spezielleren Norm an (OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 1728; ebenso in der Tendenz - im Ergebnis offenlassend - KG OLGRspr 22, 371 und NJW-RR 1989, 1407; Stein/Jonas/Münzberg ZPO 21. Aufl. § 800 Rn. 8; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 800 Rn. 18; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 60. Aufl. § 800 Rn. 10; Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 800 Rn. 7). Diese Auffassung verdient den Vorzug. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber entgegen der mit der Ausschließlichkeit der Gerichtsstände (§ 802 ZPO) auch bezweckten Verfahrenskonzentration - die in derselben Urkunde begründeten und miteinander in innerem Zusammenhang stehenden dinglichen und persönlichen Ansprüche für die in § 797 Abs. 5, § 800 Abs. 3 ZPO bezeichneten Klagen verschiedenen ausschließlichen Gerichtsständen unterwerfen wollte. Ob etwas anderes dann zu gelten hat, wenn Gegenstand der Klage nur der persönliche Anspruch ist, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. - insoweit für die Anwendung des § 797 Abs. 5 ZPO - KG NJW-RR 1989, 1407; Stein/ionas/Münzberg aaO; Zöller/Vollkommer § 797 Rn. 10; differenzierend OLG Karlsruhe aaO).
b) Die Zuständigkeit des Landgerichts Heilbronn folgt auch nicht aus einer Bindung an den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Passau gemäß § 281 Abs. 2 Satz 5 (jetzt: Satz 4) ZPO. Diese Bindungswirkung gilt nicht, wenn die Verweisung auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn sie jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher willkürlich ist (vgl. BGH NJW 1993, 1273; BayObLGZ 1993, 317/319; Zöller/Greger § 281 Rn. 17, 17a). Letzteres wird unter anderem dann angenommen, wenn ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht den Rechtsstreit verweist, ohne die seine Zuständigkeit begründende Gesetzesnorm beachtet oder zur Kenntnis genommen zu haben, vorausgesetzt, diese Vorschrift ist seit geraumer Zeit in Kraft (BGH aaO; OLG Nürnberg NJW 1993, 3208).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Das Landgericht Passau hat die Verweisung mit § 797 Abs. 5 ZPO begründet, ohne auf die Vorschrift des § 800 Abs. 3 ZPO einzugehen, nach der es - unabhängig von dem oben dargestellten Meinungsstreit - jedenfalls für den Teil der Klage, der den dinglichen Anspruch betrifft, unzweifelhaft zuständig ist. Damit fehlt dem Verweisungsbeschluss insgesamt die Bindungswirkung; eine teilweise Aufrechterhaltung der Bindungswirkung insoweit, als die Klage den persönlichen Anspruch betrifft, kommt unter den hier gegebenen Umständen nicht in Betracht.
Ende der Entscheidung
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