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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 59/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1943
BGB § 1944
BGB § 1945
BGB § 1953
BGB § 2197
1. Zur Frage der Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten im Falle einer Auskunftsklage gegen den Testamentsvollstrecker.

2. Grundsätzlich keine Ernennung des Alleinerben zum alleinigen Testamentsvollstrecker.


Gründe:

I.

Die am 28.9.2002 im Alter von 56 Jahren verstorbene Erblasserin war geschieden. Die in New York/USA lebende Beteiligte zu 1 ist ihr einziges Kind. Der Beteiligte zu 2 war der Lebensgefährte der Erblasserin.

Mit notariellem Testament vom 25.7.2001 hat die Erblasserin die Beteiligte zu 1 zur Alleinerbin eingesetzt. Dem Beteiligten zu 2 hat die Erblasserin in diesem Testament vermächtnisweise auf Lebenszeit den Nießbrauch an den gesamten zum Nachlass gehörenden Immobilien sowie ihr gesamtes Bargeld, Bankguthaben, Wertpapiere, ihr gesamtes bewegliches Vermögen sowie alle sonstigen Versicherungen und Rechte, soweit es sich nicht um Immobiliarvermögen handelt, zugewandt. Außerdem hat die Erblasserin Testamentsvollstreckung angeordnet und den Beteiligten zu 2 zum Testamentsvollstrecker ernannt. Für den Fall, dass die Beteiligte zu 1 ausschlagen und ihren Pflichtteil verlangen sollte, setzte die Erblasserin den Beteiligten zu 2 zum Ersatzerben ein.

Das Testament vom 25.7.2001 wurde am 18.10.2002 vom Nachlassgericht eröffnet. Da das Nachlassgericht von der Ladung Beteiligter abgesehen hatte, war zur Eröffnung niemand erschienen. Mit Verfügung vom 6.12.2002, ausgeführt am 3.1.2003, übersandte das Nachlassgericht eine beglaubigte Kopie des Testaments und der Eröffnungsniederschrift an die Beteiligte zu 1. Diese Unterlagen gingen der Beteiligten zu 1 am 21.1.2003 an ihrem Wohnsitz in New York/USA zu.

Am 23.1.2003 sprach die Beteiligte zu 1 bei dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in New York vor und erklärte, Einwendungen gegen die Gültigkeit der Ernennung der Person des Testamentsvollstreckers geltend machen zu wollen.

Der Beteiligte zu 2 beantragte am 28.1.2003 bei dem Nachlassgericht, gestützt auf das Testament vom 25.7.2001, die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Die Beteiligte zu 1 ist dem entgegengetreten. Sie trug mit Schriftsatz vom 26.3.2003 vor, der Beteiligte zu 2 gefährde ihre Vermögensinteressen, da er sich weigere, seiner Verpflichtung zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses nachzukommen. Sie erwäge, die Erbschaft auszuschlagen und ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen; Voraussetzung hierfür sei jedoch eine umfassende und genaue Information über den Nachlass.

Die Beteiligte zu 1 reichte am 25.6.2003 gegen den Beteiligten zu 2 bei dem Landgericht München I (Gz. 26 O 11808/03) Klage ein mit dem Antrag, ihr auf der Grundlage des § 2215 BGB umfassend Auskunft über den Nachlass der Erblasserin zu erteilen.

Am 15.7.2003 erklärte die Beteiligte zu 1 beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in New York in öffentlich beglaubigter Form die Ausschlagung der Erbschaft. Die von dem Generalkonsulat an das Nachlassgericht übersandte Ausschlagungserklärung ist dort am 21.7.2003 eingegangen.

Im Hinblick darauf, dass in dem wegen des Auskunftsverlangens durch die Beteiligte zu 1 bei dem Landgericht München I anhängigen Rechtsstreit 26 O 11808/03 die Rechtsansicht geäußert worden war, spätestens mit der Erhebung der Auskunftsklage sei eine konkludente Annahme der Erbschaft durch die Beteiligte zu 1 erfolgt, erklärte die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 9.10.2003, bei dem Nachlassgericht eingegangen am 22.10.2003, die Anfechtung einer eventuellen Erbschaftsannahme.

Mit Schriftsatz vom 12.1.2004 beantragte der Beteiligte zu 2 als Testamentsvollstrecker die Erteilung eines Erbscheins, demzufolge die Erblasserin von der Beteiligten zu 1 allein beerbt worden ist.

Das Nachlassgericht erteilte mit Beschluss vom 21.2.2004 einen Vorbescheid, in dem es die Erteilung eines Erbscheins und eines Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß den Anträgen des Beteiligten zu 2 vom 28.1.2003 und 12.1.2004 ankündigte. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 29.4.2004 den Beschluss des Nachlassgerichts vom 21.2.2004 aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachbehandlung an das Nachlassgericht zurückverwiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 2 mit seiner weiteren Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Beteiligte zu 1 habe form- und fristgerecht die Ausschlagung der Erbschaft erklärt. § 1943 BGB stehe der Wirksamkeit der Ausschlagung der Erbschaft nicht entgegen, da in der Erhebung der auf § 2215 BGB gestützten Klage keine konkludente Annahme der Erbschaft zu sehen sei. Zwar könne die Annahme durch schlüssiges Verhalten erfolgen, wenn dadurch gegenüber Dritten objektiv eindeutig zum Ausdruck gebracht werde, Erbe zu sein und die Erbschaft behalten zu wollen. Die Beteiligte zu 1 habe aber mit Schriftsatz vom 26.3.2003 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses deshalb geltend gemacht werde, weil sie erwäge, die Erbschaft auszuschlagen und ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Da der Schriftsatz vom 26.3.2003 auch dem Beteiligten zu 2 zur Kenntnis gebracht worden sei, habe diesem klar sein müssen, dass in der nachfolgenden Erhebung der Auskunftsklage nicht die Erklärung der Beteiligten zu 1 gelegen habe, sie betrachte sich endgültig als Erbin. Aber selbst dann, wenn in der Klageerhebung eine konkludente Annahme der Erbschaft zu erblicken sein sollte, sei diese Erbschaftsannahme von der Beteiligten zu 2 wirksam angefochten worden. Nach alledem habe die Beteiligte zu 1 die Erbschaft wirksam ausgeschlagen mit der Folge, dass der in dem notariellen Testament zum Ersatzerben eingesetzte Beteiligte zu 2 nun Alleinerbe sei. Als solcher könne er nicht Testamentsvollstrecker sein, da kein Fall des § 2223 BGB vorliege.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Das Landgericht hat seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt, dass der Anfall der Erbschaft an die Beteiligte zu 1 infolge wirksamer Ausschlagung der Erbschaft als nicht erfolgt gilt (§ 1953 Abs. 1 BGB).

aa) Die Beteiligte zu 1 hat die Ausschlagung formgerecht (§§ 1945, 129 BGB i.V.m. § 40 BeurkG, § 10 Abs. 1 und 2 KonsularG) erklärt.

Die Ausschlagungsfrist, die für die Beteiligte zu 1 mit Wohnsitz und Aufenthalt im Ausland sechs Monate beträgt (§ 1944 Abs. 3 BGB), ist gewahrt. Gemäß § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Ausschlagungsfrist grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft und von dem Grunde der Berufung zur Erbfolge Kenntnis erlangt. Bei Erbfolge aufgrund Verfügung von Todes wegen beginnt die Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB jedoch nicht vor der Verkündung der Verfügung, so dass es für den Fristbeginn ohne Bedeutung ist, ob die Beteiligte zu 1 zuvor auf andere Weise von dem Erbfall und dem Testament Kenntnis erlangt hatte. Als Verkündung einer Verfügung von Todes wegen im Sinne des § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB reicht die schlichte Eröffnung gemäß § 2260 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB, wenn der Erbe zu ihr nicht geladen wird, nicht aus (vgl. BGHZ 112, 229/234 ff.). Der Zweck der Verkündung im Sinne von § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB besteht darin, den Inhalt des Testaments den Beteiligten und insbesondere dem zur Erbfolge berufenen Erben in dessen Interesse amtlich kund zu machen. Diese Unterrichtungsfunktion kann ein bloßer Formalakt "Eröffnung" (Eröffnungsprotokoll, Vermerk auf dem Testament), wenn der Erbe zu ihm nicht hinzugezogen wird, für sich allein nicht erfüllen. Hinzu kommen muss vielmehr, dass der Erbe von der Eröffnung des Testaments Kenntnis erlangt. Eine derartige Kenntnis ist unverzichtbar, weil es sich bei der in § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB an die Verkündung geknüpften Rechtsfolge um einen erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung des Erben handelt, der ohne dessen Kenntnis kaum gerechtfertigt erschiene (BGHZ 112, 229/236). Dementsprechend hat die Ausschlagungsfrist erst mit dem Zugang der vom Nachlassgericht übersandten Kopie des Testaments und der Eröffnungsniederschrift an die Beteiligte zu 1 am 21.1.2003 zu laufen begonnen, so dass die Beteiligte zu 1 die Ausschlagung am 21.7.2003 rechtzeitig erklärt hat.

bb) Der Wirksamkeit der Ausschlagung steht hier nicht entgegen, dass gemäß § 1943 BGB die Ausschlagung der Erbschaft nach deren Annahme durch den Erben nicht mehr möglich ist. Zu Recht hat das Landgericht nämlich in der Erhebung der Auskunftsklage gegen den Beteiligten zu 2 keine Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten gesehen.

Die Annahme der Erbschaft ist - anders als die Ausschlagung und die Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung - an keine Form gebunden und nicht empfangsbedürftig; sie kann stillschweigend auch durch ein Verhalten erklärt werden, das gegenüber Dritten objektiv eindeutig zum Ausdruck bringt, Erbe zu sein und die Erbschaft behalten zu wollen (BayObLGZ 1983, 153/159; Palandt/Edenhofer BGB 63. Aufl. § 1943 Rn. 2; Soergel/Stein BGB 13. Aufl. § 1943 Rn. 2, 4 und 5; Staudinger/Otte BGB [2000] § 1943 Rn. 7 ff.; MünchKomm BGB/Leipold 3. Aufl. § 1943 Rn. 4 f.).

Wenn hier das Landgericht in dem von der Beteiligten zu 1 erhobenen Auskunftsklage keine objektive Annahmeerklärung erblickt hat, so ist dies eine dem Tatsachengericht vorbehaltene Würdigung der festgestellten Tatsachen. Diese tatsächliche Würdigung des Verhaltens der Beteiligten zu 1 kann im Verfahren der weiteren Beschwerde nur dahin nachgeprüft werden, ob das Tatsachengericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht, bei der Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner, ob Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (BayObLGZ 1983, 153/159; BayObLG FamRZ 1999, 1172/1173). Solche Rechtsfehler lässt die angefochtene Entscheidung nicht erkennen.

Ob eine schlüssige Erklärung der Annahme vorliegt, muss bei Wertung aller Umstände des Einzelfalls anhand des Verhaltens des möglichen Erben ermittelt werden. Das Landgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass die Beteiligte zu 1 bereits vor Erhebung der Auskunftsklage deutlich zum Ausdruck gebracht hat, sie erwäge, die Erbschaft auszuschlagen und ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Die Beteiligte zu 1 hat in diesem Zusammenhang ebenfalls vor Erhebung der Auskunftsklage darauf hingewiesen, dass sie für ihre Entscheidung über die Annahme der Erbschaft umfassende und genaue Informationen über den Nachlass benötige und sie ihre Vermögensinteressen ohne entsprechende Informationen durch den Beteiligten zu 2 als den testamentarisch eingesetzten Testamentsvollstrecker gefährdet sehe. Im Hinblick auf diesen zeitlichen Ablauf der Angelegenheit besteht kein Anlass zu Beanstandungen, wenn das Landgericht zu der Auffassung gelangt ist, durch die Erhebung der Auskunftsklage habe die Beteiligte zu 1 nicht zum Ausdruck gebracht, endgültig Erbe zu sein und die Erbschaft behalten zu wollen. Vielmehr hat die Beteiligte zu 1 mit der Erhebung der Auskunftsklage ihre Entscheidung über die Annahme der Erbschaft erst sachgerecht vorbereiten und auf eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage stellen wollen. Da somit von einer schlüssigen Annahme der Erbschaft nicht ausgegangen werden kann, bedarf die Frage, ob die für einen solchen Fall von der Beteiligten zu 1 erklärte Anfechtung der Erbschaftsannahme durchgriffe, keiner Erörterung.

b) Ebenfalls ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass nach wirksamer Ausschlagung der Erbschaft durch die Beteiligte zu 1 nunmehr nach dem Testament vom 25.7.2001 die Einsetzung des Beteiligten zu 2 zum Ersatzerben zum Tragen kommt und die Erblasserin von dem Beteiligten zu 2 allein beerbt worden ist.

Als Alleinerbe kann der Beteiligte zu 2 nicht zum alleinigen Testamentsvollstrecker ernannt werden, da das mit seiner freien Stellung als Erbe unvereinbar wäre. Mit der Ernennung zum alleinigen Testamentsvollstrecker erhielte der Alleinerbe nicht mehr Rechte und Pflichten, als er schon als Erbe besitzt (vgl. RGZ 163, 57/58; Soergel/Damrau § 2197 Rn. 10). Ein Fall des § 2223 BGB, in dem ausnahmsweise Testamentsvollstreckung auch durch den Alleinerben in Betracht kommen könnte (vgl. Soergel/ Damrau aaO; Palandt/Edenhofer § 2197 Rn. 8 und § 2223 Rn. 1), liegt nicht vor.

3. Im Hinblick auf die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge bedarf es keiner Entscheidung über die Gerichtskosten im Verfahren der weiteren Beschwerde. Die Erstattungsanordnung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

4. Die Festsetzung des Werts der weiteren Beschwerde (§ 131 Abs. 2, § 30 KostO) ist dem Senat derzeit nicht möglich, da zum Wert des Nachlasses bisher von den Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen wurden. Insoweit bleibt die Bewertung des Nachlasses - gegebenenfalls unter Verwertung der sich aus der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch die Beteiligte zu 1 ergebenden Erkenntnisse - zunächst dem Nachlassgericht vorbehalten.



Ende der Entscheidung

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