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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.09.2003
Aktenzeichen: 1Z BR 68/03
Rechtsgebiete: BeurkG, BNotO
Vorschriften:
BeurkG § 53 | |
BNotO § 15 |
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind Geschwister in ungeteilter Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehört ein Hausanwesen mit mehreren Wohnungen. Am 19.12.2002 beurkundete der Notar einen Erbauseinandersetzungsvertrag mit Auflassung. Anwesend waren die Beteiligten zu 1 und 2; der Beteiligte zu 1 handelte aufgrund privatschriftlich erteilter Vollmacht vom 12.12.2002 zugleich für die Beteiligte zu 3. Mit an das Grundbuchamt gerichtetem Schreiben vom 22.1.2003 erklärte die Beteiligte zu 3 die Vollmacht vom 12.12.2002, die sie unter Zwang unterschrieben habe, für unwirksam. Am 9.4.2003 suchte der Notar, der von vorerwähntem Schreiben keine Kenntnis hatte, die 75-jährige Beteiligte zu 3 zwecks Anerkennung der Unterschrift unter der Vollmacht in ihrer Wohnung auf. Die Beteiligte zu 3 bestätigte dem Notar die Echtheit ihrer Unterschrift. Sie erklärte ferner, sie habe an das Gericht geschrieben, dass die Vollmacht nicht mehr gelten solle, gab jedoch auf Nachfrage des Notars nach dem Grund hierfür keine Antwort. Erst auf eigene Nachforschungen hin erhielt der Notar Kenntnis vom Inhalt des beim Grundbuchamt eingegangenen Schreibens der Beteiligten zu 3.
Mit Vorbescheid vom 10.4.2003 lehnte der Notar den weiteren Vollzug der Urkunde wegen Anfechtung der durch die Beteiligte zu 3 erteilten Vollmacht ab. Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 hob das Landgericht den Vorbescheid auf und wies den Notar an, die Urkunde zu vollziehen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 3 mit ihrer durch Anwaltsschriftsatz eingelegten weiteren Beschwerde.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 15 Abs. 2 BNotO, §§ 27, 29 FGG). Sie hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die gerichtliche Überprüfung habe sich darauf zu beschränken, ob sich aus der Sicht des Notars eine zu beachtende klare Nichtigkeit des beurkundeten Vertrages ergebe. Dies sei zu verneinen. Die Beteiligte zu 3, die im Übrigen die Echtheit ihrer Unterschrift bestätigt habe, habe dem Notar bei dessen Besuch keine näheren Gründe für ihre Anfechtung angegeben. Auch aus ihrem Sachvortrag im Beschwerdeverfahren ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Zwangsausübung. Soweit sie außerdem vorbringe, sie halte die Vollmacht für eine Fälschung, da, als sie unterschrieben habe, zwischen ihrer Unterschrift und dem Text eine handbreit Platz gewesen sei, während jetzt die Unterschrift direkt unter dem Text stehe, ergebe die Sichtprüfung hierfür keinen Anhaltspunkt. Es bleibe der Beteiligten zu 3 unbenommen, ein Zivilverfahren anzustrengen, um ihre Behauptungen zu beweisen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Zutreffend ist das Landgericht von der Zulässigkeit der Erstbeschwerden ausgegangen. Durch die Aussetzung des Urkundsvollzugs war neben dem Beteiligten zu 1, an den der Vorbescheid gerichtet ist, auch die Beteiligte zu 2 in ihren Rechten beeinträchtigt; auch deren Beschwerdeberechtigung hat das Landgericht daher zu Recht bejaht. Beteiligte des Verfahrens sind die Parteien des notariellen Vertrages, nicht dagegen der Notar, dessen Bescheid im Beschwerdeverfahren nach § 15 BNotO die Wirkung einer erstinstanziellen Entscheidung hat (vgl. BayObLGZ 1998, 6/8; Schippel/Reithmann BNotO 7. Aufl. § 15 Rn. 72 f.).
b) Gerichtliche Entscheidungen nach § 15 BNotO haben ausschließlich darüber zu befinden, ob der Notar seine Urkundstätigkeit, wozu auch das anschließende Vollzugsverfahren gehört, pflichtwidrig verweigert. Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat das Landgericht seiner Prüfung zugrunde gelegt. Seine Würdigung, dass der Notar unter den hier gegebenen Umständen den Vollzug der Urkunde nicht verweigern darf, ist nicht zu beanstanden.
aa) Nach § 53 BeurkG hat der Notar die Urkunde mit Vollzugsreife beim Grundbuchamt einzureichen, es sei denn, dass alle Beteiligten etwas anderes verlangen. Ist Vollzugsreife gegeben, darf der Notar die Einreichung nicht schon dann unterlassen, wenn nur einer der Beteiligten den Vollzugsantrag widerruft oder sonst Weisung zur Nichteinreichung gibt. Nur in Ausnahmefällen und unter ganz besonderen Umständen kann der Notar berechtigt sein, auf einseitige Weisung nur eines von mehreren Beteiligten seine Vollzugstätigkeit aufzuschieben. Ein solcher Sachverhalt kann angenommen werden, wenn der Beteiligte dem Notar einen ausreichend substantiierten und glaubhaften Sachverhalt vorträgt, der einen Anfechtungs- oder Unwirksamkeitsgrund des Vertrages als naheliegend und offensichtlich gegeben erscheinen lässt, und die anderen Beteiligten dagegen keine durchgreifenden Einwendungen vorbringen können. Eine Weigerung des Notars kann ferner berechtigt sein, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass durch den Vollzug der Urkunde das Grundbuch unrichtig werden würde (vgl. BayObLG 1998, 6/9; BayObLG DNotZ 1998, 648/650; OLG Köln OLGZ 1990, 397/401; OLG Hamm OLGZ 1994, 495/497 f.; OLG Frankfurt DNotZ 1998, 196/199 f.; Winkler BeurkG 15. Aufl. § 53 Rn. 24 ff., 34 ff. m.w.N.).
bb) Gemessen an diesen Grundsätzen darf der Notar die weitere Vollzugstätigkeit hier nicht verweigern. Ein übereinstimmendes Verlangen der Vertragsparteien, den Vollzug der Urkunde auszusetzen, liegt nicht vor. Was das einseitige Vorbringen der Beteiligten zu 3 anbelangt, so ist schon zweifelhaft, ob ihre Behauptung, sie sei von den übrigen Beteiligten und anderen Personen zur Unterschrift gedrängt worden, einen zur Anfechtung berechtigenden Grund im Sinne des § 123 BGB darstellt. Das Vorbringen ist im Übrigen substantiiert bestritten; für das Gegenteil ist Zeugenbeweis angeboten. Das gilt auch für das weitere Vorbringen, der Text der Vollmacht sei nachträglich ergänzt worden. Ferner gibt es Ungereimtheiten im Verhalten der Beteiligten zu 3. Warum die Beteiligte zu 3 dem Notar auch auf ausdrückliche Nachfrage den gegenüber dem Grundbuchamt geltend gemachten Anfechtungsgrund nicht genannt hat, ist ebenso unerklärlich wie der Umstand, dass sie dem Notar die Echtheit ihrer Unterschrift auf der Vollmacht bestätigt, ohne ihn zugleich auf ihren schon damals bestehenden Verdacht, der Text der Vollmacht sei nach Unterschriftsleistung ohne ihr Wissen ergänzt worden, aufmerksam zu machen. Bei dieser Sachlage ist es zwar nicht auszuschließen, aber keineswegs naheliegend, dass die geltend gemachte Anfechtung oder sonst ein Unwirksamkeitsgrund durchgreift. Da nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Notars im Übrigen Vollzugsreife vorliegt, hat der Notar seine Vollzugstätigkeit fortzusetzen.
cc) Ohne Erfolg bleibt die Rüge der weiteren Beschwerde, das Landgericht hätte weitere Ermittlungen veranlassen müssen. Dies war im Hinblick auf den Prüfungsgegenstand des Verfahrens nach § 15 BNotO, in dem allein über die Pflichtwidrigkeit der Handlungsweise des Notars zu befinden ist, nicht geboten. Es ist grundsätzlich nicht Sache des Notars, einseitig geltend gemachte Anfechtungs- oder Unwirksamkeitsgründe zu prüfen. Beruft sich eine Vertragspartei auf die Unwirksamkeit der von ihr abgegebenen Willenserklärung, hat sie eine der Urkunde entgegenstehende Rechtslage im Prozesswege geltend zu machen; zur Verhinderung des Vollzugs der Urkunde kann gegebenenfalls einstweiliger Rechtsschutz durch die Gerichte der streitigen Zivilgerichtsbarkeit in Anspruch genommen werden (vgl. BayObLG DNotZ 1998, 648/650; OLG Köln OLGZ 1990, 379/401; OLG Frankfurt DNotZ 1998, 196/200).
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da sich aus der Kostenordnung ergibt, wer die Gerichtskosten zu tragen hat. Die Anordnung einer Kostenerstattung (§ 13a Abs. 1 Satz 2 FGG) konnte unterbleiben, da die Beteiligten zu 1 und 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht hervorgetreten sind. Als Anhaltspunkt für das mit der weiteren Beschwerde verfolgte Interesse der Beteiligten zu 3, den Vollzug der Urkunde zu verhindern, kann der Wert des für die Eigentumsübertragung vom Beteiligten zu 1 an die Beteiligte zu 2 zu zahlenden Kaufpreises in Höhe von 20.000 EUR dienen. Demgemäß setzt der Senat den Geschäftswert der weiteren Beschwerde auf 20.000 EUR fest (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO).
Ende der Entscheidung
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