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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 39/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2247 Abs. 1
Zur Formwirksamkeit eines eigenhändigen Testaments, bei dem die Unterschrift zu einem späteren Zeitpunkt unterhalb des ursprünglichen Textes, jedoch oberhalb einer weiteren Ergänzung angebracht wurde.
Gründe:

I.

Die Erblasserin ist im Jahr 2002 im Alter von 87 Jahren verstorben. Sie war verwitwet und kinderlos. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind ihre Neffen.

Mit notariellem Testament vom 9.12.1997 setzte die Erblasserin die beiden Beteiligten als Erben je zur Hälfte ein.

Ferner liegt ein eigenhändiges Testament der Erblasserin vor, das folgenden Wortlaut hat:

(Namenszug der Erblasserin)

Testament vom 17.09.1998.

Haupterbe meines Besitzes soll mein Neffe (Beteiligter zu 2) Sohn meines verstorbenen Bruders sein. Ich bevorzuge ihn weil er mit seiner Frau drei Kinder hat.

Bis zur Vollendung des 20. Lebensjahrs sollen die Eltern die Aufsicht über das geerbte Geld für ihre Kinder haben.

Meine Eigentumswohnung sollen zur Hälfte M. (Beteiligter zu 2), die andere Hälfte sein Bruder (Beteiligter zu 1) und A., zu gleichen Teilen erben.

Für die Auflösung meines Berliner Haushalts setze ich A. (durchgestrichen; eingefügt: M. (Bet. zu 2)) und B. ein.

Berlin, am 5.10.1999

(Namenszug der Erblasserin)

Die drei Kinder von M. (Bet. zu 2) sollen je 20000 DM = 60000 DM erben, die Verwaltung bis zum 21. Lebensjahr sollen die Eltern übernehmen.

Am Rand des Schriftstücks hat die Erblasserin am Ende des zweiten Satzes ein Kreuz angebracht. Ferner hat sie im letzten Satz vor dem Datum 5.10.1999 den Namen A. durchgestrichen und den Namen des Beteiligten zu 2 eingesetzt.

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus der Eigentumswohnung sowie aus Bankguthaben und Wertpapieren in Höhe von rund 130000 EURO.

Der Beteiligte zu 2 hat schriftsätzlich die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist. Er ist der Auffassung, die Erbfolge richte sich nach dem eigenhändigen Testament vom 17.9.98/5.10.99. Dieses sei formgültig, der Zusatz unter der Unterschrift stelle eine Ergänzung des darüber stehenden Textes dar. Die Erblasserin habe offensichtlich beim Durchlesen bemerkt, dass sie die Verfügung zugunsten der Kinder vergessen habe, und die entsprechende Stelle mit dem Kreuz am Rand gekennzeichnet. Die Erblasserin sei auch testierfähig gewesen. Es sei erst 2002 ein Betreuungsverfahren eingeleitet worden, bis dahin habe die Erblasserin allein in ihrer Wohnung in Berlin gelebt. Es sei deshalb ein Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweise.

Der Beteiligte zu 1 ist dem Antrag entgegengetreten. Er hält das eigenhändige Testament der Erblasserin für formunwirksam, da es nicht unterschrieben sei. Zudem sei die Erblasserin nicht mehr testierfähig gewesen. Maßgeblich für die Erbfolge sei das notarielle Testament vom 9.12.1997.

Mit Beschluss vom 12.8.2003 hat das Amtsgericht die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, der die Beteiligten zu 1 und 2 als Miterben je zur Hälfte ausweist. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 2 wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 1.3.2004 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 2 mit der weiteren Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die vom Beteiligten zu 2 erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Notizen der Erblasserin können als neue Tatsachen jedoch bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden (vgl. Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 45). Das Rechtsmittel ist auch begründet und führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, das notarielle Testament vom 9.12.1997 sei durch das später errichtete Testament vom 17.9.1998 und die handschriftliche Ergänzung vom 5.10.1999 nicht wirksam widerrufen worden, da weder das Testament vom 17.9.1998 noch die Ergänzung vom 5.10.1999 unterschrieben sei.

Die Unterschrift müsse als Abschluss der Urkunde am Schluss des Textes stehen, um diesen auch räumlich abzudecken; ein über dem Urkundentext stehender Namenszug sei keine Unterschrift. Auch durch die handschriftliche Ergänzung vom 5.10.1999 sei kein wirksames Testament, auch nicht etwa in zwei Teilzügen, errichtet worden.

Für die Wirksamkeit eines in Teilzügen errichteten Testaments komme es nur darauf an, dass am Ende alle Verfügungen des Erblassers der nötigen Form entsprächen, insbesondere unterschrieben seien. An Letzterem fehle es, da sich der Namenszug der Erblasserin oberhalb des nachfolgenden handschriftlichen Textes vom 5.10.1999 befinde und dieser nicht unterschrieben worden sei.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand. Zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, dass die Unterschrift grundsätzlich am Schluss des Textes stehen muss. Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Auffassung, die unter dem Datum 5.10.1999 angebrachte Unterschrift der Erblasserin sei nicht geeignet, die Urkunde zu einer formwirksamen letztwilligen Verfügung zu machen.

a) Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten (§ 2247 Abs. 1 BGB). Die zwingend erforderliche Unterschrift muss grundsätzlich am Schluss des Textes stehen; Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Identifikation des Erblassers zu ermöglichen, zu dokumentieren, dass der Erblasser sich zu dem über der Unterschrift befindlichen Text bekennt sowie den Urkundentext räumlich abzuschließen und damit vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen zu sichern (vgl. BayObLGZ 2003, 352/355 m.w.N.). Eine "Oberschrift" genügt daher grundsätzlich nicht (vgl. BGHZ 113, 48/51; BGH NJW 1992, 829/830; OLG Hamm, FamRZ 2002, 642/643). Der Namenszug der Erblasserin am rechten oberen Rand der Urkunde stellt deshalb keine Unterschrift im Sinne des § 2247 Abs. 1 BGB dar.

b) Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass ein Testament auch in mehreren Teilzügen errichtet werden kann. Nach allgemeiner Auffassung ist es ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile des Testaments einschließlich der Unterschrift niedergeschrieben werden (BayObLGZ 1984, 194/196 m.w.N.). Zwischen der Niederschrift dieser einzelnen Teile des Testaments können sehr lange Zeiträume liegen. Zur formgerechten Errichtung eines eigenhändigen Testaments kann der Erblasser daher auch das benutzen, was er zu einem anderen Zweck oder als früheres Testament - mag es für sich wirksam gewesen sein oder nicht - niedergeschrieben hat, um es durch eigenhändige Ergänzung so zu vollenden, dass es sein nunmehr gewolltes Testament darstellt.

Für die Formgültigkeit kommt es deshalb insoweit nur darauf an, dass im Zeitpunkt des Todes eine die gesamten Erklärungen nach dem Willen des Erblassers deckende Unterschrift vorhanden ist (BayObLGZ 1984, 194/197).

Die Erblasserin konnte somit den unter dem Datum 17.9.1998 geschriebenen Text durch nachträgliche Unterzeichnung zu einem formgültigen Testament vollenden, auch wenn diese erst über ein Jahr später erfolgt ist. Entscheidend ist allein, dass die Unterschrift nach dem Willen der Erblasserin Fortsetzung und Abschluss des bereits vorhandenen Textes sein sollte.

c) Die Entscheidung der Frage, ob im einzelnen Fall eine Unterschrift eine Erklärung deckt, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (BayObLGZ 1982, 131/133). Sie obliegt daher wie die Testamentsauslegung dem Gericht der Tatsacheninstanz. Dessen Würdigung ist für das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich bindend, sofern es den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (vgl. BayObLGZ 1997, 59/64, ständige Rechtsprechung).

Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Landgericht hat bei seiner Auslegung wesentliche Umstände, die sich sowohl aus dem äußeren Erscheinungsbild als auch aus dem Inhalt der Urkunde ergeben, nicht berücksichtigt.

Das Landgericht geht ersichtlich davon aus - ohne dies jedoch näher zu begründen -, dass der nach dem Datum 5.10.1999 stehende Name der Erblasserin nach deren Willen ausschließlich die Funktion einer "Oberschrift" zu dem nachfolgenden Text erfüllen, nicht jedoch einen Abschluss und eine Billigung des darüber stehenden Textes enthalten sollte. Die Annahme, bei dem nach dem Datum 5.10.1999 geschriebenen Text samt Namenszug handle es sich um eine von dem darüber stehenden Text unabhängige neue Verfügung, steht jedoch im Widerspruch zu Inhalt und Erscheinungsbild der Urkunde. Der unterhalb des Datums 17.9.1998 stehende Text füllt das Blatt vom Format von etwa DIN A 5 nahezu vollständig aus, am unteren Rand ist lediglich ein freier Raum von etwa 5 cm Höhe verblieben. Diesen hat die Erblasserin dazu benutzt, Ort und Datum anzugeben, ihren Namen zu schreiben und den drei Kindern des Beteiligten zu 2 Geldbeträge zuzuwenden. Schon die äußere Form legt deshalb nahe, dass es der Erblasserin ankam, einen Zusammenhang zwischen der letztwilligen Verfügung vom 17.9.1998 und der Ergänzung vom 5.10.1999 herzustellen.

Darüber hinaus besteht auch ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den beiden Textteilen: In dem unter dem 17.9.1998 verfassten Text hat die Erblasserin zwar angeordnet, dass bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres die Eltern die Aufsicht über das geerbte Geld für die Kinder haben sollen, jedoch keine Zuwendung zu Gunsten der Kinder des Beteiligten zu 2 vorgenommen. Es erscheint deshalb naheliegend, dass die Erblasserin bei erneuter Durchsicht diese Lücke erkannt hat und sie durch die Ergänzung ausfüllen wollte.

Zudem hat die Erblasserin in dem Testament vom 17.9.1998 eine Streichung und eine Einfügung vorgenommen an der Stelle, wo sie die für die Auflösung des Haushalts zuständigen Personen bestimmt hat. Auch das zeigt, dass sich die Erblasserin im Nachhinein nochmals mit dem Inhalt der letztwilligen Verfügung vom 17.9.1998 auseinandergesetzt und diese ihren geänderten Vorstellungen nachträglich angepasst hat.

Die gesamten Umstände sprechen deshalb dafür, dass die Erblasserin mit der unter dem Datum 5.10.1999 angebrachten Unterschrift die am 17.9.1998 begonnene letztwillige Verfügung vollenden wollte.

d) Der Umstand, dass die Erblasserin die unterhalb dieser Unterschrift niedergelegte Ergänzung nicht erneut unterschrieben hat (wofür auf dieser Seite auch kein Platz mehr vorhanden war), führt entgegen der - ebenfalls nicht näher begründeten - Auffassung des Landgerichts nicht dazu, dass die gesamten Verfügungen formunwirksam sind.

Änderungen und Ergänzungen des Testaments, die von der Unterschrift des Erblassers räumlich gesehen nicht gedeckt sind, müssen grundsätzlich der Form des § 2247 BGB genügen und daher vom Erblasser besonders unterzeichnet werden. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen in Betracht, wenn Zusätze zwar unter die Unterschrift gesetzt werden, der Bezug zu dem über der Unterschrift stehenden Text aber so eng ist, dass dieser erst mit dem Zusatz sinnvoll wird, z.B. wenn das Testament ohne die vorgenommenen Ergänzungen lückenhaft, unvollständig oder nicht durchführbar wäre und der wirkliche Wille des Erblassers nur aus beiden vom Erblasser niedergeschriebenen Erklärungen ersichtlich wird (BayObLGZ 2003, 352/355 m.w.N.).

Eine solche Ausnahme liegt hier vor: Die ursprüngliche Verfügung ist lückenhaft, da die Erblasserin dort zwar angeordnet hat, dass das "geerbte Geld" der Kinder von den Eltern verwaltet werden sollte, jedoch keine Bestimmung dazu getroffen hat, welche Beträge die Kinder erhalten sollten. Der oberhalb der Unterschrift befindliche Text wird erst durch die Ergänzung vervollständigt, zumal die Erblasserin die zu ergänzende Textstelle mit "x" gekennzeichnet hat. Das Testament vom 17.9.1998/5.10.1999 ist deshalb formgültig errichtet.

3. Es ist auch von der Testierfähigkeit der Erblasserin zur Zeit der Errichtung des Testaments auszugehen. Entsprechend dem Grundsatz, dass Störungen der Geistestätigkeit die Ausnahme bilden, ist ein Erblasser als testierfähig anzusehen, solange nicht die Testierunfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist (BayObLGZ 1982, 309/312, ständige Rechtsprechung). Zwar ist die Testierfähigkeit von Amts wegen zu klären (§§ 2358 Abs. 1 BGB, 12 FGG). Nähere Ermittlungen hierzu sind jedoch nur erforderlich, wenn ein berechtigter Anlass besteht, an der Testierfähigkeit des Erblassers zu zweifeln; die bloße Behauptung eines Beteiligten, der Erblasser sei nicht mehr testierfähig gewesen, reicht hierfür nicht aus (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1029).

So liegt der Fall hier: Konkrete Anhaltspunkte für eine Störung der Geistestätigkeit der Erblasserin - die noch bis 2002 allein in ihrer Wohnung in Berlin gelebt hat - bereits in den Jahren 1998 und 1999 hat der Beteiligte zu 1 nicht vorgetragen; er hat lediglich auf die ab 1998 zunehmende Vergesslichkeit der Erblasserin hingewiesen. Dieser Sachvortrag weist auf eine mögliche altersbedingte Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten der Erblasserin hin, nicht jedoch auf eine Einschränkung der freien Willensbildung. Zu weitergehenden Ermittlungen gibt er deshalb keinen Anlass.

4. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass das Testament vom 17.9.1998/5.10.1999 dahin auszulegen ist, dass der Beteiligte zu 2 zum Alleinerben eingesetzt ist. Bereits die Formulierung "Haupterbe meines Besitzes" spricht dafür, dass die Erblasserin ihre Rechtsposition durch den Beteiligten zu 2 fortgesetzt wissen wollte. Darüber hinaus wird ihm mit dem gesamten Barvermögen und der Hälfte der Eigentumswohnung der weit überwiegende Teil des Nachlasses zugewandt (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1242f.).

5. Durch das formwirksame Testament vom 17.9.1998/5.10.1999 ist das notarielle Testament vom 9.12.1997 widerrufen, § 2258 Abs. 1 BGB. Dem Beteiligten zu 2 wird daher der beantragte Erbschein als Alleinerbe zu erteilen sein. Die Sache wird an das Nachlassgericht zurückgegeben, das auf eine formgerechte Antragstellung hinzuwirken hat.

6. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Anordnung der Kostenerstattung ist nicht veranlasst, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Eine Geschäftswertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde unterbleibt, weil dieses nach der auch im Verfahren der weiteren Beschwerde geltenden Vorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO gebührenfrei ist.

Ende der Entscheidung

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