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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.10.1999
Aktenzeichen: 1Z BR 122/99
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, KostO
Vorschriften:
FGG § 22 Abs. 2 | |
FGG § 34 Abs. 1 Satz 2 | |
FGG § 13a Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 418 | |
KostO § 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 |
BayObLG
Beschluß
07.10.1999
1Z BR 122/99 LG Landshut 60 T 608/99 AG Landshut XVI 31/98
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Gummer sowie der Richter Kenklies und Seifried am 7. Oktober 1999 in der Adoptionssache beschlossen:
Tenor:
I. Der Beschluß des Landgerichts Landshut vom 18. Mai 1999 wird aufgehoben.
II. Die Akten werden an das Amtsgericht Landshut - Vormundschaftsgericht - zurückgegeben.
I.
Der Beteiligte zu 1 ist der Vater des 1996 geborenen Beteiligten zu 2. Er hat seine Ehefrau, die Mutter des Beteiligten zu 2, getötet und ist deswegen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Für die Zeit des Vollzugs dieser Strafe ist das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt. Die Personensorge ist der Beteiligten zu 3, einer Schwester der verstorbenen Mutter, übertragen worden. Der Beteiligte zu 2 lebt seither bei der Beteiligten zu 3 und ihrem Ehemann, dem Beteiligten zu 4. Diese wollen das Kind adoptieren; sie haben die Adoption mit notarieller Urkunde vom 29. 9. 1998 beantragt.
Der Beteiligte zu 1 hat seine Einwilligung verweigert. Auf Antrag des durch die Beteiligte zu 3 vertretenen Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht sie durch Beschluß vom 29. 1. 1999 ersetzt und verfügt:
Beschlußausfertigungen, Protokollsabschriften und Berichte des Jugendamts an die Beteiligten.
Die in der Geschäftsstelle tätige Justizobersekretärin vermerkte hierzu mit Datum vom 4. 2. 1999:
An ... (die Beteiligten zu 3 und 4) je mit PZU; an ... (den Beteiligten zu 1) zugestellt in JVA jeweils mit Rechtsmittelbelehrung, ...
Nach der von einem Justizvollzugsbeamten unterzeichneten Zustellungsurkunde wurde am 5. 2. 1999 "der mit obigem Zustellungsersuchen übersandte verschlossene Umschlag dem Adressaten (dem Beteiligten zu 1) selbst übergeben" und der Tag der Zustellung auf dem Umschlag vermerkt.
Am 8. 3. 1999 ging folgendes Schreiben des Beteiligten zu 1 vom 3. 3. 1999 beim Vormundschaftsgericht ein:
Sie haben mir heute ein Schreiben vom Jugendamt zur Kenntnisnahme übersandt.
Aus diesem Schreiben ist zu entnehmen, daß das Amtsgericht mit Beschluß vom 4. 2. 99 die Einwilligung des leiblichen Vaters für die beantragte Adoption ersetzt hat. Mir ist dieser Beschluß nicht mitgeteilt worden. Können Sie mir bitte sagen, was hier läuft? Bitten leiten Sie dieses Schreiben an die zuständige Stelle weiter. Wenn das Amtsgericht jetzt dazu übergegangen ist, mir ihre Beschlüsse nicht mehr mitzuteilen, dann ersparen Sie sich zumindest vorübergehend die Bearbeitung eines Widerspruchs. Diese Vorgehensweise unterstreicht natürlich meine Vermutung, daß es beim Amtsgericht in meiner Angelegenheit nicht mit rechten Dingen zugeht. Ich ersuche Sie dringend, mir diesen Beschluß vom 4. 2. 1999, sofern es ihn überhaupt gibt, zuzusenden.
Der Richter vermerkte auf diesem Schreiben, es handle sich möglicherweise um ein Wiedereinsetzungsgesuch, und leitete die Akten dem Landgericht zu.
Das Landgericht teilte dem Beteiligten zu 1 mit zugestellter Verfügung vom 17. 3. 1999 mit, daß sein Schreiben vom 3. 3. 1999 als sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 29. 1. 1999 gewertet werde. Dieser sei ihm am 5. 2. 1999 zugestellt worden. Die zweiwöchige Beschwerdefrist sei nicht eingehalten. Soweit das Schreiben vom 3. 3. 1999 zugleich als Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist auszulegen sei, sei weder die Wiedereinsetzungsfrist noch die Form gewahrt, noch seien Tatsachen, welche eine Wiedereinsetzung begründeten, hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Das Gericht beabsichtige daher, den Antrag auf Wiedereinsetzung und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Innerhalb der vom Landgericht gesetzten Frist zur Stellungnahme erklärte der Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 25. 3. 1999:
Ihrer Verfügung vom 24. 3. 99 muß ich widersprechen. Ich habe den Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 4. 2. 1999, in der die Einwilligung des leiblichen Vaters ersetzt wurde, bis jetzt noch nicht erhalten. Gegen diesen unsinnigen Beschluß, dem ich mit jeder Faser meines Körpers widerspreche, werde ich mit Sicherheit Widerspruch einlegen, sofern er mir zugesandt wird und ich die Begründung dieses Beschlusses kenne. Mein Schreiben vom 3. 3. 99 ist keinesfalls als Widerspruch anzusehen. Ein Widerspruch von mir ist auch als solcher zu erkennen, er wahrt die Form und ist ausreichend begründet, auch wenn er manchmal emotional behaftet ist. Mittlerweile habe ich eine Protokollabschrift vom 17. 3. 1999 erhalten, aus der ich zu entnehmen vermag, daß ... (die Beteiligte zu 3) ihren Antrag zurücknimmt. Aber ungeachtet dessen, werde ich gegen diesen Beschluß vom 4. 2. 1999 Widerspruch einlegen, es sei denn, er wird als nichtig erklärt.
Mit weiterem Schreiben vom 11. 4. 1999 an das Amtsgericht stellte der Beteiligte zu 1 den Antrag, den Richter R. vom Amtsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Den Beschluß vom 29. 1. 99 für nichtig zu erklären.
Begründung:
Der Richter ist voll auf die Aussage der Familie ... und ihrer Freundin ... vom Jugendamt eingeschworen. Mit dem Beschluß vom 29. 1. 1999, in dem die Einwilligung des leiblichen Vaters durch den Richter R. vom Amtsgericht ersetzt wird, erweist er der Familie ... eine Gefälligkeit ... Der besagte Beschluß wurde mir bis jetzt immer noch nicht zugesandt. Zur fraglichen Zeit wurde mir nur eine Kopie vom Bericht des Jugendamtes durch das Amtsgericht zugestellt.
Das Landgericht holte eine dienstliche Stellungnahme des Justizvollzugsbeamten ein, der die Zustellung vom 5. 2. 1999 ausgeführt hatte; eine Abschrift dieser Stellungnahme erhielt der Beteiligte zu 1. Mit Schreiben vom 29. 4. 1999 erklärte er hierzu u.a.:
... Eine Zustellung wird von mir ja nicht bestritten. Ich bestreite nur, daß darin auch der Beschluß vom 29. 1. 1999 war. Mir wurde in der fraglichen Zeit nur eine Stellungnahme vom Jugendamt durch das Amtsgericht zugestellt ...
Das Landgericht holte weiter eine dienstliche Stellungnahme der Beamtin ein, die den Vermerk vom 4. 2. 1999 erstellt hatte. Auch diese gab es dem Beteiligten zu 1 zur Kenntnis mit der Mitteilung, daß der Beschwerdeführer bislang weder die Einhaltung der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen gemäß § 22 Abs. 2 FGG noch die eine etwaige Wiedereinsetzung tragenden Gründe trotz Fristsetzung mit Verfügung vom 17. 3. 1999 substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht hat.
Im übrigen bezieht sich der Beschwerdeführer stets auf einen Beschluß des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - vom 4. 2. 1999, den er nicht erhalten haben will. Der hier maßgebende Beschluß des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - über die Ersetzung der Einwilligung des Beschwerdeführers in die Adoption seines Sohnes ... trägt jedoch das Datum 29. 1. 1999 und wurde dem Beschwerdeführer ausweislich des Empfangsbekenntnisses der JVA ... vom 5. 2. 1999 am selben Tage ausgehändigt. Soweit der Beschwerdeführer nicht bestreitet, einen verschlossenen Briefumschlag am 5. 2. 1999 ausgehändigt erhalten zu haben, legt er nicht dar, welches andere Schriftstück sich in dem Briefumschlag befunden hat, bzw. sollte sich überhaupt kein Schriftstück darin befunden haben, weshalb er dies nicht sofort gerügt hat. Das Gericht beabsichtigt, die Beschwerde bereits aus formellen Gesichtspunkten zu verwerfen.
Der Ausführungsvermerk zu dieser - formlos mitgeteilten - Verfügung trägt das Datum des 12. 5. 1999. Der Beteiligte zu 1 erhielt sie gemäß seinem Schreiben vom 21. 5. 1999 am 17. 5. 1999. Er antwortete:
Wie ich mit meinem Schreiben vom 3. 3. 99 bereits dargelegt habe, habe ich erst an diesem Tag erfahren, daß es diesen Beschluß auf Ersetzung meiner Einwilligung überhaupt gibt. Das Datum, 4. 2. 1999 entnahm ich dem Schreiben vom Jugendamt, das mir am 3. 3. 99 vom Amtsgericht zugesandt wurde. Dieses Schreiben lege ich Ihnen leihweise bei, so daß zumindest einmal der Irrtum des Datums geklärt sein dürfte.
In meinem Schreiben an das LG vom 25. 3. 99 habe ich doch unmißverständlich dargelegt, daß ich gegen diesen Beschluß vom 29. 1. 1999 sofort Widerspruch einlegen werde, wenn ich die Begründung dieses Beschlusses kenne. Sie nennen es Einhaltung der Wiedereinsetzungsfrist gemäß § 22 Abs. 2 FGG. Ich bin kein Jurist und ich halte die angeblich nicht substantiiert dargelegten Gründe für Wortklauberei.
In meinem Schreiben an das Amtsgericht vom 11. 4. 99 habe ich bereits mitgeteilt, daß mir zur fraglichen Zeit nur eine Kopie vom Bericht des Jugendamts durch das Amtsgericht zugestellt wurde.
Genau die gleiche Mitteilung steht auch in meinem Schreiben vom 29. 4. 99 an das Landgericht Es handelte sich hier um eine Kopie vom Jugendamt, vom 28. 1. 1999. beim Amtsgericht am 29. 1. 1999 abgestempelt und mir wurde sie am 5. 2. 1999 zugestellt. ...
Das Landgericht hatte bereits vor dem Eingang dieses Schreibens (am 26. 5. 1999) mit Beschluß vom 18. 5. 1999 den Antrag des Beteiligten zu 1 vom 3. 3. 1999 auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist und die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 29. 1. 1999 verworfen. Es führte aus, es werte das Schreiben des Beteiligten zu 1 vom 3. 3. 1999 als sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 29. 1. 1999 und zugleich als Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe trotz richterlichen Hinweises weder die Einhaltung der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist dargelegt und glaubhaft gemacht noch die Tatsachen, welche eine Wiedereinsetzung begründen. Er genüge seiner Darlegungslast nicht, wenn er bestreite, daß in dem - unstreitig zugestellten - Briefumschlag auch der Beschluß vom 29. 1. 1999 enthalten gewesen sei. Er lege gerade nicht dar, ob und welches andere Schriftstück sich in dem Briefumschlag befunden habe bzw., sollte sich überhaupt kein Schriftstück darin befunden haben, weshalb er dies gegenüber der Anstaltsleitung nicht gerügt habe. Nach der dienstlichen Stellungnahme der Justizangestellten der Geschäftsstelle des Vormundschaftsgerichts bestünden im übrigen keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß versehentlich eine Ausfertigung des Beschlusses in dem Briefumschlag nicht eingelegt gewesen sei.
Nach diesen Ausführungen enthält der Beschluß eine Rechtsmittelbelehrung.
Der Beteiligte zu 1 hat mit einem von ihm verfaßten und unterzeichneten Schreiben vom 20. 6. 1999 an das Landgericht gegen den Beschluß vom 18. 5. 1999, ihm zugestellt am 14. 6. 1999, Beschwerde eingelegt.
Er wendet sich darin gegen die Annahme, daß er mit seinem Schreiben vom 3. 3. 1999 Widerspruch eingelegt habe. Er habe auch zu keiner Zeit einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Dies würde ja voraussetzen, daß er eine Beschwerdefrist versäumt hätte. Das sei nicht der Fall, denn ihm sei der Beschluß vom 29. 1. 1999 nicht zugestellt worden. Mit seinem Schreiben vom 25. 3. 1999 habe er ausdrücklich der Verfügung vom 17. 3. 1999 widersprochen und dargelegt, daß sein Schreiben vom 3. 3. 1999 keinesfalls als Widerspruch anzusehen sei. Bis jetzt sei ihm der Beschluß vom 29. 1. 1999 noch nicht zugesandt worden. Dafür habe ihm das Landgericht einen Beschluß über einen Antrag zugestellt den er niemals gestellt habe. Er ersuche zu entscheiden, daß der Beschluß vom 18. 5. 1999 aufgehoben und ihm endlich der Beschluß vom 29. 1. 1999 zugestellt werde.
II.
Als sofortige weitere Beschwerde wäre die Beschwerde des Beteiligten zu 1 unzulässig, da die vorgeschriebene Form - über die der Beteiligte zu 1 belehrt wurde - nicht eingehalten ist (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, § 21 Abs. 2 FGG).
Tatsächlich handelt sich aber nicht um eine weitere Beschwerde, sondern um eine Erstbeschwerde. Eine weitere Beschwerde setzt nämlich voraus, daß eine Erstbeschwerde vorausging. Es gibt jedoch keine Erstbeschwerde gegen den Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 29. 1. 1999. Das Landgericht hat eine Beschwerdeentscheidung erlassen, ohne daß dafür ein Verfahrensantrag vorgelegen hätte. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1, über die der Senat zu entscheiden hat, wendet sich gerade dagegen, daß das Landgericht über eine nicht vorliegende Beschwerde - und damit über einen ihm gar nicht angefallenen Gegenstand - entschieden hat. Der Beschluß des Landgerichts ist infolgedessen nicht nur mit den gesetzlich gegebenen Rechtsmitteln anfechtbar, sondern von vornherein gegenstandslos und damit nichtig. Er war daher - klarstellend - aufzuheben.
1. Eine Beschwerde liegt nur dann vor, wenn aus einem Schriftstück die Absicht, eine Entscheidung der Nachprüfung durch die höhere Instanz zu unterstellen, deutlich hervorgeht (BGH NJW 1987, 1204; Beschluß des Senats vom 22. 7. 1988 RReg. 1 a Z 5/88, Rpfleger 1988, 521). Bei der Auslegung prozessualer Willenserklärungen ist das Gericht der weiteren Beschwerde nicht an die Auffassung der Vorinstanz gebunden (BayObLG FamRZ 1996, 760/761; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 49).
Schon das Schreiben vom 3. 3. 1999 selbst enthält einen derartigen Willen nicht. Der Beteiligte zu 1 bittet lediglich um Zusendung des Beschlusses "vom 4. 2. 1999", mit dem seine Einwilligung in die Adoption seines Sohnes durch die Beteiligten zu 3 und 4 ersetzt worden sein soll. Von diesem habe er erst jetzt - durch Übersendung einer Stellungnahme des Jugendamts in einer anderen Sache - erfahren. Die Deutung, daß es sich hier möglicherweise um ein Wiedereinsetzungsgesuch - und eine Beschwerde gegen den Beschluß vom 29. 1. 1999 - handle, beruht nicht auf der Auslegung des Schreibens, sondern auf der Meinung, der Beteiligte zu 1 benötige für eine zulässige Beschwerde gegen den Beschluß vom 29. 1. 1999, der ihm am 5. 2. 1999 zugestellt worden sei, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diese Meinung war aber nicht die des Beteiligten zu 1; sie ist im Schreiben vom 3. 3. 1999 auch nicht ansatzweise zu finden. Die sinngemäße Wiedergabe des Inhalts dieses Schreibens in der Sachverhaltsdarstellung des landgerichtlichen Beschlusses, "er lege dagegen (gegen den Beschluß über die Ersetzung seiner Einwilligung in die Adoption) Widerspruch ein", findet in dem Schreiben selbst keine Stütze. Eine derartige Deutung war in jedem Falle durch die Antwort des Beteiligten zu 1 auf die Verfügung vom 17. 3. 1999 ausgeschlossen. In dieser Verfügung wird dem Beteiligten zu 1 die Deutung seines Schreibens vom 3. 3. 1999 als Beschwerde und Wiedereinsetzungsgesuch vorgeschlagen. Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seinem Schreiben vom 25. 3. 1999 ausdrücklich: "Mein Schreiben vom 3. 3. 99 ist keinesfalls als Widerspruch anzusehen. Ein Widerspruch von mir ist auch als solcher zu erkennen ...". Dies ist durchaus vereinbar damit, daß der Beteiligte zu 1 ankündigt, er werde "mit Sicherheit Widerspruch einlegen" gegen den Beschluß, "sofern er mir zugesandt wird und ich die Begründung dieses Beschlusses kenne". Zwischen der Einlegung eines "Widerspruchs" und der Ankündigung, "mit Sicherheit Widerspruch" einzulegen, hat der Beteiligte zu 1 deutlich und nachvollziehbar unterschieden; dieser Unterschied kann durch Auslegung nicht verwischt werden. Der ausdrücklich und eindeutig erklärte Wille des Beteiligten zu 1, sein Schreiben vom 3. 3. 1999 sei nicht als Beschwerde gegen den ihm noch gar nicht bekannten Beschluß zu verstehen, ist verbindlich. Über ihn hat sich das Landgericht mit seiner Wertung des Schreibens vom 3. 3. 1999 als sofortige Beschwerde gegen den Beschluß vom 29. 1. 1999 und zugleich als Antrag auf Wiedereinsetzung hinweggesetzt. Es kann dahinstehen, ob dies dann vertretbar wäre, wenn dadurch das Rechtsschutzziel des Beteiligten zu 1 erreicht würde. So liegt es hier aber gerade nicht; die vom Landgericht vorgenommene Auslegung führt im Gegenteil dazu, daß dem Beteiligten zu 1 die Möglichkeit der Beschwerdeeinlegung, von der er erst noch Gebrauch machen will, schon jetzt genommen wird.
2. Die Entscheidung über eine Beschwerde - und ein Wiedereinsetzungsgesuch - ist wirkungslos, wenn es an einer Beschwerdeeinlegung - und an einem Wiedereinsetzungsgesuch - fehlt (BayObLGZ 1965, 347; 1988, 259/260; KG Rpfleger 1982, 304; Keidel/Zimmermann § 7 Rn. 42a; Keidel/Kahl § 19 Rn. 114; Jansen FGG 2. Aufl. § 7 Rn. 22 und 23; vgl. auch Habscheid NJW 1966, 1787/1794 f.).
Diese Unwirksamkeit kann ohne vorherige förmliche Anfechtung oder Aufhebung jederzeit geltend gemacht werden. Eine unwirksame (nichtige) Verfügung wird auch nicht dadurch gültig, daß die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den zeitlichen Eintritt ihrer Wirksamkeit erfüllt sind (Jansen aaO Rn. 11). Trotzdem kann sie angefochten und zur Klarstellung auch aufgehoben werden (wie eine nur anfechtbare Entscheidung), weil der äußere Schein einer wirksamen Entscheidung vorliegt (BayObLGZ 1988, 259/260; KG aaO).
3. Für die "Anfechtung" einer unwirksamen Beschwerdeentscheidung können nicht die formellen Anforderungen gestellt werden, wie sie für die Anfechtung der entsprechenden wirksamen, nur anfechtbaren Beschwerdeentscheidung gelten. Daß die für eine (sofortige) weitere Beschwerde geltenden Formvorschriften hier nicht eingehalten sind, ist daher unschädlich. Dies folgt zum einen daraus, daß es sich der Sache nach nicht um eine weitere Beschwerde handeln kann, wenn der Beschwerdegrund gerade darin liegt, daß eine Erstbeschwerde fehlt und das Landgericht trotzdem eine Beschwerdeentscheidung erlassen hat (vgl. KG aaO). Zum andern muß dies daraus gefolgert werden, daß eine wirkungslose Entscheidung nicht durch Frist- oder Formversäumnisse Unanfechtbarkeit und Wirksamkeit erlangen kann wie eine nur anfechtbare Entscheidung (Jansen aaO Rn. 11).
4. Die Akten werden an das Vormundschaftsgericht zurückgeleitet, das über den allein vom Beteiligten zu 1 gestellten Antrag, ihm den Beschluß vom 29. 1. 1999 bekanntzumachen, selbst zu entscheiden hat.
Dieser Antrag wäre, selbst wenn bereits wirksam zugestellt worden wäre, jedenfalls nach § 34 Abs. 1 Satz 2 FGG begründet. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob der am 5. 2. 1999 zugestellte verschlossene Umschlag auch eine Ausfertigung des Beschlusses vom 29. 1. 1999 enthielt. Hierfür erbringt die Zustellungsurkunde des Justizvollzugsbeamten keinen Beweis. Der Erledigungsvermerk der Geschäftsstellenbeamtin ist keine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 ZPO (arg. § 211 Abs. 2 ZPO; Zöller/Stöber ZPO 21. Aufl. § 211 Rn. 5); er unterliegt also der freien Beweiswürdigung als ein Indiz für die Ausführung der richterlichen Verfügung, das aber durch andere Umstände entkräftet sein kann - hier dadurch, daß der verschlossene Umschlag nach der Verfügung des Richters drei verschiedene Schriftstücke enthalten mußte, so daß das Fehlen eines von ihnen vom Geschäftsstellenbeamten übersehen werden konnte und auch für den Empfänger anders als bei der Zustellung nur eines Schriftstückes nicht erkennbar war.
5. Gerichtskosten fallen nach § 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 KostO nicht an. Eine Erstattung von Kosten nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG kommt nicht in Betracht. Es bedurfte daher auch keiner Festsetzung des Gegenstandswerts der Beschwerde.
Ende der Entscheidung
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